Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.01.2013, Az.: 5 LB 423/11

Nachzahlung der vollen Dienstbezüge bei Erledigung eines nach altem Recht durchgeführten Verfahrens zur Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit durch Wiedererlangung der Dienstfähigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.01.2013
Aktenzeichen
5 LB 423/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 32168
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0122.5LB423.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 23.07.2010 - AZ: 3 A 115/08
nachfolgend
BVerwG - 16.05.2013 - AZ: BVerwG 2 B 38.13

Amtlicher Leitsatz

Erledigt sich ein nach altem Recht durchgeführtes Verfahren zur Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§ 56 NBG in der Fassung vom 19.2.2001, § 55 NBG in der Fassung vom 13.10.2005, § 44 BBG a.F.), weil der Beamte während des laufenden Verfahrens seine Dienstfähigkeit wieder erlangt hat, kann er die Nachzahlung der vollen Dienstbezüge nur ab dem Zeitpunkt der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit verlangen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Nachzahlung von Dienstbezügen.

2

Die am 28. Februar 19 geborene Klägerin wurde im September 19 als Lehrerin zur Anstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Im Dezember 19 wurde sie zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Von Ende Februar bis Juni 19 befand sie sich im Erziehungsurlaub; ab Mitte August 19 bis März 19 war sie nahezu durchgehend erkrankt. Anschließend befand sie sich bis Anfang Januar 19 erneut im Erziehungsurlaub und war sodann bis Mitte April 19 ohne Bezüge beurlaubt. Ab dem 26. Januar 19 war die Klägerin mit wenigen kurzzeitigen Unterbrechungen nahezu durchgehend dienstunfähig erkrankt.

3

Die Bezirksregierung E. veranlasste daraufhin eine amtsärztliche Untersuchung der Dienstfähigkeit der Klägerin durch das Gesundheitsamt der Stadt F.. In ihrem Gutachten vom 18. Januar 20 kam die Amtsärztin zu dem Ergebnis, dass die Klägerin unter einer sozialen Anpassungs- sowie einer Angststörung leide. Die Probleme hätten bei ihr zu psychosomatischen Beschwerden geführt, denen sie mit einer ambulanten Psychotherapie begegne. Ohne adäquate Therapie sei auch in Zukunft mit gehäuften Fehlzeiten zu rechnen, sodass eine stationäre verhaltenstherapeutisch ausgerichtete psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen sei. Einer solchen Maßnahme unterzog sich die Klägerin in der Klinik G., ohne dass dies zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit führte.

4

Daraufhin veranlasste die Bezirksregierung E. eine erneute amtsärztliche Untersuchung. In ihrem Gutachten vom 25. Januar 20 führte die Amtsärztin aus, der Entlassungsbericht der Klinik, die die Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt habe, bescheinige der Klägerin eine undifferenzierte somatoforme Störung sowie eine Major Depression. Sie sei mit der Empfehlung, die Psychotherapie fortzusetzen, arbeitsunfähig entlassen worden. Bei einer Untersuchung am 5. Januar 20 habe sich die Klägerin deutlich besser als bei den Voruntersuchungen, aber nicht ausreichend stabil gefühlt, um wieder in den Schuldienst einzutreten. Ihrer Einschätzung nach sei sie nicht voll dienstfähig. Bei Weiterführung der Psychotherapie sei ein Wiedereintritt der Dienstfähigkeit möglich. Sie empfehle die Versetzung in den Ruhestand für ein Jahr und eine Nachuntersuchung im Frühjahr 20 . Die Bezirksregierung E. teilte der Klägerin daraufhin unter dem 14. Februar 20 mit, dass ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit beabsichtigt sei.

5

Die Klägerin erhob unter Bezugnahme auf eine Bescheinigung ihrer behandelnden Ärztin vom 16. März 20 Einwendungen gegen ihre geplante Versetzung in den Ruhestand. Seit dem 14. März 20 sei sie wieder dienstfähig und wolle ihre Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsversuchs mit einer auf die Hälfte reduzierten Stundenzahl wieder aufnehmen. Ein solcher Arbeitsversuch sei auch nach Ansicht ihrer behandelnden Ärztin erfolgversprechend.

6

Die Bezirksregierung E. beteiligte erneut das Gesundheitsamt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. April 20 führte die Amtsärztin daraufhin aus, es sei unwahrscheinlich, dass die Klägerin die volle Dienstfähigkeit mit der erforderlichen Anpassung an den üblichen Schulalltag innerhalb der nächsten sechs Monate wieder erlangen werde. Sie empfehle weiterhin die Versetzung in den vorläufigen Ruhestand und eine erneute Untersuchung im März 20 .

7

Die Bezirksregierung E. ordnete daraufhin unter dem 6. Juni 20 die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens an und benannte einen Ermittlungsführer. Ab Oktober 20 wurden die das Ruhegehalt übersteigenden Dienstbezüge der Klägerin einbehalten. Verfahrensfördernde Maßnahmen seitens des Ermittlungsführers erfolgten nicht, ohne dass Gründe dafür ersichtlich sind. Insbesondere kam es im Frühjahr 20 nicht zu einer Nachuntersuchung; die Klägerin wurde auch nicht im Schuldienst eingesetzt.

