Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.01.2013, Az.: 7 LB 194/11
Sondernutzungsgebührenfestsetzung in Niedersachsen im Zusammenhang mit der Aufstellung von Betonsockeln und Absperrvorrichtungen auf Straßen und Gehwegen zur Verhinderung einer Gefahr; Notwendigkeit einer Ausnahmegenehmigung in Niedersachsen nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts im Falle des Vorliegens eines Verstoßes gegen ein straßenverkehrsrechtliches Verbot im Falle der Nichterteilung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.01.2013
- Aktenzeichen
- 7 LB 194/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 32223
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0117.7LB194.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 20.05.2011 - AZ: 4 A 5/10
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 6 FStrG
- § 19 NStrG
- § 21 S. 1 NStrG
- § 32 Abs. 1 StVO
- § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 StVO
Fundstellen
- DAR 2013, 223
- DVBl 2013, 456-460
- DÖV 2013, 359
- JuS 2014, 94-95
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Gemäß § 19 Satz 1 NStrG ist immer dann nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, wenn ohne deren Erteilung gegen ein entsprechendes straßenverkehrsrechtliches Verbot verstoßen würde, und beurteilt sich, ob Letzteres zutrifft, allein nach Inhalt, Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsnorm, sodass es keinen Bedenken begegnet, § 19 NStrG auch auf die Fälle des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO anzuwenden, sofern diese Vorschrift einschlägig ist und sich der Sachverhalt zugleich als straßenrechtliche Sondernutzung darstellt.
- 2.
Die §§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO und 32 Abs. 1 StVO beziehen sich auch auf solche Hindernisse, die nicht durch einen Verkehrsteilnehmer, sondern im Rahmen einer straßenrechtlichen Sondernutzung zu verkehrsfremden Zwecken von einem Anlieger auf die Straße gebracht werden.
Tatbestand
Mit seiner diesbezüglich in erster Instanz erfolgreichen Klage begehrt der Kläger, den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2009 aufzuheben, soweit mit diesem Sondernutzungsgebühren in Höhe von 1.505,28 EUR festgesetzt wurden.
Der Kläger war Eigentümer und Besitzer des Ratskellergebäudes "E." in F., das bei einem Brand am 13. Januar 2007 zu Schaden kam.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2007 (Bl. 22 der Gerichtsakte - GA -) forderte ihn die Samtgemeinde Elbtalaue auf, zeitnah Sicherungs- und Aufräumarbeiten in die Wege zu leiten, damit im Bereich der durch den Brandschaden in Anspruch genommenen öffentlichen Verkehrsflächen (Straßen, Gehwege) ein ordnungsgemäßer Fußgängerverkehr wieder möglich werde. Der Kläger ließ das beschädigte Gebäude mit im öffentlichen Verkehrsraum platzierten Betonfundamenten und einem Drahtbauzaun, der in der Folge durch einen Bretterzaun ersetzt wurde, absichern. Diese Absperrungen entzogen Teile des Gehwegs und des übrigen Straßenraums der öffentlichen Straßen und Plätze G., H. und I. der Nutzung durch den öffentlichen Verkehr. Dies betraf eine Fläche von rund 196 qm. Dabei waren in der H. der Gehweg in gesamter Breite über eine Länge von etwa 14 m sowie Teile der Fahrbahn, G. der Gehweg in gesamter Breite über eine Länge von etwa 20 m sowie - in geringerem Ausmaß - die Fahrbahn und am I. der Gehweg über eine Länge von etwa 15 m betroffen.
Mit Bescheid vom 7. März 2007 (Bl. 92 ff. [93 f.] GA), geändert durch Bescheid vom 15. März 2007 (Bl. 23 GA), traf der Landkreis Lüchow-Dannenberg gegenüber dem Kläger eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung zur Sicherung der Arbeitsstelle "Sanierung Ratskeller F.". Er gab dem Kläger gemäß § 45 Abs. 1 bis 3 und 6 StVO auf, zur Absicherung und Kennzeichnung der Arbeitsstelle sowie zur Beschränkung, Regelung und Leitung des Verkehrs für die Arbeitsdauer vom 8. März bis 31. Dezember 2007 Verkehrszeichen und -einrichtungen (darunter auch Warnleuchten) nach beigefügten Verkehrszeichenplänen anzubringen. Die Verfügung vom 7. März 2007 enthielt zudem verschiedene allgemeine Anordnungen. In diesen wurde dem Kläger unter Nr. 10 aufgegeben, ggf. bestimmte Schutzmaßnahmen für den Fußgängerverkehr zu treffen und beispielhaft die Errichtung von Bauzäunen erwähnt. Außerdem wurde er unter Nr. 12 darauf hingewiesen, dass es für alle Baumaßnahmen, die nicht Herstellungs- oder Unterhaltungsmaßnahmen an der Straße seien, vor Einrichtung der Arbeitsstelle einer Sondernutzungserlaubnis des Straßenbaulastträgers bedürfe.
Die Rückbau- bzw. Sicherungsarbeiten an dem Gebäude wurden innerhalb des Jahres 2007 durchgeführt.
