Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.02.2018, Az.: 1 KN 27/16

actio pro socio; Deich; Deichverband; Normenkontrolle; Antragsbefugnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.02.2018
Aktenzeichen
1 KN 27/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74146
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Mitgliedschaft in einem deichrechtlichen Verband allein berechtigt nicht dazu, einen Bebauungsplan mit der Begründung anzugreifen, seine Festsetzungen missachteten die deichrechtlich erforderliche Schutzzone.
Es bleibt unentschieden, ob Regeln der gesellschaftsrechtlichen "actio pro socio" eingreifen können.

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Normenkontrollverfahrens zu je einem Drittel. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 212 A „H. -Nord“ der Antragsgegnerin, weil sie eine Beeinträchtigung der Deichsicherheit in I. durch die mit dem Bebauungsplan zugelassene Bebauung befürchten.

Die Antragstellerin zu 1) ist Eigentümerin des Grundstücks J. Weg 5, die Antragstellerin zu 2) des Grundstücks K. Straße 16A und dem Antragsteller zu 3) gehört ein Grundstück in der Kernstadt D., das etwa 7 km vom Gelände des Bebauungsplans entfernt liegt. Die Antragsteller sind Mitglied im II.  L. Deichband, weil ihre Grundstücke im Verbandsgebiet liegen.

Bereits im Jahr 2013 fasste die Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan und eine Flächennutzungsplanänderung bezogen auf im Eigentum der Stadt stehende Grundstücke, auf denen Gebäude der Kurverwaltung standen und die im Übrigen als Grünfläche genutzt wurden. Am 18. Dezember 2014 fasste der Verwaltungsausschuss den Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 212 A „H. -Nord“, um zunächst nur den nördlichen Teil des Gebiets zu überplanen, während der südliche Bereich einer späteren Planung zugeführt werden sollte. Durch Aushang vom 13. Februar bis 17. März 2015 wurde der Aufstellungsbeschluss bekannt gemacht. Am 25. Februar 2015 stellte die Antragsgegnerin im Rahmen einer frühzeitigen Bürgerinformation das Projekt vor. Der am 16. April 2015 gefasste Beschluss über die Auslegung der Planunterlagen vom 28. April bis 27. Mai 2015 wurde in der M. -Zeitung vom 20. April 2015 bekannt gemacht. Die Antragstellerin zu 1) meldete sich mit Schreiben vom 21.5. und 26.5.2015 (Bl. 479 u. 482 BA 8), die Antragstellerin zu 2) mit Schreiben vom 24.5.2015 (Bl. 754) und der Antragsteller zu 3) mit Schreiben vom 5.5., 11.5., 22.5. und 27.5.2015 (Bl. 438 ff). Der II.  L. Deichband äußerte sich mit Schreiben vom 26.2.2015 (Bl. 33 BA 8) zur parallel durchgeführten Flächennutzungsplanänderung und mit Schreiben vom 20.8.2015 (Bl. 2 BA 8) zur erneuten Auslegung der Flächennutzungsplanänderung. Er sah keine Probleme für die Deichsicherheit, sofern ein Abstand von 20 m zum Deich eingehalten würde. Die Untere Deichbehörde nahm mit Schreiben vom 24.6.2015 Stellung zu Bepflanzungen im Deichgelände (Bl. 120 BA 8).

Am 23. September 2015 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss, beschloss über die eingegangenen Stellungnahmen und über den Vorhabenvertrag, der am 21. und 23. September von der Beigeladenen und der Antragsgegnerin unterschrieben worden war. Am 24. September 2015 fertigte der Bürgermeister den Plan aus und unterschrieb die zusammenfassende Erklärung. In der M. -Zeitung vom 27. November 2015 und mit Aushang vom 16. Dezember 2015 bis 19. Januar 2016 und am 17. Dezember 2015 ein weiteres Mal in der M. -Zeitung wurde der Satzungsbeschluss bekannt gemacht.

