Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.07.2010, Az.: 4 LA 373/08

Pflichtangaben i.R.d. Erhebung einer Verpflichtungsklage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.07.2010
Aktenzeichen
4 LA 373/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 21185
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0726.4LA373.08.0A

Fundstellen

  • DVBl 2010, 1187
  • DÖV 2010, 908
  • NJW 2011, 166
  • NVwZ-RR 2010, 861-862
  • NordÖR 2011, 33

Amtlicher Leitsatz

Bei einer Verpflichtungsklage gehören Angaben dazu, gegen welche Entscheidung welcher Rechtsbehelf gegeben ist, nicht zum notwendigen Inhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung.

Gründe

1

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg, weil die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.

2

Entgegen der Annahme des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, weil das Verwaltungsgericht die Klage, mit der beantragt worden war, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landkreises B. vom 4. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10. August 2007 zu verpflichten, die Kosten für das von ihm genutzte Mietfahrzeug und den von ihm genutzten Mietrollstuhl als Zuschuss zu übernehmen, zu Recht mangels Einhaltung der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO abgewiesen hat. Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass der Kläger die Klage innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO und nicht der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO hätte erheben müssen, weil die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO entsprochen hat und daher richtig erteilt worden ist.

3

Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die dem Widerspruchsbescheid des Beklagten beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung entsprach diesen Maßgaben, weil sie über den Rechtsbehelf, nämlich die Klage, das Gericht, bei dem die Klage einzulegen ist, nämlich das Verwaltungsgericht C., den Sitz des Gerichts und die einzuhaltende Frist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides schriftlich belehrt hat. Entgegen der Annahme des Klägers bedurfte es keiner zusätzlichen Belehrung darüber, "gegen welche Entscheidung" die Klage zu richten war. In der Rechtsprechung und der Literatur wird zwar vereinzelt die Auffassung vertreten, dass zum notwendigen Inhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben dazu gehörten, gegen welche Entscheidung welcher Rechtsbehelf gegeben sei (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 12. Aufl., § 58 Rn. 5; Bay.VGH, Urt. v. 16.10.1986 - 12 B 84 A.655 -, NVwZ 1987, 901, 902). Dieser Auffassung ist aber schon entgegen zu halten, dass unter einer Belehrung "über den Rechtsbehelf", die § 58 Abs. 1 VwGO vorschreibt, eine Belehrung über die Art des Rechtsbehelfs (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.2.1976 - IV C 74.74 -, BVerwGE 50, 248, 250 f. m.w.N.) und nicht (auch) eine solche über den Gegenstand des Rechtsbehelfs zu verstehen ist. Abgesehen davon kann die Rechtsauffassung, dass zum notwendigen Inhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben dazu gehörten, gegen welche Entscheidung der Rechtsbehelf gegeben sei, ohnehin allenfalls bei einer Anfechtungsklage, die nach § 42 Abs. 1 VwGO auf die Aufhebung eines bestimmten Verwaltungsakts gerichtet ist, ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Im vorliegenden Fall war indessen keine Anfechtungs-, sondern eine Verpflichtungsklage zu erheben. Bei einer Verpflichtungsklage, mit der nach § 42 Abs. 1 VwGO die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird, ergäbe eine Belehrung darüber, gegen welchen Verwaltungsakt die Klage zu richten ist, jedoch keinen Sinn. Dass im vorliegenden Fall sowohl ein den begehrten Verwaltungsakt versagender Bescheid als auch ein den Widerspruch des Klägers zurückweisender Widerspruchsbescheid ergangen ist, ändert daran nichts, weil auch in einem solchen Fall kein gesonderter Anfechtungs- bzw. Aufhebungsantrag erforderlich ist. Die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts setzt stets voraus, dass der dem begünstigenden Verwaltungsakt entgegenstehende Ablehnungsbescheid aufgehoben wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., § 42 Rn. 29). Daher schließt das Leistungsbegehren der Verpflichtungsklage die Anfechtung der Leistungsversagung grundsätzlich mit ein (BVerwG, Urt. v. 21.5.1976 - IV C 80.74 -, BVerwGE 51, 15, 21). Folglich erübrigt sich bei einer Verpflichtungsklage ein gesonderter Anfechtungs- bzw. Aufhebungsantrag (Kopp/Schenke, § 42 Rn. 29; Posser/Wolff, VwGO, Kommentar, § 42 Rn. 57; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 42 Abs. 1 Rn. 96; Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl., § 42 Rn. 32). Mithin bedarf es jedenfalls in den Fällen einer Verpflichtungsklage keiner Belehrung darüber, gegen welche Entscheidung Klage zu erheben ist.

4

Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil kann schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Denn die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob zum notwendigen Inhalt einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung auch die Angabe gehört, "gegen welche Entscheidung welcher Rechtsbehelf gegeben" ist, ist in Bezug auf Fallkonstellationen, in denen - wie hier - Verpflichtungsklage zu erheben ist, auch außerhalb eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres zu verneinen. Daher kann die o. a. Frage, soweit sie entscheidungserheblich ist, der Rechtssache des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung verleihen.