Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.02.2018, Az.: 13 ME 289/17

§ 50 Abs. 5 AufenthG als taugliche Rechtsgrundlage für die Anordnung der Herausgabe des Passes oder Passersatzes an die Ausländerbehörde zum Zwecke der amtlichen Verwahrung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.02.2018
Aktenzeichen
13 ME 289/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 63567
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:0201.13ME289.17.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 15.09.2017 - AZ: 11 B 5891/17

Fundstellen

  • AUAS 2018, 65-68
  • FuBW 2018, 772-774
  • FuNds 2018, 658-661
  • InfAuslR 2018, 131-133
  • KomVerw/B 2019, 13-15
  • KomVerw/LSA 2019, 23-25
  • KomVerw/MV 2019, 30-32
  • KomVerw/S 2019, 18-20
  • KomVerw/T 2019, 24-26
  • NordÖR 2018, 185
  • ZAR 2018, 366

Amtlicher Leitsatz

§ 50 Abs. 5 AufenthG bietet nicht nur eine Rechtsgrundlage dafür, einen Pass oder Passersatz in amtliche Verwahrung zu nehmen, sondern auch dafür, gegenüber dem Ausländer die Herausgabe des Passes oder Passersatzes an die Ausländerbehörde zum Zwecke der amtlichen Verwahrung anzuordnen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 11. Kammer - vom 15. September 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich im Beschwerdeverfahren noch gegen die an sie gerichtete, sofort vollziehbare Anordnung des Antragsgegners, ihre Nationalpässe und elektronischen Aufenthaltstitel vorzulegen.

2

Die 1970 geborene Antragstellerin zu 1. ist vietnamesische Staatsangehörige. Sie reiste erstmals 2005 in das Bundesgebiet ein. Nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens wurde ihr Aufenthalt geduldet. Im Mai 2010 heiratete sie in Berlin den im Bundesgebiet lebenden vietnamesischen Staatsangehörigen E., der über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Den hierauf gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 AufenthG lehnte die seinerzeit zuständige Ausländerbehörde mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 24. November 2010 unter Hinweis darauf ab, dass ein Ausweisungsgrund vorliege und die Antragstellerin zu 1. ohne das erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist sei. Auf einen weiteren Antrag vom 26. April 2012 erteilte der Landkreis B-Stadt der Antragstellerin zu 1. am 9. Juli 2012 wegen der rechtlichen Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung aufgrund der im Bundesgebiet geführten ehelichen Lebensgemeinschaft eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die in der Folge fortlaufend, zuletzt am 2. Dezember 2013 bis zum 8. Januar 2016 verlängert worden ist. Anfang 2015 reiste die Antragstellerin zu 1. aus dem Bundesgebiet aus, um das Visumverfahren nachzuholen. Im April 2015 reiste sie mit einem Visum zum Ehegattennachzug wieder in das Bundesgebiet ein und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG, die ihr am 16. April 2015 erteilt und am 22. März 2016 mit einer Geltungsdauer bis zum 15. April 2018 verlängert worden ist.

3

Der 2000 geborene Antragsteller zu 2. ist vietnamesischer Staatsagehöriger. Er reiste im April 2015 gemeinsam mit seiner Mutter, der Antragstellerin zu 1., mit einem Visum zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein. Die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG wurde ihm am 16. April 2015 erteilt und am 22. März 2016 mit einer Geltungsdauer bis zum 15. April 2018 verlängert.

4

Durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 7. April 2017 wurde die Ehe zwischen der Antragstellerin zu 1. und ihrem Ehemann E. geschieden. Die elterliche Sorge für den Antragsteller zu 2. wurde der Antragstellerin zu 1. allein übertragen.

5

Nach Anhörung befristete der Antragsgegner mit Bescheid vom 3. August 2017 die Aufenthaltserlaubnisse der Antragsteller auf den Tag der Zustellung des Bescheides, setzte eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung an. Darüber hinaus forderte er die Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die vietnamesischen Nationalpässe sowie die elektronischen Aufenthaltstitel vorzulegen. Zur Begründung verwies er unter anderem darauf, dass mit der Scheidung der Ehe die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG und der daran anknüpfenden Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG entfallen seien und der Antragstellerin zu 1. auch ein Anspruch auf Erteilung eines eheunabhängigen Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG nicht zustehe, da sie während der Ehe nicht für die Dauer von drei Jahren Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG gewesen sei.