Mit dem teilweise angefochtenen Bescheid vom 20. Oktober 2009 (Bl. 47 GA) erteilte die Beklagte dem Kläger gemäß § 3 ihrer Sondernutzungssatzung (Bl. 166 ff. GA) die Erlaubnis, den Straßenraum (Verkehrsfläche und Gehweg) vor dem ehemaligen Gebäude Ratskeller "E." in F. für die Aufstellung von Betonsockeln und Absperrvorrichtungen vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Dezember 2009 zu nutzen und setzte in Anknüpfung an die durch Aufmaß (in Beiakte - BA - B) ermittelte Größe der zugewiesenen Fläche von 196 qm eine Sondernutzungsgebühr von 1.505,28 EUR fest.
Mit weiterem Bescheid vom 20. Oktober 2009 zog die Beklagte den Kläger zu einer Verwaltungsgebühr von 21 EUR für die Erteilung der Sondernutzungsgenehmigung heran.
Die Samtgemeinde Elbtalaue gab dem Kläger schließlich mit einer straßenverkehrsbehördlicher Anordnung vom 19. November 2009 (Bl. 45 f. GA) auf, zur Absicherung gegenüber der Bauruine am Baugrundstück in F. Verkehrszeichen bzw. Verkehrseinrichtungen (darunter auch Warnleuchten) nach einem beigefügten Verkehrszeichenplan anzubringen. In diesen Plan war auch der errichtete "Bretter-Bauzaun" eingezeichnet. Außerdem enthielt die Verfügung wiederum den Hinweis, eine Sondernutzungserlaubnis sei erforderlich.
Der Kläger hat am 19. November 2009 Klage gegen die Gebührenfestsetzungen in den beiden Bescheiden vom 20. Oktober 2009 erhoben und zur Begründung Folgendes vorgebracht:
Die verkehrsbehördlichen Anordnungen erfassten auch die Absicherung durch den errichteten Bauzaun. Vor diesem Hintergrund habe es keiner Sondernutzungserlaubnis bedurft, die er, der Kläger, auch nicht beantragt habe. Es hätte zudem gemäß § 1 Abs. 2 der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten von der Gebührenerhebung abgesehen werden müssen, da die Errichtung der Bauzäune wegen des Brandschadens notwendig und ihm aufgegeben worden sei. Das Bauamt der Beklagten habe ihm dabei Kostenfreiheit zugesichert und über einen Zeitraum von zwei Jahren seien keinerlei Gebühren erhoben worden. Die Sondernutzungsgebühr sei im Übrigen zu.U.nrecht nach der Größe der zugewiesenen Fläche bemessen worden. Schließlich stelle die Heranziehung zu Gebühren eine Ungleichbehandlung dar; denn gegenüber dem Käufer der mittlerweile verkauften Immobilie habe die Beklagte eine Befreiung von den Sondernutzungsgebühren ausgesprochen.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2009 über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aufzuheben, soweit dieser Sondernutzungsgebühren in Höhe von 1.505,28 EUR festsetzt,
- 2.
den Gebührenbescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2009 über die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 21,00 EUR aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat dem Kläger entgegnet: Das Schreiben der Samtgemeinde und die befristete verkehrsbehördliche Anordnung vom 7. März 2007 i.d.F. vom 15. März 2007 bezögen sich auf Sicherungsarbeiten, die seit Mitte 2007 beendet gewesen seien. Die verkehrsbehördlichen Anordnungen beträfen lediglich die Anbringung von Verkehrszeichen und nicht den - bereits zuvor errichteten - Bauzaun, der keine Verkehrseinrichtung im Sinne der Straßenverkehrsordnung sei. Eine Kostenfreiheit für die Dauerabsicherung sei nicht zugesagt worden. Es sei auch nicht nach § 1 Abs. 2 der Sondernutzungsgebührensatzung von der Gebührenerhebung abzusehen; denn weder bestünden städtebauliche Gründe für den Erhalt der jetzigen Absicherung noch ein öffentliches Interesse am Entzug des entsprechenden Verkehrsraumes. Eine Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Auch gegenüber der Rechtsnachfolgerin des Klägers sei eine entsprechende Sondernutzungsgebühr festgesetzt worden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden sei.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Mai 2011 teilweise stattgegeben und zwar nicht die Festsetzung der Verwaltungs-, aber diejenige der Sondernutzungsgebühr von 1.505,28 EUR aufgehoben.
Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2009 über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, soweit er eine Sondernutzungsgebühr festsetze (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nicht die Beklagte, sondern die Straßenverkehrsbehörde wäre nach § 19 Satz 3 NStrG für die Erhebung einer Sondernutzungsgebühr zuständig gewesen. Nach § 19 Satz 1 NStrG bedürfe es keiner [Sondernutzungs-] Erlaubnis, wenn nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Ausnahmegenehmigung erforderlich sei. Vor ihrer Entscheidung habe die hierfür zuständige Behörde die sonst für die Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören (§ 19 Satz 2 NStrG). Die von dieser geforderten Sondernutzungsgebühren seien dem Antragsteller in der Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung aufzuerlegen (§ 19 Satz 3 NStrG). Im vorliegenden Falle habe es nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO einer Ausnahmegenehmigung für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche durch Betonsockel und Bauzaun bedurft. Gemäß dieser Vorschrift könnten die Straßenverkehrsbehörden Ausnahmen von dem Verbot des § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO genehmigen, dann Gegenstände auf Straßen zu bringen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden könne. Zur Straße in diesem Sinne gehörten außer der Fahrbahn auch Gehwege. Eine konkrete Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs sei nicht erforderlich; es genüge, dass eine solche abstrakt drohe, also nicht ganz unwahrscheinlich sei. Die durch den Kläger errichteten Betonsockel und der Bauzaun stellten zumindest eine abstrakte Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs in diesem Sinne dar. Sie hätten im Umfang einer nicht unbeachtlichen Fläche von rund 196 qm sowohl Teile des Gehweges als auch der Straße dem öffentlichen Verkehr entzogen. Dabei seien in der H. und G. die Gehwege über eine Länge von etwa 14 m bzw. etwa 20 m in gesamter Breite betroffen gewesen. Es sei keineswegs ganz unwahrscheinlich gewesen, dass dadurch der Fußgänger- und Kfz-Verkehr zumindest erschwert worden sei, dies insbesondere vor dem Hintergrund der teilweise vollständigen Sperrung des Gehwegs. Unerheblich sei, dass eine notwendige Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO nicht erteilt worden sei. Ausweislich des Wortlauts des § 19 Satz 1 NStrG komme es darauf an, ob eine entsprechende Erlaubnis der zuständigen Straßenverkehrsbehörde objektiv erforderlich sei, nicht aber darauf, ob die Behörde sie tatsächlich bereits erteilt habe.
Auf einen entsprechenden Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 17. November 2011 wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache die Berufung zugelassen.
Nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses und Verlängerung der Berufungsbegründungfrist bis zum Ablauf des 23. Januar 2012 hat die Beklagte ihre Berufung am 19. Januar 2012 im Wesentlichen wie folgt begründet:
Zu.U.nrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass sie, die Beklagte, keine Sondernutzungsgebühr hätte festsetzen dürfen, weil eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich gewesen sei. Denn § 19 NStrG, der sich durch seine amtliche Überschrift und die Verselbständigung der Regelung in einem eigenen Paragrafen von der vergleichbaren Bestimmung des § 8 Abs. 6 FStrG unterscheide, sei ausweislich dieser amtlichen Überschrift im vorliegenden Falle nicht einschlägig. Er beziehe sich nur auf "besondere Veranstaltungen" (etwa im Sinne der §§ 29, 33 oder 35 Abs. 2 StVO), zu denen ein Verbringen von Gegenständen auf Straßen nicht zähle. Dementsprechend werde in der einschlägigen Kommentarliteratur der seitens der Vorinstanz herangezogene § 32 StVO (Verkehrshindernisse) nicht als ein Beispielsfall für "besondere Veranstaltungen" im Sinne des § 19 NStrG oder vergleichbarer Vorschriften genannt. Auch hätte die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Folge, dass praktisch in allen Fällen einer Sondernutzung für solche Zwecke, die nicht zum Verkehr rechneten (z.B. beim Aufstellen von Litfaßsäulen oder von Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen einer Außenrestauration) eine Ausnahmegenehmigung der Straßenverkehrsbehörde eingeholt werden müsste. Da diese ihrerseits die für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören hätte, würde gegenüber der bisherigen Praxis, in der regelmäßig nur eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werde, keine Verwaltungsvereinfachung bewirkt, auf die § 19 NStrG abziele, sondern deren Gegenteil. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass nach der Rechtsmeinung der Vorinstanz selbst eine kurzfristige Inanspruchnahme des Straßenraums für nicht verkehrliche Zwecke, die sich im Rahmen des gesteigerten Gemeingebrauchs der Anlieger hielte, eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO erfordern würde. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts München (Beschl. v. 3. 11. 1998 - M 6 S 98.4499 -, [...]) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 20. 10. 1993 - BVerwG 11 C 44.92 -, BVerwGE 94, 234), die in dem angefochtenen Urteil als Beleg für die Rechtsauffassung der Vorinstanz zitierte werde, sei nicht einschlägig. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, das einen Bauzaun als Verkehrshindernis im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO angesehen habe, betreffe keinen Fall der Sondernutzungserlaubnis, sondern einen solchen verbotener Eigenmacht, in dem ein Grundstückseigentümer den Zaun aufgestellt habe, um eine bestimmte Fläche für den öffentlichen Verkehr zu sperren. In dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts habe ein negativer Kompetenzkonflikt der Straßenverkehrs- und der Straßenbaubehörde vorgelegen, sodass das Bundesverwaltungsgericht auf die objektive Rechtslage und nicht die tatsächliche Erteilung einer Erlaubnis abgehoben habe. Es habe sich deshalb nicht zu der Frage geäußert, ob eine Sondernutzungserlaubnis als rechtswidrig aufzuheben sei, die von der dafür ansonsten zuständigen Behörde erteilt wurde, wenn - für den vorliegenden Fall einmal unterstellt - richtigerweise eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung hätte erteilt werden müssen. Dem Kläger sei schließlich auch entgegenzuhalten, dass er den Bescheid vom 20. Oktober 2009 insoweit habe bestandskräftig werden lassen, als ihm die Sondernutzungserlaubnis erteilt worden sei. Denn Rechtsgrund für ein Anfallen der Sondernutzungsgebühr sei die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis als solche.