Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.07.2010, Az.: 1 ME 128/10
Zuständigkeit bei einer einstweiligen Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses über eine Entscheidung zum Antrag des erstinstanzlich unterlegenen Antraggegners i.R.d. Weiterleitung der Akten an das Beschwerdegericht durch das Verwaltungsgericht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.07.2010
- Aktenzeichen
- 1 ME 128/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 21203
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0707.1ME128.10.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 14 ROG
- § 2 Abs. 2 BauGB
- § 33 BauGB
- § 89 NBauO
- § 80 VwGO
- § 80a VwGO
- § 123 VwGO
- § 146 Abs. 4 S. 5 VwGO
- § 149 Abs. 1 S. 2 VwGO
- Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG
Fundstellen
- DÖV 2010, 828
- FStNds 2010, 535-541
- NVwZ-RR 2010, 790-792
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Jedenfalls dann, wenn das Verwaltungsgericht die Akten an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat, ist nur dieses zur Entscheidung über den Antrag des erstinstanzlich unterlegenen Antraggegners berufen, die Vollziehung des Beschlusses einstweilen auszusetzen.
- 2.
Zu den Maßstäben, die bei einer solchen Entscheidung anzulegen sind.
Gründe
Die vor dem Verwaltungsgericht unterlegene Antragsgegnerin möchte die Antragstellerin durch eine Zwischenentscheidung des Senats daran hindern lassen, im Schutze der erstinstanzlichen Eilentscheidung den am Tage ihres Erlasses (23.6.2010) als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 1/30 G "Sondergebiet Garbsen Mitte" am 8. Juli 2010 in ihrem Amtsblatt bekannt machen zu lassen. Sie hält die Absicht der Antragstellerin für raumordnungsrechtswidrig, nördlich der BAB 2 neben dem neuen Rathaus, der Polizeidienststelle, einem Kino und einer Fitnesseinrichtung ein Einkaufs- und Dienstleistungszentrum mit einer Verkaufsfläche von 19.600 m² zu planen. Sie meint insbesondere, die Antragstellerin müsse den Sortimentsbereich "Haushalt und persönlicher Bedarf", der auf etwa 4.575 m² verwirklicht werden soll, stärker aufschlüsseln und hinsichtlich bestimmter Teilsortimente beschränken. Außerdem müsse das sog. Planetencenter - ein südlich der BAB 2 stehender, auf der Grundlage eines 1982 in Kraft gesetzten Bebauungsplans (Nr. 1/5 A) verwirklichter Baukomplex - auf maximal 12.000 m² Verkaufsfläche reduziert werden. Anderenfalls würden (insbesondere) folgende Bestimmungen des als Neufassung am 22. Mai 2008 (GVBl. S. 132) bekannt gemachten Landesraumordnungsprogramms Teil II (s. Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen - Teil II - vom 21. Januar 2008, GVBl. vom 29.1.2008, Seite 26) - Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot - verletzt:
2.3 Entwicklung der Versorgungsstrukturen
01 .......
02 ......
03
1 Verkaufsfläche und Warensortiment von Einzelhandelsgroßprojekten müssen der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes entsprechen (Kongruenzgebot).2Der Umfang neuer Flächen bestimmt sich auch aus den vorhandenen Versorgungseinrichtungen und der innergemeindlichen Zentrenstruktur.
3Die Träger der Regionalplanung können in den Regionalen Raumordnungsprogrammen im Einzelfall Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte jenseits der Gemeindegrenze des kongruenten Zentralen Ortes in einem benachbarten Mittel- oder Grundzentrum festlegen.
4Voraussetzung ist, dass den Grundsätzen und Zielen zur Entwicklung der Versorgungsstrukturen in gleicher Weise entsprochen wird wie bei einer Lage innerhalb des kongruenten Zentralen Ortes.
19
Ausgeglichene Versorgungsstrukturen und deren Verwirklichung, die Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte und integrierter Versorgungsstandorte sowie die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung dürfen durch neue Einzelhandelsgroßprojekte nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Beeinträchtigungsverbot).
...
