Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.05.2019, Az.: 1 KN 14/17

Abwägung; Bebauungsplan der Innenentwicklung; Eigentümerinteressen; Erforderlichkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.05.2019
Aktenzeichen
1 KN 14/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69779
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Gemeinde kann von § 13a BauGB nicht nur dann Gebrauch machen, wenn damit der Bodenschutzklausel (§ 1a Abs. 2 BauGB) genügt, d. h. die Inanspruchnahme des Außenbereichs verhindert wird. Sie darf es vielmehr auch tun, um die umgebende städtebauliche Situation zu verbessern. Zur Frage, wie unmittelbar die planbedingten Vorteile der vorhandenen Siedlungslage zugutekommen müssen.

Es stellt keinen Abwägungsfehler dar, wenn die Gemeinde das Interesse des Eigentümers, sich eine Vielzahl weiterer Nutzungsmöglichkeiten zu erhalten, zurückstellt, nachdem dieser es im Planaufstellungsverfahren selbst nicht akzentuiert hatte.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 4, mit der die ihr Grundstück betreffende bestehende Festsetzung vom Gewerbegebiet zu einem Sondergebiet für die am 24. Mai 2012 genehmigten „Photovoltaikanlagen“ geändert wurde. Sie meint, die Umplanung sei verfahrensrechtlich zu Unrecht auf § 13a BauGB gestützt worden, nicht erforderlich, jedenfalls nicht notwendig, weil sie eine pure Negativplanung darstelle, und schließlich abwägungsfehlerhaft, weil ihre Interessen an der Beibehaltung des planungsrechtlichen status quo zum Erhalt gewisser Nutzungsoptionen überhaupt nicht, jedenfalls nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden seien.

Das Normenkontrollverfahren betrifft eine annähernd rechteckige Fläche im Nordosten des Siedlungskerns von H.. Dort sieht der Flächennutzungsplan nördlich der I. und östlich vom J. sowie westlich der K. gewerbliche und Mischbauflächen vor.

Der Ausgangsbebauungsplan Nr. 4 aus dem Jahr 2005 hatte im Süden an der L. Fläche ein Dorfgebiet festgesetzt, darauf nach Norden folgend ein Gewerbegebiet mit einer Höhe baulicher Anlagen bis zu 20 m, 2 Vollgeschossen, eine Grundflächenzahl von 0,8, als Baumassenzahl 3,0 (GE1), ganz im Norden ein weiteres Gewerbegebiet mit einer Bauhöhe bis zu 10 m, 2 Vollgeschossen, GRZ 0,8, Baumassenzahl 1,0 (GE2). Nach der textlichen Festsetzung Nr. 1 waren in den Gewerbegebieten Anlagen nach Spalte 1 der 4. BImSchV unzulässig, ebenso Vergnügungsstätten sowie bestimmte Einzelhandelsbetriebe. Mit dem Ausschluss größerer Anlagen nach Spalte 1 der 4. BImSchV in den textlichen Festsetzungen des Ausgangsplans hatte eine Begrenzung der Immissionen bewirkt werden, der Antragstellerin gleichzeitig noch ein gewisses Entwicklungspotenzial für Brennerei und Hähnchenmast belassen werden sollen.

Die Aufstellung dieses Planes war von heftigen Diskussionen begleitet gewesen (Seite 3 damaliger Planbegründung). Nachbarn hatten das von der Antragstellerin geplante Biogaskraftwerk wegen der damit verbundenen Immissionen (Gerüche, Lärm, Keime) sowie seiner Größe attackiert, außerdem zu hohen An- und Abfahrtsverkehr befürchtet.