8

Mit Schriftsatz vom 15. August 20 wandte sich der damalige Bevollmächtigte der Klägerin an die Bezirksregierung und regte erneut an, sie im Rahmen eines Arbeitsversuchs mit ermäßigter Stundenzahl einzusetzen. Mit Schriftsätzen vom 20. Februar 20 und vom 7. Juli 20 fragte er nach dem Sachstand, woraufhin der Ermittlungsführer die Klägerin am 26. August 20 anhörte. Im Rahmen der Anhörung betonte diese, die psychotherapeutische Behandlung sei bereits im Frühjahr 20 erfolgreich gewesen. Sie wolle an ihre Schule zurückkehren und dort unterrichten. Im Nachgang legte sie einen weiteren Bericht ihrer behandelnden Ärztin vom 31. August 20 vor. Die Ärztin legte dar, die Klägerin sei seit dem Frühjahr 20 als voll arbeitsfähig anzusehen. Es sei zu keinen Rückfällen gesundheitlicher Art gekommen. Deshalb sei ein Arbeitsversuch einzuleiten. Gleichwohl veranlasste der Ermittlungsführer zunächst nichts, obwohl der Bevollmächtigte der Klägerin wiederholt dringlich um Bearbeitung bat und auf die seit März 20 wiederhergestellte Dienstfähigkeit hinwies.

9

Am 10. August 20 sowie im Rahmen einer psychiatrischen Zusatzuntersuchung am 23. August 20 wurde die Klägerin auf Veranlassung des Ermittlungsführers erneut amtsärztlich untersucht. In dem Bericht vom 14. September 20 führte die Amtsärztin aus, es bestehe kein Anhalt für eine depressive Symptomatik oder eine somatoforme Störung. Die Klägerin habe im Rahmen der ambulanten und stationären Psychotherapie Strategien entwickelt, mit Problemen umzugehen. Sie wolle als Lehrerin arbeiten, befürchte aber, dass sie der Wiedereinstieg mit voller Stundenzahl nach einigen Jahren ohne ihre Tätigkeit überfordern könne. Die Amtsärztin kam zu dem Schluss, die Klägerin sei in der Lage, im Rahmen einer Teildienstfähigkeit mit der Hälfte der regulären Stundenzahl zu unterrichten. Nach Ablauf eines Schuljahres solle eine Nachuntersuchung stattfinden zu der Frage, ob die Klägerin die volle Dienstfähigkeit wieder erlangt habe.

10

Unter dem 21. Januar 20 übersandte der Ermittlungsführer das Gutachten an die Klägerin und teilte ihr mit, dass er von einer begrenzten Dienstfähigkeit ausgehe. Daraufhin erwiderte diese, die amtsärztliche Stellungnahme liege bereits einige Monate zurück und entspreche nicht dem aktuellen Stand. Sie sei in vollem Umfang dienstfähig und wolle mit voller Stundenzahl im Schuldienst eingesetzt werden. Ergänzend legte sie einen weiteren Bericht ihrer behandelnden Ärztin vom 8. Februar 20 vor. In dem Bericht heißt es unter anderem, bei der Klägerin handele es sich um eine ausgereifte Persönlichkeit, die körperlich und psychisch den Anforderungen und schulischen Belastungen voll gewachsen sei.

11

Der Ermittlungsführer veranlasste nach weiterer Verzögerung, für die - ebenso wie für die gesamte überaus zögerliche Bearbeitung des Verfahrens - kein Sachgrund ersichtlich ist, im Dezember 20 eine weitere amtsärztliche Untersuchung. Die Amtsärztin kam in ihrem Gutachten vom 6. März 20 zu dem Ergebnis, die Klägerin sei nunmehr voll belastbar und dienstfähig. Eine psychiatrische Zusatzuntersuchung habe keine Symptomatik von Krankheitswert ergeben.

12

Nach weiteren zehn Monaten Untätigkeit teilte der Ermittlungsführer der Klägerin unter dem 12. Januar 20 mit, dass er den Abschluss des Verfahrens mit der Feststellung beabsichtige, dass sie in vollem Umfang dienstfähig sei. Im Abschlussbericht vom 24. September 20 stellte er fest, dass die Klägerin von 20 bis August 20 dienstunfähig und von September 20 bis Februar 20 im Umfang der Hälfte der regulären Stundenzahl teildienstfähig gewesen sei. Dass bereits zuvor eine Teildienstfähigkeit bestanden habe, lasse sich nicht ausschließen. Seit März 20 sei die Klägerin voll dienstfähig. Auch hier sei es allerdings möglich, dass die volle Dienstfähigkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich von Anfang 20 an, gegeben gewesen sei. Unter dem 28. September 20 stellte die Beklagte das Zurruhesetzungsverfahren ein. Die Klägerin nahm daraufhin umgehend und - soweit ersichtlich - ohne gesundheitliche Schwierigkeiten ihre Tätigkeit im Schuldienst wieder auf.

