Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.05.2019, Az.: 12 ME 71/19

Anlassbezogenheit; Einzelfallbetrachtung; Fahreignung; Fahreignungsregister; Gutachten, medizinisch-psychologisches; Gutachtenanforderung; medizinisch-psychologisches Gutachten; Tilgungsfrist; Trunkenheitsfahrt; Verhältnismäßigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.05.2019
Aktenzeichen
12 ME 71/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70103
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.03.2019 - AZ: 1 B 7/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV durch eine nach den Vorschriften über das Fahreignungsregister verwertbare Tat erfüllt, liegen in der Regel schon deshalb Tatsachen im Sinne der §§ 2 Abs. 8 StVG, 46 Abs. 3 FeV vor, die Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen begründen. Es ist dann kein Raum mehr für eine Einzelfallbetrachtung.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 15. März 2019 wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1971 geborene Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass es die Vorinstanz abgelehnt hat, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die von dem Antragsgegner angeordnete sofortige Vollziehung des Bescheides vom 5. Februar 2019 zu gewähren. Durch diesen Bescheid entzog ihm der Antragsgegner die Fahrerlaubnis unter anderem der Klasse CE, weil er ihn für nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen hielt. Auf diese Nichteignung schloss der Antragsgegner aus dem Umstand, dass der Antragsteller ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht fristgerecht beibrachte, welches er ihm vorzulegen aufgegeben hatte, nachdem er aus Anlass eines Umschreibungsantrags des Antragstellers erstmalig im März 2018 von dessen durch Strafbefehl geahndeter Trunkenheitsfahrt vom 17. Dezember 2008 erfahren hatte. An diesem letztgenannten Tage hatte der Antragsteller mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 2,98 ‰ im Straßenverkehr ein Fahrrad geführt.

Das Verwaltungsgericht hat seine ablehnende Entscheidung im Wesentlichen begründet wie folgt: Die Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid voraussichtlich rechtmäßig sei. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfe die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Sie dürfe auf seine Nichteignung schließen, wenn er ein von ihr gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringe (§§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss auf eine Nichteignung des Betroffenen sei allerdings nur dann zulässig, wenn – wie im vorliegenden Falle – die vorherige Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig, gewesen sei und für die Weigerung, das Gutachten beizubringen, kein ausreichender Grund bestanden habe. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens, die hier nicht in das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde gestellt, sondern bindend vorgegeben gewesen sei, sei zur Abklärung der durch die Trunkenheitsfahrt des Antragstellers begründeten Zweifel an seiner Fahreignung erforderlich gewesen. Die §§ 46 Abs. 3, 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV sähen eine solche Anforderung vor, wenn – wie hier am 17. Dezember 2008 durch den Antragsteller – ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr geführt worden sei. Fahrzeug in diesem Sinne könne auch ein Fahrrad sein. Nach der Wertung des Verordnungsgebers begründe die Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad bei Vorliegen einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 ‰ Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen. Dies beruhe darauf, dass nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 ‰ auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hindeute. Bei einem Fahrerlaubnisinhaber, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteilige und damit eine Verkehrsstraftat nach § 316 StGB begehe, sei in der Regel bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, dass er in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen werde, vom Führen eines Kraftfahrzeuges abzusehen. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand lasse regelmäßig den Schluss zu, dass der Betreffende auch künftig, und zwar auch mit einem Kraftfahrzeug, betrunken am Straßenverkehr teilnehmen könnte.
Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf die seit seiner Trunkenheitsfahrt vom 17. Dezember 2008 verstrichene Zeit berufen, in der er [nach seinem Vorbringen] unfallfrei und ohne andere Auffälligkeiten am Straßenverkehr teilgenommen habe. Denn die nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB strafbare Trunkenheitsfahrt und der darauf gegen ihn ergangene rechtskräftige Strafbefehl seien zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Beibringungssaufforderung [vom 24. April 2018] im Fahreignungsregister noch nicht getilgt und damit noch verwertbar gewesen. Die zehnjährige Tilgungsfrist sei vor dem Hintergrund der bei alkoholauffällig gewordenen Verkehrsteilnehmern bestehenden Rückfallgefahren nicht zu beanstanden. Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen würden Fahrer mit einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 ‰ doppelt so häufig rückfällig wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen. Nicht an Alkohol gewöhnte Personen seien mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ nicht in der Lage, ihr Fahrzeug aufzufinden, es in Gang zu setzen und es über eine gewisse Strecke zu bewegen. Dies gelte besonders bei einem Fahrrad, dessen Gebrauch besondere Anforderungen an den Gleichgewichtssinn stelle. Der in diesem Sinne zu verstehende Alkoholmissbrauch setze eine Phase der Alkoholgewöhnung voraus, also ein länger andauerndes Trinkverhalten. Ob dieses Verhalten auch noch aktuell vorhanden sei, bedürfe der Aufklärung. Der Zeitablauf allein gebe dafür noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Es begegne grundsätzlich keinen Bedenken, dem Betroffenen ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten bis zum Ablauf der [sich aus den] Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen [ergebenden Fristen] entgegenzuhalten; dies werde nicht allein wegen Zeitablaufs unverhältnismäßig. Dem Umstand, dass der Antragsgegner – mangels Kenntnis von der Trunkenheitsfahrt und dem Erlass eines rechtskräftig gewordenen Strafbefehls – nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt tätig geworden sei, komme vor diesem Hintergrund keine entscheidende Bedeutung zu. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf etwaige Vertrauensschutzgesichtspunkte nach Treu und Glauben, auf Verwirkung oder auf die Erfüllung eines „Zufallstatbestandes“ in Gestalt der Stellung des Umschreibungsantrags „nur wenige Monate“ vor Eintritt der Tilgungswirkung berufen. Es liege hier auch ein besonderes Vollzugsinteresse vor. Die von einem – voraussichtlich zu Recht – als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet angesehenen Fahrerlaubnisinhaber ausgehenden Gefahren für den Straßenverkehr seien zu groß, als dass sie im Interesse seiner erleichterten und erweiterten Teilnahme am Straßenverkehr vorläufig hingenommen werden könnten. Angesichts der Gefahren für die Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr, die von einem Kraftfahrer ausgingen, der sich voraussichtlich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, müssten dessen berufliche und privaten Belange zurückstehen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 15. März 2019 ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, weil es an einem der Erfordernisse nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mangelt. Nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wie dem vorliegenden (§ 80 VwGO) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung muss sich unter anderem mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 146 Rn. 31). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a). Je intensiver diese Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Beschwerdeführer die sie tragende Argumentation entkräften. Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und – soweit möglich – deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 -, ZNER 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56, und Beschl. v. 10. 2. 2014 - 7 ME 105/13 -, juris, Rn. 26). Hieraus folgt, dass es regelmäßig – und so auch hier – nicht genügt, wenn er lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen inhaltlich unverändert wiederholt (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 146 Rn. 31).