Das Areal der Antragstellerin hatte seinerzeit eine Ansammlung teilweise disparater Nutzungen dargestellt. Ein Vorgänger hatte einen Hubschrauberlandeplatz hinterlassen, für den keine Verwendung mehr bestand. Ebenso wenig mehr betrieben wurde eine betagte Biogasanlage. Die aufstehende, der Antragstellerin namensgebende Brennerei wurde nicht mehr mit eigenen landwirtschaftlichen Produkten betrieben. Reiner Alkohol wurde vielmehr zu 60% mit dem Brennen von Kartoffeln, im Übrigen von Weizen gewonnen. Außerdem standen dort parallel zueinander westöstlich orientiert zwei Hähnchenmastställe. Die Antragstellerin wünschte sich, neben einer Rapsölpresse insbesondere eine tüchtige, über alles Bestehende hinausgehende Biogasanlage verwirklicht zu sehen, mit deren Abwärme sie unter anderem die Brennerei zu führen beabsichtigte. Vor allem mit dem letztgenannten Nutzungswunsch war sie auf die geschilderten Vorbehalte der Bevölkerung gestoßen.

An den Geltungsbereich des Ausgangsplans schließen sich westlich, nördlich und nordöstlich unbebaute Ackerflächen an. In seinem südlichen Bereich findet sich Wohnnutzung.

Die Antragstellerin errichtete in der Folgezeit das Bioheizkraftwerk nicht. Stattdessen nutzte sie vor allem die nördliche Fläche des GE2 in einem Umfang von ca. 3000 m2 als Fläche für den Betrieb einer Photovoltaikanlage. Diese steht möglicherweise nicht vollständig in Einklang mit der hierfür unter dem 24. Mai 2012 erteilten Baugenehmigung.

Am 22. September 2015 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung der hier attackierten ersten Planänderung. Dieser Plan sollte die aktuelle Nutzung der Solaranlage festschreiben, um deren Vorteile für die Umgebung dauerhaft zu sichern. Diese Vorteile wurden gesehen in der niedrigen Bauhöhe, dem Fehlen von Immissionen und der Festschreibung der Entsiegelung von Gewerbeflächen im Bereich der Solaranlage. Dies soll einerseits der Kapazität der Regenwasserkanalisation zu Gute kommen, so dass weitere Wohngebiete ausgewiesen und angeschlossen werden können. Andererseits sollte die planungsrechtlich gesicherte Entsiegelung (Verringerung der zulässigen GRZ von 0,8 auf 0,1) als Ausgleichsmaßnahme auf Vorrat bei weiteren Planungsverfahren dienen.

Die Begründung zum Änderungsplan führt zu Ziff. 2 aus, der Änderungsplan solle auch der Legalisierung der im Verhältnis zur vorherigen planungsrechtlichen Lage überdimensionierten Solaranlage dienen.

Die Antragstellerin erhob innerhalb der Auslegungszeit Einwendungen. Dabei rügte sie vor allem die Wahl einer falschen Verfahrensart, weil das beschleunigte Verfahren nicht zulässig sei. Die IHK brachte vor, die Beschränkung der Nutzungsarten in dem ehemaligen Gewerbegebiet auf eine einzige Nutzungsart, nämlich Erzeugung von Solarenergie, sei für den Grundstückseigentümer eine unzumutbare Belastung.

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss den Plan am 9. November 2016 als Satzung. Diese wurde am 15. November 2016 ausgefertigt und am 1. Dezember 2016 bekanntgemacht.

Der 1. Änderungsplan folgt in dem Umriss des Plangebietes der verwirklichten Solaranlage. Er setzt für die derzeit als Solaranlage genutzte Fläche ein Sondergebiet Photovoltaik fest. Dieses dient nach der textlichen Festsetzung Nr. 1 der Erzeugung von elektrischer Energie aus Sonnenlicht. Zeichnerisch festgesetzt werden eine Grundflächenzahl von 0,1 und eine maximale Höhe der baulichen Anlagen von 2 m. Weitere textliche Festsetzungen betreffen die Überdeckung des Bodens durch die Solarpaneele sowie Differenzierungen zur Höhe der baulichen Anlagen.