13

Mit Bescheid vom 11. Oktober 20 verfügte die Beklagte, dass der Klägerin die Dienstbezüge für die Zeit von März 20 bis zur Aufnahme des Dienstes in vollem Umfang nachzuzahlen seien. Für die Zeit der Teildienstfähigkeit erfolge keine Nachzahlung, weil die Vergütung bei einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 50 Prozent geringer sei als das gezahlte Ruhegehalt. Für den Zeitraum der festgestellten Dienstunfähigkeit erfolge ebenfalls keine Nachzahlung. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung verwies auf eine Klage vor dem Verwaltungsgericht, die die Klägerin dementsprechend erhob.

14

Nach einem entsprechenden Hinweis des Verwaltungsgerichts und Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens legte die Klägerin am 1. Februar 20 Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Oktober 20 ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bereits im März 20 seien ihre gesundheitlichen Probleme soweit abgeklungen gewesen, dass ihr die behandelnde Ärztin die volle Dienstfähigkeit attestiert habe. Die Amtsärztin habe sich demgegenüber auf einen mehrere Monate zurückliegenden Entlassungsbericht der Klinik G. bezogen. Zu dem wiederholt angeregten Arbeitsversuch sei es aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht gekommen, obwohl ihr die behandelnde Ärztin auch in der Folgezeit wiederholt die volle Dienstfähigkeit bescheinigt habe. Unrichtig sei auch, dass sie sich im Januar 20 selbst nicht in der Lage gesehen habe, mit voller Stundenzahl zu unterrichten. Eine derartige Angabe habe sie gegenüber der Amtsärztin nicht gemacht, sondern lediglich darum gebeten, dass diese einen Arbeitsversuch mit reduzierter Stundenzahl befürworte. Gleichwohl sei sie ab dem Frühjahr 20 voll dienstfähig gewesen.

15

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 20 zurück. Ein Anspruch auf Nachzahlung von Dienstbezügen gemäß § 55 Abs. 3 NBG a. F. stehe der Klägerin für den Zeitraum von Oktober 20 bis Februar 20 nicht zu. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei, dass sie in dem vorgenannten Zeitraum voll dienstfähig gewesen sei. Das sei nicht der Fall. Aus den amtsärztlichen Gutachten ergebe sich, dass sie zunächst dienstunfähig und anschließend - abweichend von der bisherigen Feststellung - von August 20 bis Februar 20 (nur) teildienstfähig gewesen sei. Den Feststellungen der Amtsärztin komme insoweit der Vorrang gegenüber den privatärztlichen Äußerungen zu. Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen fehlerhaft sein könnten, lägen nicht vor. Die Amtsärztin habe stets mit der behandelnden Ärztin telefoniert; die so gewonnenen Erkenntnisse seien in die Begutachtung eingeflossen.

16

Die Klägerin hat am 28. Mai 2008 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ergänzend vortragen, der Vorrang der amtsärztlichen Beurteilung könne dann nicht gelten, wenn - wie in ihrem Fall - weitere Untersuchungen unterblieben und eindeutige Einschätzungen der behandelnden Ärztin ignoriert worden seien.

17

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die im Zeitraum vom 1. Oktober 20 bis zum 28. Februar 20 gemäß § 55 Abs. 3 NBG a. F. während der Fortführung des - mit Schreiben der Beklagten vom 28. September 20 eingestellten - Zurruhesetzungsverfahrens einbehaltenen Dienstbezüge nachzuzahlen, und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 20 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 29. April 20 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

18

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Sie hat sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren bezogen. Für die Zeiten der Teildienstfähigkeit stünden der Klägerin allerdings weitere Nachzahlungen zu; diese seien bereits erfolgt.

20

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23. Juli 2010 stattgegeben. Die Klägerin habe gemäß § 55 Abs. 3 Satz 2 NBG a. F. einen Anspruch auf Nachzahlung der vollen Dienstbezüge für den gesamten Zeitraum von Oktober 20 bis Februar 20 . Für diesen Nachzahlungsanspruch komme es nach dem Gesetzeswortlaut ausschließlich darauf an, dass der Klägerin im Zeitpunkt der Einstellung des Zurruhesetzungsverfahrens die volle Dienstfähigkeit bescheinigt worden sei. Eine gespaltene Entscheidung über die gegenwärtige und die vergangene Dienstfähigkeit sehe das Gesetz nicht vor. Das entspreche auch dem Sinn des § 55 Abs. 3 NBG a. F., der eine Verfahrensverschleppung verhindern wolle. Die lange Verfahrensdauer sei in diesem Fall auf die langsame Bearbeitung durch den Ermittlungsführer zurückzuführen, während die Klägerin auf die Wiederaufnahme ihres aktiven Dienstes gedrängt habe. Es dürfe ihr deshalb nicht zum Nachteil gereichen, wenn zu einem früheren Zeitpunkt eine Versetzung in den Ruhestand möglich gewesen sein sollte. Hinzu komme, dass der Nachzahlungsanspruch auch dann, wenn eine gespaltene Entscheidung möglich wäre, nicht die Dienstfähigkeit voraussetze. Ausreichend sei es, dass eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme, die Klägerin sei dienstunfähig gewesen, fehle. Von einer solchen Dienstunfähigkeit gehe auch der Ermittlungsführer der Beklagten nicht aus; dieser halte eine volle Dienstfähigkeit ab Anfang 20 für möglich. Für den Zeitraum vom Oktober 20 bis Juli 20 beruhe die gegenteilige Einschätzung nicht auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage, weil unklar sei, was die Formulierung in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 25. Januar 20 , die Klägerin sei "zur Zeit nicht voll dienstfähig", bedeute. Möglicherweise habe die Amtsärztin nur eine teilweise Dienstunfähigkeit feststellen wollen. Für Zeiten der teilweisen Dienstunfähigkeit habe die Klägerin schon deshalb einen Nachzahlungsanspruch, weil die Teildienstfähigkeit einer Dienstunfähigkeit im Hinblick auf § 55 Abs. 3 Satz 2 NBG a. F. nicht gleichstehe.

