Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.02.2018, Az.: 13 ME 438/17

Aussetzung der Abschiebung; Beschwerde; Folgeschutzgesuch; Härtefallantrag; Reiseunfähigkeit; vorläufiger Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.02.2018
Aktenzeichen
13 ME 438/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74441
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 30.11.2017 - AZ: 11 B 7362/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung kraft Gesetzes nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG ist nicht, auch nicht entsprechend auf einen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellten isolierten Wiederaufgreifensantrag zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und/oder 7 AufenthG (sog. Folgeschutzgesuch) anzuwenden.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 11. Kammer - vom 30. November 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die der Antragsgegnerin ihre Abschiebung für die Dauer von sechs Monaten untersagt.

Die 1974 und 1970 im seinerzeit jugoslawischen E. geborenen Antragsteller sind serbische Staatsangehörige. 2012 reisten sie in das Bundesgebiet ein. Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 14. Februar 2012 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG für Serbien nicht vorliegen. Im März 2013 reisten die Antragsteller freiwillig aus dem Bundesgebiet aus. Nach der Wiedereinreise im Oktober 2013 gestellte Asylfolgeanträge blieben ohne Erfolg. Seitdem ist der Aufenthalt der Antragsteller geduldet. Eine Anfang 2015 an die Härtefallkommission gerichtete Eingabe wurde nicht zur Beratung angenommen.

Nachdem der Antragstellerin zu 1. durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.  F. aus A-Stadt unter dem 26. August 2016 bescheinigt worden war, auch an einer posttraumatischen Belastungsstörung und schweren Depression zu leiden, ließ die Antragsgegnerin sie durch ihren Amtsarzt auf die Reisefähigkeit untersuchen. Der Amtsarzt stellte unter dem 20. Februar 2017 die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1. unter den Bedingungen fest, dass während der Abschiebemaßnahme einer ärztliche Begleitung und eine zusätzliche pflegerische Betreuung möglichst durch Familienangehörige und im Heimatland eine fachärztliche pharmakologische Behandlung sowie hauswirtschaftliche und pflegerische Versorgung gewährleistet ist.

Hierauf brachten die Antragsteller weitere ärztliche Atteste bei, die der Antragstellerin zu 1. eine Reiseunfähigkeit bescheinigen, und beantragten am 3. Mai 2017 die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, hilfsweise die Aussetzung der Abschiebung für ein Jahr. Ergänzend legten sie einen nervenärztlichen Behandlungsbericht des Dr.  F. vom 11. Juni 2017 vor, der die früheren Diagnosen bestätigt und der Antragstellerin zu 1. eine Reiseunfähigkeit bescheinigt.

Am 17. September 2017 haben die Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt mit dem Ziel, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verlängerung der Duldungen aufzugeben und die Abschiebung für die Dauer von sechs Monaten zu untersagen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 30. November 2017 abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgen und für die sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragen. Zur Begründung ihrer Beschwerde machen die Antragsteller geltend, die Antragstellerin zu 1. sei auch nach einem aktuellen ärztlichen Attest des Dr.  F. vom 5. November 2017 reiseunfähig erkrankt. Die Antragsgegnerin finanziere die zur Gewährleistung der Reisefähigkeit erforderlichen Medikamente unter strafbarer Umleitung öffentlicher Mittel. Nach Stellung eines Wiederaufnahmeantrags hinsichtlich des Verfahrens auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 6. Dezember 2017 bestehe in entsprechender Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG ein gesetzliches Abschiebungsverbot. Zudem sei die Entscheidung der Härtefallkommission über eine erneut von ihnen angebrachte Eingabe abzuwarten.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg. Die Antragsteller haben einen im Verfahren nach § 123 VwGO sicherungsfähigen (Anordnungs-)Anspruch auf Aussetzung ihrer Abschiebung nicht in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Eine solche Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ergibt sich hier nicht aus einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. (1.), nicht aus der Stellung eines Wiederaufnahmeantrags hinsichtlich des Verfahrens auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2.) und auch nicht aus der Eingabe an die Härtefallkommission (3.).

