Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.01.2013, Az.: 4 LA 173/12

Abgrenzung von Kaufvertrag und gemischter Schenkung; Erfolgen der Ausübung des Vorkaufsrechts gem. § 66 Abs. 2 BNatSchG i.R.d. Verwirklichung von naturschutzfachlichen Zielen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.01.2013
Aktenzeichen
4 LA 173/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 33601
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0114.4LA173.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 10.05.2012 - AZ: 2 A 340/11

Fundstellen

  • DÖV 2013, 570
  • NuR 2014, 209-211

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Abgrenzung von Kaufvertrag und gemischter Schenkung.

  2. 2.

    Bedarf ein Kaufvertrag einer Genehmigung, ist ein Vorkaufsfall bis zur Erteilung der Genehmigung noch nicht eingetreten, weil bis dahin ein für die Ausübung des Vorkaufsrechts notwendiger wirksamer Kaufvertrag mit einem Dritten noch nicht vorliegt.

  3. 3.

    Solange der Vertrag nicht genehmigt und diese Tatsache dem Vorkaufsberechtigten mitgeteilt worden ist, wird auch die Frist für die Auslegung des Vorkaufsrechts nicht in Gang gesetzt.

  4. 4.

    § 66 Abs. 2 BNatSchG verlangt nicht, dass die Ausübung des Vorkaufsrecht nur dann erfolgen darf, wenn die naturschutzfachlichen Ziele optimal und umfassend verwirklicht werden können.

Gründe

1

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3, 4 und 5 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

2

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils der Vorinstanz nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. September 2011 über die Ausübung des Vorkaufsrechts in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin kann dieser Entscheidung nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es sich bei dem von ihr und Herrn B. geschlossenen Vertrag vom 21. Juli 2011 nicht um einen Grundstückskaufvertrag, sondern um eine gemischte Schenkung gehandelt habe und daher kein Vorkaufsfall vorliege, weil ausgehend von einem Verkehrswert des Grundstücks ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe, so dass eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer gemischten Verfügung streite. Denn diese Annahme der Klägerin ist unzutreffend.

4

Eine gemischte Schenkung, die anders als ein Kaufvertrag keinen Vorkaufsfall auslöst, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann vor, wenn die Vertragsparteien das objektive Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung kennen und sich zudem darüber einig sind, dass ein Teil der Leistung nicht durch die Gegenleistung abgegolten, sondern unentgeltlich zugewendet werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1986 - II ZR 272/85 -, NJW 1987, 980; BHG, Urt. v. 21.6.1972 - IV ZR 221/69 -, BGHZ 59, 132). Dabei rechtfertigt aber nicht schon die Feststellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung die Annahme, die Parteien hätten sich über die teilweise Unentgeltlichkeit des Geschäfts schlüssig geeinigt (BGH, Urt. v. 25.9.1986, a.a.O.). Denn zum einen können die Vertragsparteien den Wert der auszutauschenden Leistungen im Rahmen der Vertragsfreiheit selbst bestimmen (BGH, Urt. v. 21.6.1972, a.a.O.). Zum anderen können subjektive Wertvorstellungen weit auseinandergehen und entfernen sich nicht selten von den objektiven Werten (BGH, Urt. v. 25.9.1986, a.a.O.). Gleichwohl ist demjenigen, der sich auf das Vorliegen einer gemischten Schenkung beruft, eine Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung zuzubilligen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis besteht (BGH, Urt. v. 25.9.1986, a.a.O.).