21

Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 28. November 2011 (5 LA 222/10) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

22

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, § 55 Abs. 3 NBG a. F. sei zwar zu entnehmen, dass nach der Intention des Gesetzgebers im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens entweder die Dienstfähigkeit oder aber die Dienstunfähigkeit des Beamten festzustellen sei. Das schließe aber eine gespaltene Entscheidung für verschiedene Zeiträume nicht aus. Das Krankheitsbild könne sich während des laufenden Verfahrens verändern; dem trage die Möglichkeit einer gespaltenen Entscheidung Rechnung. Auch das Bundesverwaltungsgericht sei in einer Entscheidung zu der vergleichbaren Regelung des § 44 Abs. 5 BBG a. F. zu dem Ergebnis gelangt, dass es zu einer Einbehaltung der Dienstbezüge auch dann kommen könne, wenn der Beamte nicht in den Ruhestand versetzt werde. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, es fehle an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die Annahme, dass die Klägerin von Oktober 20 bis Februar 20 durchgehend dienstunfähig gewesen sei. Die amtsärztlichen Gutachten aus den Jahren 20 und 20 hätten im Gegenteil festgestellt, dass die Klägerin nicht voll dienstfähig gewesen sei. Die entsprechenden Äußerungen aus dem Jahr 20 seien im Rahmen des damals geltenden Rechts zu sehen, das eine Teildienstfähigkeit bei Beamten im Alter von weniger als 50 Jahren nicht vorgesehen habe. Zudem habe die Amtsärztin selbst die zeitweise Versetzung in den Ruhestand vorgeschlagen. Das lasse nur den Schluss zu, dass Dienstunfähigkeit vorgelegen habe. Selbst wenn für weitere Zeiträume eine Teildienstfähigkeit anzunehmen sein sollte, änderte dies an dem Ergebnis nichts. Für die Zeiten der Teildienstfähigkeit seien die entsprechenden Beträge in vollem Umfang an die Klägerin nachgezahlt worden.

23

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

24

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

25

Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend trägt sie vor, tatsächlich sei bei ihr niemals eine volle Dienstunfähigkeit festgestellt worden. Die Amtsärztin habe im Gegenteil von teilweiser Dienstfähigkeit oder Teildienstfähigkeit gesprochen. Das Gutachten vom 25. April 20 sei schon deshalb unbrauchbar, weil es nicht auf einer erneuten Untersuchung beruhe. In dem Bescheid vom 11. Oktober 20 gebe es - anders als die Beklagte meine - keine explizite Feststellung der Dienstunfähigkeit, sodass schon aus diesem Grund die Bezüge nachzuzahlen seien.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet.

28

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Nachzahlung der einbehaltenen Dienstbezüge nur für den Zeitraum vom 1. Februar 20 bis zum 28. Februar 20 ; in diesem Umfang erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht; insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

29

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Nachzahlung von Dienstbezügen, die für die Dauer eines Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit einbehalten worden sind, ist § 56 Abs. 5 Satz 3 NBG (in der Fassung der Neubekanntmachung des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 19.2.2001, Nds. GVBl. S. 33 - im Folgenden NBG a. F.). Die inhaltsgleiche Vorschrift des § 55 Abs. 3 Satz 2 NBG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts vom 13.10.2005, Nds. GVBl. S. 296) findet nach der Übergangsregelung in Art. 11 Abs. 7 des vorgenannten Gesetzes keine Anwendung, weil im Fall der Klägerin die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens sowie die Bestellung eines Ermittlungsführers vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2006 erfolgt sind. In einem solchen Fall ist das Verfahren nach den bis zum Inkrafttreten geltenden Vorschriften fortzuführen. Zu diesen Vorschriften gehören auch die Regelungen über den Verfahrensabschluss.

30

§ 56 Abs. 5 Satz 3 NBG a. F. ist in der Zusammenschau mit den übrigen Regelungen über den Abschluss des Zurruhesetzungsverfahrens nach Vorliegen des Ermittlungsergebnisses zu sehen. § 56 Abs. 5 Satz 1 NBG a. F. sieht insofern die Einstellung des Verfahrens vor, wenn festgestellt wird, dass der Beamte dienstfähig ist. In diesem Fall werden die kraft Gesetzes einbehaltenen Dienstbezüge gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 NBG a. F. nachgezahlt. Wird demgegenüber die Dienstunfähigkeit festgestellt, so wird der Beamte gemäß § 56 Abs. 5 Satz 4 NBG a. F. in den Ruhestand versetzt; die einbehaltenen Bezüge werden nicht nachgezahlt.

