Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.08.2023, Az.: 1 B 31/23

Abschiebung; Faktischer Inländer; Istanbul-Konvention; Positivstaatler; Recht auf Wiederkehr; Visumsverfahren; Zwangsheirat; Abschiebungsschutz Recht auf Wiederkehr bei Zwangsheirat

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.08.2023
Aktenzeichen
1 B 31/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 34041
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2023:0825.1B31.23.00

[Grunde]

Die Antragstellerin sucht um Abschiebungsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache nach, in der sie die Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt.

Die XX Jahre alte Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige. Sie wurde im E. XXXX in der Bundesrepublik Deutschland geboren, besuchte die Schule und erwarb einen Schulabschluss. Sie begann nach eigenen Angaben eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten. Die damals XX-jährige Antragstellerin reiste am 24.11.2011 aus dem Bundesgebiet aus und am 11.05.2022 wieder ein.

Zuletzt war die Antragstellerin in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 2 AufenthG, die bis zum 14.11.2013 gültig war (BA 001, Bl. 007). Am 15.06.2022 beantragte sie die Erteilung bzw. Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 2 AufenthG und berief sich darauf, dass sie ihrem irakischen Freund, der in sein Heimatland abgeschoben worden sei, zu einem angeblichen Urlaub in dessen Heimatland gefolgt und dort zur Heirat gezwungen worden sei. Erst jetzt habe sie sich aus der Beziehung befreien und aus dem Irak fliehen können. Seit dem 31.08.2022 wird die Antragstellerin nach § 60a Abs. 2 AufenthG geduldet.

Mit Bescheid vom 05.01.2023, zugestellt am 06.01.2023, lehnte der Antragsgegner nach erfolgter Anhörung den Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ab, forderte die Antragstellerin unter Fristsetzung auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, drohte bei Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Serbien an und befristete die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, die bis zum 14.11.2013 gültige Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin sei gem. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen, weil sie nicht sechs Monate nach der Ausreise aus Deutschland wieder eingereist sei. Die Ausnahmeregelung des § 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG sei hier nicht anwendbar, weil die Antragstellerin schon nicht glaubhaft gemacht habe, Opfer einer Zwangsehe geworden zu sein. Jedenfalls aber sei sie nicht innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise wieder nach Deutschland eingereist. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 2 AufenthG komme nicht in Betracht. Auch eine Neuerteilung nach § 34 AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht. § 25 Abs. 5 AufenthG setze voraus, dass die Ausreise der Antragstellerin rechtlich oder tatsächlich unmöglich sei. Sie könne sich nicht auf den Schutz von Ehe und Familie berufen, weil sie keine schützenswerten familiären Bindungen in Deutschland habe. Gesundheitliche Einschränkungen seien nicht bekannt. § 25a AufenthG scheide als Anspruchsgrundlage aus, weil die Antragstellerin auch zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Heranwachsende mehr gewesen sei. Die Voraussetzungen von § 25b AufenthG lägen nicht vor, weil die Antragstellerin nicht berufstätig sei und die gesetzlichen Voraufenthaltszeiten nicht vorlägen. Letzteres gelte auch für § 104c AufenthG. Auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der Sicherung des Lebensunterhalts und der Einreise mit Visum lägen nicht vor. Von der Durchführung des Visumsverfahrens könne auch nicht nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 AufenthVO abgesehen werden. Sie sei zwar Positivstaaterin, sei aber von vornherein zum Daueraufenthalt in die Bundesrepublik eingereist und nicht für einen Kurzaufenthalt. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.