1. Unter Berücksichtigung der sich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergebenden Schutzwirkungen kann sich aus einer Reiseunfähigkeit grundsätzlich ein inlandsbezogenes - und damit von der Ausländerbehörde selbständig zu prüfendes (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 -, InfAuslR 2002, 415 f.; BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - BVerwG 9 C 13.96 -, BVerwGE 105, 322, 327) - Abschiebungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergeben. Voraussetzung ist allerdings, dass die konkrete Gefahr besteht, der Gesundheitszustand des Ausländers werde sich durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern, und dass diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch den Transport als solchen wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmalig entstehen würde (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch dann, wenn sich durch die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorganges und unabhängig vom Zielstaat - der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne, vgl. Senatsbeschl. v. 7.9.2017 - 13 ME 157/17 -, juris Rn. 4; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 29.3.2011 - 8 LB 121/08 -, juris Rn. 47 jeweils m.w.N.).

Da nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG in der durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung vermutet wird, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, muss der Ausländer, will er unter Berufung auf gesundheitliche Gründe eine Aussetzung der Abschiebung erwirken, die widerlegliche Vermutung entkräften (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538, S. 19). Hierzu muss er der Ausländerbehörde gemäß § 60a Abs. 2d Satz 1 AufenthG unverzüglich eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung, die den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG genügt, vorlegen.

Hieran gemessen ist eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. nicht glaubhaft gemacht.

Die Atteste des Dr.  G. aus B-Stadt vom 28. Oktober 2014 (Blatt 138 der Beiakte 1) und des Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten H. aus B-Stadt vom 12. Juni 2015 (Blatt 153 der Beiakte 1), die der Antragstellerin zu 1. auch eine posttraumatische Belastungsstörung und eine depressive Erkrankung und teilweise auch eine daran anknüpfende Reiseunfähigkeit bescheinigen, genügen den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung offensichtlich nicht. Die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist, die angewandten Methoden der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), der Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, sind in diesen Attesten gar nicht, jedenfalls aber nicht aussagekräftig und damit nachvollziehbar beschrieben.

Die Berichte der Ergotherapeuten I. und J. aus A-Stadt vom 31. März 2015 (Blatt 137 der Beiakte 1), vom 9. Juni 2015 (Blatt 158 f. der Beiakte 1), vom 8. September 2015 (Blatt 168 der Beiakte 1) und vom 12. April 2017 (Blatt 226 der Beiakte 1) beschreiben auf der Grundlage der von den behandelnden Ärzten getroffenen Diagnosen nur die angewandten ergotherapeutischen Behandlungen. Eine eigene Diagnostik ist den Berichten ebensowenig zu entnehmen wie belastbare Feststellungen zur Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1.

Dem Ambulanzbericht des K. Krankenhauses in A-Stadt vom 28. Juli 2015 (Blatt 164 der Beiakte 1) sind Einschränkungen der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1. nicht zu entnehmen.