Das Verwaltungsgericht hat dem am 22. Januar 2010 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der gegen die auf § 14 ROG gestützte raumordnungsrechtliche Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2010 erhobenen Klage (4 A 840/10) anzuordnen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2010 mit Beschluss vom gleichen Tage, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
Die Kammer lasse trotz erheblicher Bedenken unentschieden, ob die zitierten, auch im Original fett gedruckten und damit als Ziel gekennzeichneten Anordnungen die für eine Letztverbindlichkeit erforderliche Bestimmtheit aufwiesen. In der Untersagungsverfügung habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen jedenfalls dahin gebunden, abweichend von den generellen Vorgaben des Landes- und des Regionalen Raumordnungsprogramms der Antragsgegnerin ein Einzelhandelsprojekt mit einer Verkaufsfläche von 19.600 m² als mit der Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich der Antragstellerin kongruent anzusehen, wenn die Bedingungen, die sie in dem über Jahre geführten Moderationsverfahren entwickelt habe, jedenfalls im Wesentlichen erfüllt würden. Die Verkaufsfläche des streitigen Planvorhabens sei von anfangs 24.000 m² deutlich reduziert worden. Im Planetencenter könnten mehr als die genannten 12.000 m² Verkaufsfläche realistischerweise nicht mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden; dieses sei praktisch zu einer Ramscheinrichtung abgesunken. Als "vorhandene" Versorgungseinrichtungen im Sinne der Ziffer 2.3 03 Satz 2 LROP II 2008 seien lediglich theoretisch aktivierbare Einrichtungen nicht anzusehen, sondern nur solche, die realistischerweise betrieben/reaktiviert werden könnten. Das sei hinsichtlich des Planetencenters, welches über Jahre bis Jahrzehnte erhebliche Leerstände zu verzeichnen habe, zu beträchtlichen Teilen zu verneinen. Eine weitergehende Differenzierung des Sortiments könne der Antragstellerin zur Einhaltung des Kongruenzgebots nicht abverlangt werden. Denn dieses bestimme sich nicht aus dem Blick der - hier mit den Beigeladenen zu 2 und 3 teilweise verfahrensbeteiligten - Nachbargemeinden, sondern nur aus dem der Standortgemeinde. Das Beeinträchtigungsverbot werde ebenfalls nicht verletzt. Nach den vorliegenden Marktgutachten der GfK und der GMA aus dem Jahre 2009 werde die Funktionsfähigkeit des zu 2. beigeladenen Mittelzentrums nicht wesentlich beeinträchtigt. Hinsichtlich einiger Sortimente (namentlich Bekleidung, Spielwaren, Sport, Foto und Uhren) würden zwar Umsatzrückgänge zwischen 10 und 20 v. H. prognostiziert. Das betreffe jedoch nicht Magnet-/Ankerbetriebe, von deren Existenz einer der zentralen Versorgungsbereiche abhänge.
Die Antragsgegnerin hat ihre am 24. Juni 2010 eingelegte Beschwerde gegen diese Entscheidung bislang nur teilweise begründet und möchte mit der erstrebten Zwischenentscheidung erreichen, die Beschwerdebegründungsfrist angesichts der Kompliziertheit der Sach- und Rechtslage vollständig ausnutzen zu können, ohne mit der Bekanntmachung des Bebauungsplanes Nr. 1/30 G "Sondergebiet Garbsen Mitte" hinnehmen zu müssen, dass sich ihre raumordnungsrechtliche Untersagungsverfügung vom 15. Januar 2010 erledigt.
Die Antragstellerin und die Beigeladene zu 1 treten dem entgegen; die Beigeladene zu 2 unterstützt das Anliegen der Antragsgegnerin. Sie werde gegen den Vorbescheid, den die Antragstellerin der Beigeladenen zu 1 als untere Bauaufsichtsbehörde am 24. Juni 2010 auf der Grundlage von§ 33 BauGB erteilt habe und der die bauplanungsrechtliche Seite des streitigen Vorhabens in der Neuen Mitte im Wesentlichen abschließend regele, im Wege des gemeindlichen Abwehrantrags vorgehen. Das ändere aber nichts an der Erforderlichkeit, das raumordnungsrechtliche Verfahren liquide zu halten.
Der Antrag, zu Lasten der Antragstellerin eine Zwischenentscheidung zu treffen, hat keinen Erfolg.
