Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.07.2010, Az.: 1 ME 62/10
Entlastung eines Bauherrn von der eigenen Verantwortung für die zügige Einreichung eines Bauantrags nach Anhörung wegen formeller Illegalität einer baulichen Nutzung; Herleitung der Anforderungen an ein systematisches Vorgehen aus dem Gleichheitssatz; Gleichmäßiges Vorgehen als Daueraufgabe der Bauaufsichtsbehörde
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.07.2010
- Aktenzeichen
- 1 ME 62/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 21199
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0722.1ME62.10.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 Abs. 1 GG
- § 80 Abs. 7 NBauO
- § 15 BauGB
Fundstellen
- BauR 2010, 1806-1807
- DVBl 2010, 1184
- DÖV 2010, 905
- FStBW 2011, 75-77
- FStBW 2011, 72-75
- FStHe 2011, 182-184
- FStHe 2011, 179-182
- FStNds 2010, 690-693
- FStNds 2010, 723-725
- GV/RP 2011, 122-125
- GV/RP 2011, 125-127
Amtlicher Leitsatz
- 1)
Nach Anhörung wegen formeller Illegalität einer baulichen Nutzung wird der Bauherr von der eigenen Verantwortung für die zügige Einreichung eines Bauantrags nicht dadurch entlastet, dass die Bauaufsichtsbehörde bei ihm angeklungene Fehlvorstellungen nicht behebt, sondern einen Aufstellungsbeschluss für eine Bebauungsplanänderung abwartet, die die Grundlage für die Zurückstellung eines eventuellen Bauantrages bilden soll.
- 2)
Nach den aus dem Gleichheitssatz hergeleiteten Anforderungen an ein systematisches Vorgehen reicht es zwar aus, wenn noch während des gerichtlichen Verfahrensentsprechende bauaufsichtliche Anordnungen in benannten Vergleichsfällen ergehen; gleichmäßiges Vorgehen bleibt aber auch danach Daueraufgabe der Bauaufsichtsbehörde.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen ein Verbot für die den Verkauf von Textilien in einer Halle mit der Anschrift "Heineckes Feld 12" in C..
Für das Grundstück wurde der D. GmbH am 13. September 2000 im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 32 WCE "Gewerbegebiet Am Fuhsekanal" eine Baugenehmigung für die Errichtung einer unbeheizten Versteigerungshalle als Lager für maximal vier Veranstaltungen pro Jahr erteilt. Nach der Betriebsbeschreibung sollten Maschinen, Büroeinrichtungen bzw. bewegliche Güter gelagert werden; geplant waren 3-4 Veranstaltungen (Versteigerung) pro Jahr. Nach der Grundrisszeichnung war die Halle in drei Lagerräume, Empfang/Büro und Vorraum und Eingang unterteilt.
Mitte September 2009 wurde in der Halle ein Geschäft namens "Halle 12 - Modetrends in E. " eröffnet. Bei einer Ortsbesichtigung am 2. Oktober 2009 stellte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin fest, dass der östliche Hallenbereich (Lager 1, Lager 2 und Empfang/Büro) auf etwa 300 m² zu einer Verkaufsfläche für Damenbekleidung umgenutzt worden war. Zur Vermeidung einer sofortigen Nutzungsuntersagung ordnete er nach seinem Vermerk vom 5. Oktober 2009 mündlich die Beschilderung und Freihaltung der Notausgänge und Rettungswege an. Eine zugleich angekündigte Anhörung erging dem Antragsteller als Bauherrn gegenüber am 5. Oktober 2009. Darin nahm die Antragsgegnerin an, dass eine ungenehmigte Nutzungsänderung vorliege, die Maßnahmen wie ein Nutzungsverbot, eine Beseitigungsverfügung oder die Anforderung von Bauvorlagen nach sich ziehen könne. Evtl. bestehe die Möglichkeit, die Maßnahme nachträglich zu legalisieren. Für eine Vorabprüfung werde gebeten, eine Kurzbeschreibung mit bestimmten Angaben vorzulegen. Bis zum 15. Oktober 2009 habe der Antragstelle die Möglichkeit, schriftlich darzulegen, wie die formelle Baurechtswidrigkeit beseitigt werden solle. Der Antragsteller bat per E-Mail vom 13. Oktober um Fristverlängerung bis zum 22. Oktober 2009 und teilte mit, er habe die mit der ursprünglichen Planung für die Halle befasste Firma beauftragt, die Genehmigung der Nutzungsänderung zu beantragen. Die genannte Firma reichte mit E-Mail vom 19. Oktober 2009 die mündlich angeforderten Unterlagen ein. Die Verkaufsfläche betrug danach 253 m². Sie bemerkte ferner, die Halle befinde sich mit Ausnahme eines zusätzlichen Nachtspeicherofens in dem Zustand, den die Antragsgegnerin bei ihrer Abnahme vorgefunden habe, und bat um Aufgabe der notwendigen Änderungen, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2009 bekräftigte dies der Antragsteller noch einmal selbst.