Gleiches gilt für die Atteste des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.  F. aus A-Stadt vom 26. März 2015 (Blatt 135 der Beiakte 1) und vom 23. Juli 2015 (Blatt 157 der Beiakte 1), auch diese verhalten sich zur Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1. nicht. Das weitere Attest des Dr.  F. vom 27. Januar 2016 (Blatt 181 der Beiakte 1) bescheinigt der Antragstellerin zwar eine Reiseunfähigkeit. Anhand dieses Attestes ist aber nicht ansatzweise nachzuvollziehen, in welcher Art und in welchem Umfang die diagnostizierten Erkrankungen die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1. negativ beeinflussen. Eine Reiseunfähigkeit ist hiermit nicht glaubhaft gemacht. Die umfangreicheren nervenärztlichen Behandlungsberichte des Dr.  F. vom 26. August 2016 (Blatt 193 f. der Beiakte 1 = Blatt 23 f. der Gerichtsakte), vom 10. April 2017 (Blatt 225 der Beiakte 1 = Blatt 22 der Gerichtsakte), vom 11. Juni 2017 (Blatt 237 der Beiakte 1 = Blatt 9 der Gerichtsakte) und vom 5. November 2017 (Blatt 72 der Gerichtsakte) beschreiben die getroffenen Diagnosen (unter anderem: posttraumatische Belastungsstörung ICD-10 F 43.1; schwere gehemmte Depression F 32.2; Trennung und Trauer F 43.2) und die durchgeführten Behandlungen (psychopharmakologische und ergotherapeutische Behandlung). Schon insoweit genügen die Behandlungsberichte aber den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG nicht. Anhand der Beschreibungen sind die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, und die Methode der Tatsachenerhebung nicht nachvollziehen. Es bleibt insbesondere offen, ob und wenn ja in welcher Art und Weise die für die Diagnostik wesentlichen tatsächlichen Umstände durch den attestierenden Arzt verifiziert worden sind. Auch unabhängig davon ist mit ihnen nach dem dargestellten Maßstab eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. aber nicht glaubhaft gemacht. Der attestierende Arzt schließt von den getroffenen Diagnosen und den derzeit durchgeführten Behandlungen maßgeblich deshalb auf eine Reiseunfähigkeit, weil die für erforderliche gehaltene Therapie für die Antragstellerin zu 1. in Serbien tatsächlich nicht verfügbar sei und deshalb eine lebensbedrohliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes eintreten könne (Bericht v. 26.8.2016, dort S. 2: "Frau A. braucht eine kontinuierliche intensive Behandlung mit Psychopharmaka und stationären psychotherapeutischen Maßnahmen. Eine solche wird in Serbien für sie als mittellose Roma nicht möglich sein. … Eine Abschiebung würde unter diesen Aspekten eine wesentliche und lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes verursachen."; Bericht v. 11.6.2017: "Frau A. braucht eine kontinuierliche intensive Behandlung mit Psychopharmaka und stationären psychotherapeutischen Maßnahmen. Eine sachgemäße Therapie wird in Serbien für sie als mittellose Roma nicht realisierbar sein. Eine Abschiebung unter diesen Aspekten würde eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes verursachen."; Bericht v. 5.11.2017: "Frau A. braucht - wie schon gesagt - kontinuierliche intensive Behandlung mit Psychopharmaka und stationären psychotherapeutischen Maßnahmen. Eine Abschiebung unter diesen Aspekten würde eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes verursachen."). Für das hier allein zu beurteilende krankheitsbedingte inlandsbezogene Abschiebungshindernis kommt es auf die Verfügbarkeit einer medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung indes nicht an. Insoweit ist die Antragsgegnerin nach § 42 Satz 1 AsylG an die negativen Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in den Bescheiden vom 14. Februar 2012 (Blatt 13 ff. der Beiakte 1) und vom 30. Oktober 2013 (Blatt 88 ff. der Beiakte 1) gebunden. Zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung der Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots ist die Ausländerbehörde - ebenso wie die Verwaltungsgerichte im aufenthaltsrechtlichen Verfahren - weder berechtigt noch verpflichtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2006 - BVerwG 1 C 14.05 -, juris Rn. 12 f.; Senatsbeschl. v. 7.9.2017, a.a.O., Rn. 10 jeweils m.w.N.). Diese Bindungswirkung kann nur im Wege eines Folgeantrags nach § 71 Abs. 1 AsylG oder eines auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich nationalrechtlicher zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Folgeschutzgesuchs beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge überwunden werden (vgl. Senatsbeschl. v. 7.6.2017 - 13 ME 107/17 -, juris Rn. 17). Eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit und ein daraus von der Antragsgegnerin selbständig zu prüfendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ist mit den nervenärztlichen Behandlungsberichten des Dr.  F. damit nicht glaubhaft gemacht; aus diesen ergibt sich nicht nachvollziehbar, dass durch die Abschiebung als solche und nicht erst durch die Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin zu 1. eintreten würden.

Die auf einem Verordnungsvordruck angebrachten Angaben des Facharztes für Innere Medizin L. aus A-Stadt vom 4. April 2017 (Blatt 222 der Beiakte 1), wonach die Antragstellerin zu 1. nicht reisefähig sei und von einer Abschiebung derzeit abgesehen werden solle, genügen den dargestellten Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung offensichtlich nicht.