Die Antragstellerin hat am 06.02.2023 Klage (1 A 30/23) erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist, und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie macht im Wesentlichen geltend, ihr irakischer Freund habe sie in eine Ehe nach islamischem Recht gezwungen und 10 Jahre lang mit Gewalt und Drohungen an der Rückkehr nach Deutschland gehindert und ihr den Pass abgenommen. Sie sei Opfer von Zwangsheirat geworden. Nur mithilfe ihrer Lebensgefährtin, die sie über die Plattform TikTok kennengelernt habe, habe sie es geschafft, aus dem Irak zu entfliehen. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch wenn § 37 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG und § 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG eine Zehnjahresfrist für die Rückkehr nach Deutschland enthielten, sei das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert. Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 2 und 8 EMRK genieße sie mindestens Abschiebungsschutz. Zu ihrem Herkunftsland Serbien habe sie keinerlei Kontakt. Sie habe sogar den Kontakt zu ihrer in Deutschland lebenden Mutter abgebrochen, weil diese sie zur Rückkehr in den Irak bewegen wolle. Die einzige intensive Bindung habe sie zu ihrer deutschen Lebensgefährtin F. G., die für sie auch die Flucht nach Deutschland organisiert habe. Sie leide an Angstzuständen, befinde sich in therapeutischer Behandlung und sei auf den Beistand ihrer Lebensgefährtin angewiesen. Diese Beziehung habe die Qualität einer guten Ehe und vermittle ebenfalls Abschiebungsschutz.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Vollziehung des Bescheids auszusetzen und Abschiebungsmaßnahmen zu unterlassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Er verweist auf seine Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und ergänzend darauf, dass der am 28.10.2021 abgelaufene serbische Pass der Antragstellerin bereits am 29.06.2021 bei dem Polizeipräsidium H. in Serbien verlängert und als Wohnort eine Adresse in Serbien angegeben worden sei. In dem Reisepass befinde sich ein Ein- und Ausreisestempel am 28.07.2021, der darauf schließen lasse, das die Antragstellerin mit dem Auto an diesem Tag aus der Türkei in den Irak eingereist sei. Das bestätige, dass sie nicht im Irak festgehalten worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners verwiesen. Die Ausländerakte der Stadt I., in deren Bezirk die Antragstellerin vor ihrer Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft war, konnte nicht beigezogen werden, weil sie nach Ablauf von 10 Jahren nach Ausreise der Antragstellerin vernichtet worden war (vgl. BA 001, Bl. 1).

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

1.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO ist zulässig und insbesondere statthaft.

Erschöpft sich die Entscheidung der Ausländerbehörde in der bloßen Versagung einer Begünstigung, so ist vorläufiger Rechtsschutz allein im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu erlangen. Demgegenüber ist der Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO dann statthaft, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels ein zunächst eingetretenes fiktives Bleiberecht nach § 81 AufenthG beendet hat, wenn also der Aufenthalt nach Stellung des Antrages auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach § 81 AufenthG zunächst als erlaubt oder als geduldet galt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 20.11.2020 - 8 ME 109/20 -, juris Rn. 9; Besch. v. 12.12.2013, Beschl. v. 12.12.2013 - 8 ME 162/13 -, juris Rn. 17). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Die Antragstellerin kann sich nicht auf die sog. Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG berufen. Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Ein solches vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG war für die Antragstellerin durch den am 15.06.2022 (BA 001, Bl. 11) gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 AufenthG nicht entstanden. Zu dem Zeitpunkt war die ihr vor ihrer Ausreise erteilte Aufenthaltserlaubnis bereits erloschen. Ein Erlöschen trat hier - ausgehend vom Vortrag der Antragstellerin zur Zwangsehe mit einem irakischen Staatsangehörigen - gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG spätestens zehn Jahre nach ihrer Ausreise ein, die am 24.11.2011 erfolgt war, also am 24.11.2021. Bis dahin war die Antragstellerin nicht wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; die Wiedereinreise erfolgte erst über ein halbes Jahr später am 11.05.2022.