Mit Anwaltsschreiben vom 30. November 2009 bat der Antragsteller um Kopie einiger Unterlagen, Einsicht in die Verwaltungsvorgänge und um einen Besprechungstermin. Die Antragsgegnerin kam ersterem Anliegen mit Anschreiben vom 17. Dezember 2009 teilweise nach, bot Einsichtnahme im Bauamt an und erklärte, ein Gespräch sei im laufenden Jahr nicht mehr möglich. Sie werde sich Anfang kommenden Jahres unaufgefordert mit den Anwälten in Verbindung setzen.
Zwischenzeitlich hatte die Antragsgegnerin die am 26. März 2009 beschlossene Aufstellung eines Einzelhandelsentwicklungs- und Zentrenkonzepts weiter verfolgt. Dabei waren auch das Vorhaben des Antragstellers - wobei dessen Verkaufsfläche mit "mehr als 400 m²" angegeben wurde - und die Erweiterungswünsche des nahe gelegenen Möbelmarktes ("F. ") im Blick. Der Rat fasste am 17. Dezember 2009 einen Aufstellungsbeschluss für die 4. Änderung des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet am Fuhsekanal", der am 19. Dezember 2009 bekannt gemacht wurde.
Mit der angegriffenen Verfügung vom 21. Dezember 2009 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Verkauf von Textilien in den Geschäftsräumen der "Halle 12" und ordnete insoweit die sofortige Vollziehung an; ferner drohte sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes an. Die vorgenommene Nutzungsänderung sei nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig, weil der Rat am 26. März 2009 die Aufstellung eines Einzelhandelsentwicklungs- und Zentrenkonzeptes beschlossen habe, der Grundlage für den Aufstellungsbeschluss zur 4. Änderung des Bebauungsplanes geworden sei. In diesem Zusammenhang sei nach § 15 BauGB beschlossen worden, das Vorhaben des Antragstellers zurückzustellen. Falls er einen Bauantrag stellen würde, müsse eine Entscheidung über Zulässigkeit des Vorhabens ausgesetzt werden, weil es voraussichtlich der Zielsetzung des Einzelhandelsentwicklungs- und Zentrenkonzeptes zuwiderlaufe.
Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz.
Das Verwaltungsgericht hat diesen mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt, weil die angegriffene Verfügung selbständig tragend auf formelle Illegalität des Vorhabens gestützt sei. Die Genehmigungsfähigkeit der genehmigungsbedürftigen Maßnahme sei nicht offensichtlich. Mit dem dauernden Aufenthalt von Beschäftigten und Kunden änderten sich die bauordnungsrechtlichen Anforderungen in mehrfacher Hinsicht. Auch die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden; ein geltend gemachter Verstoß gegen den GleichheitsSatz 1iege nicht vor.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Senats getroffen. Ihm ist darin zu folgen, dass die angegriffene Verfügung selbständig tragend auf die formelle Illegalität gestützt ist. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass ein sofort vollziehbares Nutzungsverbot ergehen darf, wenn ein genehmigungsbedürftiges Bauvorhaben ungenehmigt durchgeführt wird und seine Genehmigungsfähigkeit nicht offensichtlich ist. Dass hier eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung vorgenommen wurde, ist nicht ernsthaft fraglich. Maßgeblich ist hierfür der Unterschied zwischen dem für die ursprüngliche Baugenehmigung erklärten Nutzungszweck und der später tatsächlich aufgenommenen Nutzung. Ob die Anlage nach ihrer baulichen Auslegung von vornherein einer anderen Nutzung hätte dienen können, ist demgegenüber ohne Belang. Richtig ist ferner, dass die Genehmigungsfähigkeit der geänderten Nutzung nicht offensichtlich ist. Im Allgemeinen wird eine solche Offensichtlichkeit ohnehin erst dann angenommen werden können, wenn ein entsprechender Bauantrag zumindest in Ansätzen vorliegt, in dem das Vorhaben hinreichend "festgeschrieben" ist. Jedenfalls dann, wenn mit dem Vorhaben - wie hier - nennenswerter Publikumsverkehr verbunden ist, scheidet ein Offensichtlichkeitsurteil unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten regelmäßig aus.
