Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 24.10.2022, Az.: 5 B 3666/22

Aufenthalt zu Studienzwecken; Chancen-Aufenthaltsrecht; Zweckwechselverbot; Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis; Antrag nach § 80 Abs. 5 AufenthG

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
24.10.2022
Aktenzeichen
5 B 3666/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 46254
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2022:1024.5B3666.22.00

Amtlicher Leitsatz

Der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b AufenthG steht das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen. Zudem ist weder in den bisher verfügbaren Gesetzesmaterialien zu erkennen noch von der Systematik der Regelungen umfasst, dass das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht das Zweckwechselverbot überwinden könnte.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtschutz zur Sicherung seines Aufenthalts im Bundesgebiet für die Dauer des Hauptsacheverfahrens.

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und am 26. Februar 2011 mit einem Visum zur Studienvorbereitung in das Bundesgebiet eingereist. Zu diesem Zweck wurde ihm am 24. März 2011 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gem. § 16 Abs. 1 (a. F.) erteilt, die fortlaufend bis zum 19. April 2019 verlängert wurde. Der Antragsteller stellte am 15. November 2019 einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Antragsgegnerin stellte dem Antragsteller zunächst Fiktionsbescheinigungen gem. § 81 Abs. 4 AufenthG und anschließend Grenzübertrittsbescheinigungen aus. Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin einen Arbeitsvertrag vom 24. Oktober 2018 und damit zusammenhängende Gehaltsabrechnungen vor. Am 3. Dezember 2021 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und drohte die Abschiebung in die Türkei an. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG scheide mangels Studienfortschritts aus. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 19c Abs. 1 AufenthG für die Ausübung einer Beschäftigung sei nicht möglich, da die Beschäftigungsverordnung keinen entsprechenden Verordnungstatbestand enthalte und das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegenstehe. Auch aus Art. 6 ARB 1/80 begründe sich kein Anspruch, da sich der Antragsteller nur im Zeitraum zwischen dem 24. Oktober 2018 und dem 19. April 2019 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und gleichzeitig beschäftigt gewesen sei. Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG stehe ebenfalls das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen.

Mit Schreiben vom 3. August 2022 beantragte der Antragsteller, seinen Aufenthalt zu dulden und von der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abzusehen, da er unter den Personenkreis falle, dem aller Voraussicht nach eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe zu erteilen sein werde.

Mit Schreiben vom 9. August 2022 erwiderte die Antragsgegnerin, dass weder der Koalitionsvertrag noch der Erlass des Nds. Innenministeriums eine Aufhebung des Zweckwechselverbots des § 16b AufenthG vorsehe, und verwies auf die Möglichkeit der Einlegung eines entsprechenden Rechtsmittels.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 31. August 2022 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht. Er wendet sich gegen die beiden ablehnenden Schreiben vom 28. Juli 2022 und vom 9. August 2022. Er macht geltend, dass die Vorschrift des § 16b Abs. 4 AufenthG nach der Gesetzessystematik nicht auf die Vorschriften des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes Anwendung finden würde. Ansonsten dürfe beispielsweise ein Student, der mit einem Studentenvisum einreise und erfolgreich ein Asylverfahren betreibe, keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten. Speziell in den relativ neu geschaffenen Vorschriften der §§ 25a und 25b AufenthG sehe der Gesetzgeber Aufenthaltstitel für Altfälle und gut integrierte Personen vor, ohne Unterscheidung zwischen illegal und legal eingereisten Personen.

Nach einem Hinweis des Gerichts zur statthaften Antragsart beantragt der Antragsteller nunmehr,

die Antragsgegnerin gem. § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin bezieht sich zur Begründung auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Juli 2022. Hinsichtlich des vom Antragsteller beanspruchten Chancen-Aufenthaltsrechts wiederholt sie, dass der Erteilung das Zweckwechselverbot entgegenstehe. Ausnahmen seien weder im Koalitionsvertrag noch im zugehörigen Erlass zu finden. Vor diesem Hintergrund sei sie an die gesetzlichen Regelungen gebunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Ein Antrag auf vorläufigen Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unstatthaft, da der Verlängerungsantrag vom 15. November 2019 keine Fiktionswirkung i. S. v. § 80 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG begründete (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 16.2.2021 - 11 S 3852/20 -, juris Rn. 6 und vom 7.7.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 13). Die in der Vergangenheit gleichwohl zunächst ausgestellten Fiktionsbescheinigungen nach § 81 Abs. 5 AufenthG begründen die darin bescheinigte Fiktionswirkung nicht aus sich heraus, weil sie lediglich deklaratorisch wirken und die erforderliche (ausdrückliche) Anordnung der Behörde nicht ersetzen können (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.9.2017 - 13 ME 244/17 -, juris, Rn. 6).

