Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.11.2019, Az.: 7 A 3889/18

Rundfunkbeiträge

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.11.2019
Aktenzeichen
7 A 3889/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 70218
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2019:1121.7A3889.18.00

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Zahlung von Rundfunkbeiträgen, Vollstreckungskosten und Mahngebühren.

Der Kläger ist seit dem 1. Januar 2013 als Rundfunkbeitragsschuldner unter der Beitragsnummer ... mit einer Wohnung bei dem Beklagten angemeldet.

Unter dem 1. Dezember 2014 und dem 2. Januar 2015 ergingen zwei hier nicht streitbefangene Festsetzungsbescheide gegen den Kläger. Mit Vollstreckungsersuchen vom 1. Dezember 2015 bat der Beklagte die Landeshauptstadt A-Stadt, die Vollstreckung der rückständigen Forderungen durchzuführen. Am 11. März 2016 unternahm der Vollstreckungsbeamte der Landeshauptstadt einen Vollstreckungsversuch. Mit Schreiben vom 1. April 2016 zog die Beklagte das Vollstreckungsersuchen vor dem Hintergrund des bei dem erkennenden Gericht gestellten Antrages des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der vorbezeichneten Bescheide (- 7 B 1943/16 -) zurück, woraufhin die Landeshauptstadt die Vollstreckung einstellte und dem Beklagten unter dem 4. April 2016 eine Pfändungsgebühr in Höhe von 38,- € in Rechnung stellte. Mit Beschluss vom 26. April 2016 stellte das erkennende Gericht das vorläufige Rechtsschutzverfahren ein und legte dem hier Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

Mit - erstem streitbefangenen - Bescheid vom 6. April 2018 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Januar bis einschließlich März 2016 in Höhe von 52,50 € zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 8,- € (= insgesamt 60,50 €) gegen den Kläger fest.

Unter demselben Datum erging eine - hier zunächst ebenfalls streitbefangene - Zahlungsaufforderung. Darin wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass dessen Rundfunkbeiträge zum 15. April 2018 fällig seien und forderte ihn zur Zahlung eines offenen Gesamtbetrages in Höhe von 1.210,56 € auf. In dem Betrag enthalten waren unter dem Buchungsdatum 14. April 2016 "Kosten für Vollstreckungsersuchen" in Höhe von 38,- €.

Mit - ebenfalls streitbefangenem - Schreiben vom 19. April 2018 mahnte der Beklagte die Zahlung eines rückständigen Betrages in Höhe von 242,44 € (einschließlich einer Mahngebühr in Höhe von 7,- €) für den (Gesamt-)Zeitraum Januar bis einschließlich Dezember 2015 gegenüber dem Kläger an. Für den Fall der Nichtzahlung kündigte der Beklagte die Zwangsvollstreckung an.

Unter dem 26. April 2018 erhob der Kläger bei dem Beklagten Widerspruch gegen die vorbezeichneten "Bescheide". Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Beklagte sei nicht dienstherrenfähig. Die Vollstreckungsersuchen des Beklagten erfüllten nicht die gesetzlichen Vorgaben. Das von dem Beklagten durchgeführte "vollautomatische Massenverwaltungsverfahren" sei illegal. Zudem liege ein Verstoß gegen die Vorschriften des europäischen Beihilferechts vor. Der Kläger beantragte die Abgabe des Widerspruchsvorgangs an die Niedersächsische Staatskanzlei als die zuständige oberste Landesbehörde.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2018 legte der Kläger bei dem Beklagten auch gegen einen "Festsetzungsbescheid vom 19. April 2017", ihm nach eigenen Angaben zugestellt am 25. April 2018, Widerspruch ein. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 26. April 2018 gegen die Zahlungsaufforderung vom 6. April 2018 sowie die Widersprüche vom 26. April und 2. Mai 2018 gegen die Mahnung vom 19. April 2018 als unzulässig, den Widerspruch vom 26. April 2018 gegen den Festsetzungsbescheid vom 6. April 2018 als unbegründet zurück. Die Zahlungsaufforderung und die Mahnung stellten mangels Regelungswirkung keine anfechtbaren Verwaltungsakte dar. Der Festsetzungsbescheid sei rechtmäßig. Die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages sie höchstrichterlich geklärt. Als Inhaber einer Wohnung sei der Kläger für den festgesetzten Zeitraum rundfunkbeitragspflichtig. Eine rechtzeitige Zahlung sei nicht erfolgt. Der Bescheid sei auch von der zuständigen Stelle erlassen worden. Bei dem Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio handele es sich um die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der Landesrundfunkanstalten, die namens und im Auftrag der jeweiligen Landesrundfunkanstalt den Einzug der Rundfunkbeiträge durchführe. Der Bescheid sei automatisiert erstellt und daher auch ohne Unterschrift gültig.