Fragen wirft der vorliegende Fall hinsichtlich der Ermessensausübung allerdings aus anderen Gründen auf. Bis zum Anhörungsschreiben vom 5. Oktober 2009 verlief das bauaufsichtliche Verfahren ohne Auffälligkeiten. Danach scheint es jedoch zwischen den Beteiligten zumindest zu - beiderseits vermeidbaren - Missverständnissen gekommen zu sein. Die Anhörung hatte zwar die Möglichkeit einer Legalisierung des Vorhabens angesprochen, dies aber nicht durch Formulierungen etwa der Art veranschaulicht, hierfür müsse ein Baugenehmigungsantrag gestellt werden. Dies war auch selbstverständlich und ist vom Antragsteller ausweislich seiner E-Mail vom 13. Oktober 2009 genau so verstanden worden. Gleichwohl scheinen er selbst (Schreiben vom 25. Oktober 2009) und die von ihm beauftragte Firma (E-Mail vom 19. Oktober 2009) später in der irrtümlichen Vorstellung befangen gewesen zu sein, es sei nunmehr Sache der Antragsgegnerin, ihm "aufzugeben", was an der Halle geändert werden solle. Die Antragsgegnerin hat keine Gelegenheit genommen, dies richtig zu stellen. Es ist aber auch nicht ihre Aufgabe, dem Bauwilligen bei der Anfertigung seiner Baugenehmigungsanträge "die Hand zu führen". Ihr Schweigen bildete deshalb keine Vertrauensgrundlage für das Untätigbleiben des Antragstellers. Dieser hätte zumindest allen Anlass gehabt, etwa durch einfache fernmündliche Rückfrage beim zuständigen Sachbearbeiter in Erfahrung zu bringen, ob die Antragsgegnerin in Bezug auf die Frage der formellen Illegalität inzwischen anderen Sinnes geworden sei. Auch die Berichte in der örtlichen Zeitung über weitere Prüfungen der Antragsgegnerin stellten ihn nicht von den in der Anhörung beschriebenen Konsequenzen frei. Ein etwa bestehendes Missverständnis der Situation war selbst verschuldet und gab der Antragsgegnerin keinen Anlass, von bauaufsichtlichen Maßnahmen abzusehen.
Problematisch ist allerdings, dass die Antragsgegnerin nicht nur dieses Missverständnis des Antragstellers unbeachtet gelassen, sondern sich mit der Herausgabe ihrer Verfügung am 21. Dezember 2009 über ein von ihr in das neue Jahr vertröstendes Gesprächsangebot hinweggesetzt hat. Dafür sind auch mit Rücksicht auf den Grundsatz des § 10 Satz 2 VwVfG, Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen, keine nachvollziehbaren Gründe hervorgetreten. Der zeitliche Ablauf - Gesprächsanfrage vom 30. November 2009, Hinweis vom 17. Dezember 2009, dass ein Gespräch erst im kommenden Jahr möglich sein werde, und Herausgabe der Verfügung am 21. Dezember 2010 - hat objektiv vielmehr den Charakter eines bewussten Affronts. Selbst wenn leitende Beamte der Stadt keine freien Gesprächszeiten hatten, hätte es dem Gebot fairen Verfahrens weit eher entsprochen, dem anwaltlich vertretenen Antragsteller unter Hinweis auf den nahen Zeitpunkt der bevorstehenden Verfügung jedenfalls die Möglichkeit eines vorherigen Gesprächs mit Fachbeamten oder dem Rechtsamt anzubieten. Angesichts der hohen Bedeutung, welche gerade dieser Fall auch nach den Ratsvorlagen und den vorliegenden Zeitungsberichten für die örtliche Bauleitplanung hatte, liegt kaum nahe, dass die Antragsgegnerin hierfür überhaupt keine Kapazitäten freimachen konnte. Im Übrigen war das anwaltliche Gesprächsangebot auch nicht so ausgestaltet, dass die Antragsgegnerin von vornherein davon hätte ausgehen können, keinen Gewinn von einem solchen Gespräch zu haben.