Die Antragstellerin hat am 17. Januar 2017 den Normenkontrollantrag gestellt. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, der Änderungsplan habe nicht im beschleunigten Verfahren beschlossen werden dürfen, weil sein Gegenstand nicht die Innenentwicklung der Gemeinde sei. Materiell sei der Plan nicht erforderlich, weil es um eine Verhinderungsplanung gehe. Die Festsetzungen des Plans seien nicht erforderlich, um das Planziel zu erreichen. Die Art ihrer Grundstücksnutzung werde unzumutbar auf nur eine Nutzungsart beschränkt.

Die Antragstellerin beantragt,

die vom Rat der Antragsgegnerin am 9. November 2016 als Satzung beschlossene erste Änderung des Bebauungsplans Nr. 4 „Gewerbegebiet M.“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält die Wahl des beschleunigten Verfahrens für fehlerfrei. Es handele sich nicht um eine bloße Verhinderungsplanung. Die Planungsziele hätten nur durch die gewählten Festsetzungen erreicht werden können. Die Nutzungseinschränkung sei auf absehbare Zeit zumutbar.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

II.

Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Nach § 47 Abs. 2 VwGO ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da der Änderungsbebauungsplan das Nutzungsspektrum für das Grundstück im Eigentum der Antragstellerin verkürzt, kann eine Rechtsverletzung nicht ausgeschlossen werden. § 47 Abs. 2a a. F. VwGO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Die Norm ist mit Wirkung zum 2. Juni 2017 und damit noch während des Laufs der Normenkontrollantragsfrist mit sofortiger Wirkung und ohne Überleitungsregelung aufgehoben worden. Damit sind auch ursprünglich aufgrund § 47 Abs. 2a VwGO unzulässige Anträge zulässig geworden.

Der Antrag ist aber unbegründet. Die angegriffene Planänderung ist rechtmäßig.

Das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB wurde rechtsfehlerfrei gewählt. Der Plan enthält eine Maßnahme der Innenentwicklung.

Der erste Satz des § 13a BauGB lautet:

§ 13a Bebauungspläne der Innenentwicklung
(1) Ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) kann im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden.

Für die Anwendung des § 13a BauGB kommt es nach Abs. 1 Satz 2 darauf an, dass bestimmte Maximalgrößen der Festsetzung zulässiger Grundflächen nicht überschritten werden. Eine solche Überschreitung liegt nicht vor.

Weiter darf das beschleunigte Verfahren nicht angewandt werden, wenn das ermöglichte Vorhaben einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt. Auch das ist vorliegend hinsichtlich der Photovoltaikanlage nicht der Fall.

Entscheidungserheblich ist mithin, ob es sich inhaltlich um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung handelt. Das ist zum Vorteil der Antragsgegnerin zu bejahen.

Die Zulässigkeit eines beschleunigten Verfahrens ist im Regierungsentwurf zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte (BT-Drs. 16/2496, S. 12) wie folgt beschrieben worden:

Der vorgeschlagene § 13a enthält die Regelungen über Bebauungspläne der Innenentwicklung, die in einem beschleunigten Verfahren aufgestellt werden können. Die Vorschrift knüpft an das vereinfachte Verfahren nach § 13 an, geht jedoch hierüber hinaus.

Zu Absatz 1
Nach Satz 1 soll das beschleunigte Verfahren anwendbar sein auf die Aufstellung eines Bebauungsplans, der der Wiedernutzbarmachung von Flächen, der Nachverdichtung oder anderen Maßnahmen der Innenentwicklung dient (Bebauungsplan der Innenentwicklung). Damit wird an die Bodenschutzklausel in § 1a Abs. 2 Satz 1 angeknüpft. Bebauungspläne der Innenentwicklung sind daher abzugrenzen von Bebauungsplänen, die gezielt Flächen außerhalb der Ortslagen einer Bebauung zuführen. Bebauungspläne der Innenentwicklung erfassen damit solche Planungen, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und dem Umbau vorhandener Ortsteile dienen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 4). Einbezogen sind auch solche Bebauungspläne, die der Umnutzung von Flächen dienen. In Betracht kommen insbesondere Gebiete, die im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 34 darstellen, innerhalb des Siedlungsbereichs befindliche brachgefallene Flächen sowie innerhalb des Siedlungsbereichs befindliche Gebiete mit einem Bebauungsplan, der infolge notwendiger Anpassungsmaßnahmen geändert oder durch einen neuen Bebauungsplan abgelöst werden soll.