Der Senat ist hierfür zuständig. Er schließt sich der herrschenden Meinung an, jedenfalls nach Abgabe der Sache an das Oberverwaltungsgericht sei für eine Aussetzungsentscheidung des Verwaltungsgerichts kein Raum mehr; denn die Befugnis aus § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO korrespondiere mit der Möglichkeit, einer Beschwerde noch abhelfen zu können (§ 148 VwGO). Diese sei dem Verwaltungsgericht in Verfahren nach §§ 80, 80a und 123 VwGO durch § 146 Abs. 4 Satz 5, Halbs. 2 VwGO genommen.
Hinsichtlich der Entscheidungsmaßstäbe kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die erstrebte Zwischenentscheidung auf § 149 VwGO oder § 570 Abs. 3 ZPO (i.V.m. § 173 VwGO) zu stützen ist. "Ob" und "Wie" einer Zwischenentscheidung/einstweiligen Anordnungen sind nach Ermessen zu bestimmen. Dabei spielen in unterschiedlichem Maße das Gewicht der konkurrierenden Interessen sowie die Erfolgsaussichten eine Rolle. Droht bei fehlender einstweiligen Anordnung ein nicht wieder gut zu machender Zustand einzutreten (Hauptbeispiel: Abschiebung eines Ausländers), kann es gerechtfertigt sein, ohne Rücksicht auf die absehbaren Erfolgsaussichten zu entscheiden (vgl. z.B. HessVGH, B. v. 4.4.2000 - 12 TZ 577/00 -, ESVGH 50, 212 = DVBl. 2000, 1464 = NVwZ 2000, 1318). Im übrigen aber kommt es auch darauf an, ob und ggf. welchen Umfangs der eingelegte Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat.
Danach ergibt sich hier Folgendes:
Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin drohen nicht nur bei ihr "endgültige Tatsachen". Es mag sein, dass sich die Untersagungsverfügung vom 15. Januar 2010 erledigt, wenn der Bebauungsplan Nr. 1/30 G "Sondergebiet Garbsen Mitte" am 8. Juli 2010 mit der Bekanntmachung in Kraft tritt. Doch auch auf Seiten der Antragstellerin drohen im Falle einer Antragstellgabe "endgültige Tatsachen" einzutreten. Nach § 17 Nr. 2 lit. f des Durchführungsvertrages (vgl. Bl. 1502 BA G) darf der zu 1. beigeladene Investor kündigen, wenn der genannte Bebauungsplan nicht innerhalb von Fristen in Kraft tritt, die verstrichen sind/sein würden, wenn dem Aussetzungsantrag (und der Beschwerde) stattgegeben würde(n). Investoren für Vorhaben dieser Größenordnung zu finden, ist nicht leicht. Wie das weiter unten etwas eingehender zu betrachtende Verwertungs-Schicksal des Planetencenters zeigt, ist es auch nicht möglich, dann schlicht auf ein anderes Vorhaben auszuweichen, um eine "Neue Mitte" zu erreichen.
Es kommt hinzu: Mit der Bekanntmachung des Bebauungsplanes Nr. 1/30 G "Sonder-gebiet Garbsen Mitte" ist das Raumordnungsrecht "nicht am Ende". Erst der Betrieb des großflächigen Einzelhandelsvorhabens kann die genannten Ziele effektiv beeinträchtigen. Diese können auf andere Weise - jedenfalls im Wesentlichen - gewahrt werden. Wesentlicher Zweck des Prinzips, zentrale Orte zu staffeln, ist nach Nr. 1.2.2 der Begründung zum Landesraumordnungsprogramm 2008, eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen und Mindeststandards in der Versorgung zu gewährleisten. Zu 2.3 Ziffer 03 LROP II 2008 wird (a.a.O., Seite 39) ausgeführt, zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Landes zähle auch die möglichst gute Versorgung der Bevölkerung mit einem vielfältigen Angebot an Waren und Dienstleistungen des Einzelhandels in zumutbarer Entfernung vom Wohnort. Einzelhandel gehöre als Teil der Daseinsvorsorge in Bezug auf seine räumlichen Wirkungen zum Regelungsbereich der Raumordnung. Die raumordnerischen Anforderungen erstreckten sich dabei in erster Linie auf die bauleitplanerische Ausweisung von Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte. Zu ihrer Steuerung hätten (erstes der fünf sog. Grundprinzipien) Warensortiment und Verkaufsfläche dem Versorgungsauftrag und dem Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes zu entsprechen. Das Beeinträchtigungsverbot flankiere das, habe allerdings im Unterschied zu den anderen Prinzipien (Kongruenz-, Konzentrations-, Integrations- und Abstimmungsgebot) keine räumliche Steuerungswirkung, sondern wirke als Regulativ bei der Beurteilung von Warensortiment und Verkaufsfläche der Einzelhandelsgroßprojekte auf die einzelnen Komponenten ausgeglichener Versorgungsstrukturen und verhindere damit eine Verletzung des Kongruenz-, Konzentrations- und Integrationsgebotes zur räumlichen Steuerung von Einzelhandelsgroßprojekten.
