Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.11.2020, Az.: 10 LB 138/19

Dereliktion; Heimtier; Heimtier-Ausweis; Impfschutz; Isolierung; Quarantäne; Quarantäneanordnung; Tieraussetzungsverbot; Tierhalter; Tollwut; Verbringung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.11.2020
Aktenzeichen
10 LB 138/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.10.2017 - AZ: 10 A 2005/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Sind Heimtiere, die ohne den Nachweis des erforderlichen Impfschutzes nach Art. 6 Buchstabe b) der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 in die Bundesrepublik eingeführt wurden, unter amtlicher Überwachung gemäß Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 so lange zu isolieren, bis sie diese Voraussetzung erfüllen, erfolgt diese Maßnahme gemäß Art. 35 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 auf Kosten des Tierhalters ohne die Möglichkeit einer finanziellen Entschädigung.
2. Im Falle einer Dereliktion wirkt die Haltereigenschaft kostenrechtlich so lange fort, bis die Bedingungen des Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 erfüllt sind.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 10. Kammer - vom 23. Oktober 2017 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 wird aufgehoben, soweit damit ein 852,04 EUR übersteigender Betrag festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenständlich sind die Kosten der Unterbringung und Verpflegung von vier Hundewelpen des Klägers im Tierheim F., die durch die Beklagte auf Grundlage von § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz – TierGesG) und § 20 Satz 1 Nr. 1 a der Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren (Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung) i.V.m. Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) der Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 998/2003 im September 2016 in Quarantäne genommen wurden.

Am späten Abend des 25. September 2016 wurde der Kläger ausweislich des Einsatzberichtes des Polizeikommissariats B-Stadt-Südstadt vom 26. September 2016 im Bereich einer Tankstelle in B-Stadt mit fünf auffällig jung aussehenden Hundewelpen sowie einem polnischen Impfausweis für Hunde und Katzen angetroffen. Da der Kläger keine weiteren Impfausweise oder EU-Heimtierausweise vorlegen konnte, die den aufgefundenen Hunden zuzuordnen waren, ging die Beklagte davon aus, dass die Welpen aus Polen ohne den vorgeschriebenen Impfschutz eingeführt wurden und ordnete mündlich die Sicherstellung der fünf Hundewelpen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz an. Diese wurden in der Folge im Tierheim G. untergebracht. Dort wurde festgestellt, dass alle Welpen an starkem Wurmbefall litten. Eine genaue Bestimmung des Alters der Hunde, die bereits Milchzähne aufwiesen, war nicht möglich. Mit Bescheid vom 29. September 2016 bestätigte die Beklagte die Sicherstellung der Hundewelpen des Klägers gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 5 TiergesG auf Grund des Verdachts eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, ordnete die sofortige Vollziehung der Sicherstellung an und hörte den Kläger zur Verwertung der sichergestellten Hundewelpen und zur Untersagung des Handels mit Hunden an. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Hunde in Quarantäne gehalten werden müssten, bis diese gegen Tollwut geimpft werden könnten und die Tollwutimpfung wirksam sei. Danach – voraussichtlich ab dem 15. November 2016 – sei eine Verwertung beabsichtigt. Voraussetzung für eine Rückgabe der Tiere an den Kläger nach Ablauf der Quarantänezeit sei, dass er ab sofort wöchentlich die Kosten für die Unterbringung der Hunde im Tierheim sowie die Tierarzt- und Impfkosten begleiche. Am 5. Oktober 2016 verstarb einer der Welpen ausweislich des pathologisch-anatomischen Untersuchungsergebnisses wahrscheinlich an Parvovirose, einer Viruserkrankung, an der insbesondere sehr junge Hunde mit unzureichendem Schutz durch maternale Antikörper oder entsprechendem Impfschutz erkranken. Mit Bescheiden vom 6.,10., 20. Oktober und 3. November 2016 setzte die Beklagte Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Hunde des Klägers im Zeitraum von der Sicherstellung bis zur 41. Kalenderwoche 2016 im Tierheim F. sowie die Unterbringung, Behandlung und Verpflegung der vier verbliebenen Hunde des Klägers in der Stiftung Tierärztliche Hochschule B-Stadt im Oktober 2016 gegen den Kläger fest.

Mit Schreiben vom 4. November 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er der Verwertung der Hunde zustimme, da er es sich finanziell nicht leisten könne, weiter um deren Rückgabe zu kämpfen. Die Beklagte setzte mit weiteren Bescheiden vom 7. November 2016, 5., 14. und 19. Dezember 2016 die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Hundewelpen in den Kalenderwochen 42 bis 49 in 2016 im Tierheim F. sowie die Kosten der Impfungen der Hunde gegen den Kläger fest. Rechtsmittel gegen diese Bescheide legte der Kläger nicht ein, beantragte jedoch eine Zahlungserleichterung in Form einer Ratenzahlung. Am 1. Januar 2017 erfolgte die Verwertung der vier verbliebenen Welpen. Hierbei wurde ein Erlös in Höhe von insgesamt 1.150,00 EUR erzielt (250-300 EUR pro Hund).

Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 setzte die Beklagte Kosten in Höhe von 2.065,84 EUR für die Unterbringung und Verpflegung der vier Hundewelpen in der 50. bis 52. Kalenderwoche 2016 im Tierheim F. sowie deren Versorgung mit vier Mikrochips einschließlich 19 % Mehrwertsteuer gegen den Kläger fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Welpen des Klägers auf Grund tierseuchenrechtlicher Feststellungen hätten sichergestellt und im Tierheim untergebracht werden müssen, da diese vermutlich aus dem Ausland nach Deutschland verbracht worden seien, ohne die notwendige Tollwutimpfung erhalten zu haben. Da ein polnischer Impfausweis ohne konkrete Zuordnung zu einem der Welpen vorgelegen habe, sei davon auszugehen, dass mindestens einer der Welpen aus Polen illegal eingeführt worden sei. Gemäß § 29 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) fielen die Kosten der Sicherstellung und Unterbringung sowie die Kosten der Impfungen und die weiteren notwendigen Kosten dem Kläger als Hundehalter und damit Verantwortlichen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nds. SOG zur Last.

Hiergegen hat der Kläger am 3. März 2017 Klage erhoben und sich darauf berufen, dass er der Verwertung der Hunde bereits am 4. November 2016 zugestimmt habe, ab diesem Zeitpunkt könnten keine Kosten mehr von ihm gefordert werden. Die Welpen seien zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Wochen alt gewesen, so dass sie nicht länger in Quarantäne hätten gehalten werden müssen. Darüber hinaus habe ihm Frau H. vom Ordnungsamt der Beklagten mündlich zugesichert, dass er ab dem Zeitpunkt der Zustimmung zur Verwertung keine Rechnungen mehr bezahlen müsse. Auf diese Aussage habe er sich verlassen, so dass er die Klagefrist gegen die übrigen Kostenfestsetzungsbescheide habe verstreichen lassen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass die Welpen auf Grund einer kurz nach der Inobhutnahme ausgebrochenen Krankheit nicht zu dem im Bescheid vom 29. September 2016 angegebenen Zeitpunkt hätten geimpft werden können, so dass sich der Ablauf der Quarantänezeit bis zum 31. Dezember 2016 verlängert habe. Die Inobhutnahme der Tiere und die Quarantäneanordnung seien auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 Nr. 5 TierGesG erfolgt. Gemäß § 16 des Nds. Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz gelte für die Kosten von Amtshandlungen bei der Ausführung des Tiergesundheitsgesetzes zwar das Niedersächsische Verwaltungskostengesetz (Nds. VerwKostG) mit der Maßgabe, dass für behördliche Maßnahmen nach § 5 TierGesG keine Kosten erhoben würden. Nach den §§ 1 Nr. 1 d), 3 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 9. 2. Alternative Nds. VerwKostG habe der Kostenschuldner jedoch die bei der Vornahme einer Amtshandlung entstehenden Auslagen zu erstatten. Die Aufwendungen für die Verwahrung einer Sache stellten derartige Auslagen dar. Durch die Inobhutnahme der Tiere und deren Unterbringung im Tierheim zum Zwecke der Quarantäne sei ein öffentlich-rechtliches Verwahrverhältnis entstanden, so dass die dort entstandenen Aufwendungen, zu denen auch die Unterbringungskosten zählten, als Auslagen geltend gemacht werden könnten. Entsprechend habe das Verwaltungsgericht Hannover bereits in der Vergangenheit unter Bezugnahme auf Art. 14 der Verordnung der EG Nr. 998/223 entschieden, dass die Kosten der Unterbringung der betreffenden Tiere und die erforderlichen tierärztlichen Leistungen vom Eigentümer der Tiere zu tragen seien.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat der Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2017 hinsichtlich der Festsetzung der Kosten der Unterbringung und Versorgung der auf Grundlage der § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 TierGesG und § 20 Satz 1 Nr. 1 a der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung im Tierheim F. in Quarantäne genommenen vier Hundewelpen des Klägers mit der Begründung stattgegeben, dass sich der angefochtene Kostenbescheid nicht auf die im Bescheid genannte Bestimmung des § 29 Abs. 3 Nds. SOG stützen lasse. Die geltend gemachten Kosten der Unterbringung in der Quarantänestation stellten zudem keine durch die konkrete Amtshandlung entstandenen Verwaltungskosten dar, die aus den allgemeinen Verwaltungskosten ausgesondert werden könnten, da zu den Verwaltungskosten bei einer angeordneten Quarantäne zwangsläufig die Inanspruchnahme einer Quarantänestation gehöre, da eine Quarantäne nicht ersetzt oder vom Bürger selbst vorgenommen werden könne. Die Kosten der Unterbringung der Welpen seien demnach von der Gebühr nach § 24 Abs. 3 Nr. 5 TierGesG, § 16 des Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum TierGesG (Nds. AGTierGesG) i.V.m. §§ 1 Nr. 1 d, 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 9 2. Alternative Nds. VerwKostG i.V.m. § 1 Nr. 1 d der Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens vom 29. November 2019 für die Anordnung einer Quarantäne i.V.m. der Anlage zum Kostentarif Abschnitt II.1.2.10 abgedeckt und könnten nicht gesondert als Auslagen geltend gemacht werden. Aussonderungsfähige Kosten stellten allein die Kosten für die Versorgung der Welpen mit Mikrochips dar, die von dem Kläger zu erstatten seien.