Am 1. Juni 2018 erging ein weiterer - ebenfalls streitbefangener Bescheid -, mit dem der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum April 2016 bis einschließlich März 2018 in Höhe von 420,- € zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 8,- € (= insgesamt 428,- €) gegen den Kläger festsetzte.

Am 11. Juni 2018 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage gegen die "Bescheide" vom 6. und 19. April 2018 erhoben.

Unter dem 26. Juni 2018 legte der Kläger auch gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Bediensteten des NDR spielten sich zu Amtsträgern auf, was mit dem Prinzip der Staatsferne nicht zu vereinbaren sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2018 sei rechtmäßig, was der Beklagte näher ausführte.

Mit Schriftsatz vom 1. September 2018 hat der Kläger erklärt, dass er die Klage auf den Widerspruchsbescheid vom 8. August 2018 erweitere.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Erhebung des Rundfunkbeitrages sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Der Kläger macht einen Verstoß gegen die europäischen Beihilfevorschriften sowie gegen das europäische Datenschutzrecht geltend. Das Vorverfahren weise einen erheblichen Systemmangel auf. Der Beklagte verfüge über keinerlei Berufsbeamten und sei nicht dienstherrenfähig. Seine Bediensteten seien daher nicht befugt, hoheitsrechtliche Befugnisse gegenüber den Bürgern des Bundeslandes Niedersachsen auszuüben. Die Festsetzungsbescheide des Beklagten würden von keiner natürlichen Person verfügt, sondern vollautomatisch durch die Datenverarbeitungsanlage abgewickelt, worüber der Beklagte das erkennende Gericht fortlaufend täusche.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten der mit Schriftsatz vom 1. September 2018 erklärten Klageerweiterung zugestimmt und zugleich erklärt, dass er auf die Geltendmachung der mit der Zahlungsaufforderung vom 6. April 2018 geltend gemachten "Kosten für Vollstreckungsersuchen" in Höhe von 38,- € verzichte. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

den Beklagten zu verpflichten, den Widerspruchsvorgang des Klägers zu der Widerspruchsentscheidung des Beitragsservice NDR, Richard-Wagner-Straße 8, 18055 Rostock, vom 25.05.2018 an die zuständige Widerspruchsbehörde, die Niedersächsische Staatskanzlei, Planckstraße 15, 30169 A-Stadt, zur Durchführung des Vorverfahrens gemäß §§ 68 ff. VwGO abzugeben,

hilfsweise,

  1. 1.

    festzustellen, dass die in dem Mahnbescheid vom 19.04.2018 geltend gemachte Mahngebühr unberechtigt ist,

  2. 2.

    den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 06.04.2018 in Gestalt der Widerspruchsentscheidung vom 25.05.2018 aufzuheben,

  3. 3.

