Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.07.2010, Az.: 4 LA 59/09
Erforderlichkeit der Rechtmäßigkeit des Bescheides über die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei Ausschluss von Wohngeld für die Empfänger von Arbeitslosengeld und Sozialgeld nach dem SGB II; Abhängigkeit des Ausschlusses von Wohngeld gem. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) von der Höhe des ohne den Ausschluss zu gewährenden Wohngeldes oder von der Höhe der unter Einbeziehung der Unterkunftskosten erbrachten Leistung nach dem SGB II
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.07.2010
- Aktenzeichen
- 4 LA 59/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 21193
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0729.4LA59.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WoGG
- § 30 Abs. 4 S. 1 WoGG
- § 7 Abs. 3 SGB II
- § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X
Fundstelle
- ZfF 2011, 210
Amtlicher Leitsatz
Der Ausschluss von Wohngeld für die Empfänger von Arbeitslosen- und Sozialgeld nach dem SGB II, bei dessen Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind, nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG setzt nicht voraus, dass der Bescheid über die Leistungen nach dem SGB II rechtmäßig ist. Der Ausschluss von Wohngeld nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG ist weder von der Höhe des ohne den Ausschluss zu gewährenden Wohngeldes noch der Höhe der unter Einbeziehung der Unterkunftskosten erbrachten Leistungen nach dem SGB II abhängig.
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die von dem Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.
Entgegen der Annahme des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 7. Mai 2008, mit dem der Beklagte seinen Wohngeldbescheid vom 3. Januar 2007 unter Hinweis auf dessen Rechtswidrigkeit für den Zeitraum September 2006 bis Mai 2007 zurückgenommen und das der inzwischen verstorbenen Ehefrau des Klägers für diesen Zeitraum gewährte Wohngeld zurückgefordert hat, zu Recht mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
Die im Berufungszulassungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Entgegen der Auffassung des Klägers hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht davon ab, dass die Bescheide der ARGE Jobcenter D. vom 8. und 23. November 2006 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach demSGB II rechtmäßig gewesen sind, soweit sie seine verstorbene Ehefrau betrafen, was der Kläger mit der Behauptung, seine inzwischen verstorbene Ehefrau hätte einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen gehabt, in Abrede stellt. Maßgeblich ist vielmehr insoweit allein, dass die ARGE Jobcenter D. dem Kläger mit den o. g. Bescheiden für ihn und seine inzwischen verstorbene Ehefrau für den Zeitraum September 2006 bis Mai 2007 Arbeitslosen- und Sozialgeld nach dem SGB II, bei dessen Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind, gewährt hat, weil die Empfänger derartiger Leistungen, zu denen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 WoGG auch die inzwischen verstorbene Ehefrau des Klägers, die nach § 7 Abs. 3 SGB II bei der Ermittlung des gemeinsamen Bedarfs berücksichtigt worden ist, zu rechnen ist, nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG von Wohngeld ausgeschlossen sind. Dieser Ausschluss, der zur Folge hatte, dass der Wohngeldbescheid vom 3. Januar 2007 rechtswidrig war, soweit er den o. g. Zeitraum betraf, und daher nach § 45 SGB X teilweise zurückgenommen werden durfte, setzt nicht voraus, dass die Bescheide der ARGE Jobcenter D. vom 8. und 23. November 2006 rechtmäßig gewesen sind, weil auch rechtswidrige Bescheide Rechtswirkungen erzeugen. Im Übrigen hat der Kläger bei seinem Einwand übersehen, dass der Ausschluss von Wohngeld nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WoGG auch für die Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII gilt, so dass seine verstorbene Ehefrau auch dann, wenn sie derartige Leistungen bezogen hätte, kein Wohngeld hätte beanspruchen können.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts lassen sich entgegen der Annahme des Klägers ferner nicht damit begründen, dass "die Anwendung der Ausschlussnormen der §§ 1 Abs. 2 und 30 Abs. 4 WoGG im konkreten Fall auch deshalb unzulässig" gewesen sei, weil "hierdurch eine widersprüchliche Situation entstehen würde". Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid nämlich nicht auf § 30 Abs. 4 Satz 1 WoGG gestützt, der regelt, dass der Bewilligungsbescheid unwirksam wird, wenn in einem Bewilligungszeitraum ein bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigendes Familienmitglied nach § 1 Abs. 2 WoGG von Wohngeld ausgeschlossen ist. Vielmehr hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid seinen Wohngeldbescheid vom 3. Januar 2007 nach § 45 SGB X für den Zeitraum September 2006 bis Mai 2007 aufgehoben, was sich erübrigt hätte, wenn der Wohngeldbescheid insoweit nach § 30 Abs. 4 Satz 1 WoGG unwirksam gewesen wäre.
Der Kläger kann dem Urteil des Verwaltungsgerichts des Weiteren nicht mit Erfolg entgegen halten, seine verstorbene Ehefrau habe auf den Bestand des Wohngeldbewilligungsbescheides vertrauen dürfen, außerdem habe der Beklagte bereits im Zusammenhang mit dem Vorschlag, seine verstorbene Ehefrau solle den Widerspruch bezüglich der Versagung von Grundsicherungsleistungen zurücknehmen und statt dessen auch Leistungen nach dem SGB II beziehen, Kenntnis davon gehabt, dass er und seine verstorbene Ehefrau entsprechende Leistungen erhalten würden. Zum einen hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers die Rechtswidrigkeit des Wohngeldbescheides zumindest grob fahrlässig nicht gekannt hat und sich insoweit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen konnte. Zum anderen ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass der Beklagte bei dem Erlass des angefochtenen Bescheides die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt hat.
Der Kläger kann überdies nicht mit Erfolg einwenden, dass das seiner verstorbenen Ehefrau vorenthaltene Wohngeld von monatlich 82,- EUR höher als der Betrag gewesen sei, um den die Leistungen nach dem SGB II nach der Einbeziehung seiner Ehefrau in die Bedarfsgemeinschaft gestiegen seien. Zum einen ist der Ausschluss von Wohngeld nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG weder von der Höhe des ohne den Ausschluss zu gewährenden Wohngeldes noch der Höhe der unter Einbeziehung der Unterkunftskosten erbrachten Leistungen nach dem SGB II abhängig. Zum anderen übersieht der Kläger, dass die Einbeziehung seiner verstorbenen Ehefrau in die Bedarfsgemeinschaft ab dem 1. September 2006 durch den Bescheid vom 23. November 2006 zu einer Erhöhung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von 269,50 EUR auf 539,- EUR geführt hat. Daher kann entgegen der Darstellung des Klägers keine Rede davon sein, dass der Ausschluss seiner verstorbenen Ehefrau von Wohngeld dazu geführt habe, dass er und seine verstorbene Ehefrau in Bezug auf die Unterkunftskosten um mehr als 20% benachteiligt worden seien.
Das weitere Vorbringen des Klägers ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zu begründen.
Die Berufung kann schließlich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden, weil die Rechtssache weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufweist; derartige Schwierigkeiten hat der Kläger im Übrigen auch nicht nachvollziehbar dargelegt.
Die Bewilligung der vom Kläger beantragten Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren kommt nicht in Betracht, weil der Zulassungsantrag bereits in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).