Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.05.2019, Az.: 4 LB 247/18

Abmeldung; Anzeigepflicht; Gesamtschuld; Gesamtschuldner; gesamtschuldnerische Haftung; Mitteilungspflicht; Rundfunkbeitrag; Umzug

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.05.2019
Aktenzeichen
4 LB 247/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69949
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.07.2018 - AZ: 1 A 404/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Verstoß eines Beitragsschuldners gegen die Anzeigepflicht des § 8 Abs. 2 RBStV beim Umzug in eine neue Wohnung rechtfertigt nicht die Erhebung von Rundfunkbeiträgen für die neue Wohnung bei ihm, wenn die Beitragsschuld mit gesamtschuldnerischer Erfüllungswirkung von dem für die neue Wohnung bereits in Anspruch genommenen Beitragsschuldner beglichen worden ist.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 11. Juli 2018 ist unwirksam.

Die Klägerin und der Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 285,01 Euro festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren nach § 125 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen, der Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog für unwirksam zu erklären und über die Verfahrenskosten gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Ausgehend vom Veranlassungsprinzip sind die Kosten vorliegend zu teilen. Das ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Für eine Kostenbeteiligung des Beklagten spricht, dass er auch nach Kenntnis der Umstände, die zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide – nämlich des Festsetzungsbescheids vom 3. Januar 2016, des Festsetzungsbescheids vom 1. Februar 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2017 – geführt haben, an diesen Bescheiden festgehalten hat.

Die Voraussetzungen für die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge für die Wohnung „C., D.“ für die Monate Oktober bis Dezember 2014 und Januar bis Dezember 2015 im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV lagen nicht vor. Zwar war die Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen Inhaberin dieser Wohnung und als solche auch beitragspflichtig. Sie ist jedoch mit der Zahlung ihrer Beiträge nicht in Rückstand geraten, weil ein ebenfalls für diese Wohnung beitragspflichtiger anderer Beitragsschuldner die Beitragsforderung für den streitgegenständlichen Zeitraum auch mit Erfüllungswirkung für sie beglichen hat.

Nach § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV bestimmt, dass Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person ist, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach § 2 Abs. 3 RBStV haften mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 Abgabenordung (AO). Danach sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner (§ 44 Abs. 2 Satz 1 AO).

Die Klägerin war in den streitgegenständlichen Monaten Oktober bis Dezember 2014 (Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2017) und Januar bis Dezember 2015 (Festsetzungsbescheid vom 1. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2017) Inhaberin der Wohnung mit der Anschrift „C., D.“ gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV und damit Beitragsschuldnerin nach § 2 Abs. 1 RBStV. Als Inhaberin der Wohnung „C., D.“ nahm der Beklagte sie auch in Anspruch, wie sich aus den angefochtenen Festsetzungsbescheiden ergibt. Denn nicht nur waren diese Bescheide an die Klägerin unter der Anschrift „C., D.“ gerichtet. In diesen Bescheiden war als diejenige Wohnung, für die der Rundfunkbeitrag erhoben wird, ebenfalls die Anschrift „C., D.“ aufgeführt. Neben der Klägerin war Inhaber dieser Wohnung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV Herr E. B., der damit nach § 2 Abs. 1 RBStV ebenfalls Beitragsschuldner war. Beide Beitragsschuldner hafteten nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV gesamtschuldnerisch mit der Folge, dass der Beklagte den Rundfunkbeitrag zwar von jedem der beiden nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO fordern durfte, dass aber bei Zahlung des Rundfunkbeitrags durch einen der beiden auch für den anderen gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 AO Erfüllung eingetreten ist. Da nach Aktenlage Herr B. für die streitgegenständlichen Zeiträume den Rundfunkbeitrag für die Wohnung „C., D.“ entrichtet hatte, war die Beitragsschuld auch mit Wirkung für die Klägerin erfüllt worden, so dass sie für diese Wohnung nicht als Beitragsschuldnerin in Rückstand geraten war.