Der zentrale Begriff der Innenentwicklung wird im Gesetz zwar nicht definiert, ist jedoch gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbar. Er stellt in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht Anforderungen.

In räumlicher Hinsicht gilt: Maßnahmen der Innenentwicklung gem. § 13a BauGB darf die Gemeinde für ihren Siedlungsbereich treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.11.2015 - 4 CN 9.14 -, BVerwGE 153, 174 = BRS 83 Nr. 31, JURIS-Rdnr. 23). Dieser ist mit dem Begriff des Innenbereichs (§ 34 BauGB) nicht identisch. Überzeugend schreibt Krautzberger (in: Battis u.a., BauGB, Komm., 13. Aufl. 2016), § 13a Rdnrn. 24, S. 21, Rdnr. 31 und Rdnr. 36 sowie 39; ebenso wohl Grauvogel-Gierke/Schermer, § 13a BauGB Rdnr. 33), § 34 BauGB vermittle Baurechte, § 13a BauGB sei hingegen nur Anknüpfungspunkt für eine bestimmte Planungsbefugnis der Gemeinde.

Auch wenn ein Plangebiet im Sinne des § 30 BauGB nicht stets als Areal anzusehen ist, das in räumlicher Hinsicht für eine Maßnahme nach § 13a BauGB offensteht, ist dies jedenfalls für die Bereiche anzunehmen, die überplant sind und in denen die Festsetzungen jedenfalls teilweise ausgenutzt worden sind. Die Annahme eines Siedlungsbereiches scheidet namentlich in den hier nicht gegebenen Fällen aus, in denen beispielsweise der gesamte Außenbereich mit einfachem Bebauungsplan zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen überzogen oder eine planerische Festsetzung noch nicht ausgenutzt worden ist.

Danach liegen in räumlicher Hinsicht keine Bedenken gegen die Annahme einer Maßnahme der Innenentwicklung vor. Die Antragstellerin hat die Festsetzungen des 2005 erlassenen qualifizierten Bebauungsplanes baulich ausgenutzt. Die Bebauung mit Solaranlagen ist eine gewerbliche Hauptnutzung und hinreichend dicht und markant, um ihrem Standort den Charakter eines Siedlungsbereiches zu geben. Dass diese bauliche Nutzung „fingerartig“ in den Außenbereich hinein vordringt, d. h. an drei Seiten von Außenbereich flankiert ist, ist irrelevant. Denn auch bei einer entsprechenden Anwendung von § 35 Abs. 6 BauGB spräche wenig gegen die Annahme, hier sei ein Bereich baulich so in Anspruch genommen, dass der Außenbereich seine Funktion nicht mehr substantiell wahrnehmen könnte.

Auch inhaltlich handelt es sich um eine Maßnahme der Innenentwicklung im Sinne des § 13a BauGB. Das Gesetz nennt dafür die folgenden Fallgruppen: Wiedernutzbarmachung von Brachflächen, Nachverdichtung oder sonstige Maßnahmen der Innenentwicklung.

Die ersten beiden Fallgruppen scheiden ersichtlich aus. Eine Wiedernutzbarmachung ist nicht gegeben, weil das überplante Grundstück derzeit genutzt wird. Eine unmittelbare Nachverdichtung liegt nicht vor. Es handelt sich aber um eine sonstige Maßnahme der Innenentwicklung.

