Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.11.2017, Az.: 4 ME 285/17
Bezeichnung des aus dem zu vollstreckenden Leistungsbescheids in der Pfändungsverfügung und Einziehungsverfügung i.R.d. allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.11.2017
- Aktenzeichen
- 4 ME 285/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 49548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2017:1120.4ME285.17.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 03.08.2017 - AZ: 4 B 1636/17
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 NVwVfG
- § 45 Abs. 2 S. 2 NVwVG
- § 37 Abs. 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz erfordert es nicht, dass der Leistungsbescheid, aus dem vollstreckt wird, in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bezeichnet wird.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 3. August 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 72,56 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2017 abgelehnt hat, ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, auf dessen Prüfung der Senat sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Hauptsächlich hat der Antragsteller gerügt, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung unbestimmt und damit rechtswidrig sei, weil sie den zu vollstreckenden Leistungsbescheid nicht angebe. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verpflichtung der Vollstreckungsbehörde zur Angabe des Leistungsbescheides in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht besteht.
Das Niedersächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz regelt die Vollstreckung in Forderungen durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung in den §§ 45 ff. NVwVG. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 NVwVG bezeichnet die an die Drittschuldnerin oder den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung den zu vollstreckenden Geldbetrag ohne Angabe des Schuldgrundes. Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 NVwVG gilt dies entsprechend auch für die Einziehungsverfügung, die gemäß § 50 Abs. 2 NVwVG - wie hier geschehen - mit der Pfändungsverfügung verbunden werden kann. Die Begründung des Gesetzentwurfs des Niedersächsischen Rechtsvereinfachungsgesetzes 1990 vom 11. Oktober 1989 führt hierzu aus, dass mit dieser Regelung eine Angleichung an § 309 der Abgabenordnung (AO) beabsichtigt ist und den zunehmend geltend gemachten Bedenken gegen die Unterrichtung des in der Regel keinen besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliegenden Drittschuldners über Einzelheiten des Schuldgrundes Rechnung getragen werden soll (LT-Drs. 11/4440, S. 46). Gesetzeswortlaut und -begründung gehen damit davon aus, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung keine Angaben zu dem zu vollstreckenden Leistungsbescheid oder der ihm zugrundeliegenden Forderung enthält, soweit sie dem Drittschuldner bekanntgegeben wird. Soweit sie hingegen dem Vollstreckungsschuldner bekanntgegeben wird, steht § 45 Abs. 2 Satz 2 NVwVG einer Angabe des Schuldgrundes nicht entgegen. Die Angabe, wegen welcher Forderung gepfändet wird, gehört im Übrigen grundsätzlich zum notwendigen Inhalt der Pfändungsverfügung. Dieses Erfordernis folgt daraus, dass das Pfändungspfandrecht der Vollstreckungsbehörde an der Forderung des Pfändungs- bzw. Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner nur für eine bestimmte Forderung des Pfändungs- bzw. Vollstreckungsgläubigers entstehen kann. Es besteht mithin eine für das Pfandrecht wesentliche Beziehung zwischen der gepfändeten Forderung und einer bestimmten Forderung des Pfändungs- bzw. Vollstreckungsgläubigers, weil die gepfändete Forderung nur dessen Anspruch auf Befriedigung für diese bestimmte Forderung sichert. Daher ist es geboten, dass eine Pfändungsverfügung, soweit sie dem Vollstreckungsschuldner bekanntgegeben wird, in Grundzügen die der Vollstreckung zugrundeliegende Forderung oder Forderungsgesamtheit erkennen lässt (BFH, Urt. v. 18.7.2000 - VII R 101/98 -, NVwZ-RR 2001, 629, 630). Für die Einziehungsverfügung gilt nichts anderes.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere erfordert der Bestimmtheitsgrundsatz aus § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 37 Abs. 1 VwVfG es nicht, dass sie über die Angaben zum Schuldgrund (Rundfunkbeiträge Januar 2015 bis März 2016) und beizutreibenden Geldbetrag (244,01 Euro) weitergehende Angaben zum zu vollstreckenden Leistungsbescheid enthält.
Nicht zu folgen ist der ferner vom Antragsteller offenbar vertretenen Ansicht, dass an die dem Drittschuldner zuzustellende Pfändungs- und Einziehungsverfügung andere Anforderungen hinsichtlich der Bestimmtheit zu stellen seien als an das "für den Schuldner bestimmte Exemplar". Gegen eine solche vom Adressaten abhängige Festlegung der Bestimmtheitsanforderungen spricht, dass § 45 Abs. 1 NVwVG vorschreibt, die an den Vollstreckungsschuldner und den Drittschuldner adressierten Ge- und Verbote in einer Pfändungsverfügung auszusprechen (vgl. zur Parallelvorschrift des § 309 Abs. 1 AO BFH, Urt. v. 18.7.2000, a.a.O., S. 630). Außerdem erklärt § 45 Abs. 2 Satz 1 NVwVG die Pfändung für bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung der Drittschuldnerin oder dem Drittschuldner zugestellt ist (Hervorhebung durch den Senat). Dies spricht dafür, dass es nur eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gibt, deren Angaben zum Schuldgrund zwar durch § 45 Abs. 2 Satz 2 NVwVG zum Zwecke des Schutzes des Vollstreckungsschuldners in Bezug auf den Drittschuldner Einschränkungen erfahren, ohne dass aber unterschiedliche Bestimmtheitsanforderungen gegenüber unterschiedlichen Bekanntgabeadressaten gelten.