Die hier innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingereichte Begründung der Beschwerde wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Der Antragsteller wiederholt seinen Vortrag, er sei seit dem Jahr 2009 mindestens 300.000 km ohne einen Unfall oder andere Auffälligkeiten gefahren, und legt ihm unter verschiedenen Gesichtspunkten Bedeutung bei (Verneinung eines zureichenden Anlasses für die Anordnung seiner Begutachtung, unrichtige Prognose weiterer Trunkenheitsfahrten, fehlende Verhältnismäßigkeit der Entziehungsverfügung, unzutreffende Schlussfolgerungen über Trinkgewohnheiten, die aus einer Alkoholfahrt mit 1,6 ‰ Blutalkoholgehalt oder mehr gezogen werden könnten). Er meint, es wäre im Hinblick darauf eine Einzelfallbetrachtung erforderlich gewesen und die Vorinstanz hätte hierbei auch den Umstand berücksichtigen müssen, dass die Eintragung seiner Bestrafung wegen der Alkoholfahrt in dem Fahreignungsregister bald Tilgungsreife erlangt haben würde.

Das Verwaltungsgericht hat jedoch in den oben unter I. verkürzt wiedergegebenen Gründen des angefochtenen Beschlusses bereits eingehend ausgeführt, warum dieser Vortrag rechtlich unerheblich ist. Der Antragssteller geht in seiner Beschwerdebegründung nicht hinreichend von der Struktur dieser Gründe der gerichtlichen Entscheidung aus und stellt ihren tragenden Elementen auch keine geeigneten Gegenargumente gegenüber. Vielmehr beharrt er in zweiter Instanz lediglich auf seinem gegenteiligen, unrichtigen erstinstanzlichen Standpunkt.