Im Ausgangspunkt gilt - erstens -, dass diese Entwicklung bereits mit dem Plan nach § 13a BauGB bewirkt werden muss. Lediglich mittelbare Vorteile für die Innenentwicklung reichen nicht aus. Denn im Gesetzgebungsverfahren hatte der maßgebliche Ausschuss des Bundestages (vgl. BT-Drs. 16/3308, S. 5 und 17 zu Nr. 8) die Wendung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 16/2496), die Maßnahme habe nur der Innenentwicklung „zu dienen“, in die Gesetz gewordene Fassung geändert. Begründet hatte er dies damit, die Vergünstigungen sollten nur für Bebauungspläne gelten, die unmittelbar für Maßnahmen der Innenentwicklung aufgestellt würden. Damit werde sichergestellt, dass solche Bebauungspläne nicht erfasst würden, welche etwa im bisherigen Außenbereich Bauland auswiesen und nur auf Grund eines mittelbaren Ursachenzusammenhangs auch die Innenentwicklung positiv beeinflussten.

Das ist allerdings - zweitens - nicht dergestalt aufzufassen und zu handhaben, dass nur dem Planbereich unmittelbar zugute kommende Vorteile die Anwendung des § 13a BauGB rechtfertigen. Das zeigt gerade die Begründung des Ausschusses vom 8.11.2006 - BT-Drs. 16/3308, a.a.O. Die „Mittel-/Unmittelbarkeit“ des Vorteils muss danach nicht dergestalt bestehen, dass die Vorteile für die Innenentwicklung ausschließlich auf dem Plan(änderungs)bereich verwirklicht sein müssen. Es ist danach vielmehr sehr wohl möglich, dass sich diese Vorteile zwar außerhalb des Planumgriffs, aber räumlich doch so nah einstellen, dass noch nicht die Rede davon sein kann, die mit der Plan(änder)ung erhofften Vorteile würden sich ganz anderenorts und zu anderer Zeit einstellen - etwa dann, wenn die planerische Reduktion von Gewerbeimmissionen die Ausnutzbarkeit benachbarter Siedlungsflächen verbessert.

Dementsprechend hatte der Ausschuss des Bundestages im Wesentlich auch nur vom Gegenteil her argumentiert und ausgeschlossen sehen wollen, dass sogar die Inanspruchnahme von Außenbereichsflächen am Ende als Innenentwicklung angesehen werden kann. Treten die Vorteile des Planes etwas außerhalb des Planumgriffs auf, hindert das die Anwendung des § 13a BauGB daher nicht schlechthin.

Dementsprechend ist der Kommentierung von Krautzberger (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 13a BauGB, Rdnr. 3, S. 29; Schrödter, BauGB, 8. Aufl., § 13a Rdnr. 6; Grauvogel, § 13a Rdnr. 55 a. E.) zu folgen, wonach die Ziele zwar zumindest vornehmlich im Planungsraum verwirklicht werden sollen, mittelbare Wirkungen allerdings mit verfolgt werden dürfen, etwa solche des Umweltschutzes.

Der Senat folgt nicht den Bedenken einiger Obergerichte, (vgl. z. B. Bay. VGH, Urt. v. 18.10.2016 - 15 N 15.2613 -, JURIS-Rdnrn. 11 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 7.6.2018 - 1 C 11757/17 -; BW-VGH, Urt. v. 7.5.2018 - 3 S 2041/17 -, JURIS-Rdnrn. 35 f.), die fordern, die unbenannte dritte Tatbestandsalternative des § 13a Abs. 1 BauGB („sonstige Maßnahme“) könne nur dann eine solche der Innenentwicklung sein, wenn sie darauf gerichtet sei, die anderenfalls drohende Inanspruchnahme des Außenbereichs vermeiden zu helfen. Es müssten daher im Siedlungs-/Innenbereich schlummernde Reserven genutzt/gehoben werden. Flächen seien zu „entwickeln“; sie dürften mithin nicht auf der Grundlage des § 13a BauGB schlicht in ihrem Bestand festgeschrieben werden. Zweck müsse dabei entsprechend der in der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Bodenschutzklausel (§ 1a Abs. 2 BauGB) sein, die Inanspruchnahme anderer Flächen für Siedlungszwecke zu vermeiden und mit Grund und Boden schonend umzugehen.