    den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 01.06.2018 in Gestalt der Widerspruchsentscheidung vom 08.08.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die von dem Kläger erhobene Verpflichtungsklage sei bereits unzulässig, da es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Da der Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts in Selbstverwaltungsangelegenheiten wie der vorliegenden zuständige Widerspruchsbehörde sei, sei die Klage jedenfalls unbegründet. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig, soweit sie sich gegen das Mahnschreiben und die Zahlungsaufforderung richte. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Festsetzungsbescheid vom 6. April 2018 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Soweit sich der Kläger nunmehr auch gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2018 wende, sei die Klage ebenfalls unbegründet. Die Verfassungsmäßigkeit sei ebenso wie die Unionsrechtskonformität des Rundfunkbeitrages abschließend geklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten sowie des ebenfalls beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Landeshauptstadt A-Stadt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - einzustellen.

II. Im Übrigen hat die Klage, in deren Änderung der Beklagte eingewilligt hat (§ 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), keinen Erfolg.

1. Die mit dem Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage mit dem Ziel, den Widerspruchsvorgang des Klägers zu dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. Mai 2018 an die Niedersächsische Staatskanzlei abzugeben, ist unzulässig. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich der Einzelrichter anschließt, fehlt einer auf Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichteten Klage im Falle einer - wie hier - gebundenen Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis, da sich ein einklagbares subjektive Recht auf Erlass eines Widerspruchsbescheides allein aus den prozessualen Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung nicht herleiten lässt (BVerwG, Beschl. v. 28.04.1997 - 6 B 6/97 -, juris Rn. 10 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 24.04.2019 - 4 PA 276/08 -, juris Rn. 11 ff. m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26.03.2009 - 3 O 422/08 -, juris Rn. 3 ff.). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (a.a.O., juris Rn. 14) hat hierzu ausgeführt:

"Denn § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO regelt aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) das Widerspruchsverfahren nur als Vorverfahren eines Verwaltungsprozesses und normiert damit nur eine prozessuale Verpflichtung der Behörde. Diesen prozessualen Charakter teilt die Bescheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auf deren Erfüllung besteht kein einklagbares subjektives Recht im Sinne des § 42 Abs.2 VwGO. Dies zeigt auch die Regelung des § 75 VwGO, die für den Fall der Untätigkeit der Widerspruchsbehörde nur bestimmt, dass nach Ablauf der dort genannten Frist der materielle Anspruch unmittelbar, das heißt ohne Durchführung eines Vorverfahrens, mit der entsprechenden Klage verfolgt werden kann. Schließlich führt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift im Vorverfahren, wenn der Widerspruchsbescheid hierauf beruht, gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO nur zur Aufhebung des Widerspruchsbescheids; ein Verpflichtungsausspruch gegenüber der Widerspruchsbehörde, einen erneuten Widerspruchsbescheid zu erlassen, erfolgt nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.2.1993 - 5 S 1650/92 -, MDR 1993, 978). Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass der Beklagte bei Verneinung eines Anspruchs auf Erlass eines Widerspruchsbescheides sich durch bloße Nichtentscheidung der Kostenfolge des § 80 Abs. 1 VwVfG entziehen könne. Denn der Klägerin bleibt es unbenommen, eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu erheben. Die dann vom Gericht zu treffende Kostenentscheidung würde sich nach § 162 Abs. 1 VwGO auch auf die Kosten des Vorverfahrens erstrecken."

Diesen Ausführungen schließt sich der Einzelrichter an. Entsprechendes gilt, wenn der Kläger - wie hier - den Erlass eines (erneuten) Widerspruchbescheides durch die seiner Auffassung nach zuständige Behörde begehrt. Unabhängig davon ist der Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts in Selbstverwaltungsangelegenheiten wie der vorliegenden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO die zuständige Widerspruchsbehörde, sodass der Kläger mit seinem Begehren auch in der Sache nicht durchdringen könnte.