6

Am 9. August 2017 haben die Antragsteller Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2017 und die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen begehren. Zugleich haben sie um vorläufigen Rechtsschutz ersucht und auch beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Vorlage der vietnamesischen Nationalpässe und der elektronischen Aufenthaltstitel wiederherzustellen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. September 2017 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie beantragen,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Anordnung der Vorlage ihrer Reisepässe und elektronischen Aufenthaltstitel im Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2017 wiederherzustellen sowie ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.

II.

8

1. Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat es zutreffend abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der der Klage gegen die Anordnung der Vorlage der vietnamesischen Nationalpässe und der elektronischen Aufenthaltstitel im Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2017 wiederherzustellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell und materiell rechtmäßig.

9

a. Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes nicht nur pauschal, sondern hinreichend einzelfallbezogen schriftlich begründet und damit auch den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genüge getan.

10

b. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig.

11

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Die gerichtliche Entscheidung setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das vorrangig öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Dem öffentlichen Vollzugsinteresse kann dabei überhaupt nur dann ein Vorrang eingeräumt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren Bestand haben, mithin sich als rechtmäßig erweisen wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.2004 - 2 BvR 821/04 -, NJW 2004, 2297, 2298; Beschl. v. 11.2.1982 - 2 BvR 77/82 -, NVwZ 1982, 241; BVerwG, Beschl. v. 9.9.1996 - 11 VR 31.95 -, NVwZ-RR 1997, 210). Darüber hinaus überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse regelmäßig nur dann, wenn es ein über das Interesse am Erlass des Verwaltungsakts hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.3.2014 - 8 ME 24/14 -, juris Rn. 4).

12

Die nach diesem Maßstab vorgenommene Abwägung geht zu Lasten der Antragsteller aus. Die im Bescheid vom 3. August 2017 getroffene Anordnung der Vorlage der vietnamesischen Nationalpässe (1) und der elektronischen Aufenthaltstitel (2) ist voraussichtlich rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist von einem besonderen Vollzugsinteresse getragen, welches das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt (3).

13

(1) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Vorlage der vietnamesischen Nationalpässe ist § 50 Abs. 5 AufenthG. Nach dieser Bestimmung soll der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden. Der Gesetzgeber hat mit dieser und der vorausgegangenen inhaltsgleichen Bestimmung in § 42 Abs. 6 AuslG a.F. Konsequenzen aus Erfahrungen der bisherigen ausländerrechtlichen Praxis gezogen. Den Versuchen von ausreisepflichtigen Ausländern, durch die Vernichtung des Passes ihre Ausreise oder Abschiebung zu vereiteln, soll durch eine amtliche Verwahrung des Passes begegnet werden können (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/420, S. 89, in Verbindung mit Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts, BT-Drs. 11/6321, S. 71). Ausgehend von diesem Regelungszweck und dem durchaus offenen Wortlaut der Bestimmung bietet § 50 Abs. 5 AufenthG nicht nur eine Rechtsgrundlage dafür, einen Pass oder Passersatz in amtliche Verwahrung zu nehmen, sondern auch dafür, gegenüber dem Ausländer die Herausgabe des Passes oder Passersatzes an die Ausländerbehörde zum Zwecke der amtlichen Verwahrung anzuordnen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 16.6.2010 - 2 M 101/10 -, juris Rn. 4 f.; VG München, Beschl. v. 8.10.2013 - M 24 S 13.3872 -, juris Rn. 39 f.; GK-AufenthG, § 50 Rn. 66 (Stand: Oktober 2015); Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG § 50 Rn. 14 (Stand: August 2017); Nr. 50.6.1 Satz 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - v. 26.10.2009, GMBl. S. 877). Die allgemeine Regelung über die Verpflichtung zur Vorlage, Aushändigung und vorübergehenden Überlassung eines Passes oder Passersatzes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird durch speziellere Regelung des § 50 Abs. 5 AufenthG in deren Anwendungsbereich verdrängt (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 29.3.2007 - 24 C 07.164 -, juris Rn. 5; OVG Berlin, Beschl. v. 15.10.1999 - 8 S 37.39 -, InfAuslR 2000, 27, 29; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., AufenthG § 50 Rn. 19).

