Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.01.2013, Az.: 5 LB 50/11
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Liposuktion (Fettabsaugung) zur Behandlung eines Lipödems
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.01.2013
- Aktenzeichen
- 5 LB 50/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 10560
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0122.5LB50.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 13.01.2010 - AZ: 6 A 1184/08
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 S. 1 NBhVO
- Art. 33 Abs. 5 GG
Amtlicher Leitsatz
Aufwendungen für eine Liposuktion (Fettabsaugung) zur Behandlung eines Lipödems sind grundsätzlich nicht beihilfefähig, weil es sich bei der Liposuktion nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode handelt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems bei seiner Ehefrau.
Die ... Jahre alte Ehefrau des Klägers leidet seit dem Jahr 2004 an einem Lipödem. Dabei handelt es sich um eine meist fortschreitende Erkrankung, die durch eine symmetrische Vermehrung des Fettgewebes der Unterhaut vorwiegend der unteren und seltener auch der oberen Körperhälfte gekennzeichnet ist. Die nahezu ausschließlich bei Frauen auftretende Erkrankung führt zu einer Verformung der körperlichen Proportionen, zu Spannungs-, Druck- und Berührungsschmerzen sowie zu einer Neigung zu Hämatomen auch bei Bagatelltraumen. Im weiteren Verlauf können sich Einschränkungen der Beweglichkeit - insbesondere des Ganges - sowie ein lymphostatisches Ödem ausbilden. Die Ursachen der Erkrankung sind wissenschaftlich ungeklärt; vermutet wird eine genetische Disposition.
Für die Erkrankung gibt es bis heute keine gesicherte kausale Behandlung. Als konservative Behandlungsform wird die kombinierte physikalische Entstauungstherapie - bestehend aus einer das Tragen von Kompressionsverbänden und Kompressionsstrümpfen erfordernden Kompressionstherapie sowie manueller Lymphdrainage - eingesetzt. Darüber hinaus kann das Fettgewebe operativ durch Liposuktion (Fettabsaugung) verringert werden. Vergleichende Studien zu der konservativen und der operativen Therapie existieren nicht.
Bei der Ehefrau des Klägers sind vor allem die Beine von den Oberschenkeln bis zu den Waden, darüber hinaus in einer weniger schwerwiegenden Ausprägung auch die Arme betroffen. Die Erkrankung wird gegenwärtig konservativ behandelt. Die Ehefrau des Klägers erhält regelmäßig manuelle Lymphdrainagen sowie Ganzkörpermassagen, die den Umfang der Extremitäten jedoch nicht wesentlich verändert haben. Eine Kompressionstherapie erfolgt bislang nicht; den ihr verordneten medizinischen Kompressionsstrumpf trägt sie nicht.
Unter dem 19. September 2007 beantragte die Ehefrau des Klägers bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Liposuktion. Dem Antrag fügte sie eine gutachterliche Stellungnahme eines für die F. GmbH, G., tätigen Facharztes für Dermatologie vom 3. September 2007 sowie Kostenvoranschläge der Klinik bei. Danach betragen die Kosten der Liposuktion rund 13.625,- EUR.
Den Antrag lehnte die Beklagte nach Beteiligung des Amtsarztes des Landkreises H. mit Bescheid vom 3. Januar 2008 ab. Unter Bezugnahme auf ein amtsärztliches Zeugnis vom 17. Dezember 2007 führte sie aus, die geplante operative Fettabsaugung sei nicht beihilfefähig. Eine Fortführung der konservativen Therapie sei ausreichend.
Der Kläger erhob unter dem 30. Januar 2008 Widerspruch. Darin verwies er darauf, dass weder Kompressionsstrümpfe noch eine Lymphdrainage eine Verringerung der krankhaften Fettzellen bewirkten. Die Liposuktion führe demgegenüber zu ihrer dauerhaften Entfernung und damit zu einer effektiven Linderung der massiven Beschwerden. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen sei seiner Ehefrau nicht möglich, da sie auf das Material allergisch reagiere. Wärme und Sonne verschlimmerten das Lipödem massiv, sodass sie ohne die Liposuktion im Sommer in abgedunkelten Räumen sitzen und lange Oberbekleidung tragen müsse. Dieser Zustand sei unzumutbar.
Nach erneuter Beteiligung des Amtsarztes, der an seiner ablehnenden Haltung festhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2008, zugestellt am 25. März 2008, zurück. Die Aufwendungen für die Liposuktion seien nicht beihilfefähig, weil eine operative Fettabsaugung medizinisch nicht notwendig sei. Es handele sich nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode, die langfristig gesichert zu einer Vermeidung des Fettgewebes führe. Entsprechende Vergleichsstudien fehlten. Deshalb sei eine Fortführung der konservativen Therapie zu empfehlen.
Der Kläger hat am 23. April 2008 Klage erhoben. Eine Liposuktion sei im Fall seiner Ehefrau medizinisch notwendig, auch wenn es sich um eine neue Behandlungsmethode handele. Langzeituntersuchungen belegten die langfristige Wirksamkeit. Aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie ergebe sich, dass es sich um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Therapie handele. Unter Bezugnahme auf ein Gutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 20. Oktober 2008 trug er weiter vor, eine konservative Therapie sei seiner Ehefrau nicht zugänglich. Sowohl auf Kompressionsverbände als auch auf die zur Lymphdrainage erforderlichen Schmerzmittel reagiere sie allergisch. Die Kompressionsstrümpfe hätten erheblichen Juckreiz ausgelöst. Ein Allergologe und Dermatologe habe in einer Bescheinigung vom 12. August 2009 eine Kontakturtikaria (Nesselsucht) festgestellt. Alternative Materialien gebe es nicht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Aufwendungen für die unter dem 19. September 2007 beantragte Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems bei seiner Ehefrau als beihilfefähig anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf eine weitere amtsärztliche Stellungnahme vom 17. Dezember 2008 ergänzend vorgetragen, eine konservative Behandlung der Erkrankung sei möglich. Dem Amtsarzt gegenüber habe die Ehefrau des Klägers angegeben, die Kompressionsstrümpfe nur ausnahmsweise nicht getragen zu haben. Von einer Allergie sei nicht die Rede gewesen. Eine Schmerztherapie sei bei einer Lymphdrainage nicht regelhaft vorgesehen; es stünden überdies Ersatzpräparate zur Verfügung.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Das internistisch-lymphologische Gutachten der Oberärztin der lymphologischen Abteilung der Klinik Taunus des Reha-Zentrums I. Dr. med. J. vom 9. Juni 2009 kommt zu folgenden Ergebnissen: Bei der Liposuktion handele es sich nicht um eine anerkannte Standardtherapie zur Behandlung eines Lipödems. Die Liposuktion verbessere die Körperform. Es sei jedoch nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der sonstigen Beschwerden einhergehe. Solange das Lipödem nicht zu erheblichen Bewegungsstörungen im Alltag führe, gebe es keine nachvollziehbare Abgrenzung zu einer rein kosmetischen Operation. Im Fall der Ehefrau des Klägers seien die konservativen Behandlungsmethoden nicht ausgeschöpft, sondern es könne eine Kompressionstherapie erfolgen. Für die erforderlichen Strümpfe und Verbände gebe es verschiedene Materialien, die nicht hinlänglich getestet worden seien.
Mit Urteil vom 13. Januar 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen. Die geplanten Aufwendungen für die Liposuktion seien nicht notwendig im Sinne der Beihilfevorschriften. Bei der Liposuktion handele es sich nicht um eine allgemein wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode. Das habe das eingeholte Sachverständigengutachten ergeben und folge auch aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Aus diesen Leitlinien gehe hervor, dass es bislang nur Studien mit wenigen Teilnehmern gebe. Insofern könne eher von Erfahrungsberichten gesprochen werden. Die Liposuktion sei überdies - auch das habe das eingeholte Gutachten ergeben - medizinisch nicht notwendig. Eine konservative Therapie sei möglich und ausreichend. Unter Bewegungsstörungen, die eine Liposuktion erforderlich machen könnten, leide die Ehefrau des Klägers nicht. Die von dem Kläger gegen das Gutachten erhobenen Einwände griffen nicht durch. Insbesondere sei die Feststellung der Sachverständigen, es gebe auch für die Ehefrau des Klägers geeignete Kompressionsstrümpfe, nicht widerlegt. Die Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass in ihrer Praxis bislang für jeden Patienten geeignete Kompressionsstrümpfe hätten gefunden werden können.
Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 23. Februar 2011 (5 LA 49/10) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht sei zu.U.nrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der Liposuktion nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Therapie handele. Das Gericht verkenne die Bedeutung der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, die den fachlichen Entwicklungsstand darstellten. Bei den Vorstands- und Beiratsmitgliedern dieser Gesellschaft handele es sich um ausgewiesene Fachleute, nach deren Auffassung die Liposuktion eine anerkannte Therapie zur Behandlung des Lipödems sei. Soweit die Leitlinien auf die Ergebnisse von Langzeituntersuchungen abstellten, habe das Verwaltungsgericht diese rechtsfehlerhaft als Erfahrungsberichte abqualifiziert. Widersprüchlich sei es überdies, dass die Liposuktion in dem gerichtlichen Sachverständigengutachten einerseits als wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt bezeichnet, andererseits aber als geeignete Therapie bei Bewegungseinschränkungen angesehen werde. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus die Auffassung vertreten habe, dass die Behandlung medizinisch nicht notwendig sei, sei dies ebenfalls rechtsfehlerhaft. Die Möglichkeiten einer konservativen Behandlung seien ausgeschöpft; sie hätten keine Erfolge gebracht. Kompressionsstrümpfe könne die Ehefrau des Klägers nicht tragen, weil - wie ärztlicherseits festgestellt worden sei - eine Kontakturtikaria bestehe und ein weiterer Kontakt eine Zunahme der Symptomatik befürchten lasse. Ohnehin seien konservative Behandlungen nicht geeignet, das Lipödem selbst zu beseitigen. Aus diesen Gründen sei die Liposuktion die einzig erfolgversprechende Behandlungsmethode. Es sei zu erwarten, dass die Liposuktion zukünftig als wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode gelten werde. Das gerichtliche Sachverständigengutachten sei einseitig auf eine konservative Behandlung fokussiert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Aufwendungen für eine Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems bei seiner Ehefrau als beihilfefähig anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Das Gutachten des Facharztes für Dermatologie, Plastische Operationen, Allergologie und Phlebologie Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. K. vom 2. Oktober 2012 mit ergänzender Stellungnahme vom 2. Januar 2013 gelangt nach umfangreichen Tests zu dem Ergebnis, dass bei der Ehefrau des Klägers weder eine Allergie noch eine Kontakturtikaria im Zusammenhang mit hautfarbenen Strumpfmaterialien bei unterschiedlicher Kompression vorliege. Eine weitergehende Kompressionsbehandlung sei möglich. Es bestehe kein Grund, an der Verträglichkeit von Kompressionsstrümpfen zu zweifeln.
Der Senat hat den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems bei seiner Ehefrau.
Ein Anspruch des Klägers, den der Senat anhand der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage beurteilt, folgt nicht aus § 80 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (vom 25.3.2009, Nds. GVBl. S. 72, im Folgenden: NBG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Niedersächsischen Beihilfeverordnung (vom 7.11.2011, Nds. GVBl. S. 372, im Folgenden: NBhVO).
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NBhVO sind die nachgewiesenen und angemessenen Aufwendungen für medizinisch notwendige, nach wissenschaftlich allgemein anerkannten Methoden erbrachte ärztliche, zahnärztliche, psychotherapeutische und heilpraktische Leistungen beihilfefähig. Wissenschaftlich allgemein anerkannt ist eine Behandlungsmethode, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.3.1984 - BVerwG 2 C 2.83 -, [...] Rn. 3; Beschluss vom 15.7.2008 - 2 B 44.08 -, [...] Rn. 4; Nds. OVG, Urteil vom 25.5.2004 - 5 LB 15/03 -, [...] Rn. 22). Das setzt Folgendes voraus: Um "anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um "wissenschaftlich" anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um "allgemein" anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.6.1995 - BVerwG 2 C 15.94 -, [...] Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 14.9.2004 - 5 LB 141/04 -, [...] Rn. 29).
Von einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Behandlungsmethode kann deshalb nur dann ausgegangen werden, wenn eine ausreichende Zahl zuverlässiger und wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aus der Fachwelt vorliegt. Diese Aussagen müssen wiederum auf einer ausreichenden Anzahl von qualitativ überzeugend dokumentierten Behandlungsfällen beruhen, die den Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar machen. Zum Nachweis besonders geeignet sind deshalb methodisch hochwertige, kontrollierte klinische Studien. Liegen derartige Studien nicht vor, können andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien herangezogen werden. Schließlich sind im Sinne einer Gesamtbetrachtung wissenschaftlich fundierte Expertenmeinungen zu berücksichtigen.
Gemessen daran kann die Liposuktion zur Behandlung des Lipödems nicht als wissenschaftlich allgemein anerkannt angesehen werden. Es fehlt - worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - an klinischen Untersuchungen und Studien, die hinsichtlich ihrer Methodik wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Der Senat stützt seine Einschätzung auf das von dem Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 9. Juni 2009 sowie auf das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 6. Oktober 2011. In dem von dem Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten führt die Sachverständige aus, dass die Liposuktion als Behandlungsmethode des Lipödems keine anerkannte Standardtherapie sei. Auch die Leitlinien gingen von einer konservativen Therapie als Standardtherapie aus. Die Liposuktion reduziere das Fettgewebe, es sei aber wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergehe. Diese Einschätzung bestätigt das - zu einer sozialversicherungsrechtlichen Fragestellung erstellte - Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7. Das Gutachten zeigt, dass es bislang keine kontrollierte klinische Studie zur Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen gibt. Es bestehen lediglich Leitlinien, darunter die von dem Kläger vorgelegte Leitlinie "Lipödem der Beine" der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in der letzten Fassung vom 25. Juni 2009. Darin wird auf zwei Untersuchungen mit 19 Patientinnen über acht Jahre bzw. 75 Patientinnen über maximal viereinhalb Jahre Bezug genommen. Derartige Nachbeobachtungen bzw. Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen bzw. von geringem zeitlichem Umfang sind nicht geeignet, eine Therapie als wissenschaftlich allgemein anerkannt gelten zu lassen (vgl. zu weiteren Defiziten SG Fulda, Urteil vom 9.3.2006 - S 4 KR 84/05 -, [...] Rn. 29 ff.). Dies erkennt auch die Leitlinie selbst an. In der von dem Kläger selbst vorgelegten Fassung vom 27. Mai 2004 heißt es einleitend zu den Möglichkeiten einer Therapie, dass die Ursache des Lipödems unbekannt sei und es zurzeit keine gesicherte kausale Behandlung gebe. In der aktuellen Fassung vom 25. Juni 2009 heißt es - nur begrifflich abweichend -, es gebe keine eigentliche kausale Behandlung. Auch deshalb kann von einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Methode nicht ausgegangen werden.
Soweit der Kläger demgegenüber meint, es sei widersprüchlich, dass die Liposuktion in dem von dem Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einerseits als wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt bezeichnet, andererseits aber als Therapie bei Bewegungseinschränkungen geeignet erachtet werde, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Es erscheint im Gegenteil plausibel, dass bei gravierenden Bewegungseinschränkungen aufgrund eines krankheitsbedingten Übermaßes an Fettzellen eine operative Verringerung jedenfalls zeitweise Abhilfe schafft. Derartige gravierende Bewegungseinschränkungen liegen bei der Ehefrau des Klägers indes nicht vor. Rückschlüsse auf ihren Fall lässt eine mögliche Eignung der Liposuktion bei einem abweichenden Krankheitsbild nicht zu.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NBhVO sind weiter Aufwendungen für Leistungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden beihilfefähig, soweit dies in der Anlage 1 bestimmt ist. In der Anlage 1 ist die Liposuktion nicht aufgeführt.
Ein Anspruch des Klägers folgt schließlich nicht aus der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten und in § 45 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (vom 17.6.2008, BGBl. I S. 1010, im Folgenden: BeamtStG) normierten beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht verlangt von dem Dienstherrn nur in Ausnahmefällen, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z.B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z.B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten und die Aussicht besteht, dass eine solche Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.6.1995, a.a.O., Rn. 20 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 14.9.2004, a.a.O., Rn. 31).
Nach diesen Grundsätzen sind die geplanten Aufwendungen der Ehefrau des Klägers für eine Liposuktion ebenfalls nicht beihilfefähig. Für das Lipödem steht mit der kombinierten physikalischen Entstauungstherapie - bestehend insbesondere aus einer manuellen Lymphdrainage sowie einer Kompressionstherapie - eine die Beschwerden lindernde bzw. beseitigende Therapie zur Verfügung, die wissenschaftlich allgemein anerkannt ist.
Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, die vorgenannte konservative Therapie beseitige das Lipödem selbst nicht, trifft das in der Sache zwar zu. Ein Einwand gegen die konservative Therapie folgt daraus jedoch nicht. Auch die Liposuktion beseitigt nicht das Lipödem selbst, sondern reduziert lediglich das krankhaft vermehrte Fettgewebe. Es handelt sich - wie auch bei der konservativen Therapie - nicht um eine kausale Therapie, sondern um eine Behandlung der belastenden Folgen der Erkrankung.
Der Senat geht weiter davon aus, dass die wissenschaftlich anerkannte kombinierte physikalische Entstauungstherapie im Fall der Ehefrau des Klägers angewandt werden kann. Entgegen seiner Ansicht ist die dazu gehörende Kompressionsbehandlung möglich. Sein auf eine ärztliche Bescheinigung vom 12. August 2009 gestützter Einwand, seine Ehefrau könne weder Kompressionsverbände noch Kompressionsstrümpfe tragen, weil sie darauf allergisch reagiere bzw. eine Kontakturtikaria entwickele, ist nach den Feststellungen des von dem Senat eingeholten Sachverständigengutachtens vom 2. Oktober 2012, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO ausführlich erläutert hat, widerlegt. Der Sachverständige ist nach umfangreichen Tests, die sowohl die chemische Verträglichkeit der Strumpfmaterialien als auch die Einwirkung von Druck und Hitze zum Gegenstand hatten, zu dem Ergebnis gekommen, dass weder eine Allergie noch eine Kontakturtikaria nachzuweisen seien. Eine weitergehende Kompressionsbehandlung sei deshalb möglich; es bestehe kein Grund, an der Verträglichkeit von Kompressionsstrümpfen zu zweifeln. Auf dieser Grundlage ist der Senat der Überzeugung, dass eine die praktizierten Lymphdrainagen ergänzende Kompressionsbehandlung mit Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden kann.
Soweit der Kläger die Aussagekraft des Gutachtens sowie die Sachkunde des Sachverständigen in Zweifel zieht, überzeugt das nicht. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Januar 2013 sowie in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläutert, dass sich bei umfangreichen Tests mit provokativer Druck- und Wärmebehandlung kein Anhalt für eine Allergie bzw. Kontakturtikaria ergeben habe. Eine Kontakturtikaria sei auch nach der Anlage extremer Druckverbände mit erheblicher Wärmestauungsfunktion über mehrere Stunden an einem Tag mit besonders warmer Witterung nicht aufgetreten. Eine eindeutige Antwort auf die maßgebliche Beweisfrage nach dem Auftreten einer Allergie bzw. Kontakturtikaria bei einer Kompressionsbehandlung liegt damit vor.
Soweit der Kläger weiter einwendet, entgegen der schriftlichen Darstellung des Sachverständigen sei seiner Ehefrau ein Kompressionsstrumpf nicht testweise zur Verfügung gestellt worden, trifft das nach den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen zwar zu. Die Aussagekraft des Gutachtens stellt dies jedoch nicht in Frage. Die durchgeführten Tests stellen die Verträglichkeit sowohl von Kompressionsverbänden als auch von Kompressionsstrümpfen - auch in Kombination mit einem komprimierenden Mieder - nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen umfassend sicher. Dass ein Strumpf nicht getestet worden ist, ist deshalb unerheblich.
Auch mit seiner weiteren Rüge, der Sachverständige habe die mit dem Beweisbeschluss vom 3. Mai 2012 gestellte Frage nach der Verträglichkeit von Kompressionsstrumpfhosen nicht beantwortet, vermag der Kläger die Überzeugungskraft des Gutachtens nicht in Frage zu stellen. Richtig ist zwar, dass sich der Sachverständige zu der Möglichkeit, Kompressionsstrumpfhosen zu tragen, nicht abschließend geäußert hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist allein maßgeblich, ob bei der Ehefrau des Klägers eine die manuelle Lymphdrainage begleitende Kompressionsbehandlung in Betracht kommt. Eine solche Behandlung ist mittels Kompressionsverbänden, Kompressionsstrümpfen und einem komprimierenden Mieder möglich. Aus diesem Grund ist auch dem hilfsweise gestellten Antrag des Klägers, gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO ein weiteres Sachverständigengutachten zur Verträglichkeit von Kompressionsstrumpfhosen einzuholen, nicht zu entsprechen. Selbst wenn Kompressionsstrumpfhosen nicht zum Einsatz kommen könnten, wäre die Berufung zurückzuweisen. Nur ergänzend merkt der Senat in diesem Zusammenhang an, dass der Ehefrau des Klägers nach ihren eigenen Angaben sowohl gegenüber dem Amtsarzt als auch gegenüber dem Allergologen und Dermatologen ein - nach den Feststellungen des Sachverständigen grundsätzlich verträglicher - Kompressionsstrumpf und keine Kompressionsstrumpfhose verordnet worden ist.
Der Senat hat auch keinen Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen. Dieser ist ein anerkannter Facharzt unter anderem auf den Gebieten der Dermatologie und Phlebologie, der zudem über langjährige Erfahrungen in der konservativen und der operativen Behandlung des Lipödems verfügt.
Ohne Erfolg wendet der Kläger schließlich ein, das wissenschaftlich anerkannte Heilverfahren sei im Fall seiner Ehefrau bereits langjährig erfolglos angewandt worden. Zutreffend ist zwar, dass sie seit Jahren - nach ihrem Vorbringen erfolglos - mittels manueller Lymphdrainagen behandelt wird. Eine konsequent durchgeführte Kompressionstherapie fehlt jedoch. Die ihr bereits im Jahr 2007 verordneten Kompressionsstrümpfe hat sie offenbar nie ernsthaft getragen. Demgegenüber stellen die im gerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten übereinstimmend fest, dass eine Kompressionsbehandlung - gegebenenfalls auch im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme - möglich und erfolgversprechend ist.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Sachkunde der von dem Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen in Frage stellt, kommt es darauf nicht entscheidend an, weil auch der von dem Senat bestellte weitere Sachverständige, an dessen Fachkompetenz nach den obigen Ausführungen keine Zweifel bestehen, zu derselben Einschätzung gelangt. Überdies überzeugen die Einwände des Klägers nicht. Die erstinstanzlich bestellte Sachverständige war im Rahmen ihrer Begutachtung keineswegs einseitig auf eine konservative Behandlungsmethode fokussiert. Weder das Gutachten noch die Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in erster Instanz lassen eine derartige Fokussierung erkennen. Schon das Verwaltungsgericht hat diesem Einwand überdies zutreffend entgegengesetzt, dass die Sachverständige die Liposuktion ausweislich ihres Gutachtens bei spezifischen Krankheitsbildern - aber eben nicht im Fall der Ehefrau des Klägers - als geeignet erachtet hat.