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 20. Mai 2011 - 4 A 5/10 -, soweit die Sondernutzungserlaubnis vom 20. Oktober 2009 hinsichtlich der Festsetzung von Sondernutzungsgebühren in Höhe von 1.505,28 EUR aufgehoben worden ist, abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil: Aus der amtlichen Überschrift des § 19 NStrG lasse sich keine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf bestimmte Erlaubnistatbestände der Straßenverkehrsordnung herleiten; denn es sei nicht die Funktion solcher Überschriften, den vollständigen Regelungsgehalt einer Norm zu umreißen. Die Aufzählung in der einschlägigen Kommentierung des Landesrechts sei nur bespielhaft und nicht abschließend. Ausführungen der Beklagten zur bisherigen praktischen Handhabung könnten eine Abweichung vom klaren Wortlaut des § 19 NStrG selbst dann nicht rechtfertigen, wenn sie zuträfen. Im Übrigen dürften sich Mobiliar oder Litfaßsäulen nur selten im räumlichen Schutzbereich des § 32 StVO auf Fahrbahnen, Rad- oder Gehwegen finden und dort den Verkehr gefährden oder erschweren. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München sei einschlägig, weil dort ebenso wie im vorliegenden Falle der Bauzaun verkehrsfremden Zwecken gedient und ein Verkehrshindernis dargestellt habe. Die straßenverkehrsrechtliche Relevanz seiner Aufstellung hänge nicht davon ab, ob ihre Beurteilung im Zusammenhang mit einer Sondernutzungserlaubnis vorzunehmen sei. Das Verwaltungsgericht habe das in Rede stehende höchstrichterliche Urteil nur als Beleg für seine Auffassung zitiert, § 19 Satz 1 NStrG setze nicht voraus, dass die Straßenverkehrsbehörde eine entsprechende Ausnahmegenehmigung bereits erteilt habe. Insoweit sei das Urteil einschlägig, weil es zu der wortgleichen Regelung in § 8 Abs. 6 FStrG ergangen sei. Eine Sondernutzungsgebühr falle nicht für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, sondern die Tatsache der Sondernutzung an. Für eine Anfechtung der nicht belastenden Erteilung der Sondernutzungserlaubnis hätte gar kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Es sei unerheblich, dass sie unterblieben sei. Dafür, dass die Straßenverkehrsbehörde ausschließlich zuständig gewesen sei und den Bauzaun selbst als Verkehrshindernis im Sinne des § 32 StVO angesehen habe, spreche bereits, dass sie tätig geworden sei, um das Anbringen der Verkehrszeichen anzuordnen. Selbst wenn ihre Anordnungen als Genehmigung des bereits errichteten Bauzauns zu werten wären, hätte dies nicht die Zuständigkeit der Beklagten für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren nach sich gezogen. Denn es entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers durch § 19 Satz 3 NStrG die Entscheidungskompetenz bei der Straßenverkehrsbehörde zu konzentrieren.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A und B) verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz und der Beratung des Berufungsgerichts gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der Senat weist sie aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, die im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben sind. Insoweit sieht er gemäß § 130b Satz 2 VwGO von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab. In Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung der Beklagten ist lediglich Folgendes zu ergänzen:
Der Beklagten ist nicht darin zu folgen, dass dem Kläger der Einwand ihrer sachlichen Unzuständigkeit bereits deshalb abgeschnitten sei, weil er die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis - im Gegensatz zu der Festsetzung der Sondernutzungsgebühr - in dem Bescheid vom 20. Oktober 2009 nicht angefochten habe.
Zwar entfaltet die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis als eigenständiger Verwaltungsakt insoweit eine materielle Bestandskraft und Tatbestandswirkung, als zwischen den Beteiligten - auch für das Verfahren einer Gebührenfestsetzung - feststeht, dass dem Kläger durch die Beklagte die Aufstellung von Betonsockeln und Absperrvorrichtungen als Sondernutzung erlaubt wurde. Dies reicht aber nicht aus, um zu rechtfertigen, dass die Beklagte die angefochtene Festsetzung einer Sondernutzungsgebühr vorgenommen hat. Denn zutreffend verweist der Kläger darauf, dass gemäß § 21 Satz 1 NStrG Sondernutzungsgebühren nicht für den Vorgang der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis durch die tätig gewordenen Stelle, sondern nur "für Sondernutzungen", also für die Tatsache der Sondernutzung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 6. 1981 - BVerwG 4 C 73.78 -, Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 17, hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 16), erhoben werden können. Für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis als Verwaltungsleistung wurde im Übrigen durch den weiteren gesonderten Bescheid vom 20. Oktober 2009 eine eigene Gebühr nach dem Verwaltungskostenrecht festgesetzt.
Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis vom 20. Oktober 2009 enthält auch keine in materieller Bestandskraft erwachsene und in das Verwaltungsverfahren der Sondernutzungsgebührenfestsetzung hineinwirkende Feststellung, dass für die erlaubte Aufstellung von Betonsockeln und Absperrvorrichtungen eine Ausnahmegenehmigung nach dem Straßenverkehrsrecht nicht erforderlich sei.