14

Einzige tatbestandliche Voraussetzung des § 50 Abs. 5 AufenthG ist die Ausreisepflicht des Ausländers. Auf die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht kommt es hingegen nicht an (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 29.12.2010 - 2 S 76.10 -, juris Rn. 5; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 16.6.2010, a.a.O., Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.6.2001 - 13 S 542/01 -, juris Rn. 2 f.; OVG Berlin, Beschl. v. 20.9.1999 - 8 S 36.99 -, InfAuslR 2000, 30, 31; GK-AufenthG, § 50 Rn. 66 (Stand: Oktober 2015); Nr. 50.6.1 Satz 2 AVwV AufenthG). Auch ist nicht erforderlich, dass im konkreten Einzelfall tatsächlich die Gefahr besteht, dass der Ausländer durch die Vernichtung seines Passes oder Passersatzes die Ausreise oder Abschiebung vereiteln will (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 12.8.2004 - 3 Bs 327/03 -, juris Rn. 8; OVG Berlin, Beschl. v. 15.10.1999, a.a.O., S. 30; a.A. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., AufenthG § 50 Rn. 16 f.).

15

Ist die tatbestandliche Voraussetzung erfüllt, soll der Pass oder Passersatz in Verwahrung genommen werden. Das behördliche Ermessen ist mithin intendiert, den Pass oder Passersatz in Verwahrung zu nehmen. Nur in Ausnahmefällen, wenn der Ausländer ein schutzwürdiges, überwiegendes Interesse am Behalt des Passes oder Passersatzes nachweist und die Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gefährdet ist, kann die Ausländerbehörde von der Verwahrung absehen (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 29.12.2010, a.a.O., Rn. 5; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 16.6.2010, a.a.O., Rn. 4; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 12.8.2004, a.a.O., Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.6.2001, a.a.O., Rn. 3; Bayerischer VGH, Urt. v. 17.6.1997 - 10 B 97.1277 -, AuAS 1997, 170 f.; GK-AufenthG, § 50 Rn. 69 (Stand: Oktober 2015)).

16

Nach diesen Maßgaben erweist sich die im Bescheid vom 3. August 2017 getroffene Anordnung der Vorlage der vietnamesischen Nationalpässe als voraussichtlich rechtmäßig.

17

Die Antragsteller sind gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da sie den nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzen. Die der Antragstellerin zu 1. zuletzt bis zum 15. April 2018 verlängerte Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG und die dem Antragsteller zu 2. zuletzt bis zum 15. April 2018 verlängerte Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 3. August 2017 auf den Tag der Zustellung des Bescheides befristet. Der Bescheid vom 3. August 2017 ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 4. August 2017 durch Postzustellungsurkunde (Blatt 1010 der Beiakte 1/IV) zugestellt worden. Seit dem 5. August 2017 besitzen die Antragsteller daher keinen Aufenthaltstitel mehr. Eine andere Betrachtung ist nicht deshalb geboten, weil die Klage der Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2017 aufschiebende Wirkung entfaltet. Denn nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit eines die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendenden Verwaltungsakts unberührt. Da die nachträgliche zeitliche Beschränkung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eine derartige, den rechtmäßigen Aufenthalt beendende und zur Ausreisepflicht führende Anordnung im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 AufenthG ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.5.2012 - 11 S 22.12 -, juris Rn. 6; Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 51 Rn. 6; GK-AufenthG, § 51 Rn. 29 (Stand: Mai 2104) und § 84 Rn. 52 (Stand: Oktober 2015)), lässt der durch die Klageerhebung eintretende Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 VwGO diese Rechtsfolgen des Verwaltungsakts unberührt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Suspensiveffekt kraft Gesetzes eintritt oder ob er im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch deren Wiederherstellung erneut bewirkt wird. Insoweit nicht entscheidungserheblich ist - entgegen der Auffassung der Antragsteller - daher auch, ob die Befristungsentscheidung vom 3. August 2017 rechtmäßig ist und verneinendenfalls, ob die Antragsteller auf anderer Rechtsgrundlage als den §§ 30, 32 Abs. 1 AufenthG die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beanspruchen können. Ein Ausnahmefall, in dem sich diese Fragen mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG stellen könnten (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.3.2012 - 8 ME 204/11 -, juris Rn. 4; Bayerischer VGH, Beschl. v. 12.5.2009 - 19 CS 09.934 -, juris Rn. 4 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.2.2007 - 7 ME 11/07 -, juris Rn. 7 f. jeweils m.w.N.), ist hier nicht gegeben.