2. Der Hilfsantrag zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.

Der Hilfsantrag ist als Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) zulässig. Da der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. November 2019 erklärt hat, dass er nicht beabsichtige, die in dem Mahnschreiben vom 19. April 2018 erhobene Mahngebühr durch gesonderten Verwaltungsakt festzusetzen - was nach den zutreffenden weiteren Ausführungen des Beklagten auch nicht erforderlich ist (§ 67 Abs. 4 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - NVwVG -; Nds. OVG, Beschl. v. 20.11.2017 - 4 ME 285/17 -, juris Rn. 9) -, das genannte Mahnschreiben mangels Regelungswirkung keinen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - darstellt (vgl. z.B. VG Schleswig, Beschl. v. 01.08.2018 - 4 B 46/18, juris Rn. 10 ff.) und der Kläger somit nicht im Wege der Anfechtungsklage gegen die Erhebung der Mahngebühren vorgehen kann, muss der Kläger deren Rechtmäßigkeit im Rahmen der Feststellungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung stellen können (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -). Nach Auffassung des Einzelrichters ist es dem Betroffenen in diesen Fällen nicht zuzumuten, die - mit nicht unerheblichen Nachteilen verbundene - Vollstreckung der Mahngebühren durch den Beklagten bzw. durch die von ihm beauftragte Vollstreckungsbehörde abzuwarten.

Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet. Die angemahnten Rundfunkbeiträge waren zum Zeitpunkt der Mahnung - zwischen den Beteiligten unstreitig - länger als eine Woche fällig, sodass die Mahnung gemäß § 4 Abs. 2 NVwVG zulässig war. Die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung folgt aus § 67 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 NVwVG i.V.m. § 2 der Kostenverordnung für die Verwaltungsvollstreckung wegen Geldforderungen - Verwaltungsvollstreckungskostenverordnung (VwVKostVO) -. Nach § 2 Satz 4 VwVKostVO wird bei einem Forderungsbetrag von - wie hier - bis einschließlich 500,- € eine Mahngebühr in Höhe von 7,- € erhoben. Soweit in einer jüngst ergangenen - noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg (Urt. v. 25.10.2019 - 6 A 453/18 -, juris Rn. 31 ff.) unter Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 08.05.2019 - 4 LA 277/18 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 20.11.2017 - 4 ME 285/17 -, juris Rn. 9) die Auffassung vertreten wird, Mahnungen der für Niedersachsen zuständigen Landesrundfunkanstalten stellten keine Mahnungen im Sinne des § 4 Abs. 1 NVwVG dar, sodass sich für sie geltend gemachte Mahngebühren nicht auf § 67 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 NVwVG stützen ließen, folgt der Einzelrichter dem nicht, zumal in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vom 15./21. Dezember 2010 (Nds. GVBl. 2011 S. 186, 187) - RBStV - i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 4 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 28. November 2016 (Nds. MBl. S. 1247) - Satzung - vorausgesetzt wird, dass der Beklagte berechtigt ist, selbst Mahngebühren zu erheben. Hinzukommt, dass das Vollstreckungsverfahren mit der Erteilung des Vollstreckungsauftrages durch den Beklagten beginnt und gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 NVwVG die Vollstreckung erst beginnen darf, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung erfolglos durch eine Mahnung angedroht worden ist. Die Voraussetzungen des § 3 NVwVG müssen also vor Erteilung des Vollstreckungsauftrages durch den Beklagten vorliegen. Dies alles spricht dafür, dass der Beklagte berechtigt ist, selbst zu mahnen und hierfür Mahngebühren zu erheben.