Auch mit dem Behandlungsbericht der M. Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie vom 25. September 2017 (Blatt 49 ff. der Gerichtsakte) ist eine Reiseunfähigkeit nicht glaubhaft gemacht. Aus diesem ergibt sich, dass die Antragstellerin im September 2017 wegen einer akuten suizidalen Krise stationär behandelt worden ist. Aus dieser Behandlung wurde sie indes in stabilem Zustand ohne Anhalt auf Eigen- oder Fremdgefährdung entlassen. Ein konkreter Grund für die offenbar Ende Januar 2018 (vgl. Blatt 101 ff. der Gerichtsakte) erneut erfolgte stationäre Aufnahme der Antragstellerin zu 1. ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht; allein aus der Vornahme einer stationären Behandlung kann aber nicht auf eine Reiseunfähigkeit geschlossen werden.

Obwohl danach eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. nicht glaubhaft gemacht worden ist, hat die Antragsgegnerin der Amtsaufklärungspflicht des § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 24 VwVfG genügend (vgl. zur Geltung der Amtsaufklärungspflicht auch in aufenthaltsrechtlichen Verfahren und zur Mitwirkungspflicht des Ausländers nach § 82 AufenthG: OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.6.2016 - 2 M 16/16 -, juris Rn. 21; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 9) am 24. Oktober 2016 (Blatt 195 der Beiakte 1) eine amtsärztliche Untersuchung beauftragt.

Nach der amtsärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Öffentliches Gesundheitswesen N. vom 20. Februar 2017 (Blatt 214 f. der Beiakte 1) ist die Antragstellerin zu 1. reisefähig. Zu dieser Feststellung ist der Amtsarzt auch unter Auswertung der von der Antragstellerin zu 1. beigebrachten ärztlichen Atteste und unter Zugrundelegung der dort getroffenen Diagnosen gelangt. Der Amtsarzt hält aber eine ärztliche Begleitung und eine zusätzliche pflegerische Betreuung möglichst durch Familienangehörige während der Abschiebemaßnahme und die Sicherstellung von fachärztlicher und pharmakologischer Behandlung sowie hauswirtschaftlicher und pflegerischer Versorgung nach der Ankunft in Serbien für erforderlich. Die Antragsgegnerin hat im Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 und ihrem dort in Bezug genommenen Bescheid vom 24. Oktober 2017 (Blatt 39 ff. der Gerichtsakte) konkret dargelegt, wie sie diese Bedingungen für eine Abschiebung erfüllen wird. Soweit dies für die Beurteilung eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hier relevant ist, hat der Senat keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln, dass dies auch tatsächlich geschehen wird. Auch Anhaltspunkte für eine mangelnde Rechtmäßigkeit des Einsatzes öffentlicher Haushaltsmittel für die Sicherstellung der Abschiebung bestehen für den Senat nicht (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 6.5.2010 - 8 LA 66/10 -, V.n.b. Umdruck S. 4 ff.), so dass es hier keiner Entscheidung bedarf, ob die Antragsteller durch eine solche überhaupt beschwert sein könnten.

2. Die Abschiebung der Antragsteller ist auch nicht deshalb rechtlich unmöglich im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, weil sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen isolierten Wiederaufgreifensantrag zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG (sog. Folgeschutzgesuch) gestellt haben und das Bundesamt der Antragsgegnerin noch nicht mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Denn die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung kraft Gesetzes nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG ist nicht, auch nicht entsprechend auf Folgeschutzgesuche anzuwenden (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.9.2017 - 18 B 1033/17 -, juris Rn. 2 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 14.12.2006 - 8 Q 2642/06.A -, juris Rn. 9; Bayerischer VGH, Beschl. v. 29.11.2005 - 24 CE 05.3107 -, juris Rn. 11; a.A. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.5.2017 - 11 S 2493/16 -, juris Rn. 8 ff.).