Mit Bescheid vom 13.1.2015 und mit Bescheid vom 22.7.2015 um eine erweiterte Begründung ergänzt in der unter anderem auf die Erhöhung der Deichsicherheit und Verstärkung der Deichverteidigung durch die im Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Wegeverbindung von der Privatstraße zum Deich über das Gelände des Plangebiets abgestellt wurde, erteilte die Untere Deichbehörde der Beigeladenen eine Ausnahmegenehmigung gem. § 16 Abs. 2 NDG (Bl. 262 BA 10) für eine Bebauung innerhalb der Deichschutzzone.

Der gemäß § 12 BauGB als Vorhaben- und Erschließungsplan beschlossene Bebauungsplan Nr. 212 A setzt ein sonstiges Sondergebiet gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO mit der Zweckbestimmung „Ferienwohnen und Wohnen“ fest, in dem mit einem Prozentsatz von mindestens 80 % der Gesamtwohneinheiten Ferienwohnungen und Ferienappartements für dauernde touristische Vermietung und zu einem Prozentsatz von maximal 20 % der Gesamtwohneinheiten Wohnungen zum dauernden Aufenthalt durch einen gleichbleibenden Personenkreis zulässig sind. Festgesetzt sind insgesamt fünf Baufenster im nördlichen Teil des Plangebiets, in dessen westlichstem Baufenster zweigeschossige und im Übrigen dreigeschossige Bauten zulässig sind. Ferner ist eine Privatstraße festgesetzt, die von der Straße Am N. O. im Süden zu den im Norden gelegenen Gebäuden führt und eine im Westen des Plangeländes liegende Stellplatzanlage erschließt. Von dieser Privatstraße aus führt ein öffentlicher Weg nach Norden aus dem Plangebiet heraus auf den J. Weg und zum Deich. Das Plangelände grenzt an den nördlich des J. Wegs liegenden Deich, der von Osten kommend im östlichsten Teil des Plangebietes nach Norden abschwenkt. Westlich des Deichgeländes steht Bebauung, die sich über die Deichlinie hinaus nach Norden ausdehnt. Diese Bebauung liegt auf einem so genannten „Geestrücken“, der eine Höhe von bis zu 8,50 m ü. NN erreicht. Nach Osten, südlich des Deichs, flacht das Gelände auf bis zu 3,5 m ü. NN ab. Die nach dem Niedersächsischen Deichgesetz einzuhaltende Deichschutzzone von 50 m wird von dem nördlichen Teilbereich des Bebauungsplans vollständig in Anspruch genommen. Drei der Baufelder für die dreigeschossige Bebauung liegen vollständig beziehungsweise fast vollständig innerhalb der Deichschutzzone.

Der Plan ist mittlerweile vollständig ausgenutzt. Über die von den Antragstellern gegen die Baugenehmigungen erhobenen Widersprüche und Klagen ist noch nicht entschieden. Das Gleiche gilt für die gegen die deichrechtliche Genehmigung gerichteten Klagen.

Ihren am 26. Februar 2016 gestellten Normenkontrollantrag begründen die Antragsteller mit der „Gefährlichkeit“ einer Bebauung innerhalb der Deichschutzzone von 50 m, die eine Deichverteidigung im Falle einer Sturmflut erschwere und gegebenenfalls sogar unmöglich machen könne. Insbesondere im Hinblick auf den durch Klimaveränderungen zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels und dem folgend der Höhe zu erwartender Sturmfluten werde eine Deicherhöhung zwingend notwendig, die aufgrund der herangerückten Bebauung erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werde. Die Antragsteller als Zwangsmitglieder im II.  L. Deichband hätten ein Anrecht darauf, dass die Deichsicherheit gewahrt bleibe.