Soweit der Antragsteller auf Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte verwiesen hat, ist zunächst festzustellen, dass diese sich - mit Ausnahme des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 26. August 2008 (7 A 835/07) - sämtlich auf andere Rechtsgrundlagen als § 45 NVwVG beziehen. Soweit aus diesen Entscheidungen hervorgeht bzw. nach Auffassung des Antragstellers hervorgehen soll, dass der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz die Bezeichnung des Leistungsbescheides, aus dem vollstreckt wird, in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zwingend erfordert, ist dem nicht zu folgen. Wie bereits ausgeführt, gehört es zum notwendigen Inhalt einer Pfändungs- und auch einer Einziehungsverfügung, dass erkennbar ist, wegen welcher Forderung gepfändet wird. Das ist vorliegend die in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bezeichnete Beitragsforderung des Norddeutschen Rundfunks gegen den Antragsteller. Diese ist nicht durch den Leistungsbescheid vom 2. Mai 2016 entstanden, sondern aufgrund von § 7 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner - hier der Antragsteller - erstmals die Wohnung, die Betriebsstätte oder das Kraftfahrzeug innehatte. Der Leistungsbescheid war für das Entstehen der Forderung also nicht konstitutiv, sondern ist einerseits für die Bestimmung der Höhe der noch geschuldeten Beiträge und andererseits als Voraussetzung für die Beitreibung ausstehender Beiträge im Wege der Vollstreckung von Bedeutung, weil diese nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NVwVG einen Leistungsbescheid voraussetzt. Weder der Schutz des Vollstreckungsschuldners noch die Rechtssicherheit gebieten es, dass der zu vollstreckende Leistungsbescheid in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung genannt wird. Solange der Vollstreckungsschuldner - wie es hier der Fall ist - aufgrund der Angaben in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung erkennen kann, um welche Forderung es geht, ist es ihm ohne weiteres möglich, auch den dazugehörigen Leistungsbescheid zu ermitteln. Der Hinweis des Antragstellers, dass nicht eine Forderung, sondern ein Leistungsbescheid vollstreckt werde, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Sein weiterer Hinweis, dass Vollstreckungsbehörde und die den Leistungsbescheid erlassende Behörde nicht identisch sein müssten, lässt ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu. Entgegen der Ansicht des Antragstellers werden ihm dadurch, dass der zu vollstreckende Leistungsbescheid nicht eigens in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung genannt wird, auch keine Einwände gegen die Vollstreckung genommen.
Die weitere Rüge, dass die Überweisungsanordnung der Vollstreckungsbehörde in Höhe deren Anspruchs inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei, greift nicht durch. Indem die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zwischen Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum Januar 2015 bis März 2016 einerseits und Vollstreckungsgebühren sowie Auslagen andererseits sowohl sachlich als auch betragsmäßig unterscheidet und zusätzlich darauf hinweist, dass die gepfändete Forderung der Vollstreckungsbehörde in Höhe deren Anspruchs zum Einzug überwiesen wird, macht sie ausreichend deutlich, wie sich der zu vollstreckende Gesamtbetrag zusammensetzt und dass er unterschiedlichen Stellen, nämlich dem Vollstreckungsgläubiger einerseits und der Vollstreckungsbehörde andererseits, zusteht. Dass letzterer die in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung betragsmäßig bezifferten Vollstreckungsgebühren und Auslagen für die Vollstreckung zustehen, versteht sich von selbst und ergibt sich im Übrigen aus dem Gesetz (§ 67 Abs. 5 Satz 1 NVwVG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 5, 3. Var. VwVKostVO und § 67 Abs. 6 NVwVG i. V. m. § 13 NVwKostG). Eine Addition der Vollstreckungsgebühren und Auslagen durch die Antragsgegnerin in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung war nicht erforderlich.
Der vom Antragsteller des weiteren erhobene Einwand, dass die Erhebung von Auslagen gegen § 1 VwVKostVO verstoße, geht fehl, weil der Antragsteller übersehen hat, dass Auslagen gemäß § 67 Abs. 6 NVwVG i. V. m. § 13 NVwKostG gefordert werden dürfen.
Schließlich greift auch die Rüge, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen § 3 Abs. 2 NVwVG verstoße, weil auf die in der Hauptforderung enthaltenen Mahngebühren nicht im Leistungsbescheid hingewiesen worden sei, nicht durch. Ein solcher Hinweis ist nicht erforderlich. Vielmehr gehören die Mahngebühren zu den Kosten, die ohne besonderen Leistungsbescheid und auch ohne entsprechenden Hinweis beigetrieben werden können. Die Kostenerhebung für die nach § 4 NVwVG notwendige Mahnung richtet sich nach § 67 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 NVwVG i. V. m. § 2 VwVKostVO. Nach § 67 Abs. 4 NVwVG ist die Kostenschuld sofort fällig und kann ohne besonderen Leistungsbescheid mit der Hauptleistung beigetrieben werden. Dass die Mahngebühren nicht gesondert in der Einziehungs- und Pfändungsverfügung ausgewiesen worden sind, schadet nicht. Da sie nicht zu den Kosten gehören, welche während des Vollstreckungsverfahrens für die Vollstreckungsbehörde anfallen, war es nicht notwendig, sie dieser gesondert zum Einzug zu überweisen und in diesem Zusammenhang betragsmäßig kenntlich zu machen. Dass sie in dem Betrag von 244,01 Euro für die Rundfunkbeiträge von Januar 2015 bis März 2016 enthalten sind, mag eine gewisse Unschärfe darstellen. Zur Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung führt dies auch angesichts des Hinweises auf diese Gebühren in der Mahnung des Antragstellers durch den Norddeutschen Rundfunk vom 4. November 2016 allerdings nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.