Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.02.2018, Az.: 8 ME 1/18
Anspruch; Antrag; Aufenthaltserlaubnis; Aufenthaltszweck; faktischer Inländer; Privatleben; Soll-Regelung; Soll-Vorschrift; Studium; Verfahrensgegenstand; Verwurzelung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.02.2018
- Aktenzeichen
- 8 ME 1/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74446
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 07.12.2017 - AZ: 12 B 7793/17
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs 2 S 4 AufenthG
- § 16 Abs 4 S 3 AufenthG
- § 25 Abs 5 AufenthG
- § 25b AufenthG
- Art 8 Abs 1 MRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Wird ein Aufenthaltszweck, der nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war,
erstmalig im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geltend gemacht, ergibt sich keine Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und daher keine Begründetheit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
2. Für die Dauer eines Erteilungsverfahrens für eine Aufenthaltserlaubnis kann ausnahmsweise durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung erwirkt werden, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung, die impliziert, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status auch vom Inland aus verfolgt werden kann, einem möglicherweise Begünstigten zugute kommt,
3. § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b und § 25 Abs. 5 AufenthG, die unter Berufung auf eine während des Studiums eingetretene Integration beantragt wird, entgegen.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 7. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens und unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 7. Dezember 2017 der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes werden auf jeweils 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis und einer Abschiebungsandrohung.
Der 1978 im Bundesgebiet geborene Antragsteller ist mazedonischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben kehrte er mit seinen Eltern ca. 1982 nach Mazedonien zurück. Dort besuchte er die Schule. 1997 bestand er die Abschlussprüfung als Veterinärtechniker.
Im März 2004 reiste er mit einem Visum zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein und nahm ein Studium der Tiermedizin auf. Er erhielt eine Fiktionsbescheinigung und sodann eine Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 28 AuslG. Vom 12. August 2005 an hatte er Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG inne. Nach dem Ende der Gültigkeit einer solchen Aufenthaltserlaubnis am 25. März 2012 beantragte er am 17. April 2012 die Verlängerung und erhielt eine Fiktionsbescheinigung und sodann erneut Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG, letztmalig mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 31. März 2017. Zuvor hatte die Hochschule mitgeteilt, das Studium werde voraussichtlich im März 2017 abgeschlossen. Der Antragsteller war darauf hingewiesen worden, dass eine darüber hinausgehende Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht möglich sei.
Im September 2016 wurde der Sohn des Antragstellers in Hannover geboren. Er lebt mit seiner Mutter in Mazedonien. Nach Angaben des Antragstellers wurde das Kind während eines Urlaubs gezeugt. Da ein uneheliches Kind in Mazedonien in schlechtem Ruf stehe, habe er die Kindesmutter aus traditionellen Gründen geheiratet.
Der Antragsteller ist seit 2004 bei einem Paketdienst angestellt, zunächst als geringfügig Beschäftigter und seit dem 1. Juni 2017 als Lagerarbeiter in Vollzeit. Er ist seit 2011 in einer tierärztlichen Klinik beschäftigt, zunächst als studentische Aushilfskraft und seit 2016 als Famulant.
Im März 2017 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und reichte eine Immatrikulationsbescheinigung ein. Er erhielt am 8. März 2017 eine Fiktionsbescheinigung.
Nach Anhörung lehnte der Regionspräsident der Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch Verfügung vom 14. August 2017 ab, drohte die Abschiebung nach Mazedonien an und befristete die Wirkungen einer etwaigen Abschiebung auf 30 Monate. Ein ordnungsgemäßes Studium mit absehbarem Abschluss liege nicht vor. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 59 Abs. 1 AufenthG. Die Befristung der Sperrwirkung beruhe auf einer Abwägung des öffentlichen Interesses mit dem Interesse des Ausländers an einem erneuten Aufenthalt.
Der Antragsteller hat am 1. September 2017 Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er sei im Bundesgebiet verwurzelt. Der Antragsteller hat Stellungnahmen befreundeter deutscher Staatsangehöriger vorgelegt.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 7. Dezember 2017 abgelehnt. Der Antrag sei nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Das Vollzugsinteresse überwiege jedoch. Die Verlängerung sei zu Recht abgelehnt worden. Das Studium könne nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden. Der Abschluss stehe auch nicht unmittelbar bevor. Soweit der Antragsteller sich auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK berufe, wolle er offenbar erreichen, dass die zu Studienzwecken erteilte Aufenthaltserlaubnis als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG verlängert werde. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck setze nach § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG einen gesetzlichen Anspruch voraus. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Der Antragsteller sei nicht zu einem faktischen Inländer geworden. Zwar sei er im Bundesgebiet geboren und habe seine ersten vier Lebensjahre hier verbracht. Auch halte er sich seit 13 Jahren wieder rechtmäßig hier auf. Es sei davon auszugehen, dass er über gute deutsche Sprachkenntnisse verfüge. Der Lebensunterhalt sei durchgehend gesichert gewesen. Gleichwohl sei es ihm zuzumuten, sich in Mazedonien zu reintegrieren. Dort habe er die Zeit zwischen dem vierten und dem 25. Lebensjahr und damit seine prägenden Lebensjahre verbracht, die Schule besucht und eine Ausbildung abgeschlossen. Er habe weiterhin Verbindung in sein Heimatland, wo sein Sohn und dessen Mutter lebten. Die Abschiebungsandrohung sei nicht zu beanstanden. Der Hilfsantrag auf Aussetzung der Abschiebung sei unbegründet, insbesondere stehe Art. 8 Abs. 1 EMRK der Abschiebung nicht entgegen.
Der Antragsteller hat am 20. Dezember 2017 Beschwerde erhoben. Bei zutreffender Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ergebe sich, dass der Aufenthalt durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt sei. Allein die Möglichkeit einer Reintegration im Heimatland lasse das Abschiebungsverbot nicht entfallen. Er habe Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG.
II.
Die Beschwerde hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt hätte.
1. Hinsichtlich des auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 14. August 2017 gerichteten Hauptantrags ist die Beschwerde unbegründet. Mangels Erfolgsaussicht der Klage ist ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses nicht festzustellen.
Soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Verlängerung der bisherigen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verneint hat, legt die Beschwerde nichts dar. Sie stützt sich auf humanitäre Gründe, die § 25b und § 25 Abs. 5 AufenthG zuzuordnen sind. Daraus kann sich die Rechtswidrigkeit der mit der Klage angefochtenen Verfügung nicht ergeben, weil sie darüber nicht entschieden hat. Dieser Aufenthaltszweck war nicht Gegenstand des durchgeführten Verwaltungsverfahrens.
Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist ein auf einen konkreten Aufenthaltszweck ausgerichteter Antrag des Ausländers, der sich, soweit er nicht ausdrücklich bezeichnet wird, aus dem Lebenssachverhalt ergibt, aus dem das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird (vgl. Senatsbeschl. v. 2.1.2018 - 8 ME 126/17 -). Dieser Aufenthaltszweck bestimmt und begrenzt unmittelbar den Verfahrensgegenstand und konkretisiert damit den ausländerbehördlichen Prüfungs- und Entscheidungsbereich. Dem Ausländer ist es zwar unbenommen, seine Angaben über den Aufenthaltszweck vor einer Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag zu ändern; hat die Ausländerbehörde jedoch über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ablehnend entschieden, so kann in einem sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren der Verfahrensgegenstand, so wie er durch den beschiedenen Antrag unter Beachtung des ursprünglich geltend gemachten Aufenthaltszwecks näher bestimmt und begrenzt wurde, nicht mehr in der Weise verändert werden, dass nunmehr ein gänzlich anderer Aufenthaltszweck in das Gerichtsverfahren eingeführt wird. Das Gericht kann nicht erstmals über die Frage entscheiden, ob einem Ausländer ein bestimmter Aufenthaltstitel im Hinblick auf einen Aufenthaltszweck zuzubilligen ist, der überhaupt noch nicht Gegenstand der Prüfung und der Entscheidung durch die für den Antrag primär zuständige Ausländerbehörde war. Der Ausländer ist dementsprechend gehalten, bereits gegenüber der Ausländerbehörde alle beabsichtigten Aufenthaltszwecke vollständig darzustellen. Macht er erst nach Erlass eines Ablehnungsbescheides einen anderen Aufenthaltszweck geltend, ist er grundsätzlich auf die Durchführung eines erneuten Verwaltungsverfahrens vor der Ausländerbehörde verwiesen, wobei die nachteilige Konsequenz für ihn eintritt, dass der (neue) Antrag keine Fiktionswirkung mehr auslöst (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 27.3.1996 - 13 TG 475/96 -, juris Rn. 11; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.9.2002 - 11 S 636/02, NVwZ-RR 2003, 236, juris Rn. 9 f.; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 81 Rn. 152 (Okt. 2015)).
Mit dem Antrag vom 15. März 2017 hat der Antragsteller allein die Verlängerung der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums beantragt. Zwar ist ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel umfassend zu verstehen und bezieht sich regelmäßig auf die Erteilung sämtlicher nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Aufenthaltserlaubnisse (BVerwG, Urt. v. 11.1.2011 - 1 C 22.09 -, BVerwGE 138, 336, juris Rn. 23). Dass der Antragsteller aber statt des vorübergehenden Aufenthalts zu Ausbildungszwecken nunmehr beabsichtigte, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten, weil er sich als faktischen Inländer ansah, ergab sich in keiner Weise aus dem Antrag oder den ihn begleitenden Umständen und war daher kein nach Lage der Dinge in Betracht kommender Zweck. Zwar war das Feld „Aufenthaltszweck“ in dem vom Antragsteller ausgefüllten Formular freigelassen. Der Antragsteller hatte aber bereits viele Male kurz vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums deren Verlängerung beantragt und tat dies offensichtlich wieder. Dabei legte er, wie auch sonst, eine Immatrikulationsbescheinigung und einen Studiennachweis der Hochschule vor.
2. Die Beschwerde ist auch hinsichtlich des auf Aussetzung der Abschiebung gerichteten Hilfsantrags unbegründet. Eine einstweilige Anordnung ist nicht zu erlassen, weil kein Anordnungsanspruch gegeben ist. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung des Antragstellers ist weder rechtlich unmöglich, weil sie Grund- oder Menschenrechte verletzte (a.), noch besteht eine rechtliche Unmöglichkeit im Hinblick auf ein Verwaltungsverfahren über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (b.).
a. Belange aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK (Schutz des Privatlebens) sind nicht in einer Weise berührt, dass ihre Beeinträchtigung durch die Ausreisepflicht des Antragstellers gemessen an Art. 8 Abs. 2 EMRK unzumutbar erschiene und damit ein rechtliches Abschiebungshindernis auslöste. Im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung eine Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann, er mithin ein „faktischer Inländer“ ist. Fehlt es hieran, liegt schon kein Eingriff in die Rechte des Art. 8 Abs. 1 EMRK vor; einer Rechtfertigung nach den Maßgaben des Art. 8 Abs. 2 EMRK bedarf es nicht. Ob der Ausländer ein Privatleben faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat führen kann, hängt zum einen von seiner Integration in Deutschland (Dimension „Verwurzelung“) und zum anderen von der Möglichkeit zur (Re-) Integration in seinem Heimatland (Dimension „Entwurzelung“) ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, in einem festen Wohnsitz, ausreichenden Mitteln, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Eine nach Art. 8 EMRK schutzwürdige Verwurzelung im Bundesgebiet kann dabei aber grundsätzlich nur während Zeiten entstehen, in denen der Ausländer sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. Senatsbeschl. v. 6.6.2011 - 8 ME 73/11 -; v. 14.6.2011 - 8 ME 325/10 -, juris Rn. 31; v. 24.3.2017 - 8 LA 197/16 -, juris Rn. 27; v. 29.8.2017 - 8 ME 96/17 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.6.2017 - 13 ME 97/17-; v. 10.11.2017 - 13 ME 190/17 -, juris Rn. 27).
Der Antragsteller ist ein gut integrierter Mazedonier und kein „faktischer Inländer“. Seine Integration ergibt sich aus folgenden Umständen: Er ist im Bundesgebiet geboren, hat aber eine Prägung durch die deutschen Verhältnisse nur für wenige Jahre zwischen dem Ende des Säuglingsalters und dem Vorschulalter erfahren. Vor Vollendung des fünften Lebensjahres ist er ausgereist. Wieder eingereist ist er erst wieder im Alter von 25 Jahren. Seitdem hat er nahezu 14 Jahre im Inland gelebt und besaß außer zwischen dem 26. März 2012 und dem 19. April 2012 ein Aufenthaltsrecht. Dieses war allerdings nicht geeignet, Vertrauen auf die Möglichkeit eines dauerhaften Verbleibs zu begründen, sondern diente dem grundsätzlich vorübergehenden Zweck des Studiums. In Deutschland hat er studiert und zahlreiche Studienleistungen erbracht. Er beherrscht die deutsche Sprache und hat keine Straftaten begangen. Bindungen an die Inlandsgesellschaft sind unverkennbar, der Antragsteller hat Freunde deutscher Staatsangehörigkeit und ein deutsches Patenkind. Die Geburt des Sohnes im Bundesgebiet hat allerdings für sich betrachtet keine besondere Aussagekraft. Der Antragsteller hat seinen Lebensunterhalt durch Arbeit gesichert. Gleichwohl kann eine tiefgehende Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht festgestellt werden. Die Beschäftigung in der Tierklinik ist in den Arbeitsverträgen ausdrücklich als studentische Nebentätigkeit, die teilweise auch dem Erwerb von Fähigkeiten dient, gekennzeichnet. Bei dem Paketdienst war er von 2004 bis 2017 geringfügig beschäftigt. Der Übergang zu einer Vollzeittätigkeit im Juni 2017 verletzte zudem § 16 Abs. 3 AufenthG; auch insoweit konnte der Antragsteller kein Vertrauen darauf bilden, dass der deutsche Staat ihm eine endgültige Eingliederung in den inländischen Arbeitsmarkt ermögliche. Eine „Entwurzelung“ im Hinblick auf Mazedonien ist nicht festzustellen. Dort hat er vom fünften bis zum 26. Lebensjahr gelebt und die prägenden Jahre der Kindheit und Jugend verbracht. Nach dem Schulbesuch hat er eine Berufsausbildung abgeschlossen und auch danach noch etwa sieben Jahre in Mazedonien gelebt. Er beherrscht die mazedonische Sprache; in seinem Abschlusszeugnis wurden seine Leistungen in diesem Fach mit „sehr gut“ bewertet. Der Antragsteller hatte ausweislich der Stellungnahme seines Freundes Herrn B. auch im Jahr 2016 Verwandte und Bekannte in Mazedonien. Er hatte sich dort zuvor auch im Urlaub aufgehalten. Dass seine Ehefrau und sein Sohn sich dort befinden, hat angesichts der vom Antragsteller behaupteten Hintergründe nur geringes Gewicht. Insgesamt ist die Re-Integration sehr gut möglich. Anders als die Beschwerde meint, ist diese Möglichkeit von erheblicher Bedeutung für die Prüfung der Beeinträchtigung des Privatlebens. Die dabei bestehenden Schwierigkeiten sind zu bewerten; daraus ergibt sich das Gewicht der „Entwurzelung“.
Die Gesamtabwägung ergibt, dass der Antragsteller zwar im Inland gut integriert ist, diese Integration aber weit überwiegend aufgrund seines Verhaltens im Erwachsenenalter während des Aufenthalts zu Studienzwecken eingetreten ist. Den Lebensverhältnissen in Mazedonien ist er allenfalls durch die Dauer der Abwesenheit etwas entfremdet, für die Re-Integration bestehen jedoch beste Voraussetzungen. In der Gesamtschau ist nicht festzustellen, dass das Privatleben faktisch nur noch im Bundesgebiet geführt werden könnte.
b. Der Antragsteller kann die Aussetzung der Abschiebung auch nicht während des Verwaltungsverfahrens über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beanspruchen.
Für die Dauer eines Erteilungsverfahrens für eine Aufenthaltserlaubnis kann ausnahmsweise durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung erwirkt werden, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugute kommt, wobei das Vorliegen der Voraussetzungen glaubhaft zu machen ist. Derartige ausländerrechtliche Regelungen sind solche, die implizieren, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status auch vom Inland aus verfolgt werden kann. In diesem Fall ist zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, wonach die Erteilung einer Duldung für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus gesetzessystematischen Gründen ausscheidet, wenn ein vorläufiges Bleiberecht nach § 81 AufenthG nicht eingetreten ist. Die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist aber in einer solchen Situation nicht gerechtfertigt, wenn bereits zum Zeitpunkt der Prüfung eines Anspruchs auf Erteilung einer Duldung feststeht, dass die Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist (Senatsbeschl. v. 22.11.2017 - 8 ME 132/17 -; v. 20.2.2018 - 8 ME 161/17 -; vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.8.2008 - 13 ME 128/08 -, juris Rn. 2 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 12.2.2008 - 18 B 230/08 -, InfAuslR 2008, 211, juris Rn. 3).
Im Falle von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25b und § 25 Abs. 5 AufenthG kommt grundsätzlich in Betracht, dass der aufenthaltsrechtliche Status vom Inland her verfolgt werden kann. Im Fall des Antragstellers ist die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis aber ausgeschlossen.
aa. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG steht § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG entgegen. Danach soll während des Studiums in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck als dem in Absatz 1 genannten Aufenthaltszweck nur erteilt oder verlängert werden, sofern ein gesetzlicher Anspruch besteht. Bereits nach ihrem Wortlaut setzt die Regelung nicht voraus, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG noch Gültigkeit besitzt (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 21.2.2008 - 3 Bs 204/07 -, ZAR 2008, 241, juris Rn. 5; Hailbronner, Ausländerrecht, § 16 AufenthG Rn. 47 (Mai 2017)).
Dem Antragsteller steht kein gesetzlicher Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG zu. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt nämlich, dass einem geduldeten Ausländer, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden „soll“. Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 16 Abs. 4 Satz 2 und 3 AufenthG ist jedoch nur gegeben, wenn das Gesetz die Behörde unmittelbar verpflichtet, bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt, begründet auch eine Ermessensreduzierung „auf Null“ keinen gesetzlichen Anspruch. Gleiches gilt im vorliegenden Fall einer Soll-Vorschrift, da diese die Ausländerbehörde anders als eine Ist-Vorschrift nicht strikt zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen verpflichtet, sondern bei Vorliegen besonderer Umstände auch eine ablehnende Entscheidung zulässt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 14.9.2015 - 7 B 10780/15 -, juris Rn. 6; VG München, Beschl. v. 29.2.2016 - M 24 E 16.927 -, juris Rn. 13; zu anderen Regelungszusammenhängen BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, BVerwGE 153, 353, juris Rn. 20 f.; Senatsbeschl. v. 15.12.2017 - 8 ME 136/17 -).
Ein Ausnahmefall, der die Soll-Regelung des § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG außer Kraft setzte, liegt nicht vor. Ein Ausnahmefall ist durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er das ansonsten ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.5.2015 - 7 B 10364/15.OVG -, InfAuslR 2015, 335, juris Rn. 6; vgl. zur Unterscheidung „ausbildungsnaher“ und „ausbildungsferner“ Aufenthaltszwecke Christ/Fleuß, in: BeckOK Ausländerrecht, § 16 AufenthG Rn. 37 ff. (Mai 2017)). Wie § 16 Abs. 4 Satz 4 AufenthG, der die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ausschließt, zeigt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit gesehen, dass während der Dauer des Aufenthalts zu Studienzwecken eine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse eintreten kann. Erfolgt dies, ergibt sich daraus keine Atypik. Vor diesem Hintergrund vermag es auch keinen atypischen Geschehensablauf zu begründen, dass das Studium des Antragstellers so lange gedauert hat und mit einer derartigen Eingewöhnung einhergegangen ist, dass der Antragsteller sich nunmehr auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 25b AufenthG beruft (vgl. auch VG München, Beschl. v. 29.2.2016 - M 24 E 16.927 -, juris Rn. 14).
bb. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, weil die Ausreise nicht unmöglich ist; insbesondere steht der Schutz des Privatlebens nicht entgegen (s.o. a.). Im Übrigen greift auch insoweit die Erteilungssperre des § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG ein (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 21.2.2008 - 3 Bs 204/07 -, ZAR 2008, 241, juris Rn. 7; Sächsisches OVG, Beschl. v. 23.8.2017 - 3 B 150/17 -, juris Rn. 9).