Darauf, dass der Antragstellerin eine frühere Einreise aufgrund der behaupteten Zwangslage nicht möglich gewesen sein soll, kommt es nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG und seinem Sinn und Zweck, Rechtsklarheit über das Bestehen eines Aufenthaltstitels zu schaffen, nicht an. Es handelt sich um eine materielle Ausschlussfrist (Thür. OVG, Beschl. v. 19.11.2021 - 3 EO 167/21 -, juris Rn. 48 m.w.N.). Eine "Nachsichtgewährung" auf der Grundlage des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die von der Rechtsprechung zu Fällen nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG zum Ausgleich besonderer Härten nach geringfügiger Fristunterschreitung oder in einem Fall höherer Gewalt bei außergewöhnlichen Ereignissen in Betracht gezogen wird (vgl. Thür. OVG, a.a.O., Rn. 49; Bay. VGH, Urt. v. 10.01.2007 - 24 BV 03.722 -, juris Rn. 43), kommt in den Fällen des § 51 Abs. 4 AufenthG nach Überzeugung der Kammer nicht in Betracht. Diesen Fallgruppen liegt bereits zugrunde, dass besondere Härtefälle zu einer Fristverlängerung führen.

Auch die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift gilt der Aufenthalt eines Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt, wenn sich der Ausländer rechtmäßig, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, im Bundesgebiet aufhält, und die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Ein solches vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für die Antragstellerin nicht entstanden, da sie sich zum Zeitpunkt der Beantragung des Aufenthaltstitels nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Beantragt ein nach Anhang II der EU-Visum-Verordnung (Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, J. vom 28.11.2018) von der Visumpflicht befreiter Ausländer, der bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt anstrebt, einen Aufenthaltstitel, so entsteht keine Fiktionswirkung, weil der Aufenthalt mangels Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht rechtmäßig ist (VGH BW, Beschl. v. 30.05.2022 - 12 S 485/22, juris Rn. 13 sowie v. 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris Rn. 14; VGH München, Beschl. v. 01.10.2020 - 10 CS 20.1954 -, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.).

Die Antragstellerin, die als serbische Staatsangehörige zu den sog. "Positivstaatlern" gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anlage II der EU-Visum-Verordnung gehört, ist ohne Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie war für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit. Die Antragstellerin beabsichtigte jedoch nach eigenem Vortrag bereits bei der Einreise, ihren Lebensmittelpunkt wieder in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen und mit ihrer Lebensgefährtin zusammen zu leben. Für diesen Aufenthaltszweck ist ein für einen längeren Aufenthalt erforderliches Visum für das Bundesgebiet (D-Visum), das vor der Einreise erteilt wird (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) und der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV), erforderlich, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Ein derartiges Visum besaß die Antragstellerin bei ihrer Einreise unstreitig nicht.

2.

In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller zur Abwendung dieser Nachteile auf sofortige gerichtliche Hilfe angewiesen ist (sog. Anordnungsgrund) und dass ein materieller Anspruch auf diese Regelung besteht (sog. Anordnungsanspruch). Im Unterschied zum Beweis verlangt die bloße Glaubhaftmachung keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die tatsächlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs müssen jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sein und bei der dann vorzunehmenden vollen Rechtsprüfung zu dem Anspruch führen.

a.

Die Antragstellerin hat den für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner der Antragstellerin zwar eine Duldung erteilt hat, aber nicht erklärt hat, diese bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache zu verlängern.

b.

Die Antragstellerin hat einen im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO sicherungsfähigen Anordnungsanspruch auf Aussetzung ihrer Abschiebung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2 ZPO). Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wird. Eine rechtliche Unmöglichkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn sich etwa aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, innerstaatlichem Verfassungsrecht oder einfachem Gesetzesrecht sowie in innerstaatliches Recht inkorporiertem Völker- und Völkervertragsrecht ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.03.2012 - 8 LB 5/11 -, juris Rn. 41).

aa.