31

Bei der gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 bzw. 4 NBG a. F. zu treffenden Feststellung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Die Feststellung selbst ist nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, sondern stellt ein unselbstständiges Begründungselement für die Entscheidung dar, den Beamten entweder durch Verwaltungsakt in den Ruhestand zu versetzen oder aber das Verwaltungsverfahren ohne Erlass eines Verwaltungsaktes einzustellen (vgl. Plog/Wiedow, BBG, § 44 BBG a. F. Rn. 11, 14 <Stand der Bearbeitung: Juli 2002>). Sie muss deshalb nicht explizit erfolgen, sondern kann sich auch aus der Begründung der das Verfahren abschließenden Entscheidung ergeben.

32

Legt man dies zugrunde, hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11. Oktober 20 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 20 zumindest implizit eine differenzierte Feststellung getroffen. Für den Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses hat sie die - seit März 20 bestehende - volle Dienstfähigkeit der Klägerin festgestellt; demzufolge hat sie das Verfahren eingestellt. Für den Zeitraum von August 20 bis Februar 20 ist sie demgegenüber von einer Teildienstfähigkeit und für den Zeitraum von Oktober 20 bis Juli 20 von einer Dienstunfähigkeit ausgegangen. Eine solche differenzierte Feststellung ist rechtlich zulässig und führt dazu, dass eine Nachzahlung der einbehaltenen Dienstbezüge für die jeweiligen Zeiträume in Abhängigkeit von der jeweiligen Feststellung erfolgt.

33

Dem Verwaltungsgericht und - diesem folgend - der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass sich die Möglichkeit einer differenzierten Feststellung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 56 Abs. 5 NBG a. F. ergibt. Da die Vorschrift primär den Verfahrensabschluss regelt, stellt sie grundsätzlich auf die Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ab. Dabei geht die Vorschrift jedoch erkennbar davon aus, dass sich die der Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 NBG a. F. zugrunde liegende Einschätzung, der Beamte sei dienstunfähig, im weiteren Verfahren entweder bestätigt oder als falsch erwiesen hat. Das Verfahren dient nämlich der Prüfung, ob die von dem Beamten gegen die beabsichtigte Zurruhesetzung erhobenen Einwände begründet sind; diesem Zweck dient auch die in § 56 Abs. 4 Satz 2 NBG a. F. vorgesehene Beauftragung eines Ermittlungsführers.

34

Keine explizite Berücksichtigung finden demgegenüber Fälle, in denen sich das Verfahren der Zurruhesetzung aufgrund eines überholenden Ereignisses erledigt. Ein solcher Fall liegt vor, wenn sich der Beamte zwar im Ergebnis als dienstunfähig erweist, eine Zurruhesetzung aber beispielsweise aufgrund der Entlassung aus dem Dienst, des Erreichens der Altersgrenze oder des Todes des Beamten nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.1997 - BVerwG 2 C 3.97 -, [...], zu § 44 BBG a. F.). Ein solcher Fall liegt aber auch vor, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Entscheidung, das Verfahren fortzuführen, tatsächlich dauerhaft dienstunfähig war, im Laufe des weiteren Verfahrens aber genesen ist. In derartigen Fällen der Erledigung ist das Verwaltungsverfahren einzustellen, weil die beabsichtigte Rechtsfolge - die Zurruhesetzung - aus formellen oder materiellen Gründen nicht mehr in Betracht kommt.

35

Die Einstellung des Verfahrens als solche führt jedoch nicht dazu, dass die einbehaltenen Dienstbezüge gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 NBG a. F. nachzuzahlen sind. Ob Dienstbezüge nachzuzahlen sind, hängt vielmehr davon ab, ob auf der Grundlage des Ermittlungsverfahrens die Dienstfähigkeit oder die Dienstunfähigkeit des Beamten festgestellt wird. Die Feststellung der Dienstunfähigkeit bewirkt insofern zwei selbstständige Rechtsfolgen. Einerseits wird der Beamte in den Ruhestand versetzt, und andererseits werden die einbehaltenen Beträge nicht nachgezahlt. Führt ein erledigendes Ereignis nunmehr dazu, dass eine Versetzung in den Ruhestand nicht mehr möglich ist, so hindert das nicht die verbleibende zweite Rechtsfolge (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.1997, a. a. O., Rn. 19).