Der Anwendungsbereich des § 71 AsylG und damit auch dessen Absatz 5 Satz 2 AsylG ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmungen auf den Asylfolgeantrag, also die erneute Stellung eines Asylantrages nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags, beschränkt. Ein Folgeschutzgesuch ist kein Asylfolgeantrag im Sinne des § 71 AsylG. Der Ausländer beantragt vielmehr nur das Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Feststellung der nationalrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und/oder 7 AufenthG. Folge eines solchen isolierten Antrags ist, dass das Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht durch § 71 Abs. 1 AsylG beschränkt, sondern in unmittelbarer Anwendung des § 51 VwVfG zu prüfen ist und deshalb auch nach behördlichem Ermessen gemäß § 51 Abs. 5 in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG eröffnet werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.12.1999 - BVerwG 1 C 6.99 -, juris Rn. 16; Urt. v. 21.3.2000 - BVerwG 9 C 41.99 -, juris Rn. 10 f.; Marx, AsylG, 9. Aufl., § 71 Rn. 97 f. m.w.N.). Folge ist aber auch, dass § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG keine Anwendung findet.

Der Senat sieht auch weder Möglichkeit noch Anlass, den Anwendungsbereich des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf das Folgeschutzgesuch auszudehnen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich vielmehr darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 - 1 BvR 3142/07 u.a. -, NJW 2012, 3081, 3085 m.w.N.). Hier bestehen für den Senat indes keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vom Gesetzgeber mit dem Wortlaut und der Systematik der Bestimmungen des § 71 AsylG vorgenommene Ausgrenzung von Folgeschutzgesuchen planwidrig sein oder der vom Gesetzgeber mit den Bestimmungen des § 71 AsylG verfolgte Zweck (vgl. hierzu insbesondere den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 12/4450, S. 26 f.) die Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen auf Folgeschutzgesuche gebieten könnte. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 13 EMRK (a.A. GK-AsylG, § 71 Rn. 352 (Stand: Oktober 2017)). Effektiver Rechtsschutz ist vielmehr hinreichend auch bei Stellung eines Folgeschutzgesuchs gewährleistet. Das Wiederaufnahmebegehren zielt in diesem Fall darauf ab, die frühere negative Feststellung - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder nach Betätigung des gemäß nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG eröffneten Ermessens - aufzuheben und nunmehr eine positive Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und/oder 7 AufenthG zu erreichen. Dieses Ziel ist mit der Verpflichtungsklage gegen das Bundesamt zu verfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2000, a.a.O., Rn. 9 ff.). Vorläufiger Rechtsschutz kann durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung erlangt werden, die das Bundesamt verpflichtet, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass in den streitrelevanten Abschiebezielstaat vor Abschluss des Wiederaufgreifensverfahrens nicht abgeschoben werden darf (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.9.2017, a.a.O., Rn. 8 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.7.2017 - 7 B 11085/17 -, juris Rn. 7; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.11.2014 - 8 ME 254/04 -, juris Rn. 6). Ausnahmsweise kommt vorläufiger Rechtsschutz im Verfahren nach § 123 VwGO gegenüber der Ausländerbehörde in Betracht, wenn effektiver Rechtsschutz gegenüber dem Bundesamt nicht erlangt werden kann. Ein sicherungsfähiger Anordnungsanspruch kann sich insoweit mangels Zuständigkeit und Prüfungskompetenz der Ausländerbehörde aber nicht aus § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergeben, sondern unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.7.2003 - 2 BvR 796/03 -, juris Rn. 3 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.7.2017, a.a.O, Rn. 8; GK-AsylG, § 71 Rn. 393 (Stand: Oktober 2017)). Ein solcher Ausnahmefall ist hier indes nicht glaubhaft gemacht.

3. Schließlich vermag auch die erneute Eingabe an die Niedersächsische Härtefallkommission einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nicht zu vermitteln. Denn selbst beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Eingabe zur Beratung durch die Niedersächsische Härtefallkommission ergäbe sich hieraus eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht; die Bestimmungen des § 23a AufenthG und der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung begründen keine subjektiven Rechte des Antragstellers (vgl. Senatsbeschl. v. 21.2.2018 - 13 ME 56/18 -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 25.9.2012 - 8 ME 181/12 -, juris Rn. 5 m.w.N.).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Der Beschwerde kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362) unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 8.7.2016 - 2 BvR 2231/13 -, juris Rn. 10 ff. m.w.N.).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG und Nrn. 8.3 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).