Die Antragsteller beantragen,

den von der Vertretung der Antragsgegnerin am 23. September 2015 als Satzung beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 212 A „H. -Nord“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Sie halten den Antrag für nicht zulässig, da eine Antragsbefugnis nicht zu erkennen sei. Die allgemeinen Belange der Deichsicherheit, auf die sich die Antragsteller beriefen, seien von den dafür zuständigen Stellen der Unteren Deichbehörde sowie dem für die Deicherhaltung zuständigen II.  L. Deichband geltend gemacht und von der Antragsgegnerin ausreichend berücksichtigt worden. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen der Antragsteller bezogen auf diese Fragen seien nicht erkennbar. Sowohl die Untere Deichbehörde als auch der II.  L. Deichband hätten sich nicht gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans gewandt. Vielmehr habe der II.  L. Deichband die Einhaltung einer Schutzzone von 20 m vom Deich für ausreichend erachtet. Diese Entfernung werde vollständig eingehalten. Im Übrigen handele es sich um einen Bereich, der nicht insgesamt von einem Deich geschützt werde, sondern durch den angrenzenden Geestrücken von einem „normalen“ eingedeichten Gebiet zu unterscheiden sei. So liege auch die Bebauung auf den Grundstücken der Antragstellerin zu 1) auf diesem Geestrücken und damit in einem Bereich, der weiter nach Norden vorstoße als die jetzt vorgesehene Bebauung; denn auch nördlich des J. Wegs sei Bebauung vorhanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist nicht zulässig.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht durch eine Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, einen Normenkontrollantrag stellen. Ausreichend ist, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215 = BRS 60 Nr. 46; Urt. v. 30.4.2004 - 4 CN 1.03 -, BRS 67 Nr. 51; Urt. d. Sen. v. 2.6.2014 - 1 KN 136/12 -, juris). Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks können antragsbefugt sein, wenn sie eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebotes geltend machen können. Das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot verleiht den Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange, wenn sie für die Abwägung erheblich sind, in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend berücksichtigt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um private Belange handelt, die für die Abwägung erheblich sind und deren Bedeutung die planaufstellende Gemeinde erkennen konnte und musste.

Derartige private Belange der Antragsteller, die für die Abwägung von Bedeutung waren, sind von ihnen nicht vorgetragen worden.

Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken im Verbandsgebiet des II. L. Deichbands, nicht jedoch von Grundstücken im Plangebiet selbst. Die Antragstellerin zu 1) ist Eigentümerin eines Grundstücks auf dem Geestrücken, der zwischen den von Westen und Osten heranrückenden und jeweils nach Norden abknickenden Deichen verläuft. Dieses Grundstück grenzt unmittelbar an das Plangebiet an. Auch das von der Antragstellerin zu 1) bewohnte Grundstück nördlich des J. Wegs (J. Weg 2), liegt auf dem an Stelle eines Deiches als Schutzzone fungierenden Geestrücken, der hier eine Höhe von 7 – 8,50 m über NN erreicht. Die Grundstücke der Antragsteller zu 2) und 3) liegen nicht unmittelbar dem Plangebiet benachbart.

Mitglied in einem Deichverband (hier der II. L. Deichband) sind nach § 9 NDG die nach § 6 NDG deichpflichtigen Grundstücke. Das sind die Grundstücke, die innerhalb des durch den Deich geschützten Gebiets liegen. Die Grenzen des geschützten Gebiets legt die Deichbehörde durch Verordnung nach dem zu erwartenden Hochwasserstand fest (§ 9 NDG). Geschützt und als Zwangsmitglieder im Verbandsgebiet geführt werden alle Grundstücke, die weniger als 6 m über NN liegen, da das Wasser bei Deichbruch bis zu dieser Höhe ansteigen kann. Insellagen innerhalb des Gebietes, die höher liegen als 6 Meter, aber bei Hochwasser nicht mehr mit dem Festland verbunden wären, gehören ebenfalls zum Verbandsgebiet. Die Deichverteidigungspflicht wird von den Eigentümern der im Verbandsgebiet gelegenen Grundstücke durch Zahlung der Verbandsbeiträge ausgeübt und auch abgegolten, was dazu führt, dass die Pflichten aus den §§ 5 und 6 NDG den Eigentümern „abgenommen“ sind (Urt. d. 13. Sen. d. erkennenden Gerichts v. 8.9.2004 - 13 KN 52/04 -, NdsVBl. 2005, 98).

Die Erhaltung des Hauptdeichs und die Maßnahmen der Deichverteidigung obliegen nach § 7 NDG ausschließlich dem Verband selbst. Die Mitglieder, d. h. die Eigentümer der im Verbandsgebiet liegenden Grundstücke, wählen die Organe des Verbands und zwar den Verbandsausschuss unmittelbar und - mittelbar - den Verbandsvorstand, der durch die Mitglieder des Verbandsausschusses gewählt wird. Die Aufgaben des Ausschusses und des Vorstands sind in der Verbandssatzung geregelt, die sich der Verband gibt. Danach werden die Grundstückseigentümer in allen Angelegenheiten von den Verbandsorganen vertreten (vgl. § 26 der Satzung des II. L. Deichbands v. 28.3.2008).