Allein daraus, dass der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Klageverfahren (hier: 1 A 30/23) geltend macht und diesen im Bundesgebiet durchsetzen will, folgt grundsätzlich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, dem durch Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens Rechnung zu tragen ist (Nds. OVG, Beschl. v. 22.08.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; OVG NW, Beschl. v. 11.01.2016 - 17 B 890/15 -, juris Rn. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.02.2010 - 2 M 2/10 -, juris Rn. 7). Ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion hat der Bundesgesetzgeber nur für die in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG genannten Fälle bestimmt. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG kann ein Abschiebungshindernis ausnahmsweise anzunehmen sein, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann (Nds. OVG, Beschl. v. 25.04.2019 - 13 ME 86/19 -, juris Rn. 4; v. 21.08.2018 - 13 ME 56/18 -, juris Rn. 4; v. 22.08.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3). Dieser Systematik und dem in ihr zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen widerspräche es, wenn auch für die Dauer eines jeden (anderen) Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens die Aussetzung der Abschiebung beansprucht werden könnte (Nds. OVG, Beschl. v. 22.08.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; OVG NW, Beschl. v. 11.01.2016, a.a.O., Rn. 6). Die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kommt insbesondere nicht in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt der Prüfung eines Anspruchs auf Duldung feststeht, dass die Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist (Nds. OVG, Beschl. v. 28.02.2018 - 8 ME 1/18 -, juris Rn. 2 m.w.N.).

(1) Die Erteilung einer der Antragstellerin vor ihrer Ausreise zustehenden Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kommt nicht in Betracht, weil die Regelung voraussetzt, dass eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen vorliegt. Eine solche, ursprünglich nach § 34 Abs. 1 AufenthG von der Stadt I. erteilte Aufenthaltserlaubnis, ist jedoch infolge der Ausreise der Antragstellerin erloschen (s.o.), sodass auch eine Umwandlung nach § 34 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen ist. § 37 Abs. 2a Satz 1 AufenthG, der (ebenso wie § 51 Ab. 4 Satz 2 AufenthG) durch das Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften (BGBl. I S. 1266) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist und Opfer von Zwangsheirat privilegieren soll, kommt nicht zur Anwendung, weil die Antragstellerin nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Auch die weitere Ausschlussfrist des § 37 Abs. 2a Satz 2 AufenthG von zehn Jahren ab Ausreise, die auf Opfer von Zwangsheirat anwendbar ist, die - wie die Antragstellerin nach ihrem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag - die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllen und sich vor seiner Ausreise acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sechs Jahre im Bundesgebiet eine Schule besucht haben, ist hier überschritten.

(2) Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 AufenthG (Rechts auf Wiederkehr) scheidet hier aus.

Nach § 37 Abs. 1 AufenthG ist einem Ausländer, der als Minderjähriger rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn (1.) der Ausländer sich vor seiner Ausreise acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sechs Jahre im Bundesgebiet eine Schule besucht hat, (2.) sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder durch eine Unterhaltsverpflichtung gesichert ist, die ein Dritter für die Dauer von fünf Jahren übernommen hat, und (3.) der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise gestellt wird. Zur Vermeidung einer besonderen Härte kann nach § 37 Abs. 2 AufenthG von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bezeichneten Voraussetzungen abgewichen werden. Von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Voraussetzungen kann abgesehen werden, wenn der Ausländer im Bundesgebiet einen anerkannten Schulabschluss erworben hat.

Auch wenn hier ausgehend vom Vortrag der Antragstellerin von einer besonderen Härte ausgegangen werden könnte und damit namentlich die zeitlichen Voraussetzungen von § 37 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG im Ermessenswege unbeachtet bleiben könnten, erfüllt die Antragstellerin nicht die Voraussetzungen von § 37 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Antragstellerin sichert weder ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder durch eine Unterhaltsverpflichtung, die ein Dritter für die Dauer von fünf Jahren übernommen hat. Von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abzusehen sieht § 37 Abs. 2 AufenthG nicht vor.

Nach § 37 Abs. 2a AufenthG kann von den in § 37 Abs. 1 Satz 1 Nummern 1 bis 3 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen abgewichen werden, wenn der Ausländer rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde, er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise, stellt, und gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Erfüllt der Ausländer die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, soll ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von zehn Jahren seit der Ausreise, stellt. Absatz 2 bleibt unberührt.

Die Antragstellerin erfüllt nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag die Voraussetzungen von § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, so dass hier § 37 Abs. 2a Satz 2 AufenthG ausgehend von ihrem Vortrag anwendbar ist. Allerdings erfüllt sie die 10-Jahres-Frist nicht. Sie trifft an dieser Stelle eine Ausschlussfrist, die den Gesetzgeber auch bei der Schaffung von § 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (s.o.) angeleitet hat.