Einen Großteil dieser Gesichtspunkte können benachbarte Gemeinden im Rahmen interkommunaler (Abwehr-)Streitigkeiten geltend machen. Das gilt namentlich nach der Novellierung des § 2 Abs. 2 BauGB. Dessen Satz 2 lässt es entgegen früher herrschender Meinung (vgl. Nachweise bei Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Komm. 11. Aufl. § 2 Rdnr. 24) nunmehr (EAG Bau 2004) zu, dass sich benachbarte Gemeinden - hier ist insbesondere an das zu 2. beigeladene Mittelzentrum zu denken - auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen als eigenes Recht, außerdem auf Auswirkungen berufen können, welche das in Rede stehende Vorhaben auf ihre zentralen Versorgungsbereiche haben (können). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. namentlich die Urteile vom 17. 12. 2009 - 4 C 1.08 -, DVBl. 2010, 516 = NVwZ 2010, 587 = BauR 2010, 732, und 4 C 2.08 -, NVwZ 2010, 590 [BVerwG 17.12.2009 - BVerwG 4 C 2.08]) kann "Zentralität" dabei durchaus kleinteilig sein. Auch ein Bereich, der auf die Grund- und Nahversorgung eines örtlich begrenzten Einzugsbereichs zugeschnitten ist, kann danach eine zentrale Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wahrnehmen. Der Zweck des Versorgungsbereichs soll in diesem Fall in der Sicherstellung einer wohnortnahen Grundversorgung der im Einzugsbereich lebenden Bevölkerung bestehen. Das zeigt, dass jedenfalls die - eigener Aussage nach zur Anfechtung des Vorbescheids vom 24. Juni 2010 ohnedies entschlossene - Beigeladene zu 2, möglicherweise auch die Beigeladene zu 3 im Rahmen interkommunal geführter "Nachbar"-Streitigkeiten ganz wesentliche Teile der Gesichtspunkte geltend machen können, deretwegen der Landesraumordnungsgesetzgeber - wenngleich auf deutlich abstrakterer Ebene - das System Zentraler Orte etabliert und mit den oben eingerückten Passagen der Änderungsverordnung vom 21. Januar 2008 (GVBl. vom 29. Januar 2008, Seite 26) weiter differenziert hat. Endgültig hintanstehen muss das Raumordnungsrecht mit anderen Worten nicht, wenn der am 23. Juni 2010 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 1/30 G "Sondergebiet Garbsen Mitte" am 8. Juli 2010 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht wird.
Neben der Frage, welchen Umfangs "endgültige Tatsachen" einzutreten drohen, sind allerdings auch die Erfolgsaussichten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, ob und ggf. in welchem Umfang eine Aussetzungsentscheidung nach §§ 149, 173 VwGO, 570 Abs. 3 ZPO zu treffen ist. Dazu gilt Folgendes:
Im Ausgangspunkt verleiht § 14 Abs. 3 ROG der Antragsgegnerin eine stärkere Position. Diese Vorschrift lautet insgesamt:
§ 14 Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen
(1)
Die Raumordnungsbehörde kann raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sowie die Entscheidung über deren Zulässigkeit gegenüber den in § 4 genannten öffentlichen Stellen unbefristet untersagen, wenn Ziele der Raumordnung entgegenstehen.(2)
Die Raumordnungsbehörde kann raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sowie die Entscheidung über deren Zulässigkeit gegenüber den in § 4 genannten öffentlichen Stellen befristet untersagen, wenn sich ein Raumordnungsplan in Aufstellung befindet und wenn zu befürchten ist, dass die Planung oder Maßnahme die Verwirklichung der vorgesehenen Ziele der Raumordnung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde. Die Dauer der Untersagung beträgt bis zu zwei Jahre. Die Untersagung kann um ein weiteres Jahr verlängert werden.(3)
Rechtsbehelfe gegen eine Untersagung haben keine aufschiebende Wirkung.