Verschärft wird der Eindruck widersprüchlichen Verwaltungshandelns durch die - hier an sich nicht entscheidungserhebliche - Argumentation des angefochtenen Bescheides zur planungsrechtlichen Rechtslage. Aus der Verfügung ergibt sich kein Hinweis darauf, dass das Vorhaben nach den Festsetzungen des gegenwärtigen Bebauungsplanes unzulässig sein könnte. Sie verweist zunächst auf ein zum damaligen Zeitpunkt offenbar noch unfertiges, erst im September 2009 im Entwurf vorgelegtes Einzelhandelsentwicklungs- und Zentrenkonzept, das seinerseits keine unmittelbare Rechtsquelle darstellt (vgl. dazu Hoffmann/Kassow, BauR 2010, 711; Terwiesche, NVwZ 2010, 553). Ein Aufstellungsbeschluss für die 4. Änderung des Bebauungsplanes, der Basis für die Zurückstellung eines Baugenehmigungsantrags sein konnte, ist erst am 17. Dezember 2009 gefasst und am 19. Dezember 2009 bekannt gemacht worden. Der Eindruck des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Verfügung vom 21. Dezember 2009 gewissermaßen nur auf diesen Aufstellungsbeschluss gewartet hatte, um planungsrechtlich überhaupt etwas "in der Hand zu haben", scheint also nicht unberechtigt zu sein.
Das wirkt sich allerdings im Ergebnis nicht aus, weil diese spezifische Verfahrensgestaltung nicht kausal für den dem Antragsteller nachteiligen Ausgang ist. Denn auch wenn er unverzüglich nach der Anhörung vom 5. Oktober 2009 einen bearbeitungsfähigen Bauantrag vorgelegt hätte, hätte er damit noch keine Baugenehmigung gehabt. Zwar besteht eine Amtspflicht zu zügiger Sachbearbeitung; eine Gemeinde darf mit der Bescheidung eines Bauantrages deshalb nicht abwarten, bis - irgendwann - ein die Zurückstellung des Vorhabens ermöglichender Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst worden ist (BGH, Urt. v. 12.7.2001 - III ZR 282/00 -, NVwZ 2002, 124). Der Zeitraum, der für eine ordnungsgemäße Bearbeitung des Antrags ohnehin erforderlich ist, darf aber genutzt werden. Das müssen nicht in jedem Fall die drei Monate sein, die § 75 VwGO zugesteht (Untätigkeitsklage); dass eine kürzere Bearbeitungsfrist ausgereicht hätte, bedürfte jedoch näherer Begründung. Hier lagen zwischen der Anhörung und der Nutzungsuntersagung (5. Oktober, 21. Dezember) noch keine drei Monate; ein Baugenehmigungsantrag hätte in diesem Zeitraum also nicht zwingend beschieden werden müssen. Ein Zurückstellungsbescheid hätte infolgedessen ebenfalls in diesem Zeitrahmen ergehen dürfen.
Ebenfalls im Ergebnis unschädlich ist die zunächst eher zurückhaltende Behandlung des vom Antragsteller geltend gemachten Verstoßes gegen den Gleichheitssatz. Es ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt und bedarf keiner näheren Darlegung mehr, dass bauaufsichtliche Maßnahmen nicht einseitig gegen bestimmte Rechtsverletzer gerichtet werden dürfen, wenn in handgreiflicher Nähe vergleichbare Verstöße auftreten. Dabei sind die Bauaufsichtsbehörden zwar nicht gehalten, gleichsam ungefragt auf die Suche nach Vergleichsfällen gehen; sie sind dazu regelmäßig personell nicht in der Lage und auf Hinweise auf der Bevölkerung angewiesen, um Baurechtsverstöße aufzudecken. Liegen solche Hinweise jedoch vor, haben sie ihnen ernsthaft nach- und gegebenenfalls systematisch gegen die Verstöße vorzugehen. Nicht zuletzt wegen der praktischen Schwierigkeiten, die bei der Ermittlung und Bewertung von Vergleichsfällen auftreten können, hält der Senat es für ausreichend, wenn das systemgerechte Vorgehen noch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft dargelegt wird (vgl. z.B. Urt. v. 26.81994 - 1 L 311/91 -, BRS 56 Nr. 205).
Als Vergleichsfälle kommen danach die Firmen F. und G. in Betracht; die anderen vom Antragsteller genannten Firmen sind zu weit entfernt. Hinsichtlich der Firma G. fehlt es jedoch bereits an der Vergleichbarkeit der Fälle, weil dort jedenfalls keine Bekleidung angeboten wird; der Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG würde zu weit gespannt, wenn auch andere Sortimente in die Betrachtung einbezogen würden. Es bedarf deshalb keiner Prüfung mehr, ob die genannte Firma - wie die Antragsgegnerin vorträgt - Stoffe, Wohnaccessoires und Einrichtungszubehör nur als Dekorations- und Ausstellungsobjekte vorhält.