36

Ist demzufolge stets eine Feststellung über die Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit zu treffen, kommt es bei Erledigung des Zurruhesetzungsverfahrens auf die Sachlage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses an. Wie der Fall des Todes des Beamten zeigt, ist dies schon aus logischen Gründen geboten. Nichts anderes gilt aber auch in den Fällen, in denen der Beamte seine Dienstfähigkeit im laufenden Verfahren wieder erlangt. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 56 Abs. 5 NBG a. F. Die Vorschrift dient in Verbindung mit § 56 Abs. 3 Satz 1 NBG a. F. der Prävention eines Missbrauchs der rechtsverteidigenden Einwendungen gegen die Mitteilung, dass die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit beabsichtigt ist. Die Vorschriften wollen verhindern, dass Einwendungen nur deshalb erhoben werden, um das Verfahren zu verzögern und damit möglichst lange die höhere Aktivbesoldung zu erhalten. Ein Beamter, dessen Einwendungen sich im Ergebnis wegen bestehender Dienstunfähigkeit als unberechtigt erwiesen haben, soll über einen längeren Zeitraum finanziell nicht besser gestellt werden als ein Beamter, der bei ebenfalls bestehender Dienstunfähigkeit keine Einwendungen erhoben hat und deshalb frühzeitiger in den Ruhestand versetzt werden konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.1997, a. a. O., Rn. 20).

37

Stellte man angesichts dieser gesetzgeberischen Zielsetzung - wie dies § 56 Abs. 5 Satz 1 und 4 NBG a. F. für den Regelfall vorsieht - auch in den Fällen der Erledigung durch Genesung des Beamten allein auf den Zeitpunkt der das Verfahren abschließenden Entscheidung ab, würde der vorgenannte Sinn und Zweck jedenfalls teilweise verfehlt. Für den Beamten bestünde ein Anreiz, (unbegründete) Einwendungen zu erheben, um das Verfahren in der Hoffnung auf einen verbesserten Gesundheitszustand hinauszuzögern. Derartige Verbesserungen sollen nach der Konzeption des Gesetzgebers jedoch nicht innerhalb des Zurruhesetzungsverfahrens, sondern vielmehr im Rahmen der Regelungen über die Wiederverwendung aus dem Ruhestand (§ 59 NBG a. F.) Berücksichtigung finden.

38

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte rechtlich gehalten war, eine differenzierte Feststellung zu treffen. Zu entscheiden war deshalb, ab wann eine begrenzte Dienstfähigkeit die Möglichkeit einer eingeschränkten Verwendung zuließ (§ 54 a NBG in der Fassung des Gesetzes vom 31.10.2003, Nds. GVBl. S. 372) und zu einer teilweisen Erledigung des Zurruhesetzungsverfahrens führte und ab wann die volle Dienstfähigkeit wieder hergestellt war und sich das Verfahren insgesamt erledigt hatte. Eine solche Feststellung hat die Beklagte getroffen; diese Feststellung, die gerichtlich in vollem Umfang zu überprüfen ist, erweist sich allerdings in Teilen als rechtswidrig.

39

Dienstunfähig ist ein Beamter gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F., wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Als dienstunfähig kann der Beamte gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG a. F. auch dann angesehen werden, wenn er wegen Krankheit innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird.

40

Die Entscheidung über die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft der Dienstherr grundsätzlich aufgrund eines ärztlichen Gutachtens (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3.8.2012 - 5 LB 234/10 -, [...] Rn. 41). Stützt sich dieser bei der Beantwortung der Frage, ob eine Störung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit des Beamten beeinträchtigt, auf die Erkenntnisse eines Amtsarztes, kommt dem Amtsarzt aufgrund seiner besseren Kenntnisse hinsichtlich der Belange der öffentlichen Verwaltung und der von dem Beamten zu verrichtenden Tätigkeiten sowie seiner größeren Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit ein Vorrang zu, es sei denn, es liegen privatärztliche detaillierte gegenteilige Feststellungen zur Frage der Dienstfähigkeit vor (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9.3.2007 - 5 LA 258/06 -, [...] Rn. 13). Bestehen Zweifel, ob der Beamte tatsächlich dienstunfähig ist, geht dies zu Lasten des Dienstherrn; dieser trägt insofern die materielle Beweislast (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3.8.2012, a. a. O., Rn. 49).

41

Gemessen daran ist der Beklagten der Nachweis der vollen Dienstunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. Oktober 20 bis zum 31. Juli 20 sowie der teilweisen Dienstunfähigkeit im Anschluss daran nur bis zum 31. Januar 20 gelungen. Für den weiteren Zeitraum vom 1. Februar 20 bis zum 28. Februar 20 ist demgegenüber von der vollen Dienstfähigkeit der Klägerin auszugehen.

42

Der Senat stützt seine Überzeugung für den Zeitraum vom 1. Oktober 20 bis zum 31. Juli 20 auf die Gutachten der Amtsärztin des Gesundheitsamtes der Stadt F. vom 25. Januar 20 und vom 25. April 20 . Beide Gutachten bringen eindeutig zum Ausdruck, dass die Klägerin nicht als voll dienstfähig anzusehen war. In dem Gutachten vom 25. Januar 20 heißt es insoweit, die Klägerin selbst habe sich noch nicht ausreichend stabil gefühlt, um wieder in den Schuldienst einzutreten. Sie könne sich aber vorstellen, nach den Osterferien stundenreduziert ihre Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen. Aufgrund der vorliegenden Anamnesen und der Befunde halte sie, die Amtsärztin, die Klägerin zurzeit nicht für voll dienstfähig. Diese Einschätzung bestätigt die Amtsärztin in ihrem Gutachten vom 25. April 20 . Aufgrund der langen Krankheitszeiten und der geringen Belastbarkeit der Klägerin in den letzten Jahren halte sie die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate für unwahrscheinlich.