Ähnlich wie bei § 212a BauGB zeigt der Gesetzgeber durch Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von (dort: Dritt-)Widersprüchen, dass den Belangen desjenigen, den der angegriffene Bescheid begünstigt, ein gewisses "Vollzugs-Prä" einräumt (vgl. BVerwG, B. v. 14.4.2005 - 4 VR 1005.04 -, BVerwGE 123, 241 = DVBl. 2005, 717 = BauR 2005, 1145 = UPR 2005, 277 = BRS 69 Nr. 182). Die vom Gesetzgeber angeordnete Vollziehbarkeit einer Entscheidung schlägt bei der Interessenabwägung, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellen ist, mit erheblichem Gewicht zu Buche. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich dieses Interesse gegenüber dem Aufschubinteresse regelhaft durchsetzt. Das bedeutet auch nicht, dass dies in jedem Verfahrensstadium so bleiben muss. Wird dem Eilantrag stattgegeben, kehrt § 149 Abs. 1 VwGO das Verhältnis um. Das geschieht möglicherweise in der von der Beigeladenen zu 1 akzentuierten Erkenntnis, selbst Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiere keinen Instanzenzug. Sei ein Verfahrensbeteiligter erstinstanzlich unterlegen, habe das für ihn zur Folge, dass er seine (Nicht-)Vollzugs-Interessen nur unter erschwerten Voraussetzungen, nämlich dann einstweilen, d.h. vor Abschluss der zweiten Instanz durchsetzen könne, wenn sich die angegriffene Entscheidung als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fehlerhaft erweist (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 149 Rdnr. 4 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist dabei allerdings nur das Vorbringen, das innerhalb der in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bezeichneten Grenzen relevant ist. Außerdem wird es durch das begrenzt, was bis zu diesem Senatsbeschluss vorgetragen worden ist. Insofern fällt hier zu Lasten der Antragsgegnerin ins Gewicht, dass sie trotz fünfmonatiger Verfahrensdauer und mündlicher Verhandlung die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht nur als "summarische" Würdigung des Sachverhalts anzusehen sind, unter Ausschöpfung der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) attackieren will. Das begrenzt dann auch die Nachprüfungspflicht des Senats bei der Prüfung, ob die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit fehlerhaft ist. Das ist nicht der Fall.
Der Erlass der Untersagungsverfügung lag, wie der Wortlaut des § 14 Abs. 1 ROG zeigt, im Ermessen der Antragsgegnerin. Es sprechen beachtliche Gründe für die Annahme, die Antragsgegnerin habe ihre Ermessensentscheidung im Bescheid vom 15. Januar 2010 davon abhängig gemacht, dass beide gleich eingangs des Bescheides genannten raumordnungsrechtlichen Ziele - Kongruenzgebot und (!) Beeinträchtigungsverbot - verletzt sind. Das legen schon die Ausführungen auf Seite 17 des Bescheides nahe, wo eine enge Beziehung zwischen beiden von der Antragsgegnerin als Ziele eingestuften "Anordnungen" hergestellt wird, vor allem aber die Ausführungen auf Seite 22 des Bescheides. Dort macht die Antragsgegnerin nicht deutlich, sie übe das an dieser Stelle behandelte Ermessen dahin aus, jeder der Verstöße - gegen das eher "abstrakte" Kongruenzgebot (Einhaltung des Prinzips der Zentralen Orts "um seiner selbst willen", d.h. um Konflikte schon im Vorfeld auszuschließen) und das auf die Verhältnisse in betroffenen Nachbargemeinden abzielende, mithin eher "konkrete" Beeinträchtigungsverbot - rechtfertige ein Einschreiten. Vielmehr werden beide als Ziele eingestuften Anordnungen mit einem "und" nebeneinander gestellt und noch dazu ausgeführt, beide seien nicht nur geringfügig und mit mehr als nur unwesentlichen Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur im Umkreis der Antragstellerin, namentlich im Hinblick auf die Beigeladene zu 2 verletzt. Macht die Behörde ihre Ermessensausübung von diesen ("Tatbestands"-)Voraussetzungen abhängig, leidet die Verfügung an einem Ermessensmangel, sollte sich nur eine der Annahmen als rechtsfehlerhaft erweisen.