Damit wird der Gesetzeszweck nicht vollständig und zutreffend erfasst. Das Eingangszitat aus dem Regierungsentwurf (BT-Drs. 16/2496, S. 12 zu Nr. 8) zeigt, dass das Bestreben nicht allein darin besteht, die Bodenschutzklausel (§ 1a Abs. 2 BauGB) verstärkt durchsetzen können. In den zitierten Ausführungen wird vielmehr gleichrangig § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB in Bezug genommen, d. h. die Aufgabe, vorhandene Ortsteile zu erhalten, zu erneuern, fortzuentwickeln, anzupassen und umzubauen. Im Ausschussbericht (BT-Drs. 16/3308, S. 16 zu „Allgemeines“) ist ebenfalls die Verminderung der Flächeninanspruchnahme nicht als einziger Zweck der Innenentwicklung benannt.

Die zitierte obergerichtliche Rechtsprechung trägt zudem die Gefahr in sich, dass der dritten Alternative des § 13a Abs. 1 BauGB („andere Maßnahme der Innenentwicklung“) anderenfalls im Verhältnis zu den beiden einigermaßen benannten Fällen (Wiedernutzbarmachung und Nachverdichtung) kaum ein Anwendungsbereich verbliebe, obwohl sie gleichrangig neben die beiden benannten Fälle gestellt worden ist.

Danach ist die Wahl des Verfahrens nach § 13a BauGB auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Richtig mag zwar sein, dass die im Planaufstellungsvorgang auch genannte Verbesserung der sog. Umweltmedien (Boden, Grundwasser du Flora/Fauna durch geringere Versiegelung) sowie ein dann anderenorts zu „verbrauchender“ Überschuss an Kompensation sowie hinsichtlich der Oberflächenwasserabfuhr weniger oder gar nicht unter den Begriff der Innenentwicklung zu fassen ist. Anders verhält es sich mit den Vorteilen für das Ortsbild, welche sich die Antragsgegnerin durch die niedrigeren Höhen der Solaranlagen verspricht, sowie - und das vor allem - die Reduktion der zu Lasten der benachbarten Wohnbevölkerung gehenden Emissionsträchtigkeit. Wie oben zitiert, war schon das 2005 abgeschlossene Planaufstellungsverfahren ganz wesentlich geprägt gewesen von dem Widerstand der Nachbarschaft gegen ein Biogasunternehmen und den damit verbundenen Immissionen. Diese Situation hatte sich in der Zwischenzeit zum Nachteil der Wohnbebauung deutlich verändert. Westlich und nordwestlich des Areals der Antragstellerin hatten sich gleich zwei Biogasanlagen etabliert. Daraus resultiert das unter anderem auf Seite 14 unten der Planbegründung formulierte Bestreben der Antragsgegnerin, „die Emissionsträchtigkeit im nördlichen Ortsrandbereich, der u. a. durch die Nachnutzungen auf dem Brennereigelände und zwei Biogasanlagen mitgeprägt und belastet wird, nicht weiter steigern zu lassen, sondern zu senken.“ Dasselbe wird Seite 20 unten der Planbegründung ausgeführt. Die Planänderung soll mithin die 2005 in einer u. U. bedauerten Weise weit gefasste Situation zum Vorteil dieses Ortsteils wieder einfangen, nachdem die Antragstellerin keinen Anstalten getroffen hatte, in dem zulässigen Maße eine Biogasanlage betreiben oder andere gewerblichen Aktivitäten entfalten zu wollen.

Das ist ein genuines Bestreben der Innenentwicklung, nämlich die unmittelbar benachbarte Wohnbebauung vor weiterer Belastung zu bewahren und ihr so die Möglichkeit zu gedeihlicher Entwicklung zu geben/zu erhalten. Denn noch immer wird auf dem Gelände der ehemaligen Brennerei Geflügelhaltung betrieben. Daneben tritt der Aspekt des Ortsbildes, dessen Verbesserung ebenfalls mit dem Mittel des § 13a BauGB verfolgt werden kann.