5

Der Klägerin ist einzuräumen, dass ein grobes Missverhältnis zwischen der im Kaufvertrag vom 21. Juli 2011 vereinbarten Leistung und Gegenleistung besteht, da der Wert des 20.574 qm großen bewaldeten Grundstücks deutlich höher ist als der vereinbarte Kaufpreis von nur 500,- EUR. Dennoch kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem notariell beurkundeten Vertrag vom 21. Juli 2011 entgegen seiner Bezeichnung und seinem eindeutigen Wortlaut nicht um einen Kaufvertrag, sondern um eine gemischte Schenkung gehandelt hat. Denn die anwaltlich vertretene Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren wortwörtlich vorgetragen, dass sie "mit notariellem Kaufvertrag vom 21.07.2011 ... die gut 2 ha große Waldfläche Flurstück 118/19 der Flur 5 Gemarkung C. im Wert von ca. 12.000,00 EUR bis 14.000,00 EUR von einem Kollegen zum Freundschaftspreis von 500,00 EUR (hat) kaufen können". Damit hat sie selbst deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei dem zwischen ihr und Herrn B. geschlossenen Vertrag um einen Kaufvertrag gehandelt hat. Ein Vertrag über den Kauf eines Grundstücks ist nämlich auch dann, wenn ein erheblich unter dem Marktwert des verkauften Grundstücks liegender "Freundschaftspreis" vereinbart worden ist, in rechtlicher Hinsicht ein Kaufvertrag und keine gemischte Schenkung. Eine gemischte Schenkung setzt nämlich - wie bereits ausgeführt - voraus, dass sich die Vertragsparteien darüber einig sind, dass ein Teil der Leistung nicht durch die Gegenleistung abgegolten, sondern unentgeltlich zugewendet werden soll. Die eingangs zitierte Erklärung der anwaltlich vertretenen Klägerin bietet jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Vertragsparteien Einigkeit darüber bestanden hat, dass das Grundstück teilweise unentgeltlich auf die Klägerin übertragen werden soll, da in der Vereinbarung eines "Freundschaftspreises" als Kaufpreis eben keine Vereinbarung über eine teilweise unentgeltliche Grundstücksübertragung liegt.

6

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin ihrer oben zitierten Erklärung angefügt hat, sie habe das Grundstück "praktisch geschenkt bekommen". Denn zum einen hat die Klägerin mit diesen Worten lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der mit Herrn D. B. vereinbarte "Freundschaftspreis" für sie äußerst günstig gewesen ist. Zum anderen besagt die Erklärung, das Grundstück "praktisch geschenkt bekommen" zu haben, eben nicht, dass der Klägerin ein Teil des Grundstücks im Rechtssinne geschenkt worden ist, d.h., dass sie sich mit Herrn B. darüber einig gewesen ist, dass die Übertragung eines Teils des Grundstücks nicht durch die Gegenleistung abgegolten, sondern unentgeltlich vorgenommen worden ist, was Voraussetzung für die Annahme einer gemischten Schenkung gewesen wäre. Schließlich spricht gegen das Vorliegen einer gemischten Schenkung auch der Umstand, dass die Klägerin den Vertrag im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich als Kaufvertrag und das Grundstück als "Kauffläche" bezeichnet hat.

7

Angesichts dieser Angaben der Klägerin zum Inhalt des zwischen ihr und Herrn B. geschlossenen Vertrages vom 21. Juli 2011 ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien einen Kaufvertrag und keine gemischte Schenkung vereinbart haben. Daher greift auch eine tatsächliche Vermutung für eine gemischte Schenkung nicht ein. Folglich ist der erst im Berufungszulassungsverfahren erhobene Einwand der Klägerin, der von ihr geschlossene Vertrag stelle eine gemischte Schenkung und keinen Kaufvertrag dar, nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen.

8

Derartige Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe die Zweimonatsfrist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht eingehalten, weil der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts sowohl dem Notar als auch den Vertragsparteien erst am 4. Oktober 2011 zugestellt worden sei, das Naturschutzamt des Beklagten aber spätestens am 28. Juli 2011 von dem Vertragstext Kenntnis erlangt habe und eine gezielte Adressierung des Schreibens des Notars an die Naturschutzbehörde für den Fristbeginn ebenso wenig erforderlich gewesen sei wie ein ausdrücklicher Hinweis des Notars auf das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht.

9

Nach § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB kann das Vorkaufsrecht bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Empfang der Mitteilung über den Inhalt des geschlossenen Vertrags durch den Verpflichteten oder einen Dritten ausgeübt werden. Bedarf der schuldrechtliche Vertrag - wie der vorliegende Kaufvertrag nach §§ 1 und 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG - einer Genehmigung, ist ein Vorkaufsfall aber bis zu der Erteilung der Genehmigung noch nicht eingetreten, weil bis dahin ein für die Ausübung des Vorkaufsrechts notwendiger wirksamer Kaufvertrag mit einem Dritten noch nicht vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1993 - V ZR 136/92 -, NJW 1994, 315). Solange der Vertrag nicht genehmigt und diese Tatsache dem Vorkaufsberechtigten mitgeteilt worden ist, wird auch die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht in Lauf gesetzt (BGH, Urt. v. 29.10.1993, a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Genehmigung des Kaufvertrags vom 21. Juli 2011 erst am 11. August 2011 erteilt. Daher hat die Zweimonatsfrist zur Ausübung des Vorkaufsrechts frühestens mit der Bekanntgabe dieses Genehmigungsbescheides zu laufen begonnen. Folglich ist die Zweimonatsfrist im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Beklagten am 4. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen gewesen. Daher sind die vorstehenden Einwendungen der Klägerin nicht entscheidungserheblich. Infolgedessen sind sie weder geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils noch besondere rechtliche und/oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu begründen. Darüber hinaus liegt insoweit auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vor, weil das klageabweisende Urteil nicht auf einer Abweichung von dem von der Klägerin angeführten Beschluss des 8. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Oktober 2002 (8 LA 136/02) beruht.

10

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz bestehen schließlich auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts § 66 Abs. 2 BNatSchG entspricht, demzufolge das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden darf, wenn dies aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einschließlich der Erholungsvorsorge erforderlich ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid hinreichend deutlich dargestellt hat, warum der Erwerb des Grundstücks mittels Ausübung des Vorkaufsrechts aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. Die im Widerspruchsbescheid angeführten Gründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts sind sowohl plausibel als auch geeignet, die Notwendigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu belegen. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungszulassungsverfahren ist nicht geeignet, diese Beurteilung ernstlich in Frage zu stellen. Das gilt zunächst für den Vortrag, dass sich die ehemalige Sandentnahmestelle "in Grenznähe zu mit sehr viel dichterem Hochwald bestockten Nachbargrundstücken außerhalb des NSG" befinde, so dass die geplanten Auslichtungen nur "im nächsten Umgebungsbereich des Sandbruchs" möglich seien, "was einer angestrebten Verbesserung der Besonnung, die der Ansiedlung wärmeabhängiger, die Trockenheit liebender, also moorfremder Tiere dienen soll, deutliche, die Zieldienlichkeit in Frage stellende Grenzen setzt". Denn § 66 Abs. 2 BNatSchG verlangt nicht, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts nur dann erfolgen darf, wenn die naturschutzfachlichen Ziele optimal und umfassend verwirklicht werden können. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es "kein naturschutzfachliches Interesse an der Schaffung eines von seinesgleichen isolierten kleinen Trockenbiotops in naher Nachbarschaft zu einem großen Moorgebiet" gibt, "zumal da es in der weiteren Umgebung zahlreiche ähnliche alte Sandbrüche gibt, die sich besser eignen oder zweckentsprechend herrichten lassen". Zum einen hat die Klägerin die erste Behauptung nicht substantiiert, diese ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Zum anderen ist die zweite Behauptung rechtlich nicht relevant. Abgesehen davon sind der Beklagte und das Land Niedersachsen bereits Eigentümer benachbarter Flächen in dem Naturschutzgebiet. Außerdem hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass er nach wie vor anstrebt, das gesamte Naturschutzgebiet schrittweise in das Eigentum der öffentlichen Hand zu überführen. Schließlich setzt die Erforderlichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht "die Bejahung bestimmter naturschutzfachlicher Qualitäten des streitigen Grundstücks voraus, die anders als durch öffentliche Eigentümer-Obhut nicht zu schützen oder zu optimieren sind". Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist vielmehr schon dann aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich, wenn die Ziele des Naturschutzes durch die öffentliche Hand besser oder zuverlässiger als durch Privatpersonen verwirklicht werden können, worauf der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid zutreffend hingewiesen hat. Dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben in der Zulassungsbegründung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angeboten haben will, "das Dulden oder Unterlassen wie auch die eigene Durchführung bestimmter gebotener, auch über die Ansprüche der NSG-VO hinausgehender Maßnahmen durch Grunddienstbarkeit dinglich absichern zu lassen", belegt ebenfalls nicht, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts in dem für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides aus naturschutzfachlichen Gründen nicht erforderlich gewesen ist.

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Schließlich kann die Berufung auch nicht wegen des von der Klägerin behaupteten Verfahrensmangels der Nichterhebung eines Sachverständigenbeweises zugelassen werden. Insoweit fehlt es bereits an einer ausreichenden Darlegung des Berufungszulassungsgrundes, weil die Klägerin nicht angegeben hat, zu welchem konkreten Beweisthema das Verwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen; ein derartiges konkretes, entscheidungserhebliches Beweisthema lässt sich auch dem von der Klägerin in Bezug genommenen Schriftsatz vom 26. Januar 2012 im erstinstanzlichen Verfahren nicht entnehmen. Abgesehen davon liegt der Verfahrensmangel aber auch in der Sache nicht vor. Zum einen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen förmlichen Beweisantrag, dem das Verwaltungsgericht hätte nachkommen müssen, gestellt. Zum anderen musste sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens auch nicht aufdrängen.