Allerdings ist es der Behörde - ähnlich wie im Falle einer auf § 89 NBauO gestützten Nutzungsuntersagung, die "ohne Not" tragend darauf gestützt wird, die untersagte Nutzung sei auch materiell baurechtswidrig (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 16.10.2006 - 1 ME 171/06 -, BauR 2007, 356 = NVwZ-RR 2007, 306 = NdsVBl 2007, 50 = BRS 70 Nr. 188) - nicht gehindert, im Laufe eines Gerichtsverfahrens "anderen Sinnes", d.h. "klüger" zu werden und ihre bisherigen Ausführungen zur Ermessensausübung zu korrigieren. Es ist nicht verlässlich abzusehen, ob dies der Antragsgegnerin mit den Ausführungen auf Seite 11 ihres Schriftsatzes vom 31. Mai 2010 (Bl. 208 GA) gelungen ist. Denn in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 23. Juni 2010 (S. 2 des Protokolls) hat sie dies in einer eigenartigen, schwer zu deutenden Weise wieder relativiert.
Das kann für die hier anstehende Entscheidung über den Aussetzungsantrag letztlich unentschieden bleiben. Denn beide Annahmen (Verstoß gegen das Kongruenzgebot und das Beeinträchtigungsverbot) erweisen sich angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichts als so angreifbar, dass eine einstweilige Aussetzung seiner Entscheidung ausscheidet. Dazu ist in der allein möglichen Kürze folgendes auszuführen:
Nach den Ausführungen auf Seiten 12 f. der Untersagungsverfügung vom 15. Januar 2010 sieht die Antragsgegnerin das Kongruenzgebot bei einer Überschreitung der Verkaufsfläche im Bebauungsplan Nr. 1/30 G "Sondergebiet Garbsen Mitte" von 15.000 m² namentlich dann als raumordnungsrechtlich unverträglich an, wenn das sog. Planetencenter nicht auf die Größe eines (noch) angemessenen Stadtteilzentrums reduziert wird. Dabei sind die Ausführungen der Antragsgegnerin - auch im Rahmen des zweiten Rechtszuges - von der Einschätzung getragen, es komme auf die bestandsgeschützt genehmigten Flächen an. Das ist so unzweifelhaft richtig nicht. Das Verwaltungsgericht hat mit triftigen Erwägungen angenommen, bei der Behandlung von Ziffer 2.3 03 Satz 2 LROP II 2008 ("vorhandene Versorgungseinrichtungen") dürfe nicht schlicht auf bestandskräftig genehmigte Flächen abgestellt werden. Vielmehr sei Raum auch für Überlegungen, ob deren Belegung mit raumordnungsrechtlich relevantem Sortiment denn realistischerweise erwartet werden könne. Das ist ein Gesichtspunkt, der schon im Senatsurteil vom 17. Januar 2008 (-1 LB 154/07 -, OVGE 51, 422 = ZfBR 2008, 482 = BRS 73 Nr. 87) eine Rolle gespielt hatte. Das in der anonymisierten Fassung der Entscheidung als N.-Gelände bezeichnete Objekt war aus der Betrachtung nicht etwa erst wegen fehlender Zentralität, sondern deshalb ausgeschieden worden, weil nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten und der beiden zu diesem Sachverhalt beteiligten Gutachter eine Verwirklichung von Versorgungseinrichtungen auf diesem Gelände entgegen früherer Absicht ernstlich nicht mehr in Betracht kam. Nach dem ausgesprochen wechselhaften Schicksal, das die Verwertung des sog. Planetencenters genommen hatte und in der mündlichen Verhandlung nochmals erörtert worden war (vgl. Seiten 3 des Protokolls), müssten schon ganz besondere Gesichtspunkte hinzutreten, die es erwarten ließen, ausgerechnet die Etablierung des Vorhabens, das mit dem Bebauungsplan Nr. 1/30 G vorbereitet wird, solle Anlass sein (können), dem jenseits der BAB 2 gelegenen, nach den Luftbildern bei BING unattraktiv gestalteten Planetencenter "neuen Atem einzugeben", d.h. einen Investor veranlassen, erhebliche Beträge zur Verbesserung dieser von der Neuen Mitte ja nicht übermäßig weit entfernten Immobilie anzulegen. Dass das nicht ausgeschlossen ist bzw. insoweit eine "nicht gänzlich fernliegende Besorgnis" besteht, reicht für die Annahme einer "Wiederbelebung" - als solche wäre das nach jahrelanger Stagnation ja schon anzusehen - nicht aus.