(3) Auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen hat die Antragstellerin ebenfalls keinen Anspruch.

§§ 25a, b AufenthG scheiden als Anspruchsgrundlagen hier schon deshalb aus, weil sie im Zeitpunkt der Antragstellung einen jeweils bezeichneten, ununterbrochenen Voraufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet voraussetzen. Diese Voraufenthaltszeiten erfüllt die Antragstellerin nicht. Das gilt auch für § 104c AufenthG.

In Betracht kommt als Anspruchsgrundlage allenfalls § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG. Denn zwischen der Antragstellerin und Frau F. G. besteht mangels zivilrechtlich wirksamer Eheschließung keine Ehe im Sinne der genannten grundgesetzlichen Bestimmung. Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bilden auch keine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.01.2011 - 1 C 22.09 -, juris Rn. 38). In Bezug auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK macht die Antragstellerin zwar zutreffend geltend, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft hiervon umfasst sein kann. Denn das "Familienleben" im Sinne von Art. 8 EMRK ist nicht auf eheliche Beziehungen beschränkt und kann auch andere de facto-Familienbande umfassen (Nds. OVG, Beschl. v. 30.05.2023 - 13 ME 70/23 u.a. -, n.v., S. 4 des Beschlussumdrucks mit Hinweis auf EGMR, Entsch. v. 12.10.2021 - 15437/19 -, (K. ./. L.) BeckRS 2021, 29764 Rn. 16 und EGMR, Entsch. v. 10.05.2001 - 56501/00 -, (M. ./. N.) BeckRS 2001, 165348 Rn. 13). Die Kammer hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin mit Frau G. in einer festen Beziehung zusammenlebt. Sie hat das Kennenlernen und den besonderen Einsatz von Frau G. für sie nachvollziehbar in ihrer handschriftlichen Erklärung vom 26.01.2023, die der Klage- und Antragsschrift beigegeben war, dargestellt. Sie lebt auch bei ihr. Allerdings ist nicht glaubhaft gemacht, dass sie auf den Beistand von Frau G. angewiesen ist, weder in finanzieller Hinsicht noch im Hinblick auf therapeutische Unterstützung.

Die Antragstellerin kann sich aber darauf berufen, "faktische Inländerin" zu sein. Im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung eine Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann, er mithin ein "faktischer Inländer" ist. Ob der Ausländer ein Privatleben faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat führen kann, hängt zum einen von seiner Integration in Deutschland und zum anderen von der Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige erlaubte Dauer des Aufenthalts, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in dem Innehaben eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, in einem festen Wohnsitz, ausreichenden Mitteln, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.08.2020 - 8 ME 60/20 -, juris Rn. 65 m.w.N.). Nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag hat die Antragstellerin, die in Deutschland geboren ist, einen Schulabschluss erworben und eine Ausbildung begonnen. Sie spricht Deutsch. Auch verfügte sie über einen Aufenthaltstitel. Ob das durchgehend der Fall war, lässt sich wegen der Vernichtung ihrer Ausländerakte nach zehnjähriger Aufbewahrung (vgl. Vermerk BA 001, Bl. 1) nicht rekonstruieren; der Antragsgegner ist dem aber auch nicht entgegengetreten.