Der Umfang der materiellen Bestandskraft und der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts wird in sachlicher Hinsicht durch den Entscheidungsgegengenstand, also die verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung (§ 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) begrenzt. Deren Inhalt ist zwar durch Auslegung unter Heranziehung auch der Begründung des Verwaltungsaktes zu ermitteln (Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 43 Rnrn. 56 und 58). Angesichts des Bestimmtheitsgebots (§ 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG), dem die Regelungen eines Verwaltungsaktes unterliegen, verbietet es sich aber, in einen Bescheid Zwischenentscheidungen "hineinzulesen", die als solche nicht genügend zum Ausdruck gekommen sind. Die rechtliche Beurteilung einer Vorfrage erlangt daher keine selbständige Verbindlichkeit, sofern sie nicht hinreichend erkennbar zu einer besonderen Entscheidung verselbständigt ist (Sachs, a.a.O., § 43 Rn. 59) oder eine erweiterte Tatbestandswirkung besteht, d.h. eine besondere gesetzliche Vorschrift eine Feststellungswirkung anordnet, durch welche die Beurteilung der jeweiligen Vorfrage in die Bindungswirkung der getroffenen Regelung einbezogen wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 43 Rnrn. 26 und 31; vgl. auch VG Cottbus, Urt. v. 27. 2. 2009 - 7 K 945/06 -, [...], Langtext Rnrn. 19 ff.).
Der "Erlaubnisteil" des Sondernutzungsbescheides vom 20. Oktober 2009 nimmt zwar Bezug auf die Sondernutzungssatzung der Beklagten, die in ihrem § 2 Abs. 2 inhaltlich die Regelung des § 19 Satz 1 NStrG wiederholt. Es wird aber in der Begründung des Verwaltungsakts die Frage des Erfordernisses einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung nicht ausdrücklich geprüft, geschweige denn, dass insoweit eine besondere Entscheidung getroffen wäre. Eine Feststellungswirkung in Bezug auf diese inzident zu prüfende Vorfrage ist auch gesetzlich nicht angeordnet.
Es ist daher in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die dem Kläger unter dem 20. Oktober 2009 erteilte Sondernutzungserlaubnis Bestandskraft erlangt hat.
Zu.U.nrecht wendet sich die Beklagte unter Hinweis auf die amtliche Überschrift und die Verselbständigung der Regelung in einem eigenen Paragrafen dagegen, dass § 19 NStrG im vorliegenden Falle einschlägig sei. Die genannte Vorschrift hat ihre hier anzuwendende Fassung durch Art. I des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Straßengesetzes vom 29. Juli 1980 (Nds. GVBl., S. 283) erhalten. Der Begründung, die dem entsprechenden Gesetzentwurf des Landesministeriums beigegeben war, ist zwar zu entnehmen, dass die bisher in § 18 Abs. 6 NStrG a.F. enthaltene Regelung über besondere Veranstaltungen nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 6 FStrG aufgrund ihres Eigencharakters nach § 19 NStrG übernommen wurde (LT-Drucks. 9/892, S. 37, zu Art. I Nr. 16 [§ 19]). Dies rechtfertigt aber nicht die von der Beklagten hieraus gezogenen Schlussfolgerungen.
Die bisherige Regelung des § 18 Abs. 6 NStrG a.F. entstammte noch dem Niedersächsischen Straßengesetz in seiner Ursprungsfassung vom 14. Dezember 1962 (Nds. GVBl., S. 251 [255]). Sie bezog sich zwar allein auf besondere Veranstaltungen im Sinne des Rechtsverständnisses der Beklagten. Dies ergab sich aber daraus, dass sie nur im Falle der Erteilung bestimmter Erlaubnisse oder des Vorliegens bestimmter Voraussetzungen das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis entfallen ließ (vgl. Nedden/Mecke, Handbuch d. Nds. Straßenrechts, Göttingen 1964, § 18 Erl. 8). Außerdem enthielt § 18 Abs. 6 NStrG a.F. keine Regelung einer Zuständigkeit für die Festsetzung von Sondernutzungsgebühren durch die Straßenverkehrsbehörde. Vor diesem Hintergrund muss dem niedersächsischen Landesgesetzgeber im Zuge der Neufassung des § 19 NStrG bewusst gewesen sein, dass mit der Übernahme des Wortlauts des § 8 Abs. 6 FStrG die bisherige Regelung nicht inhaltlich unverändert bestehen bleiben würde. Auch die einschlägigen niedersächsischen Gesetzesmaterialien bieten keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass beabsichtigt war, zwar den Wortlaut des § 8 Abs. 6 FStrG zu übernehmen, nicht aber den vollen Regelungsgehalt dieser Vorschrift.
Für die Auslegung des § 19 NStrG kann deshalb ergänzend sowohl auf die Gesetzesmaterialien zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (2. FStrÄndG) vom 4. Juli 1974 (BGBl. I, S. 1401) zurückgegriffen werden, durch das § 8 Abs. 6 FStrG seine in das niedersächsische Landesrecht übernommene Fassung erhielt, als auch auf die zu § 8 Abs. 6 FStrG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Der dem Gesetzentwurf des 2. FStrÄndG beigegebenen Begründung ist zu entnehmen, dass die in der zuvor bestehenden bundesrechtlichen Regelung noch aufgeführten Beispielsfälle in dem neu gefassten § 8 Abs. 6 FStrG entfallen könnten, "weil es sich aus dem Straßenverkehrsrecht ergibt, wann eine verkehrsrechtliche Erlaubnis erforderlich ist" (BT-Drucks. 7/1265, S. 17, zu Art. 1 Nr. 5 [§ 8 FStrG]). Von einer vergleichbaren gesetzgeberischen Überlegung muss sowohl nach Bundes- wie nach Landesrecht für verkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigungen ausgegangen werden. Daher ist § 19 NStrG nicht nur auf Fälle anzuwenden, in denen die Sondernutzung in einer besonderen Veranstaltung im Sinne des Begriffsverständnisses der Beklagten besteht. Solche Veranstaltungen sind vielmehr nur deshalb für die Fassung der amtlichen Überschrift der Norm bestimmend geworden, weil sie die klassischen Beispielfälle darstellen.