Es liegt des Weiteren nicht mit der allein ausreichenden Eindeutigkeit auf der Hand, dass die Ausführungen auf Seite 4 oben der Beschwerdeschrift vom 30. Mai 2010 die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 18 unten des Beschlussabdruckes ausreichend widerlegen, die Zusammensetzung der Sortimente sei allenfalls im Hinblick auf das Beeinträchtigungsverbot, nicht aber im Hinblick auf das Kongruenzgebot von wesentlicher Bedeutung. Gerade wenn man den Gedanken der Antragsgegnerin akzentuierte, Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot ergänzten einander nach Art zweier Seiten einer Medaille, würde sich die in diesem Verfahrensstadium nicht eindeutig zum Vorteil der Antragsgegnerin zu beantwortende Frage stellen, ob die im Gutachten der GMA vom September 2009 (dort zusammenfassend Seite 56) beobachtete Überdimensionierung bestimmter Sortimente (namentlich Spielwaren, Bekleidung, Uhren) in den benachbarten Grund- und Mittelzentren denn zu Umsatzeinbußen führen, welche dort die Erfüllung der zentralörtlichen Funktion und/oder die Nahversorgung der Bevölkerung ernstlich gefährdet.
Nun kommt zwar in Betracht anzunehmen, dass Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot nicht zwingend zwei miteinander korrespondierende Anordnungen darstellen und es dem Landesraumordnungsrecht eher entspricht, (schon) mit dem Kongruenzgebot als der Bauleitplanung vorgegebene "abstrakte Stufe" (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2009 - 4 C 1.08 -, a.a.O., Rdnrn. 23 und 24) bereits im Vorfeld konkreter Beeinträchtigungen Anordnungen zu treffen. Dafür würde sprechen, dass die Sortimentszusammenstellung als Indikatoren des Ab- und Zuflusses von Kaufkraft nicht erst in Ziff. 2.3 03 Satz 19 (Beeinträchtigungsverbot), sondern schon im Rahmen des Kongruenzgebotes (Ziff. 2.3 03 Satz 1) neben der Verkaufsfläche als Indikator genannt ist. Hinsichtlich bestimmter Sortimente prognostiziert die genannte GMA-Untersuchung zwar unter anderem im Hinblick auf die Beigeladene zu 2 beachtliche Umsatzeinbußen. Gerade deshalb wäre es aber erforderlich, genauer, als dies in diesem Verfahrensstadium geschehen kann, den Verflechtungsbereich, in den die Antragstellerin eingebettet ist, zu bestimmen. Es kommt in Betracht anzunehmen, er sei von der Antragsgegnerin zu eng bestimmt worden. Immerhin konzediert der Landesraumordnungsgesetzgeber auf Seiten 35 der Begründung (zu Ziffer 2.2 03 Sätze 5 - 7) und Seiten 36/37 (zu Ziffer 2.2 0433 Satz 4), es gebe Bereiche, in denen aufgrund günstiger Verkehrsbeziehungen und -bedingungen Ober- und Mittelzentren erheblichen Umfangs miteinander verflochten sind. In diesem Zusammenhang wird als Nachbarort zwar nur Langenhagen und nicht Garbsen und Neustadt a. Rbg. genannt. Langenhagen ist Garbsen indes näher benachbart als Neustadt. Garbsen ist zudem über Autobahn und Landesstraßen, sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln (die Linie 4 der ÜStra Hannover verbindet Garbsen mit der Landeshauptstadt) im Umfeld gut vernetzt. Außerdem darf nicht außer acht gelassen werden, dass Garbsen (wohl) das größte Mittelzentrum in diesem Bereich darstellt. Schon das legt eine genauere Betrachtung der Verflechtungsbereiche nahe. Diese mag dann zu einem Ergebnis führen, welches die Auffassung der Antragsgegnerin bestätigt. Als mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig kann das im gegenwärtigen Verfahrensstadium indes nicht angesehen werden.