Zwar kann es Ausnahmefälle geben, in denen kein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, obwohl die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV dem Wortlaut nach vorliegen. Dies gilt etwa dann, wenn die Fahrerlaubnisbehörde an einer Überprüfung der Kraftfahreignung des Betroffenen aus Anlass seiner Trunkenheitsfahrt rechtlich gehindert ist, weil seine Eignung bereits bindend strafgerichtlich bejaht wurde (§ 3 Abs. 4 StVG), oder wenn der Behörde ein zureichendes Beweismittel, namentlich ein die Fahrt schlüssig würdigendes medizinisch-psychologisches Gutachten, bereits zur Verfügung steht. In der Regel liegen aber, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV durch eine nach den Vorschriften über das Fahreignungsregister verwertbare Tat erfüllt sind, schon deshalb Tatsachen im Sinne der §§ 2 Abs. 8 StVG, 46 Abs. 3 FeV vor, die Zweifel an der genannten Eignung begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.5.2008 - BVerwG 3 C 32.07 -, BVerwGE 131, 163 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 10 [am Ende]). Es ist dann kein Raum mehr für eine Einzelfallbetrachtung (a. A. Thür. OVG, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 EO 135/12 -, VRS 123, 183 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 12, und VG Neustadt a. d. Weinstr., Beschl. v. 16.3.2006 - 3 L 357/06.NW -, ZfSch 2006, 358 ff.), die im Hinblick auf besondere Umstände, die in der Person des Betroffenen liegen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 29.9.1999 - 19 B 1629/99 -, ZfSch 2000, 272 f., hier zitiert nach juris, Rnrn. 2 und 3), wegen Zeitablaufs (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 1.9.2014 - 1 M 89/14 -, NJW 2015, 363 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 10 ff.) oder infolge langjähriger Unauffälligkeit im Straßenverkehr und nun nicht mehr ferner Tilgungsreife der Trunkenheitsfahrt zur Verneinung der Anlassbezogenheit oder Verhältnismäßigkeit der Gutachtenanforderung führen könnte. Denn der Zeitablauf besagt nichts über eine Änderung der durch eine Trunkenheitsfahrt mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 ‰ oder mehr belegten problematischen Trinkgewohnheiten, die Dunkelziffer bei Trunkenheitsfahrten ist hoch und eine Relativierung der Verwertbarkeit der begangenen Trunkenheitsfahrt im Hinblick auf eine lediglich bevorstehende, aber noch nicht eingetretene Tilgungsreife verbietet sich, weil das auf die Bejahung einer Bewährung im Sinne der Verkehrssicherheit hinausliefe, die der Gesetzgeber – ausweislich der Versagung der Tilgung (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 29 StVG Rn. 20) – nicht anerkennen will (vgl. Nds. OVG, Beschl. 11.4.2018 - 12 PA 8/18 -, S. 5 f. des Abdrucks, – zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d] FeV). Die Fälle des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV sind hiernach – weil und soweit, ohne Ermessen einzuräumen, an eine Tat angeknüpft wird, die zu einer Eintragung in das Fahreignungsregister geführt hat – in Ansehung der Bedeutung verstrichener Zeit für die Beurteilung der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit einer Gutachtenanforderung mit denjenigen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV zu parallelisieren (vgl. BVerwG Urt. v. 9.6.2005 - BVerwG 3 C 21.04 -, NJW 2005, 3440 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 24, 25 und 33) und nicht mit denjenigen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 - BVerwG 3 C 25.04 -, NJW 2005, 3081 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 21 ff.).

Davon abgesehen indiziert schon das Erreichen einer Blutalkoholkonzentration von um die 2,0 ‰ eine Toleranzbildung, die eines von mehreren Kriterien der Alkoholabhängigkeit ist (Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan [Hrsg.], Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, zu Kapitel 3.11.2, S. 160, unter 2.1.4), und spricht eine Blutalkoholkonzentration von 3,0 ‰, der sich der Antragsteller am 17. Dezember 2008 zumindest ganz erheblich angenähert hatte, mit großer Sicherheit für eine Alkoholabhängigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 27.3.2017 - 11 CS 17.420 -, juris, Rn. 16, m. w. N.). Dies verdeutlicht, dass gerade im vorliegenden Einzelfall das aktuelle Ausmaß der möglichen Alkoholproblematik des Antragstellers und des von ihr ausgehenden Gefährdungspotentials nicht offenbleiben kann. Es lässt sich nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten sogleich zuverlässig, umfassend und abschließend klären (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 1.4.2019 - 12 ME 58/19 -, S. 5 des Abdrucks; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 17.8.2012 - 10 A 10284/12 -, NJW 2012, 3388 f., hier zitiert nach juris, Rn. 28). Bei dieser Art der Untersuchung können nämlich nicht allein die Umstände der in der Vergangenheit bereits zu verzeichnenden Trunkenheitsfahrt des Betroffenen, sein Trinkverhalten (anhand von Vorgeschichte und Entwicklung) sowie sein Persönlichkeitsbild näher beleuchtet werden, um zu bewerten, ob für die Zukunft die Gefahr einer weiteren Trunkenheitsfahrt besteht. Sondern es kann auch eine gutachterliche Bewertung des Änderungsprozesses erfolgen, wenn von dem Betroffenen eine Änderung seines Trinkverhaltens zu fordern war oder ist.

War aber die Gutachtenanforderung rechtens, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig, so gilt dies hier ohne weiteres auch für die Entziehung der Fahrerlaubnis, die an den aus der mangelnden Befolgung dieser Beibringungsanordnung gezogenen Schluss auf eine fehlende Kraftfahreignung anknüpft.

Vor dem Hintergrund der nach alledem berechtigten Befürchtung, dass der Antragsteller mit der Verweigerung seiner Begutachtung einen fortdauernden Alkoholmissbrauch oder sogar eine Alkoholabhängigkeit verbirgt, bedarf es keiner weiteren Erläuterung, dass seine beruflichen Nachteile, auf die er auch in dem Beschwerdeverfahren hinweist, es nicht rechtfertigen, ihn vorläufig weiter als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an den Vorschlägen unter den Nrn. 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).