Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.05.2019, Az.: 13 ME 136/19

Beschwerde; Beschwerdebegründungsfrist; Empfangsbekenntnis; Heilung; tatsächlicher Zugang; vorläufiger Rechtsschutz; Zustellung; Zustellungsfiktion

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.05.2019
Aktenzeichen
13 ME 136/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69946
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.04.2019 - AZ: 2 B 391/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ist bis zur Einlegung eines Rechtsmittels eine formgerechte Zustellung der angefochtenen Entscheidung nicht erfolgt und nimmt die Rechtsmittelschrift auf die angefochtene Entscheidung Bezug, dokumentiert dies den tatsächlichen Zugang der angefochtenen Entscheidung jedenfalls im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung und tritt die gesetzliche Zustellungsfiktion nach § 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 189 ZPO ein.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 11. April 2019 wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade vom 11. April 2019 ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da sie die Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht eingehalten hat.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123 VwGO) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen (§ 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO). Auf dieses Erfordernis ist in der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung zutreffend hingewiesen worden.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26. April 2019 hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 11. April 2019 „fristwahrend“ Beschwerde eingelegt. Eine formgerechte Zustellung dieses Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis nach § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 174 ZPO war zu diesem oder einem früheren Zeitpunkt nicht erfolgt. Ein entsprechendes Empfangsbekenntnis liegt nicht vor. Dieser Zustellungsmangel ist jedoch nach § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 189 ZPO geheilt. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokumentes nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es danach in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Legt der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Beschluss, der ihm zugestellt werden soll, ein Rechtsmittel ein und nimmt er in der von ihm unterschriebenen Rechtsmittelschrift auf den Beschluss Bezug, so macht er deutlich, dass der Beschluss ihm tatsächlich zugegangen ist und dass er bereit war, den Beschluss entgegen und zur Kenntnis zu nehmen. In einem solchen Fall ist eine bis dahin mangelnde formgerechte Zustellung nach § 189 ZPO geheilt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.5.2006 - 2 B 10.06 -, juris Rn. 5).

Die Beschwerdeschrift enthält auch keinen Hinweis auf eine tatsächlich noch nicht erfolgte Bekanntgabe des Beschlusses vom 11. April 2019 und die Einlegung der Beschwerde lediglich im Vorgriff auf eine noch ausstehende Bekanntgabe (vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerwG, Beschl. v. 29.4.2011 - 8 B 86.10 -, juris Rn. 7; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 147 Rn. 3 m.w.N.). Gilt danach der erstinstanzliche Beschluss nach § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 189 ZPO kraft Gesetzes als zugestellt, ist die Frist zur Begründung der Beschwerde am Montag, dem 27. Mai 2019 um 24.00 Uhr abgelaufen. Innerhalb dieser Frist ist eine Begründung nicht eingereicht worden.

Dem Fristablauf steht auch das auf den 3. Mai 2019 datierte vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nachgereichte elektronische Empfangsbekenntnis nicht entgegen. Ein derartiges Empfangsbekenntnis kann die kraft Gesetzes eingetretene Heilungswirkung des § 189 ZPO nicht mehr rückgängig machen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.4.2017 - X B 22/17 -, juris Rn. 4). Ein ordnungsgemäß nach § 14 BORA entgegengenommenes und erteiltes Empfangsbekenntnis kann allenfalls einen früheren Zeitpunkt der Bekanntgabe als den der Rechtsmitteleinlegung belegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 8.3 sowie Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).