Es ist unschädlich, dass die Antragsgegnerin daneben die oben genannten weiteren Ziele verfolgt, wie etwa, die Oberflächenwasserkanalisation nicht weiter belastet zu sehen.

Der Plan ist erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, weil er nach der planerischen Konzeption der Antragsgegnerin notwendig ist (BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8). Erhöhte Anforderungen an die Planerforderlichkeit stellt ein Bebauungsplan nach § 13a BauGB nicht (BVerwG, B. v. 31.7.2014 - 4 BN 12.14 -, juris). Es geht vorliegend nicht um eine bloße Verhinderungsplanung. Zwar will die Antragsgegnerin eine immissionsstarke Nutzung des Plangebiets verhindern, dahinter steht aber ein positives Konzept. Dieses liegt darin, die Immissionssituation beiderseits der N. mindestens auf dem status quo zu halten. Das ist grundsätzlich ein nachvollziehbares positives Konzept.

Die getroffenen Festsetzungen sind erforderlich, um die Planungsziele insgesamt zu erreichen. Es ist nicht ersichtlich, wie die Detailzwecke der Planung hätten erreicht werden können, wenn die Festsetzungen des Ausgangsbebauungsplanes zu Art und Maß der Nutzung in Kraft geblieben wären. Zwar waren erheblich störende Gewerbebetriebe schon stets unzulässig (Ausschluss Spalte 1 der 4. BImSchV), aber gering emittierende Gewerbe wären zulässig gewesen. Das Landschaftsbild könnte ohne neue Höhenfestsetzung nicht in der erwünschten Weise beeinflusst werden. Das gilt auch für die weiteren verfolgten Detailzwecke: Der Versiegelungsgrad ist von der Antragstellerin selbst deutlich gemindert worden und wird vom Änderungsplan nun festgeschrieben.

Der Plan ist abwägungsfehlerfrei: Ein Satzungsbeschluss über einen Bebauungsplan ist rechtswidrig, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat. Das Abwägungsgebot ist ferner verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge einzustellen war. Schließlich liegt eine Verletzung auch vor, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen diesen in einer Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301).

Die Abwägungsentscheidung hat grundsätzlich den Konflikt zwischen den durch die Bauleitplanung verfolgten Zielen und dem Nutzungsinteresse der Antragstellerin gesehen. In der Abwägungsentscheidung zu der Stellungnahme der Antragstellerin wird zwar zum Gewicht von deren Nutzungsinteresse gar nichts ausgeführt. Es wird auch nicht darauf hingewiesen, dass eine bisher zulässige Nutzung rechtlich einen gewissen Schutz verdient, der durch gegenläufige Interessen überwogen werden muss. Eine Auseinandersetzung mit dem Nutzungsinteresse der Antragstellerin führt die Antragsgegnerin aber im Zusammenhang mit der Stellungnahme der IHK. Dort wird ausgeführt:

„Die Vorteile der geplanten Festsetzungen für Arten und Lebensgemeinschaften, das Orts- und Landschaftsbild, Boden, Wasser und Immissionsschutz gehen angesichts des realisierten Photovoltaikparks dem Interesse – u. a. des Eigentümers – an der Beibehaltung der sehr umfangreichen gewerblichen Nutzungsmöglichkeiten im Range vor.“

Das reicht im Ergebnis aus. Die zitierten Ausführungen machen deutlich, dass die Antragsgegnerin das Interesse der Antragstellerin, ihr Grundstück nach wie vor für Gewerbe (mit Ausschluss stark störender Anlagen) nutzen zu können, gesehen, dabei ausdrücklich in die Abwägung eingestellt hat, dass die bisher eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten sehr umfangreich, von dementsprechend hohem Gewicht waren und die Antragstellerin ein abwägungsbedürftiges Interesse an der Fortdauer dieses günstigen Planungszustandes hatte. Dem hat sie ausreichenden Umfangs städtebauliche Umstände gegenübergestellt und zu einem der Antragstellerin nachteiligen Ergebnis abgewogen, ohne deren Interesse am Fortbestand des bisherigen Planungszustandes fehlzugewichten. Dafür ist Folgendes maßgeblich:

Die Antragstellerin selbst hatte in ihrer Einwendung im Planaufstellungsverfahren diesen Punkt ausdrücklich gar nicht gerügt. Sie hatte sich in der maßgeblichen Stellungnahme vom 16. September 2016 ganz wesentlich darauf beschränkt, das eingeschlagene Planungsverfahren zu rügen. Obwohl es, beispielsweise im Zusammenhang mit der Rüge, die Planung sei gar nicht erforderlich, ohne weiteres möglich gewesen wäre, in dieser ihr fortdauerndes Interesse an der ihr vorteilhaften Planungssituation zu artikulieren und trotz anderweitiger gegenwärtiger Nutzung zu unterstreichen, fehlen dahingehende Ausführungen. Sie hatte im Wesentlichen lediglich geltend gemacht, zu gegebener Zeit, d. h. wenn sie, die Antragstellerin, das Gelände umnutzen wolle, könne die Antragsgegnerin darauf hinwirken, ihr städtebaulich zu umfangreich erscheinende Immissionen zu unterbinden. Daraus durfte die Antragsgegnerin schließen, dass sich die Antragstellerin auf unabsehbar lange Zeit nicht mit Umnutzungsplänen trug und dem Interesse an der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Planungslage daher kein allzu hohes Gewicht zukam.

Ein solches Interesse musste sich der Antragsgegnerin auch nicht als besonders gewichtig aufdrängen. Denn unstrittig war die Solaranlage bereits verwirklicht. Sie sicherte, wie sich auch aus der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergab, der Antragstellerin auf ca. 15 weitere Jahre eine rentable Grundstücksnutzung. Ob nach Ablauf dieser Zeit die Anlage weiter auskömmlich genutzt werden kann, war und ist mehrfach unsicher: Weder steht fest, welchen Preis Solarstrom dann auf dem Markt wird erzielen können, noch ist klar, welche genaue Lebensdauer die Anlage haben wird. Die Antragsgegnerin war nicht verpflichtet, zu diesen Fragen genauere Ermittlungen anzustellen. Das ergibt sich aus einer Parallele zu § 1 Abs. 3 BauGB. Die Erforderlichkeit eines Plans kann fehlen, wenn er auf Dauer nicht realisiert werden kann. Das kann schon bei einem Zeitraum von 10 Jahren der Fall sein (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 32 m.w.N.). Dann kann auch die planende Gemeinde jedenfalls dann nicht gezwungen sein, das Interesse eines Planbetroffenen für einen Zeitpunkt 15 Jahre nach Satzungsbeschluss zu prognostizieren, wenn für diesen Zeitraum die selbstgewählte Nutzung auskömmlich, außerdem abzusehen ist, dass das Prognoseergebnis äußerst unsicher sein wird, und der Gewerbetreibende trotz ordnungsgemäßer Beteiligung keinen Hinweis darauf gibt, über das Interesse an der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Planungssituation müsse er selbst damit rechnen, die gegenwärtige Nutzung in absehbarer Zeit nicht mehr profitabel weiterbetreiben zu können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, welche inhaltlichen Voraussetzungen ein Plan der Innenentwicklung erfüllen muss. Diese oben erörterte Frage ist bislang in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 8.12.2016 - 4 CN 4.16 - zur Flächengrenze; B. v. 31.7.2014 - 4 BN 12.14 - zur Planerforderlichkeit und zur Bekanntmachung; B. v. 20.6.2017 - 4 BN 30.16 - zu mehreren Zielen eines Plans; B. v. 21.12.2016 - 4 BN 14.16 - zur Umdeutbarkeit; B. v. 21.8.2018 - 4 BN 44.17 - zu Rügepflichten; sämtlich in juris) nicht endgültig geklärt und für das anhängige Normenkontrollverfahren entscheidungserheblich.