43

Soweit die Klägerin demgegenüber einwendet, die Amtsärztin habe ihre volle Dienstunfähigkeit nicht ausdrücklich festgestellt, trifft das zwar begrifflich zu. Zu Unrecht lässt die Klägerin jedoch den rechtlichen Rahmen der Begutachtung außer Betracht, auf den sich die Amtsärztin in ihrem Gutachten vom 25. April 20 explizit bezogen hat. Da die Klägerin von Ende Januar 19 bis März 20 ganz überwiegend dienstunfähig erkrankt war, konnte der Dienstherr von einer Dienstunfähigkeit gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG a. F. schon dann ausgehen, wenn keine Aussicht bestand, dass sie innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig werden würde. Das hat die Amtsärztin in beiden Gutachten ausdrücklich festgestellt und entspricht im Übrigen - wie die in dem Gutachten vom 25. Januar 20 wiedergegebene Äußerung der Klägerin zeigt - auch deren eigener Einschätzung zum damaligen Zeitpunkt. Offen bleiben kann dabei, ob die Klägerin - was diese bestreitet - tatsächlich angegeben hat, sich nicht ausreichend stabil zu fühlen, um wieder in den Schuldienst einzutreten, oder lediglich darum gebeten hat, dass die Amtsärztin einen Arbeitsversuch mit reduzierter Stundenzahl befürworten möge. Auch ein Wunsch nach einem Arbeitsversuch mit reduzierter Stundenzahl belegt, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt selbst nicht davon ausging, den Anforderungen des Schulalltags - wie es § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG a. F. verlangt - in vollem Umfang gewachsen zu sein.

44

Der Senat teilt auch nicht die Zweifel an der Fachkompetenz und methodischen Vorgehensweise der Amtsärztin. Die Amtsärztin hat ihr Gutachten vom 25. Januar 20 unter anderem auf den Entlassungsbericht der Klinik G. vom 10. Januar 20 , eine Untersuchung der Klägerin vom 5. Januar 20 sowie eine telefonische Auskunft der behandelnden Ärztin gestützt und damit die zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten hinreichend ausgeschöpft. Das Gutachten selbst ist sachlich, differenziert und begründet seine Schlussfolgerung, die Klägerin sei nicht voll dienstfähig, in nachvollziehbarer Weise.

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Auch die weitere Kritik der Klägerin, die Amtsärztin habe das Gutachten vom 25. April 20 ohne Berücksichtigung neuerer Umstände und ohne eine erneute Untersuchung erstellt, überzeugt nicht. Das Gutachten vom 25. April 20 nimmt auftragsgemäß lediglich ergänzend zu der Frage eines Arbeitsversuchs mit halber Stundenzahl Stellung, sodass es schon aufgrund dieser eingeschränkten Fragestellung keiner erneuten Untersuchung bedurfte. Hinzu kommt, dass eine Veränderung der Sachlage gegenüber dem Gutachten vom 25. Januar 20 nicht ersichtlich war. Im Gegenteil führt die privatärztliche Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 16. März 20 aus, die depressiven Verstimmungen und somatoformen Störungen seien weitgehend abgeklungen; eine Stabilisierung sei eingetreten. Die gute therapeutische Arbeit solle zu einem baldigen Arbeitsversuch mit halbierter Stundenzahl genutzt werden. Diese Stellungnahme zeigt zweierlei: Die Klägerin war erstens noch nicht genesen, sondern befand sich lediglich auf dem Weg der Besserung. Sie war zweitens nicht in der Lage, den Schulalltag mit voller Stundenzahl zu bewältigen. Das war ausreichend, um gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG a. F. - wie dies die Amtsärztin getan hat - prognostisch weiterhin von einer Dienstunfähigkeit auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand bis Ende Juli 20 im Sinne der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit geändert haben könnte, liegen dem Senat nicht vor.

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Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf weitere Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärztin vom 31. August 20 , vom 8. Februar 20 und vom 6. Februar 20 beruft, die der Klägerin die volle Dienstfähigkeit bereits ab Frühjahr 20 bescheinigen, vermag sie die Feststellungen der Amtsärztin nicht in Zweifel zu ziehen. Schon aufgrund des inhaltlichen Widerspruchs zwischen der Stellungnahme vom 16. März 20 , die lediglich einen Arbeitsversuch mit halber Stundenzahl befürwortet, und der nachfolgenden Behauptung der vollen Dienstunfähigkeit ab Frühjahr 20 fehlt es den Stellungnahmen an Überzeugungskraft. Hinzu kommt, dass die Stellungnahmen eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Amtsärztin vermissen lassen und sich im Wesentlichen darauf beschränken, gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Das ist angesichts des beschriebenen grundsätzlichen Vorrangs der amtsärztlichen Feststellungen nicht ausreichend. Es fällt gerade in den speziellen Kenntnisbereich der Amtsärztin, die Auswirkungen einer Erkrankung auf die Dienstfähigkeit zu beurteilen. Es ist demgegenüber nicht ersichtlich, dass die behandelnde Ärztin - etwa aufgrund einer Zusatzqualifikation oder besonderer praktischer Erfahrungen - über vergleichbare Kenntnisse verfügt.