Ob und wieweit die einzelnen Grundstückseigentümer als Verbandsmitglieder verbandsintern Ansprüche gegen die Verbandsorgane haben, kann offenbleiben, da sich die Antragsteller hier nicht gegen die Stellungnahme des Verbands richten, sondern gegen die Antragsgegnerin eigene Rechte geltend machen.

Besondere Rechte als Grundstückseigentümer in einem Verbandsgebiet - neben bzw. zusätzlich zum Tätigwerden des durch den Vorstand vertretenen Verbands - auf Schutz des Eigentums vor Sturmflut ergeben sich aus dem Deichgesetz nicht für die Grundstückseigentümer im Verbandsgebiet. Aus der Begründung zum Deichgesetz aus dem Jahr 1962 ergibt sich, dass die Deiche auch nach dem bis dahin geltenden Recht allein aus Gründen des öffentlichen Wohls als öffentliche Schutzwerke der Landessicherheit dienten (LT-Drs. 4/541 S. 2878). § 15 (jetzt § 16 NDG) beinhaltet entsprechend „eine Beschränkung innerhalb der Sozialgebundenheit des Eigentums“. Im Übrigen dienten und dienen die Vorschriften des Deichgesetzes der Regelung der Pflichten und Lasten der Mitglieder, das heißt der als Zwangsmitglieder zum Verbandsgebiet gehörenden Grundstücke und ihrer Eigentümer. Eine besondere Rechtsstellung einzelner Grundeigentümer i.S. eines Anspruchs auf Küstenschutz ergibt sich daraus nicht. Die Entscheidung des 13. Senats des erkennenden Gerichts vom 21. Dezember 2012 (- 13 LA 92/12 -, BauR 2013, 506) lässt die Frage eines Anspruchs auf Küstenschutz ausdrücklich offen. In dem damaligen Verfahren ging es um einen Anspruch eines nicht im Verbandsgebiet liegenden Grundstücks. Ausgeschlossen wird eine allgemeine Verpflichtung der zuständigen Stelle zur Schaffung konkreter Küstenschutzbestimmungen und/oder - Einrichtungen zugunsten einzelner Grundstückseigentümer. Kontrollrechte eines durch Deichbau unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümers werden zwar anerkannt (Beschl. v. 16.7.2012 - 13 LA 82/11 -, Juris). Die Situation ist aber mit der hier vorliegenden nicht vergleichbar, da hier nicht ein unmittelbarer Eingriff in das Grundstück von den Antragstellern abgewehrt wird wie im dort entschiedenen Fall, in dem es um Deichbauarbeiten auf dem Grundstück eines Privaten ging. Hier werden vielmehr Verletzungen der aus dem NDG für die Mitglieder des Verbands folgenden Pflichten zur Deichsicherung geltend gemacht. An der Durchführung oder Wahrnehmung dieser Pflichten ist allerdings das einzelne Mitglied des Deichverbands gehindert, da nach der zitierten „repräsentativen“ Ausgestaltung des Deichschutzrechts allein der Deichverband die Aufgabe hat, die konkreten Maßnahmen durchzuführen. Die einzelnen Grundstückseigentümer haben durch die Zahlung der Beiträge die ursprünglich ihnen obliegende Pflicht zur Herstellung der Deiche und ihrer Sicherung auf den Verband abgewälzt. Die in § 21 Abs. 1 Satz 2 NDG enthaltene Verpflichtung von Eigentümern und Nutzungsberechtigten zur Pflege des Deichvorlandes zum Schutz des Deiches bezieht sich nur auf das seeseitig, d. h. vor dem Deich gelegene Gelände. Eine vergleichbare Regelung für das landseitige Gelände vor dem Deich findet sich nicht im NDG. Ein Recht einzelner Mitglieder auf Beachtung und Pflege der Deichschutzzonen im Binnenland gegenüber Dritten lässt sich darauf nicht stützen.