Dem Sinn der Regelung des § 19 NStrG sowie dem richtigen Verständnis der Abgrenzung zwischen Straßen- und Straßenverkehrsrecht entspricht es ebenfalls, davon auszugehen, dass alle sich auf das Straßenverkehrsrecht stützenden Freigaben die nach Straßenrecht notwendige Sondernutzungserlaubnis ersetzen, wenn sie sich auf solche Straßenbenutzungen beziehen, die Sondergebrauch sind - und zwar unabhängig davon, ob die Freigaben in Gestalt einer Erlaubnis oder Ausnahme ergehen (vgl. Stahlhut, in: Kodal, StrR, 7. Aufl. 2010, Kap. 27 Rn. 48, S. 848 f.). Sinn der Regelung ist nämlich eine Verwaltungsvereinfachung, die bei einer am Wortlaut der amtlichen Überschrift haftenden Auslegung nicht erreicht würde (vgl. Stahlhut, a.a.O.). Dabei ist von Bedeutung, dass der eindeutige Wille des Bundes- und diesem folgend des Landesgesetzgebers dahin ging, im Außenverhältnis zu dem betroffenen Bürger und in dessen Interesse die Entscheidungskompetenz bei einer Behörde, nämlich der Straßenverkehrsbehörde, zu konzentrieren, um so das Erfordernis einer doppelten Antragstellung zu vermeiden (vgl.: BT-Drucks. 7/1265, S. 17, zu Art. 1 Nr. 5 [§ 8 FStrG]; BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1993 - BVerwG 11 C 44.92 -, BVerwGE 94, 234 [236 f.], und Grupp, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 8 Rn. 26). Die angestrebte Verwaltungsvereinfachung dient also nicht etwa den betroffenen Behörden, für die das Verfahren nach § 19 Sätze 2 und 3 NStrG schwerlich eine Arbeitserleichterung darstellt - sodass es nicht erstaunt, wenn in der Praxis die Tendenz besteht, den Anwendungsbereich dieses Verfahrens geringzuhalten.
Nach alledem begegnet es aus der Perspektive des Niedersächsischen Straßengesetzes keinen Bedenken, § 19 NStrG auch auf die Fälle des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO an-zuwenden, sofern diese straßenverkehrsrechtliche Vorschrift einschlägig ist und sich der Sachverhalt materiell-rechtlich zugleich als straßenrechtliche Sondernutzung darstellt. Denn gemäß § 19 Satz 1 NStrG ist immer dann nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, wenn ohne deren Erteilung gegen ein entsprechendes straßenverkehrsrechtliches Verbot verstoßen würde, und beurteilt sich, ob Letzteres zutrifft, a l l e i n nach Inhalt, Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsnorm. So ist in der einschlägigen Kommentarliteratur zum bayerischen Landesrecht (Wiget, in: Zeitler, BayStrWG, Stand: 15. Sep. 2011, Art. 21 Rn. 6) ausdrücklich anerkannt, dass Art. 21 BayStrWG, der eine dem § 19 NStrG vergleichbaren Regelung enthält, auch auf die Fälle des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO Anwendung findet.
Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass hier für die Aufstellung von Betonsockeln und Absperrvorrichtungen eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO erforderlich war.
Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass in der Rechtsprechung für vergleichbare Sachverhalte die Auffassung vertreten wird, die §§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und 32 Abs. 1 StVO seien unanwendbar. Denn sie bezögen sich nicht auf solche Hindernisse, die nicht durch einen Verkehrsteilnehmer, sondern im Rahmen einer straßenrechtlichen Sondernutzung zu verkehrsfremden Zwecken von einem Anlieger auf die Straße gebracht würden (Bay. VGH, Beschl. v. 12. 12. 2007 - 8 CS 07.2952 -, BayVBl. 2008, 276 ff. [276] und Beschl. v. 15. 7. 1999 - 8 B 98.2161 -, [...], Langtext Rn. 20). Wie sich aus dem Erfordernis, eine erteilte straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung mit sich zu führen (§ 46 Abs. 3 Satz 3 StVO), ersehen lasse, setze die Regelung des § 46 Abs. 1 StVO voraus, dass solche Genehmigungen an Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1 StVO erteilt würden. Daran werde deutlich, dass die §§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und 32 Abs. 1 StVO für Fälle wie den vorliegenden nicht passten.
Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat nicht an. Die Verbote des § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVO (Betrieb von Lautsprechern) und Nr. 2 StVO (Anbieten von Waren und Leistungen auf der Straße) gelten nach ihrem Sinn und Zweck keineswegs nur für Verkehrsteilnehmer, sondern erfassen u.a. Einwirkungen aus einem Grundstück heraus in den öffentlichen Verkehrsraum (König, in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 41. Aufl. 2011, § 33 StVO Rnrn. 6 und 7). Da gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 StVO auch von diesen Verboten Ausnahmen zulässig sind, trifft es nicht zu, dass § 46 Abs. 1 StVO allein zugunsten von Verkehrsteilnehmern Anwendung findet. Die Vorschrift des § 46 Abs. 3 Satz 3 StVO lässt sich zwar damit erklären, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung an Verkehrsteilnehmer im Hinblick auf die in § 46 Abs. 1 StVO geregelten Tatbestände die Regel darstellt. Sie rechtfertigt aber keine weitergehenden Schlussfolgerungen für das Konkurrenzverhältnis zwischen straßenverkehrsrechtlicher Ausnahmegenehmigung und straßenrechtlicher Sondernutzungserlaubnis.
Die Anwendungsbereiche dieser beiden Arten einer Freigabe sind auch nicht danach abzugrenzen, ob die freizugebende Handlung im Schwerpunkt unter dem Blickwinkel der Abwehr von Gefahren für den Straßenverkehr oder unter demjenigen einer Überschreitung des Gemeingebrauchs (Sondernutzung) Bedenken begegnet (so aber: VGH BW, Urt. v. 11. 3. 2005 - 5 S 2421/03 -, VBlBW 2005, 391 ff., hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 25). Denn während es gemäß § 19 Satz 1 NStrG im Falle der Erforderlichkeit einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung keiner Sondernutzungserlaubnis bedarf, lässt umgekehrt nach § 18 Abs. 5 NStrG die Erteilung (und daher erst recht das Erfordernis) einer Sondernutzungserlaubnis die Notwendigkeit einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung nicht entfallen. Bei Sachverhalten, in denen zwar der Schwerpunkt der Problematik in der Überschreitung des Gemeingebrauchs liegt, die Sondernutzung aber auch unter dem Blickwinkel der Abwehr von Gefahren für den Straßenverkehr nicht unproblematisch erscheint, könnte somit die Sondernutzungserlaubnis die beabsichtigte Sondernutzung straßenverkehrsrechtlich nicht freigeben. Im Übrigen wäre für derartige Fälle selbst dann keine befriedigende Lösung erreicht, wenn man - entgegen der gesetzgeberischen Intention, die in den §§ 18 Abs. 5 und 19 NStrG zum Ausdruck kommt - die einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Verbote einschränkend auslegte. Denn eine solche Auslegung könnte nicht nur das Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde erschweren, wenn die zwar erlaubnisfähige, aber nebenher verkehrsbehindernde Sondernutzung unerlaubt ausgeübt wird. Sondern es ist auch zu bedenken, dass in straßenverkehrsbehördlichen Ausnahmegenehmigungen spezifisch straßenverkehrsrechtliche Regelungen als Auflagen (§ 46 Abs. 3 Satz 1 StVO) denkbar sind, mit denen sich eine Sondernutzungserlaubnis nicht in gleicher Weise nach § 18 Abs. 2 Satz 2 NStrG versehen ließe.
Die Verfahren zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO einerseits und zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 18 NStrG andererseits besitzen dementsprechend kein gleich großes Potential zur Bewältigung straßenverkehrsrechtlicher (Rand-) Probleme: Wirft eine Sondernutzung zugleich eine straßenverkehrsrechtliches (Rand-) Problem auf, so lässt sich vielmehr dieses Problem im straßenrechtlichen Verfahren häufig nicht vollständig bewältigen, sodass (so wie im vorliegenden Falle) zusätzliche verkehrsbehördliche Entscheidungen (hier in Form von Anordnungen) erforderlich werden. Die damit verbundene Vermehrung von Verwaltungsverfahren ist vermeidbar, wenn die gesetzlich vorgesehene Verfahrenskonzentration bei der Straßenverkehrsbehörde konsequent umgesetzt wird. Denn auf der Grundlage des § 19 Sätze 2 und 3 NStrG kann diese Behörde die Problematik einer Überschreitung des Gemeingebrauchs (Sondernutzung) vollständig mitbewältigen, und zwar selbst dann, wenn in dieser Problematik der Schwerpunkt des Falles liegen sollte. Auch deshalb darf sich die Abgrenzung der Anwendungsbereiche straßen- und straßenverkehrsrechtlicher Freigaben weder daran orientieren, ob das straßenverkehrsrechtliche Ausnahmeverfahren als "unpassend" erscheint, noch daran, ob der Schwerpunkt der Problematik auf straßenrechtlichem Gebiet liegt.