3. Die als Anfechtungsklage zulässigen Hilfsanträge zu 2) und 3) haben keinen Erfolg, weil die Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 6. April und 1. Juni 2018 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. Mai und 8. August 2018 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 VwGO).

a) Rechtsgrundlage für die Festsetzungsbescheide ist § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV. Danach werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Die Erhebung von Rundfunkbeiträgen findet ihre Grundlage in § 2 Abs. 1 RBStV. Danach hat seit dem 1. Januar 2013 im privaten Bereich der Inhaber für jede Wohnung einen Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach Melderecht gemeldet oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Die Höhe des Rundfunkbeitrages betrug gemäß § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages vom 31. August 1991 (Nds. GVBl. S. 311, 336) - RFinStV - in der Fassung des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 15./21. Dezember 2010 (Nds. GVBl. 2011 S. 186, 192, 193) ab dem 1. Januar 2013 monatlich 17,98 €. Seit dem 1. April 2015 beträgt sie 17,50 € (§ 8 RFinStV in der Fassung des Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 4./7. Juli 2014, Nds. GVBl. S. 426, 427). Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 RBStV ist der Rundfunkbeitrag monatlich geschuldet. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist er in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten.

Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV wird die zuständige Landesrundfunkanstalt ermächtigt, Einzelheiten des Verfahrens zur Erhebung von Zinsen, Kosten und Säumniszuschlägen durch Satzung zu regeln. Nach § 11 Abs. 1 der Satzung des Beklagten wird, sofern geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Beitrag von 8,- € fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt.

b) Die formell rechtmäßigen Bescheide sind auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

aa) Als Inhaber einer Wohnung ist der Kläger für den festgesetzten (Gesamt-)Zeitraum von Januar 2016 bis März 2018 rundfunkbeitragspflichtig. Die festgesetzten Rundfunkbeiträge sind rechnerisch richtig und - ebenso wie die Säumniszuschläge - in der Höhe nicht zu beanstanden. Die Rundfunkbeiträge waren auch - zwischen den Beteiligten unstreitig - bei Fälligkeit nicht entrichtet worden, sodass ein Bescheid erlassen und der Säumniszuschlag festgesetzt werden konnte.

bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind die angegriffenen Festsetzungsbescheide nicht deshalb rechtswidrig, weil es im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in der aktuellen Fassung des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 15./26. Oktober 2018 (Nds. GVBl. 2019 S. 28, 29) an einer besonderen Rechtsgrundlage für den "vollständig automatisierten Erlass" von Festsetzungsbescheiden (vgl. § 35a VwVfG) fehlt.

Der Begriff des vollständig automatisiert erlassenen Verwaltungsaktes erfasst nur solche Verwaltungsakte, bei denen der gesamte Entscheidungs- und Erlassvorgang vollständig durch automatische Einrichtungen und ohne manuelle Eingriffe gesteuert wird (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35a Rn. 10). So liegt der Fall hier nicht. Wie der Vertreter des Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung substantiiert dargelegt hat, wird an zahlreichen Stellen manuell in das Verwaltungsverfahren eingriffen. Dafür, dass der Entscheidungs- und Erlassvorgang in dem vorliegenden Fall vollständig durch automatische Einrichtungen gesteuert worden wäre, finden sich auch in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten keinerlei Hinweise. Nach dem Inhalt der angegriffenen Festsetzungsbescheide wurden diese lediglich "maschinell erstellt" und sind damit gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 VwVfG ohne Unterschrift gültig. Entsprechend geht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschl. v. 03.04.2019 - 9 LA 63/19 -, V.n.b.) davon aus, dass der in § 35a VwVfG vorausgesetzte Automatisierungsgrad bei Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheiden nicht zu verzeichnen ist.

Hinzukommt, dass das Verwaltungsverfahren erst mit Erlass des Widerspruchsverfahrens abgeschlossen wird und sich die (Anfechtungs-)Klage gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheides richtet (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ein vollständig automatisierter Erlass von Widerspruchsbescheiden durch den Beklagten liegt angesichts der - wie auch in dem vorliegenden Fall - individuellen Begründung und Namenswiedergabe am Ende des Bescheides jedoch fern, zumal sich in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten (Bl. 154 der Beiakte - BA - 001) eine interne E-Mail an eine in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2018 bezeichnete Mitarbeiterin des Beklagten mit der Aufforderung findet, eine Antwort auf die Eingabe des Klägers zu übermitteln. Diesen Gesichtspunkten ist der Kläger nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, sodass seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht nachzugehen war.

cc) Die Festsetzung eines Rundfunkbeitrages im privaten Bereich gegen den Kläger als Erstwohnungsinhaber verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.