18

Auch ein schutzwürdiges, überwiegendes Interesse am Behalt der Pässe, das eine Ausnahme von der Inverwahrungnahme der Pässe begründen könnte, haben die Antragsteller nicht nachgewiesen. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht offensichtlich.

19

(2) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Vorlage der elektronischen Aufenthaltstitel ist hingegen § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Der Anwendungsbereich der spezielleren Regelung des § 50 Abs. 5 AufenthG ist aufgrund der eindeutigen Beschränkung auf den "Pass oder Passersatz" insoweit nicht eröffnet.

20

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Aufenthaltstitel auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist.

21

Nach diesen Maßgaben erweist sich die im Bescheid vom 3. August 2017 getroffene Anordnung der Vorlage der "elektronischen Aufenthaltstitel", mithin der als Dokumente mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium nach § 78 AufenthG ausgestellten Aufenthaltstitel der Antragstellerin zu 1. (Blatt 993 der Beiakte 1/IV) und des Antragstellers zu 2. (Blatt 121 der Beiakte 2), als voraussichtlich rechtmäßig. Die Vorlage und auch die vorübergehende Überlassung der Aufenthaltstitel sind ersichtlich erforderlich, um dem Antragsteller eine Berichtigung der durch den Bescheid vom 3. August 2017 geänderten Gültigkeitsdauer zu ermöglichen und einer weiteren Verwendung der Aufenthaltstitel mit den unrichtig gewordenen Angaben durch die Antragsteller vorzubeugen.

22

(3) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist schließlich von einem besonderen Vollzugsinteresse getragen, welches das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt.

23

Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 3. August 2017 zutreffend darauf hingewiesen, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Verwahrung der Pässe der Antragsteller zur Sicherung einer Ausreise oder Abschiebung nicht erst nach Abschluss, sondern bereits während des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens besteht. Bereits in diesem Zeitraum besteht auch ein öffentliches Interesse zu verhindern, dass die Antragsteller die Aufenthaltstitel mit den unrichtig gewordenen Angaben im Rechts- und Geschäftsverkehr weiterverwenden. Diese öffentlichen Interessen rechtfertigen die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

24

Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegende private Interessen der Antragsteller sind nicht gegeben. Die Antragsteller haben keine nachvollziehbaren Gründe geltend gemacht, die einer Inverwahrungnahme ihrer Pässe während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch den Antragsgegner entgegenstehen könnten. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass sie während dieses Zeitraums zwingend auf ihre Pässe angewiesen sein könnten. Dies gilt auch mit Blick auf die Ausweispflicht nach § 48 AufenthG. Denn die Antragsteller können dieser Pflicht bereits dadurch genügen, dass ihnen eine Bescheinigung über die Verwahrung ihrer Pässe ausgestellt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 16.6.2010, a.a.O., Rn. 4; OVG Hamburg, Beschl. v. 12.08.2004, a.a.O., Rn. 6). Ein schutzwürdiges Interesse der Antragsteller am Behalt der Aufenthaltstitel mit den unrichtig gewordenen Angaben zur Gültigkeitsdauer ist von vorneherein nicht ersichtlich.

25

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Der Beschwerde kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362 [BVerfG 26.02.2007 - 1 BvR 474/05]) unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 8.7.2016 - 2 BvR 2231/13 -, juris Rn. 10 ff. mit weiteren Nachweisen).

26

Die Entscheidung über die Kosten folgt für das Beschwerdeverfahren aus § 154 Abs. 2 VwGO und für das Prozesskostenhilfeverfahren aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

27

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).