Der statthafte Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Sicherung des Aufenthalts im Bundesgebiet für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ist unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Einen Anordnungsanspruch auf Aussetzung der Abschiebung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Abschiebung kann nicht allein deshalb für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens ausgesetzt werden, weil der Ausländer den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Klageverfahren geltend macht und ihn im Bundesgebiet durchsetzen will (Nds. OVG, Beschluss vom 22.8.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.1.2016 - 17 B 890/15 -, juris Rn. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.2.2010 - 2 M 2/10 -, juris Rn. 7). Ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion hat der Bundesgesetzgeber nur für die in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG genannten Fälle bestimmt, die hier gerade nicht gegeben sind.

Darüber hinaus kann ein Duldungsanspruch zwar zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht kommen, wenn sich aus den aufenthaltsrechtlichen Regelungen (vgl. etwa §§ 39ff. AufenthV, § 5 Abs. 2 Satz 2, § 25b, § 25 Abs. 2 und 5 AufenthG) ergibt, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status aus dem Inland verfolgt werden kann, und die Aussetzung der Abschiebung zugleich notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann.

Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken gem. § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG, gem. § 19c Abs. 1 oder nach Art. 6 ARB 1/80 knüpft nicht an eine Duldung an und ist grundsätzlich aus dem Ausland zu verfolgen. Daher scheidet eine Verfahrensduldung bereits insoweit aus. Hinsichtlich der begehrten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG kommt die Erteilung einer Verfahrensduldung hingegen in Betracht, da der aufenthaltsrechtliche Status an eine Duldung anknüpft und vom Inland her verfolgt werden kann. Im Fall des Antragstellers ist jedoch sowohl die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b AufenthG (1.) als auch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG im Vorgriff auf das sog. Chancen-Aufenthaltsrecht (2.) ausgeschlossen, sodass kein Anordnungsanspruch besteht.

1. Unabhängig von der Erfüllung der allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG jedenfalls das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen. § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG normiert:

"Während eines Aufenthalts nach Absatz 1 darf eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck nur zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung, der Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft, der Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen nach § 19c Absatz 2 oder in Fällen eines gesetzlichen Anspruchs erteilt werden."

Die humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG ist keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung (§ 16a AufenthG), der Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (§§ 18a, 18b AufenthG) oder der Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen (§ 19c Abs. 2 AufenthG). Die Vorschrift des § 25b AufenthG begründet auch keinen gesetzlichen Anspruch i. S. v. § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt nämlich, dass einem geduldeten Ausländer, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden "soll". Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 16b Abs. 4 Satz 2 und 3 AufenthG ist jedoch nur gegeben, wenn das Gesetz die Behörde unmittelbar verpflichtet, bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt, begründet auch eine Ermessensreduzierung "auf Null" keinen gesetzlichen Anspruch. Gleiches gilt im vorliegenden Fall einer Soll-Vorschrift, da diese die Ausländerbehörde anders als eine Ist-Vorschrift nicht strikt zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen verpflichtet, sondern bei Vorliegen besonderer Umstände auch eine ablehnende Entscheidung zulässt (Nds. OVG, Beschluss vom 28.2.2018 - 8 ME 1/18 -, juris Rn. 24; vgl. auch Beschluss vom 25.4.2019 - 13 ME 86/19 -, juris Rn. 16). Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Studierende, die einen Asylantrag stellen, gleichwohl eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten können, denn diese Vorschrift ist - anders als § 25b AufenthG - als gebundene Entscheidung ausgestaltet. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG wäre demnach nicht zu erteilen, weil § 16b Abs. 4 AufenthG - wie der Antragsteller meint - nach der Gesetzessystematik auf die Vorschriften des gesamten Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG keine Anwendung fände, sondern weil § 25 Abs. 2 AufenthG von der tatbestandlichen Ausnahme des § 16b Abs. 4 AufenthG erfasst ist.