Die Regelungen des § 2 Abs. 1 RBStV i.V.m § 8 RFinStV in der genannten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2018 (- 1 BvR 1675/16 u.a. -, NJW 2018, 3223 = NVwZ 2018, 1293) festgestellt, dass die Rundfunkbeitragspflicht u.a. für Wohnungsinhaber mit Ausnahme der - hier nicht vorliegenden - Konstellation der doppelten Inanspruchnahme von Zweitwohnungsinhabern verfassungsgemäß ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat gemäß § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG - Bindungswirkung für das Verwaltungsgericht. Diese Bindungswirkung ist grundsätzlich indisponibel und steht nicht zur Disposition des Bindungsadressaten (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein Bethge, BVerfGG, Stand: 56. EL Februar 2019, § 31 Rn. 10). Insbesondere sind Gerichte gehindert, die Frage der Vereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz, soweit das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, noch anders zu beurteilen. Dessen ungeachtet teilt der Einzelrichter auch in der Sache und im Ergebnis die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts und macht sie sich zu eigen (vgl. bereits VG Hannover, Urt. v. 27.02.2019 - 7 A 12497/17 -, V.n.b.). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der von dem Kläger angeführten Vorschrift des Art. 33 Abs. 4 GG um eine Organisationsnorm handelt, die keine Rechte des Einzelnen enthält (Hense, in: BeckOK GG 41. Edition, Stand: 15.05.2019, Art. 3 Rn. 27; BVerfGE 6, 376, 385; 35, 79, 147; BVerwG, NVwZ 1988, 523 [BVerfG 18.02.1988 - 2 BvR 1324/87]; NVwZ-RR 2001, 253 [BVerwG 26.10.2000 - BVerwG 2 C 31/99]).

Während des Klageverfahrens hat auch der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Art. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 (Abl. 1999, L 83, S. 1) über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - dahin auszulegen ist, dass eine Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Mitgliedstaats, die darin besteht, eine Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten ist, durch einen Rundfunkbeitrag zu ersetzen, der insbesondere für das Innehaben u.a. einer Wohnung zu entrichten ist, keine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne dieser Vorschrift darstellt, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu unterrichten ist (EuGH, Urt. v. 13.12.2018 - C 492/17 -, NJW 2019, 577). Die Entscheidung wirkt erga omnes, d.h. für jedes Gericht. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung ist der Rundfunkbeitrag auch im Übrigen mit dem Unionsrecht vereinbar (BVerwG, Beschl. v. 25.01.2018 - 6 B 38/18 -, juris Rn. 6-8 m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 08.10.2018 - 4 PA 173/18 -, V.n.b.; Beschl. v. 24.08.2018 - 4 LA 18/18 -, V.n.b.). Die von dem Kläger angeführte Vorschrift des Art. 22 der Datenschutzgrundverordnung ist nicht berührt, da die Entscheidung des Beklagten aus den oben unter II.3.b)bb) genannten Gründen nicht ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils hat das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diesen Grundsätzen entspräche es zunächst, die Verfahrenskosten, soweit sie diesen Teil betreffen, dem Beklagten aufzuerlegen, da er den Kläger insoweit klaglos gestellt und eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat. Da dieser Teil jedoch einen weit geringeren Betrag betrifft als der Betrag, mit dem der Kläger unterlegen ist (38,- € gegenüber 1.125,50 € bzw. [die Streitwerterhöhung hinweggedacht] 495,50 €), sind die Kosten entsprechend dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO dem Kläger zur Gänze aufzuerlegen (vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 17.02.2009 - Au 2 K 09.186 -, juris Rn. 1).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -.