Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.07.2010, Az.: 10 LA 142/08
Möglichkeit der Annahme eines offensichtlichen Irrtums trotz Vorliegens eines fahrlässigen Verschuldens bei der Festsetzung von Zahlungsansprüchen i.R.d. Agrarförderung; Anerkennung eines offensichtlichen Fehlers oder Irrtums bei einem Versehen des Antragstellers unterhalb der Schwelle der leichten Fahrlässigkeit; Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005; Notwendigkeit der Beantragung einer sog. OGS-Genehmigung; Fahrlässiges Verschulden des Antragstellers bzgl. eines Fehlers im Antragsformular
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.07.2010
- Aktenzeichen
- 10 LA 142/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 26912
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0720.10LA142.08.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 12 VO 2419/2001/EG
- Art. 19 VO 796/2004/EG
- § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
- § 124a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Ein fahrlässiges Verschulden steht der Annahme eines offensichtlichen Irrtums im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 nicht schlechthin entgegen.
Gründe
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auf der Grundlage des Anbaus von 6,3042 Hektar mit OGS Kulturen im Jahr 2003 unter Berücksichtigung der Plafondkürzung 5,10 Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung zuzuweisen, obwohl der Kläger es unterlassen hatte, die Zuweisung von OGS-Genehmigungen unter Ziffer II. 6 seines Antrags auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrags Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005 vom 19. April 2005 (Bl. 43 ff. [46] Beiakte - BA - A) zu beantragen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat die Vorinstanz im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Nach ihrer Auffassung bedürfe es zwar eines gesonderten Antrages auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung nach derVO (EG) Nr. 1782/2003 in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung und den zur deren Durchführung erlassenen Bestimmungen. Der Kläger könne sich aber wegen der insoweit unvollständigen Angaben im Antragsformular auf einen offensichtlichen Irrtum berufen. Die Kammer halte eine analoge Anwendung der Vorschrift des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 auf Anträge zur Festsetzung von Zahlungsansprüchen für geboten, wobei für den vorliegenden Fall ein offensichtlicher Fehler anzunehmen sei. Auf Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 sei die zu Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001 und Art. 5 Buchstabe a VO (EWG) 3508/92 ergangene Rechtsprechung zum offensichtlichen Irrtum übertragbar. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei ein Irrtum bei der gebotenen objektiven Betrachtung dann offensichtlich, wenn er bei der Bearbeitung des Antrages ohne weiteres klar erkennbar sei und sich die Fehlerhaftigkeit der Angaben einem aufmerksamen und verständigen, mit den Umständen des Falles vertrauten Durchschnittsbeamten ohne weiteres aufdränge. Nach der zu Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 und Art. 5 Buchstabe a der Verordnung (EWG) 3508/92 des Rates ergangenen Rechsprechung und dem dazu von der Europäischen Kommission entwickelten Arbeitsdokument AGR 49533/2002 könne ein offensichtlicher Irrtum nicht nur bei einfachen Schreibfehlern, die bei der Prüfung des Antrags sofort erkennbar seien, oder bei widersprüchlichen Angaben im Antragsformular selbst oder zwischen den Angaben im Antragsformular selbst und den ihm beigefügten Belegen angenommen werden. Immer vorausgesetzt, der Betriebsinhaber sei nicht bösgläubig oder handele in Betrugsabsicht, könne ein offensichtlicher Fehler auch dann vorliegen, wenn die fehlerhafte Angabe bei einem Abgleich mit unabhängigen Datenbanken auffalle, soweit es sich für einen verständigen und objektiven Beobachter aufdränge, dass es sich um ein offensichtliches Versehen handele. Für einen offensichtlichen Irrtum spreche vorliegend, dass der Kläger unter Ziffer II. 6. des Antrages kein Kreuz gesetzt habe, obwohl er in den Vorjahren regelmäßig Speisekartoffeln in vergleichbarer Größenordnung angebaut und Beihilfen dafür beantragt und erhalten habe und obgleich er durch den Antrag auf Auszahlung der Betriebsprämie 2005 unter Ziffer III. 7. kenntlich gemacht habe, dass er Zahlungsansprüche für Kartoffelanbauflächen aktivieren möchte. Das habe die Beklagte dem als Anlage 1 dem Antrag vom 19. April 2005 beigefügten Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis für die Jahre 2004 und 2005, aus den von ihr seit dem Jahr 2000 vorzuhaltenden Datenbanken und aus dem ihr bekannten Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis zum Antrag auf Agrarförderung Fläche für das für die Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung entscheidungserhebliche Jahr 2003 entnehmen können. Da die OGS-Genehmigung für den Inhaber von Zahlungsansprüchen ausschließlich mit Vorteilen verbunden sei, sei für die Beklagte auch nachvollziehbar, dass derjenige, der diese Voraussetzungen erfülle, auch an der für ihn vorteilhaften Regelung des Art. 60 Abs. 3 VO 1782/2003 teilhaben wolle. Andernfalls hätte der Kläger auf dem für die Berechnung und Auszahlung der Betriebsprämie maßgeblichen Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis zum Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005 unter Spalte 17 ankreuzen müssen, dass für die aufgeführten Kartoffelanbauflächen kein Zahlungsanspruch aktiviert werde. Davon habe er indes abgesehen. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass der Kläger ohne Betrugsabsicht in gutem Glauben gehandelt habe. Es sei kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich und vorgetragen, warum der Kläger das Kreuz nicht hätte setzen sollen, wenn ihm die Tragweite der Ziffer II. 6. bekannt gewesen wäre. Das fehlende Kreuz bringe dem Kläger erkennbar keine Vorteile bei der Führung seines Betriebes, sondern nur Nachteile. Auch aus der späteren Einlassung des mit der Antragstellung, mit dem neuen System, noch nicht vertrauten Klägers im Verwaltungsverfahren ergebe sich, dass er aufgrund des langjährigen Kartoffelanbaus in der Vergangenheit und der Absicht, weiterhin Kartoffeln anzubauen, selbstverständlich davon ausgegangen sei, dass er aufgrund seines Antrages für diese Flächen ebenfalls Zahlungsansprüche erhalte und dass er seinen Fehler erst nach Beratung durch die Beklagte nach Ablauf der maßgeblichen Fristen erkannt habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, den sie auf die Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stützt.
II.
Der Zulassungsantrag der Beklagten bleibt ohne Erfolg, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bereits nicht hinreichend dargelegt ist und derjenige des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller unter anderem die von ihm für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren (Nds. OVG, Beschl. v. 19. 3. 2010 - 10 LA 119/08 - und Beschl. 17. 2. 2010 - 5 LA 342/08 -, Letzterer veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit und in [...]; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 72; Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124a Rn. 211).
In Ihrer Antragsbegründungsschrift vom 14. Mai 2008 formuliert die Beklagte eine solche fallübergreifende Grundsatzfrage nicht, insbesondere nicht im einschlägigen letzten Absatz dieses Schriftsatzes. Vielmehr wird anhand der gebrauchten Wendung "würde man den Begriff des offensichtlichen Fehlers/Irrtums wie hier ausdehnen" die nicht gelungene Abstraktion vom Einzelfall deutlich. Es kann offen bleiben, ob der Schriftsatz der Beklagten vom 14. April 2010 die ausreichende Formulierung einer Grundsatzfrage enthält. Denn dieser Schriftsatz ist nicht mehr innerhalb der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangen und die Darlegung eines Zulassungsgrundes kann nach dem Ablauf dieser Frist nur noch insoweit ergänzt werden, als der konkrete Zulassungsgrund bereits in offener Frist den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist (Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 53) - woran es hier, wie oben ausgeführt, indessen gerade fehlt.
Der Zulassungsgrund des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 [1459]). Die Richtigkeitszweifel müssen sich allerdings auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (Nds. OVG, Beschl. v. 19. 3. 2010 - 10 LA 119/08 - und Beschl. v. 27. 3. 1997 - 12 M 1731/97-, NVwZ 1997, 1225 [1228] [OVG Niedersachsen 27.03.1997 - 12 M 1731/97]; BVerwG, Beschl. v. 10. 3. 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838 [839]).
In ihrer Antragsbegründungsschrift vom 14. Mai 2008 leitet die Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils daraus her, dass sie im Anschluss an einen Beschluss des Senats vom 15. August 2007 - 10 LA 37/06 - (AUR 2008, 26, hier zitiert nach der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) die Auffassung vertritt, die Anerkennung eines offensichtlichen Fehlers/Irrtums komme nur dann in Betracht, wenn das Versehen des Antragstellers unterhalb der Schwelle der leichten Fahrlässigkeit angesiedelt sei. Der Kläger sei als Antragsteller umfassend auf die Notwendigkeit der Beantragung von OGS-Genehmigungen in den Antragsunterlagen hingewiesen worden. Wäre er den entsprechenden Hinweisen gefolgt, wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, den streitgegenständlichen Fehler zu vermeiden. Insofern habe er die Grenze der leichten Fahrlässigkeit überschritten. Hätte sich das Verwaltungsgericht mit dieser Bewertung auseinandergesetzt, hätte es zu einer gegenteiligen Entscheidung gelangen müssen, sodass das ergangene Urteil im Ergebnis falsch sei.
Diese Ausführungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Beklagte selbst stellt nicht in Abrede, dass der Begriff des offensichtlichen Irrtums in dem durch das Verwaltungsgericht analog angewendeten Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141 v. 30. 4. 2004, S. 18) inhaltlich mit demjenigen des Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001 vom 11. Dezember 2001 (ABl. L 327 v. 12.12.2001, S. 11) übereinstimmt, sodass die zu der letztgenannten Norm ergangene Rechtsprechung auf die erstgenannte übertragen werden kann. Zu dem Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001 hat jedoch zwischenzeitlich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 26. 8. 2009 - BVerwG 3 C 15.08 -, RdL 2010, 162 ff., hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 21) in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit der seitens der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Senats entschieden, es könne der Annahme, in subjektiver Hinsicht scheide ein offensichtlicher Irrtum aus, wenn der Antragsteller auch nur leicht fahrlässig gehandelt habe, in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Zwar bezögen die Überlegungen des Senats (des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts) einen zutreffenden Ausgangspunkt. Es gelte nämlich, den Tatbestand des offensichtlichen Irrtums von dem Tatbestand der Unregelmäßigkeit abzugrenzen. Unregelmäßigkeiten begründeten den Verdacht eines Betruges oder einer Unredlichkeit; sie zögen, wenn dieser Verdacht sich nicht ausräumen lasse, im Regelfalle Sanktionen nach sich (vgl. vormals Art. 32 f. der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001). Schon nach dem Wortsinn müsse deshalb für die Annahme eines Irrtums feststehen, dass der Betriebsleiter gutgläubig gehandelt habe. Dies bestätigten die Auslegungshinweise der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission und sie ergänzten, dass keinerlei Risiko eines Betruges oder einer Unredlichkeit bestehen dürfe. In diesem Zusammenhang erlangten subjektive Umstände Bedeutung. Das könne aber über diesen Zusammenhang hinaus nicht verselbstständigt werden. Denn dann würde es darauf hinauslaufen, den Tatbestand des offensichtlichen Irrtums auf unvermeidbare Irrtümer zu reduzieren. Eine derartige Einschränkung seines Anwendungsbereichs entspräche aber nicht dem Sinn und Zweck dieses Rechtsinstituts. Ob ein Antragsteller in gutem Glauben gehandelt habe, unterliege der Würdigung im Einzelfall.