Ein von den Rechten und Pflichten des Deichverbands unabhängiger Anspruch auf Berücksichtigung eines eigenen Rechts der Grundstückseigentümer in ihrer Eigenschaft als Verbandsmitglieder auf Deichsicherheit und Deichverteidigung im Sinne eines im Rahmen der Abwägung für die planende Gemeinde erkennbaren und zu berücksichtigenden Rechtes der in den gefährdeten Gebieten wohnenden Grundstückseigentümer ist nicht erkennbar. Betroffen sind sämtliche Grundstückseigentümer in Küstennähe, die gerade aufgrund der besonderen Gefährdungslage der Grundstücke Mitglieder des Deichverbands sind. Eine Pflicht zu zusätzlicher Berücksichtigung der Stellungnahmen einzelner Grundstückseigentümer zu Belangen des Deichverbands hinsichtlich der Deichsicherheit in der Abwägung lässt sich dem Deichgesetz jedenfalls nicht für den Fall entnehmen, dass der zuständige Deichverband und die untere Deichbehörde ihr Einverständnis bzw. eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 16 Abs. 2 NDG erteilt haben und dies in die Abwägung eingeflossen ist. In diesem Fall ist für die planaufstellende Gemeinde durch die zuständigen Stellen erklärt worden, dass eine Möglichkeit der Gefährdung der im Verbandsgebiet liegenden Grundstücke durch Hochwasser aufgrund der Verschlechterung der Deichsicherheit nach deren sachverständiger Einschätzung ausscheidet.

Ob in Anlehnung an die Grundgedanken des gesellschaftsrechtlichen Instituts der actio pro socio die Möglichkeit in Betracht gezogen werden könnte, dass Verbandsmitglieder ihre Antragsbefugnis dann auf vom Verband wahrzunehmende Belange stützen können, wenn die Verbandsorgane in kollusivem Zusammenwirken mit der planenden Gemeinde bzw. den Planbegünstigten auf die Wahrnehmung der Verbandsinteressen verzichten, kann hier dahinstehen. Denn die dafür erforderliche Schädigungsabsicht haben auch die Antragsteller den Organen des Deichverbandes nicht unterstellen wollen.

Etwas Anderes ergibt sich hier auch nicht deshalb, weil die Antragsteller Besonderheiten gerade ihrer Grundstücke geltend machen, die durch die Stellungnahme des Deichverbands und der Deichbehörde nicht berücksichtigt worden sind oder werden konnten. Die Antragstellerin zu 1) liegt mit ihren Grundstücken J. Weg 2 und 5 auf dem „Geestrücken“ also in einer Höhe von 8,50 m über NN wie sie selbst vorträgt. Da ein Hochwasser nach den Berechnungen der zuständigen Stellen bei Deichbruch mit maximal 6 m über NN angenommen wurde und deshalb Grundstücke bis zu einer Höhe von 6 m über NN als Zwangsmitglieder dem Verband angehören und auch die Antragstellerin selbst als „Zukunftswert“ (im Falle einer Meeresspiegelerhöhung) 6,50 m nennt, liegt ihr Grundstück höher als ein zu erwartendes Hochwasser. Eine besondere Gefährdung gerade dieses Grundstücks als Folge einer unzureichenden Deichsicherung aufgrund der Bebauung ist demzufolge nicht zu erwarten. Besondere Belange für die Grundstücke der Antragstellerin, die nicht durch den Verband vertreten wurden und von der Antragsgegnerin hätten gesehen werden müssen, lassen sich dem nicht entnehmen.

Das Grundstück des Antragstellers zu 3) liegt im Gebiet der Stadt D. und nach eigenen Angaben des Antragstellers ca. 7 km vom Plangebiet entfernt. Dass sich hier Besonderheiten aufdrängen für die Gefährdung des Grundstücks, die von dem Deichverband und der Unteren Deichbehörde nicht „vertreten“ wurden aber von der Antragsgegnerin hätten gesehen werden müssen, ist nicht erkennbar und vom Antragsteller zu 3) auch nicht vorgetragen.