Der Senat teilt nicht die Bedenken der Beklagten, es liege in der Konsequenz der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass praktisch in allen Fällen einer Sondernutzung für solche Zwecke, die nicht zum Verkehr rechneten (z.B. beim Aufstellen von Litfaßsäulen oder von Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen einer Außenrestauration) gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO eine Ausnahmegenehmigung der Straßenverkehrsbehörde eingeholt werden müsste. Denn es ist unter Berücksichtigung der Widmung der Straße, der konkreten Funktion der betroffenen öffentlichen Verkehrsfläche (also z.B. Fahrbahn, Gehweg oder Sperrfläche), der objektiven (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28. 8. 2012 - BVerwG 3 B 8.12 -, DVBl. 2012, 1434 ff., hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 13) Zweckbestimmung des verbrachten Gegenstands und der voraussichtlichen Dauer seines Verbleibs jeweils für den Einzelfall zu beurteilen, ob ein Gegenstand auf der Straße als Verkehrshindernis im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO anzusehen ist (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 41. Aufl. 2011, § 32 StVO Rnrn. 9 und 14). Der von dem Verwaltungsgericht zutreffend erkannte potentiell weite Anwendungsbereich der Vorschrift ist also durch eine verständige Subsumtion für den Einzelfall einzugrenzen, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Schwerpunkt des Verbotes darin ruht, hinreichende Vorsorge dafür zu treffen, dass keine verkehrsfremden Zustände entstehen. Dabei kann es auch eine Rolle spielen, mit welchen Hindernissen ein Verkehrsteilnehmer im Allgemeinen zu rechnen hat (vgl. König, a.a.O., § 32 StVO Rn. 9). Hiernach können beispielsweise die Stühle einer Außenrestauration am Rande eines geräumigen Platzes in der Fußgängerzone, mit denen eine Art "ruhender Fußgängerverkehr" ermöglicht wird, anders zu beurteilen sein (vgl. VGH BW, Beschl. v. 14. 10. 1996 - 5 S 1775/96 -, NVwZ-RR 1997, 679 ff., hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 13) als gleichartige Stühle, durch die etwa eine Parkbucht "reserviert" werden soll.
Für den vorliegenden Fall liegt es indessen auf der Hand, dass ein Bauzaun, zumal wenn er teilweise den Gehweg in voller Breite in Anspruch nimmt, ein Verkehrshindernis im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 StVO ist. Soweit dem Kläger durch die verkehrsbehördlichen Anordnungen vom 5. und 17. März 2007 sowie vom 19. November 2009 aufgegeben wurde, die Absperrungen mit Warnleuchten zu versehen, hat dies zudem ersichtlich einer Konkretisierung der Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 3 StVO gedient.
Es ergibt sich unter anderem aus den Vorschriften und (unrichtigen) Hinweisen auf das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis, die in den genannten verkehrsbehördlichen Anordnungen zitiert werden bzw. enthalten sind, dass diese Anordnungen keine Genehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO enthalten. Das ist aber unerheblich, weil es für die Anwendbarkeit des § 19 NStrG nicht darauf ankommt, ob die erforderliche Genehmigung tatsächlich bereits erteilt wurde oder nicht.
Da die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des 20. Oktober 2009 gemäß § 19 Sätze 2 und 3 NStrG s a c h l i c h unzuständig für die Festsetzung einer Sondernutzungsgebühr war, scheidet eine Anwendung des § 46 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) aus.
Der mit der Klage geltend gemachte Aufhebungsanspruch scheitert schließlich nicht da-ran, dass dem Kläger kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung eines Verwaltungsaktes zugebilligt werden könnte, wenn dieselbe Behörde alsbald eine inhaltsgleiche Verfügung neu erlassen müsste (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 15. 9. 1993 - 7 L 5832/92 -, NVwZ 1995, 185 [186]); denn das ist hier nicht der Fall.
Aufgrund der durch § 19 Sätze 2 und 3 NStrG im Interesse des Bürgers bezweckten Verfahrenskonzentration ist der Vorschrift - ebenso wie den vergleichbaren Regelungen des Bundesrechts (vgl. Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG, München 2008, § 8 Rn. 69) und des rheinland-pfälzischen Landesrechts (vgl. OVG Rhld-Pf., Urt. v. 22. 9. 1987 - 6 A 69/86 -, KStZ 1988, 210 f.) - eine devolvierende Zuständigkeitsbestimmung zugunsten der Straßenverkehrsbehörde zu entnehmen, die auch insoweit eine sachliche Unzuständigkeit der Beklagten bewirkt, als es um eine etwaige nachträgliche Gebührenanforderung (hier nach Ablauf der dem Betroffenen zurechenbaren Nutzungsdauer) geht. Für diese Unzuständigkeit macht es keinen Unterschied, ob die mit der Angelegenheit befasste Straßenverkehrsbehörde eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis erteilte, aber die Festsetzung von Sondernutzungsgebühren verabsäumte (vgl. OVG Rhld-Pf., a.a.O.), oder ob sie - wie im vorliegenden Falle - lediglich eine u.a. der Einhaltung des § 32 Abs. 1 Satz 3 StVO dienende verkehrsbehördliche Anordnung erließ, ohne auf die Beantragung der objektiv erforderliche Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StVO hinzuwirken, so-dass bereits bei deren Erteilung nach § 19 Satz 3 NStrG eine etwa zu erhebende Sondernutzungsgebühr hätte auferlegt werden können. Denn wie aus § 19 Satz 1 NStrG gefolgert werden kann, setzt die Anwendung des § 19 NStrG (auch insoweit) die tatsächliche Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1993 - BVerwG 11 C 44.92 -, BVerwGE 94, 234 [236 f.]).
Ob die Straßenverkehrsbehörde ihrerseits auf der Grundlage des § 19 Sätze 2 und 3 NStrG noch nachträglich Sondernutzungsgebühren von dem Kläger erheben könnte, obwohl die von der Vorschrift bezweckte Konzentrationswirkung nicht mehr erzielt werden kann, lässt der Senat offen, weil das für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich ist.