Diesen Ausführungen folgt nunmehr auch der beschließende Senat. Hiernach steht ein fahrlässiges Verschulden des Antragstellers (hier: des Klägers) an einem Fehler im Antragsformular der Annahme, dass dieser Fehler ein offensichtlicher Irrtum im Sinne desArt. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 sei, nicht schlechthin entgegen. Dies gilt vielmehr nur dann, wenn im konkreten Einzelfall die das Verschulden begründenden Umstände zugleich die Gutgläubigkeit des Antragstellers in Frage stellen. Letzteres hat das Verwaltungsgericht jedoch geprüft und mit einer Begründung ausdrücklich verneint, die die Beklagte in ihrer Antragsbegründungsschrift vom 14. Mai 2008 nicht substantiiert in Zweifel gezogen hat. Eine von dieser Prüfung unabhängige, verselbständigte Untersuchung der Frage, ob das Versehen des Klägers die Grenze zur leichten Fahrlässigkeit überschreite, war nach der nunmehrigen Rechtsauffassung des Senats nicht geboten. Es vermag daher keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen, dass das Verwaltungsgericht sie unterlassen hat.
Obwohl es sich wohl noch in den Grenzen hält, die einer zulässigen Ergänzung der Begründung des Zulassungsantrages gezogen sind, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. April 2010 zusätzlich die Gutgläubigkeit des Klägers in Zweifel zieht, liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterhin nicht vor. Denn wie ausgeführt, kann nur in Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls entschieden werden, ob eine Gutgläubigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben ist - oder nicht. Die auf das Vorliegen der subjektiven Irrtumsvoraussetzungen im Einzelfall bezogenen Darlegungen der Beklagten ermöglichen hier indessen keinen ausreichenden Schluss auf die Bösgläubigkeit des Klägers. Denn sie gehen lediglich dahin, dass dessen Anträge nach der Auffassung der Beklagten von vornherein nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausgefüllt worden seien und im subjektiven Tatbestand das Vorliegen der Gutgläubigkeit zweifelhaft bleibe. Von Gutgläubigkeit könne nur ausgegangen werden, wenn der Kläger den Antrag anhand verlässlicher Grundlagen gestellt habe. Objektiv liege auch kein Irrtum mehr vor, wenn der Kläger billigend Falschangaben in Kauf genommen habe. Mit diesen Thesen und Konditionalsätzen ist die Annahme der Vorinstanz, der Kläger sei gutgläubig gewesen, argumentativ nicht hinreichend erschüttert. Denn es ist nicht nachvollziehbar, in welchem Zusammenhang der Fehler des Klägers, unter Ziffer II. 6. des Antragsformulars kein Kreuz zu setzen, mit der Verlässlichkeit der Grundlagen seines Antrags stehen und inwiefern der Kläger hier billigend Falschangaben in Kauf genommen haben soll. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht den Einzelfall erfasst und gewürdigt. Mit den nachgeschobenen ganz überwiegend abstrakten Ausführungen der Beklagten zu den Voraussetzungen, unter denen ein offensichtlicher Irrtum bejaht werden könne oder verneint werden müsse, lässt sich die seitens der Vorinstanz festgestellte Gutgläubigkeit des Klägers nicht überzeugend in Abrede stellen.
Rechtlich nicht erheblich ist die umfassende Kritik, mit der die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. April 2010 das erstinstanzliche Urteil unter anderen Gesichtpunkten in Zweifel zu ziehen sucht. Denn nach dem Ablauf der Frist für die Darlegung der Zulassungsgründe kann ein bereits dargelegter ernsthafter Zweifel an der von dem Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung eines Tatbestandsmerkmals zwar noch weiter ausgeführt werden. Der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist - und seien es auch "nur" weitere als die bereits dargelegten Gründe für ernstliche Zweifel - ist aber ausgeschlossen (Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 53). Die Beklagte hatte in ihrer Antragbegründungschrift vom 14. Mai 2008 lediglich beanstandet, in welcher Weise die Vorinstanz den Irrtumsbegriff desArt. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 hinsichtlich seiner subjektiven Voraussetzungen ausgelegt hatte. Sie kann diese beschränkte Darlegung von Richtigkeitszweifeln nicht nachträglich zu einem Generalangriff auf die Auslegung und Anwendung des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 insgesamt ausweiten.
Die pauschale Verweisung der Beklagten auf ihren Vortrag im verwaltungsbehördlichen und erstinstanzlichen Verfahren ist als Darlegung von Zulassungsgründen nicht statthaft, sodass es keiner obergerichtlichen Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen bedarf.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).