Gegen die Annahme, die Antragstellerin sei faktische Inländer, könnte nach alledem lediglich ihre mehr als zehn Jahre andauernde Abwesenheit vom Bundesgebiet streiten. Dafür spricht die gesetzgeberische Wertung von § 37 Abs. 2a AufenthG und § 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, nach der selbst bei Opfern von Zwangsheirat ein Recht auf Wiederkehr bei mehr als zehnjähriger Abwesenheit nicht vorgesehen ist bzw. die Aufenthaltserlaubnis erlischt. Allerdings berücksichtigt die Kammer, dass nach Art. 59 Abs. 4 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention - IK -; BGBI 2017 II, S. 1026) Deutschland als Vertragspartei verpflichtet ist, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Opfer einer Zwangsheirat, die zum Zwecke der Verheiratung in einen anderen Staat gebracht wurden und die folglich ihren Aufenthaltsstatus in dem Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts verloren haben, diesen Status wiedererlangen können. Eine Befristung dieses Rechts auf Wiederkehr sieht Art. 59 Abs. 4 IK nicht vor. Dass sie Opfer von Zwangsheirat geworden ist, hat die Antragstellerin nach Auffassung der Kammer jedenfalls glaubhaft gemacht. Sie hat mehrere eigene schriftliche Erklärungen abgegeben und ist auch der Darstellung des Antragsgegners, die Umstände der Verlängerung ihres serbischen Nationalpasses stünden der Glaubhaftigkeit entgegen, nachvollziehbar entgegengetreten. Sie hat nämlich ausgeführt, ihr Bruder und ihr irakischer Ehemann hätten sie nach Serbien begleitet und sie habe keine Möglichkeit gehabt, sich ihnen zu entziehen. Die lediglich sechsmonatige Überschreitung der 10-Jahres-Frist in § 37 Abs. 2a AufenthG steht der Annahme, dass die Antragstellerin faktische Inländerin ist, nicht entgegen.

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, erfüllt. Sie verfügt derzeit nicht über eine Beschäftigungserlaubnis und ist aus Rechtsgründen gehindert, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Art. 59 Abs. 4 IK wird allerdings zu einer Reduzierung des dem Antragsgegner nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zukommenden Ermessen jedenfalls bei Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis "auf Null" führen, wenn sich die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren als Opfer von Zwangsheirat erweisen wird, was sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls glaubhaft gemacht hat. Dies entspricht auch der Wertung des § 37 Abs. 2a AufenthG, der gerade keine Sicherung des Lebensunterhalts fordert.

Allerdings erfüllt die Antragstellerin nicht die Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit einem Visum, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (s.o.). Hiervon kann nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hat die Antragstellerin nicht, weil ein Anspruch i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur ein strikter Rechtsanspruch ist; die Ermessensreduzierung auf Null genügt nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 -, juris Rn. 21; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 5 Rn. 55 m.w.N.). Es ist auch nicht erkennbar, dass der Antragstellerin nicht zumutbar wäre, das Visumsverfahren nachzuholen. Sie hat nicht vorgetragen, auch nicht für einen kurzen, im Fall der Vorabzustimmung der Ausländerbehörde noch weiter zu verkürzenden Zeitraum ihre Therapie unterbrechen zu können. Auch ist § 39 Nr. 3 AufenthV nicht anwendbar, weil die Antragstellerin von vornherein zum Zwecke des Daueraufenthalts in das Bundesgebiet eingereist ist (s.o.).

(4) Aus den genannten Gründen ergibt sich auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Es ist schon fraglich, ob der Anwendungsbereich der Regelung eröffnet ist, da hier kein vom Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehener Aufenthaltszweck vorliegt. Aber selbst wenn dies anders gesehen würde, wäre das Visumsverfahren nachzuholen.

bb.

Die Abschiebung ist zunächst nicht wegen der von der Antragstellerin vorgetragenen psychologischen Therapie unmöglich. Das wäre nur dann der Fall, wenn sich hieraus eine Reiseunfähigkeit ergeben würde (dazu Nds. OVG, Beschl. v. 07.09.2017 - 13 ME 157/17 -, juris Rn. 4). Eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin ist nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere genügt der mit Schriftsatz vom XX.XX.2023 vorgelegte "psychotherapeutische Kurzbericht" der psychologischen Psychotherapeutin Dr. O. vom XX.XX.2023 nicht den Anforderungen aus § 60a Abs. 2c AufenthG. Im Übrigen äußert sich der Bericht nicht zur Reiseunfähigkeit, sondern zu zielstaatsbezogenen Gesundheitsfolgen einer Abschiebung. Diese wären im Asylverfahren geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 2 GKG i. V. m. Ziffern 8.3 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.