Für das Grundstück der Antragstellerin zu 2) gilt, dass dieses Grundstück zwar nicht mehr in der Deichschutzzone von 50 m hinter dem Deich liegt, sondern in dem durch den Richtung Nordost verlaufenden Deich geschützten Gebiet. Damit liegt dieses Grundstück nicht mehr auf dem Geestrücken, wie das Grundstück der Antragstellerin zu 1), sondern in dem nur noch eine Höhe von 3,50 bis 4 m erreichenden Gelände. Dies stellt aber für sich keine Besonderheit dar, die über die vom Deichverband vertretenen Belange hinausgehend eine besondere Beschäftigung mit den Eigenarten gerade dieses Grundstücks verlangt. Solche besonderen Eigenheiten dieses Grundstücks, die von der Antragsgegnerin neben der Anhörung der für die Deichsicherheit zuständigen Stellen hätten berücksichtigt werden müssen, sind auch von der Antragstellerin zu 2) nicht vorgetragen.

Andere Gründe als die Gefährdung der Deichsicherheit haben die Antragsteller nicht benannt um ihre Antragsbefugnis zu begründen.

Der Antrag wäre aber auch nicht begründet.

Der Plan verstößt nicht schon deshalb gegen § 1 Abs. 3 BauGB, weil einer Realisierung § 16 Abs. 1 NDG entgegenstehe, denn eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 16 Abs. 2 NDG ist von der unteren Deichbehörde erteilt worden. Das reicht aus, um jedenfalls die Realisierungsmöglichkeit des Plans zu dokumentieren. Das Vorhaben ist in dem Vorhaben- und Erschließungsplan ausführlich dargestellt und hinreichend bestimmt. Gegen die Festsetzungen des Plans im Einzelnen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. So hat die Antragsgegnerin sich im Hinblick auf die Festsetzung eines sonstigen Sondergebietes für Wohnen und Ferienwohnen ausführlich mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats zu diesen Fragen beschäftigt (vgl. Seite 8 ff. der Planbegründung). Ebenso hat sich die Antragsgegnerin mit den Fragen der Verschattung bestehender Bebauung durch die neu hinzutretende Bebauung und den Fragen der Lärmbelastung durch die Stellplätze im Plangebiet ausführlich auseinandergesetzt und dazu Gutachten eingeholt. Soweit es um den Wegfall von Erholungsflächen durch die Bebauung ehemaliger Grünanlagen in diesem Bereich geht, hat die Antragsgegnerin Ersatzflächen geplant. Abgesehen davon betrifft diese Frage im Wesentlichen den Bereich südlich des Plangebiets, für den weitere Pläne erst noch aufgestellt werden sollen.