Die gerügten Verstöße im Bereich der Firma F. sind demgegenüber auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG von besonderem Gewicht, weil der Bebauungsplan in der textlichen Festsetzung Nr. 2.3 für das dortige Sondergebiet "Bekleidung" aus dem zulässigen Warensortiment ausschließt. Die unzulässige Sortimentserweiterung ist nicht genehmigt.
Darauf hat die Antragsgegnerin inzwischen jedoch ausreichend reagiert, nämlich den Verkauf von Bekleidung mit Verfügung vom 22. Juni 2010 sofort vollziehbar untersagt. Das reicht nach der oben angeführten Senatsrechtsprechung grundsätzlich aus; bei einer daraufhin erklärten Erledigung des Verfahrens hätte der Antragsteller möglicherweise Kostenfolgen vermeiden können. Dass das Einschreiten nicht zeitgleich erfolgt ist, hat bei der Ermessenüberprüfung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes dagegen für sich genommen zunächst keine Folgen. Es gibt allenfalls Anlass zu folgenden Hinweisen für die Zukunft:
Es genügt nicht, dass nur bis zum Stichtag der gerichtlichen Eilentscheidung hinreichende Maßnahmen ergriffen worden sind; das gleichmäßige Vorgehen ist vielmehr Daueraufgabe. Sollte die Antragsgegnerin in Zukunft zu Lasten des Antragstellers in der Verfolgung von Vergleichsfällen nachlassen, könnte dies im Rahmen eines Änderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 NBauO Berücksichtigung finden oder bei Rechtsbehelfen gegen Zwangsmittel. Anlass zu einer genauen "Nachschau" besteht zur Genüge. Denn das bisherige Verfahren vermittelt den Eindruck, dass sich sowohl der Antragsteller als auch andere Firmen bei der Befolgung baurechtlicher Vorschriften - möglicherweise durch zu große Zurückhaltung der Antragsgegnerin bei der Bauaufsicht bestärkt - zu Unrecht eine erhebliche "Toleranzbreite" einräumen. Die Firma F. hat sogar ausdrücklich die irrige Auffassung vertreten, sie dürfe die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes "nach Sinn und Zweck", d.h. nach Maßgabe der Anschauungen der in der E. r Innenstadt ansässigen Kaufmannschaft einschränkend auslegen, und der Antragsgegnerin anheim gestellt, diese Darlegung auch in dem hier anhängigen gerichtlichen Verfahren zu "verwenden". Ein bauaufsichtliches Vorgehen, das solche Fehlvorstellungen bei allen Betroffenen nicht nachhaltig ausräumt, würde die Anforderungen eines im oben angeführten Sinne "systematischen" Vorgehens nicht erfüllen.
Der Senat verkennt nicht, dass es den Bauaufsichtsbehörden schon wegen der Personalsituation kaum möglich ist, die Einhaltung des Baurechts mit Routinekontrollen sicherzustellen. Auch nach der Rüge des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz mag für ihre Kontrolleure nicht ganz einfach gewesen sein, auf der nach neuesten Presseberichten immerhin 44.000 m² großen Verkaufsfläche der Firma F. die zum Verkauf angebotene Bekleidung aufzufinden, zumal die vorgelegten Lichtbilder teilweise auch zulässige Sortimente zeigen. Die Antragsgegnerin und ihre Bedientesten müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass in prozessualen Situationen der vorliegenden Art genaue Kontrollen erforderlich sind; eine bei Routinekontrollen hinnehmbare gewisse Großzügigkeit reicht dann rechtlich nicht mehr aus.
Der Umstand, dass die Firma F. faktisch für einen gewissen Zeitraum noch die Möglichkeit eines "Räumungsverkaufes" für die restlichen Bekleidungswaren hatte, ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Auch ein an sich berechtigtes bauaufsichtliches Entgegenkommen darf allerdings nicht zu einer "Schieflage" zwischen Vergleichsfällen führen. Es war deshalb sachgerecht, dass die Antragsgegnerin durch ihr späteres Angebot eines befristeten Abverkaufs in der "Halle 12" einen Ausgleich vorzunehmen versucht hat; dies wird ggfs. auch in Zukunft anzustreben sein.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.