Das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt auch über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten bzw. verlängerten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis - hier bis zum 19. April 2019 - hinaus bis zu einer - hier nicht erfolgten - Erteilung einer vom Gesetzes zugelassenen Aufenthaltserlaubnis bzw. bis zu einer Ausreise des Ausländers. Bereits nach ihrem Wortlaut setzt die Regelung nicht voraus, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 AufenthG noch Gültigkeit besitzt. Bei einem anderen Verständnis würde die Vorschrift zudem ohne sachlichen Grund denjenigen, dessen studienbezogene Aufenthaltserlaubnis bereits abgelaufen ist, gegenüber demjenigen besserstellen, der noch bei gültiger Aufenthaltserlaubnis einen Wechsel des Aufenthaltszwecks begehrt. Zudem hätte es der Ausländer selbst in der Hand durch das Absehen von der Stellung eines Verlängerungsantrags das Auslaufen seiner Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 herbeizuführen und damit das Zweckwechselverbot zu beseitigen (VG Aachen, Urteil vom 25.2.2021 - 8 K 2456/18 -, juris Rn. 58 ff., 86 ff.; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 28.02.2018 - 8 ME 1/18 -, juris Rn. 23).

2. Auch eine Ermessensduldung auf Grundlage der Erlasse des Nds. Innenministeriums vom 2. Mai 2022 und 14. Juli 2022 gem. § 60 Abs. 2 Satz 3 AufenthG kommt nicht in Betracht. Gem. § 60 Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Der Vertreter des Nds. Innenministeriums bittet in den Erlassen die zuständigen Ausländerbehörden darum, eine Duldung zu erteilen, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Anwendungsbereich der künftigen bundesgesetzlichen Regelung fallen würde. Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht neben Änderungen an § 25a und § 25b AufenthG auch ein eigenes Chancen-Aufenthaltsrecht in einem neu zu schaffenden § 104c AufenthG in den Bundestag eingebracht. Allerdings ist auch die bisher im Raume stehende Regelung eine Soll-Vorschrift, die zur Legalisierung des Aufenthalts über die Vorschriften des § 25a und § 25b AufenthG zunächst übergangsweise eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr vorsieht (siehe Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/chancen-aufenthaltsrecht.html). Es ist weder in den bisher verfügbaren Gesetzesmaterialien zu erkennen noch von der Systematik der Regelungen umfasst, dass das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG überwinden könnte. Die angedachte Vorschrift ist ihrem Wesen nach eine Überleitung zu den humanitären Titeln in § 25a und § 25b AufenthG. Die einjährige Geltung der Aufenthaltserlaubnis dient dazu, die übrigen Voraussetzungen des § 25a oder § 25b AufenthG und hierbei insbesondere den Identitätsnachweis und die Lebensunterhaltssicherung erfüllen zu können (siehe insoweit die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht, S. 40). Das Chancen-Aufenthaltsrecht wäre gem. § 104c Abs. 3 Satz 2 AufenthG ausdrücklich als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 einzuordnen. Nach § 104c Abs. 3 Satz 3 AufenthG wäre alleine der Übergang in die Vorschriften des § 25a und § 25b AufenthG möglich. § 104c AufenthG ist in seiner Entwurfsform eine Soll-Vorschrift, deren Anwendung das Zweckwechselverbot nach seinem Wortlaut und der Begrenzung auf gesetzliche Ansprüche ausdrücklich entgegensteht. Es wäre darüber hinaus widersinnig, die Überleitungsvorschrift des geplanten § 104c AufenthG so weit auszudehnen und das Zweckwechselverbot zu überwinden, wenn nach Ablauf des einen Jahres der Fortführung des legalen Aufenthalts über § 25a oder § 25b AufenthG das Zweckwechselverbot in § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegenstehen würde. Für diese Auslegung spricht bei teleologischer Betrachtung schließlich auch der mit dem Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG weiterhin verfolgte Zweck, sicherzustellen, dass die Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nicht als Mittel für eine unkontrollierte Zuwanderung zu anderen Aufenthaltszwecken missbraucht wird (BT-Drs. 15/420, S. 74). Es wäre daher Sache des Gesetzgebers, die Vorschrift des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu ändern, wenn ein Übergang in humanitäre Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 weitgehender möglich sein soll. Die derzeit beabsichtigten Änderungen des Aufenthaltsgesetzes sehen dies nicht vor.

Andere Aufenthaltstitel oder Duldungsgründe sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

3. Soweit sich die Klage gegen die Abschiebungsandrohung richtet, ist der ursprünglich geltend gemachte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 NPOG), aber unbegründet. Die Abschiebungsandrohung ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 58, 59 AufenthG. Seit der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nr. 1.5 i. V. m. 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).