Der Umstand, dass die Klägerin es versäumt hatte, das Ende des Innehabens ihrer vorherigen Wohnung gemäß § 8 Abs. 2 RBStV rechtzeitig gegenüber dem Beklagten anzuzeigen, rechtfertigt nicht ihre Inanspruchnahme als Beitragsschuldnerin für die neue Wohnung „C., D.“. § 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV bestimmt, dass die Beitragspflicht mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung, der Betriebsstätte oder des Kraftfahrzeugs durch den Beitragsschuldner endet, nicht jedoch vor dem Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer bestimmten Wohnung geknüpft. Ein Abmeldeversäumnis kann also allenfalls dazu führen, dass die Beitragspflicht für eine nicht mehr innegehabte Wohnung bis zur ordnungsgemäßen Abmeldung fortbesteht. Keinesfalls kann aber mit der versäumten Abmeldung in Bezug auf eine alte Wohnung gerechtfertigt werden, zulasten des Beitragsschuldners den Rundfunkbeitrag für eine von ihm innegehabte neue Wohnung festzusetzen, obwohl die Beitragsschuld für diese Wohnung von einem weiteren Beitragsschuldner mit gesamtschuldnerischer Erfüllungswirkung für beide Beitragsschuldner bereits beglichen worden ist. Das gilt auch im Lichte des § 4 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkbeitragssatzung, wonach als Abmeldegrund u.a. der Zuzug des Inhabers in eine Wohnung, für die schon ein Rundfunkbeitrag entrichtet wird, genannt ist.

Daher hätte der Beklagte, nachdem die Klägerin ihm im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 12. Mai 2017 mitgeteilt hatte, dass der Beitragsschuldner Herr B. für die auch von ihr bewohnte Wohnung „C., D.“ den Rundfunkbeitrag gezahlt hatte, die angefochtenen Bescheide sogleich aufheben müssen, um nach dem auch im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu beachtenden § 156 VwGO keine Kosten auferlegt zu bekommen. Dies hat er indessen unterlassen.

Für eine Kostenbeteiligung der Klägerin spricht, dass sie ihren Anzeigepflichten aus § 8 Abs. 2 und Abs. 5 Nr. 3 RBStV nicht bzw. nicht rechtzeitig nachgekommen ist und daher ebenfalls Anlass für den vorliegenden Rechtsstreit gegeben hat. Die Klägerin zeigte das Ende des Innehabens der Wohnung, die sie vor dem Umzug in die Wohnung „C., D.“ bewohnt hatte, entgegen § 8 Abs. 2 RBStV zunächst nicht beim Beklagten an. Sie teilte auch entgegen § 8 Abs. 5 Nr. 3 RBStV nicht die Beitragsnummer des für die neue Wohnung in Anspruch genommenen Beitragsschuldners mit. Vielmehr stellte sie ihre Zahlungen ein und reagierte auf die Anschreiben des Beklagten vom 2. Januar 2015, vom 6. Februar 2015, vom 5. Juni 2015 und vom 6. November 2015 nicht. Auf die Zahlungserinnerung vom 2. März 2015 reagierte sie zwar, aber teilte den weiteren Beitragsschuldner nicht mit. Ihre Widersprüche gegen die Festsetzungsbescheide vom 3. Januar 2016 und vom 1. Februar 2016 begründete die Klägerin nicht. Erst im Klageverfahren teilte sie mit Schriftsatz vom 12. Mai 2017 mit, dass die Beiträge zur Wohnung „C., D.“ durch einen anderen Beitragsschuldner beglichen worden seien, und gab dessen Beitragsnummer an. Wäre die Klägerin ihren Verpflichtungen von Anfang an, nämlich gleich nach ihrem Umzug, ordnungsgemäß nachgekommen, dann wäre der vorliegende Rechtsstreit vermieden worden, weil der Beklagte erst gar keine rückständigen Beiträge zu Lasten der Klägerin festgesetzt hätte, sondern die Beitragszahlungen des weiteren Beitragsschuldners ohne Weiteres auch ihr hätte zuordnen können. Dennoch entspräche es nicht der Billigkeit, allein der Klägerin die Kosten des gesamten Rechtsstreits in Anlehnung an § 155 Abs. 4 VwGO, wonach Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können, aufzuerlegen. Denn die Klägerin hätte nur durch pflichtgemäßes Verhalten gegenüber dem Beklagten zum Zeitpunkt ihres Umzugs den Rechtsstreit vollständig vermeiden können. Bereits bei einer geringfügig verspäteten Mitteilung des weiteren Beitragsschuldners ist aufgrund des Verhaltens des Beklagten in diesem Verfahren davon auszugehen, dass er dennoch auf der Erhebung von rückständigen Beiträgen für die Wohnung „C., D.“ über den Zeitraum bis zur Umzugsmitteilung zu Lasten der Klägerin bestanden hätte, so dass auch in diesem Fall ein Rechtsstreit hätte geführt werden müssen.

Da somit das Verhalten beider Beteiligter für den vorliegenden Rechtsstreit zwar aus unterschiedlichen Gründen, aber insgesamt doch zu vergleichbaren Anteilen ursächlich war, entspricht es der Billigkeit, dass die Beteiligten die Kosten des Rechtsstreits zu gleichen Teilen tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 158 Abs. 2, 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).