Die Frage der Deichsicherheit ist von der Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung umfassend behandelt worden unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Deichbehörde und des II. L. Deichbands. Die Antragsgegnerin hat sich in diesem Zusammenhang mit der Entscheidung des Senates vom 4.5.2000 (- 1 L 2995/98 -, BRS 63 Nr. 11) beschäftigt. Diesem Verfahren lag ein mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde; denn seinerzeit war von der planaufstellenden Gemeinde ausschließlich auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Errichtung von Bauwerken innerhalb der Deichschutzzone nach § 16 Abs. 2 NDG abgestellt worden. Im Übrigen fehlte eine Auseinandersetzung mit den Gründen für eine Ausnahmegenehmigung. Darüber hinaus war diese bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung widerrufen worden. Der Senat hatte seinerzeit festgestellt, dass allein die städtebauliche Bedeutung eines Projektes nicht geeignet ist, den Begriff der Härte im Sinne des § 16 Abs. 2 NDG auszufüllen, wenn nicht die Feststellung eines ungewöhnlichen, atypischen Sonderfalls hinzukommt, der zu Ungerechtigkeiten gegenüber den Grundstückseigentümern führen kann (Juris-Rn 24). Ein solcher Sonderfall liegt vor, wenn das Schutzgut der Norm - die Deichsicherheit - nicht beeinträchtigt ist. Entsprechende Überlegungen und Feststellungen im Rahmen der Abwägung fehlten seinerzeit. Im hier zu entscheidenden Fall hat die Antragsgegnerin dagegen in der Begründung im Einzelnen auf die ausführliche Begründung des Bescheids der unteren Deichbehörde vom 22.7.2015 Bezug genommen, mit dem diese den Bescheid vom 13.1.2015 vervollständigt hatte. Zwar hat die Antragsgegnerin auch in diesem Rahmen auf die städtebauliche Bedeutung des Vorhabens für den Kurort I. hingewiesen. Sie hat daneben jedoch auch die Belange der Deichsicherheit ausführlich gewürdigt und die Besonderheiten des Einzelfalls festgestellt, die hier darin liegen, dass der J. Weg als Endbereich des Geestrückens auf den Hauptdeich zuläuft, an dieser Stelle auf den Geestrücken trifft, so dass in diesem Bereich Grundstücke liegen, die zwar nicht die Höhe erreichen, die die Grundstücke auf dem Geestrücken selbst haben (bis zu 8,50 m über NN), aber höher liegen als die Grundstücke östlich des Plangebiets. Nach den Zahlen, die die Antragsteller selbst vorgelegt haben, ist an der Westgrenze des Plangebiets (Flurstück 53/2010 eine Höhe von 7,41 m gegeben und an der Ostgrenze des Plangebiets (Flurstück 53/2015) von einer Höhe von 4,25 m über NN auszugehen (Schriftsatz der Antragsteller v. 24.5.2016, Bl. 46 der GA). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das östlichste der vorgesehenen Gebäude mit seinem Bauteppich nur zu einem ganz geringen Teil die Deichschutzzone einnimmt, während die drei mittleren Bauteppiche ganz bzw. der östlichste überwiegend im Bereich der Deichschutzzone liegen, hier jedoch - noch - von einem höheren Niveau der Grundstücke auszugehen ist. Damit unterscheiden sich diese Grundstücke von den sonstigen im Schutz des Deiches liegenden Grundstücken und sind im Ansatz vergleichbar den Grundstücken auf dem Geestrücken, für die ein Deichbauwerk nicht erforderlich ist. Im Bereich der höher gelegenen Grundstücke auf dem Geestrücken reicht die Bebauung sogar weit nach Norden über die Linie der westlich und östlich heranlaufenden Deiche hinaus. Die „neue Bebauung“ knüpft dagegen - nur - an die Linie der Bebauung südlich der Straßen J. an. Daneben verweist die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung - ebenso wie die Deichbehörde - auch darauf, dass im Plangebiet ein öffentlicher Weg festgesetzt ist, über den das Deichbauwerk - zusätzlich zu den bereits vorhandenen Wegen - erreicht werden kann, wodurch die Verteidigung der Deichsicherheit im Gefahrenfall gegenüber der bisherigen Lage noch erhöht werde. Dieser öffentliche Weg läuft zwar nach Süden auf die im Bebauungsplan als Privatstraße gekennzeichnete Straße zu. Im Vorhabenvertrag ist jedoch vereinbart, dass der Vorhabenträger eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Deichverbands einträgt zur Benutzung auch des Privatwegs. Damit ist die Deichsicherheit durch die zusätzlich zu den öffentlichen Straßen eingerichtete Wegeverbindung nach Süden zur Erreichbarkeit des Deiches ausreichend sichergestellt im Sinne des § 16 Abs. 2 NDG. Die Antragsgegnerin hat insoweit die Entscheidung der Deichbehörde „abwägend nachvollzogen“ und sich mit dem Problem der Deichsicherheit ausreichend auseinandergesetzt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Deichsicherheit vom Deichverband und der unteren Deichbehörde unzureichend betrachtet worden ist, lassen sich dem Vorbringen der Antragsteller nicht entnehmen. Diese weisen auf allgemeine Anforderungen an die zukünftige Sicherung von Deichbauwerken hin, setzen sich aber nicht konkret mit der hier gegebenen Lage unmittelbar anschließend an die Grundstücke auf dem „Geestrücken“ auseinander, die eine Bebauung sogar weitaus weiter nördlich als jetzt durch den Plan vorgesehen - also in Richtung auf den Uferbereich - zulässt. Abgesehen davon, verweist die Antragsgegnerin ebenso wie der Deichverband und die untere Deichbehörde darauf, dass ein Geländestreifen von 20 m Breite gemessen von der Deichlinie verbleibe und damit ein Erreichen des Deiches zur Deichverteidigung in diesem Bereich jedenfalls ungehindert möglich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.