Auch hier ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass Garbsen wohl das größte Mittelzentrum darstellt und angesichts der Defizite, welche auch nach der GMA-Äußerung vom September 2009 (BA H, dort Seiten 5 ff.) in Bezug auf die Angebotsstruktur in Garbsen zu verzeichnen waren (starkes "Stagnieren" des hinsichtlich seiner Attraktivität kritikwürdigen, als sanierungsbedürftig bezeichneten Planetencenters, Attraktivitätseinbußen auch beim sog. Nord-West-Zentrum, mangelhafte Aufenthaltsqualität im Stadtteilzentrum Rote Reihe; a.a.O. S. 5 f.) ein gewisser Nachholbedarf besteht. Gerade dann, wenn hier eine Verflechtungssituation mit benachbarten Grund- und Mittelzentren vorliegen soll, wird sich die Frage stellen, ob diese für sich genommen u.U. bedenklichen Umsatzeinbußen bei bestimmten Sortimenten nicht eher Ausdruck dafür sind, dass sich die Antragstellerin jetzt ihrer zentralörtlichen Funktion wirklich besinnt und in einem Kraftakt das zurückholt, was andere Zentren, namentlich die Beigeladene zu 2, aufgrund der geschilderten Defizite an Kaufkraft hatte abziehen können. Außerdem dürften die Besonderheiten der Antragstellerin als Mittelzentrum zu berücksichtigen sein, sich gegen ein mächtiges Oberzentrum (Landeshauptstadt Hannover) behaupten zu müssen, mit dem es - wie dargelegt - durch vielfältige, den Abzug von Kaufkraft begünstigenden Verkehrsmöglichkeiten verbunden ist. Schließlich wäre noch zu erwägen, ob die in benachbarten Mittel- und Grundzentren möglicherweise zu befürchtenden Umsatzrückgänge, welche im GMA-Gutachten so akzentuiert werden, denn wirklich von rechtserheblicher Aussagekraft für die Frage sind, welche Verkaufsflächen und (vor allem) Sortimente ein Mittelzentrum in so prekärer Lage (sehr nahes, leistungstüchtiges Oberzentrum) braucht, um gegen die Landeshauptstadt Hannover zu bestehen und seine Funktion als Mittelzentrum zu erfüllen.
Hinsichtlich des Beeinträchtigungsverbotes (Ziff. 2.3 03 Satz 19 LROP II 2008) liegt eine Verletzung zum Nachteil der Beigeladenen zu 2 und 3 noch weniger auf der Hand. Das Verwaltungsgericht hat mit Fug darauf hingewiesen, insoweit komme es auf eine "wesentliche Beeinträchtigung" an. Das lässt Raum für die Frage, ob sich die Antragstellerin mit dem streitigen Vorhaben teilweise nur das "zurückholt", was andere Zentren aufgrund bisheriger Defizite an Geschäftsaufbau hatten erreichen können. Zudem könnte das Wesentlichkeitserfordernis nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 30.3.2000 - 1 K 2491/98 -, ZfBR 2000, 573 = BRS 63 Nr. 63 = UPR 2000, 396; B. v. 31.10.2000 - 1 M 3407/00 -, NST-N 2001, 159 = NdsRpfl. 2001, 277) einen "Cordon sanitair" und damit gerade ausschließen, dass sich Nachbargemeinden auf dem Status quo ausruhen. Das Wesentlichkeitserfordernis verlangt ihnen ab, sich dem interkommunalen Wettbewerb zu stellen und zu versuchen, den drohenden Kaufkraftabfluss durch Maßnahmen abzuwehren, mit denen sie ihre eigenen Einrichtungen der (Nah-)Versorgung attraktiver gestalten.