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Zu Recht ist die Beklagte darüber hinaus für den Folgezeitraum bis zum 31. Januar 20 davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht voll dienstfähig, sondern nur teildienstfähig war. Der Senat stützt seine Überzeugung insoweit auf das amtsärztliche Gutachten vom 14. September 20 , das an die vorgenannten Gutachten aus dem Jahr 20 anknüpft. In dem Gutachten, das unter anderem auf einer eigenen Untersuchung vom 10. August 20 , einer ergänzenden psychiatrischen Untersuchung vom 23. August 20 sowie einem Telefonat mit der behandelnden Ärztin beruht, gelangt die Amtsärztin zu dem Ergebnis, die Klägerin sei trotz einer Verbesserung ihres Gesundheitszustands (nur) im Rahmen einer Teildienstfähigkeit in der Lage, mit der Hälfte der regulären Stundenzahl zu unterrichten. Das entspreche auch der Meinung der behandelnden Ärztin sowie der hinzugezogenen Psychiaterin. Die Klägerin selbst habe geäußert, sie befürchte, dass ein Wiedereinstieg mit voller Stundenzahl zu einer erneuten Überforderung führen könne. Nach Ablauf eines Schuljahres solle eine Nachuntersuchung erfolgen.

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Auch dieses amtsärztliche Gutachten ist plausibel und nachvollziehbar. Es beruht auf einer breiten Erkenntnisgrundlage und entspricht - wie bereits die Gutachten aus dem Jahr 20 - der eigenen Einschätzung der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt. Soweit sich die Klägerin demgegenüber wiederum auf die Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärztin bezieht, die ihr eine volle Dienstfähigkeit ab Frühjahr 20 bescheinigen, nimmt der Senat auf seine obigen Ausführungen Bezug. Eine volle Dienstfähigkeit lag darüber hinaus schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Amtsärztin eine Überforderung bei einer vollen Stundenzahl befürchtete. Selbst wenn sie mit dieser Äußerung - wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat - lediglich einen Anspruch auf einen Einstieg mit einer reduzierten Stundenzahl geltend machen wollte, ist die eigene Einlassung, man befürchte eine Überforderung, ein deutlicher Hinweis auf eine nach wie vor nicht wiedererlangte volle Dienstfähigkeit.

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Für den weiteren Folgezeitraum ab dem 1. Februar 20 ist der Beklagten demgegenüber der Beweis, dass die Klägerin weiterhin lediglich teildienstfähig war, zur Überzeugung des Senats nicht gelungen. Zwar hat die Amtsärztin in ihrem Gutachten vom 14. September 20 eine erneute Untersuchung erst nach Ablauf eines Schuljahres und damit für den Sommer 20 vorgesehen. Die Feststellung der Amtsärztin, die Klägerin sei lediglich teildienstfähig, beruhte jedoch auch auf deren eigener Einschätzung, der Wiedereinstieg mit voller Stundenzahl könne zu einer Überforderung führen. Diese Einschätzung hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten vom 28. Januar 20 revidieren lassen und erklärt, die amtsärztliche Stellungnahme vom 14. September 20 entspreche nicht dem aktuellen Stand. Sie lege Wert darauf, alsbald im Schuldienst wieder eingesetzt zu werden, und zwar mit voller Stundenzahl. Die volle Dienstfähigkeit bestätigt eine Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 8. Februar 20 ; in dieser Stellungnahme ist erstmals - im Gegensatz zu den vorangegangenen Stellungnahmen - nicht mehr von einem Arbeitsversuch bzw. einer Beschäftigung mit halbierter Stundenzahl, sondern von einem vollen Einsatz die Rede. Angesichts dieser Sachlage hätte der Ermittlungsführer unter Berücksichtigung der positiven Tendenz des amtsärztlichen Gutachtens vom 14. September 20 noch im Februar 20 eine erneute amtsärztliche Begutachtung veranlassen müssen. Dass er dies - in Fortführung seiner insgesamt unvertretbar säumigen und nachlässigen Verfahrensführung - nicht getan hat und die Klägerin demzufolge erst am 9. Februar 20 mit dem Ergebnis der vollen Dienstfähigkeit erneut untersucht wurde, geht zu Lasten der materiell beweisbelasteten Beklagten. Es ist - dies stellt auch der Ermittlungsführer in seinem Bericht vom 24. September 20 fest - nicht auszuschließen, dass eine Anfang 20 durchgeführte amtsärztliche Untersuchung bereits die volle Dienstfähigkeit ergeben hätte.

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Ist damit (nur) für den Zeitraum vom 1. Februar 20 bis zum 28. Februar 20 von der vollen Dienstfähigkeit der Klägerin auszugehen, sind ihr die einbehaltenen Dienstbezüge für diesen Zeitraum nachzuzahlen. Für die Zeiten der Teildienstfähigkeit hat die Beklagte demgegenüber im Einzelnen dargelegt, dass sie die entsprechenden Beträge in vollem Umfang an die Klägerin gezahlt hat. Dem ist die Klägerin nicht mehr entgegengetreten.