Gegen dieses Urteil - soweit der Klage stattgegeben wurde - richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Senat durch Beschluss vom 17. Juni 2019 - 10 LA 264/17 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen hat.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit der Vorgabe des Art. 35 Abs. 3 der insoweit unmittelbar anwendbaren Verordnung (EU) Nr. 576/2013 des Europäischen Parlaments und Rates vom 12. Juni 2013 über die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 998/2003, wonach die Maßnahmen zur Erfüllung einer Quarantäneanordnung auf Kosten des Tierhalters zu erfolgen hätten, in Einklang zu bringen sei.

Die Beklagte beantragt,

die Klage - soweit ihr stattgegeben wurde - unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 23. Oktober 2017 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, dass die Hunde gesund gewesen seien und die Voraussetzungen für eine Sicherstellung nicht vorgelegen hätten. Nachdem er am 4. November 2016 die Freigabe der Hunde erklärt habe, sei ihm ausdrücklich zugesagt worden, dass keine weiteren Kosten entstehen würden. Als er weitere Bescheide erhalten habe, habe ihm die zuständige Sachbearbeiterin mitgeteilt, dass es sich hierbei um ein Versehen handele. Er sei erst nach dem Zugang noch weiterer Bescheide stutzig geworden, habe jedoch nur noch gegen den letzten - hier streitgegenständlichen - Bescheid fristgemäß Rechtsmittel einlegen können. Darüber hinaus sei der Erlös der Verwertung der Hunde nicht mit den entstandenen Kosten verrechnet worden. Schließlich werde die Angemessenheit der durch das Tierheim in Rechnung gestellten Kosten ausdrücklich bestritten. Rechtlich komme es darauf jedoch nicht an, da es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, ihm die Kosten der Unterbringung und Versorgung der Hunde aufzuerlegen. Die Kostenbescheide seien ursprünglich auf § 29 Nds. SOG gestützt worden, welcher unstreitig keine Anwendung finde. Über das Niedersächsische Verwaltungskostengesetz könnten lediglich Pauschbeträge geltend gemacht werden. Das Tierheim sei als Verwaltungshelfer tätig geworden, sodass es sich bei dessen Kosten letztendlich um verwaltungseigene Kosten handele. Diese verwaltungseigenen Kosten könnten über die Pauschbeträge nicht geltend gemacht werden. Die angeordnete Quarantäne führe zwangsläufig zur Inanspruchnahme einer Quarantänestation und sei nicht vom Verwaltungshandeln der Beklagten hinwegzudenken. Wenn sich der Gesetzgeber für die Normierung einer Pauschgebühr entscheide, müsse diese nicht exakt die Aufwendungen des jeweiligen Einzelfalles abdecken. Ein Widerspruch zum EU-Recht sei in einem solchen Fall nicht feststellbar. Darüber hinaus werde bestritten, dass die Hunde nach seiner Freigabeerklärung nicht sofort hätten verwertet werden können. Ein weiteres Zuwarten sei auf Grund der Wirkung der Impfung nicht vonnöten gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Entscheidung trifft der Senat mit Zustimmung der Beteiligten (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 24.08.2020, Bl. 122 der Gerichtsakte, Schriftsatz der Beklagten vom 31.08.2020, Bl. 124 der Gerichtsakte) gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 ist, soweit damit Kosten für die Unterbringung und Verpflegung von vier Hundewelpen im Tierheim F. für elf Tage in den Kalenderwochen 50 und 51 im Jahr 2016 in Höhe von 660,00 EUR, Kosten für vier Mikrochips in Höhe von insgesamt 56,00 EUR sowie Mehrwertsteuer in Höhe von 136,04 EUR festgesetzt wurden, rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Auferlegung der Kosten der Unterbringung und Versorgung der vier Hundewelpen ist Art. 35 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 998/2003 (im Folgenden: VO (EU) Nr. 576/2013), dessen Voraussetzungen vorliegend bezüglich des genannten Zeitraums erfüllt sind.

Die Verordnung (EU) Nr. 576/2013 gilt nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) unbeschadet jeglicher nationaler Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Beschränkung der Verbringung bestimmter Arten und Rassen von Heimtieren auf Grund anderer Erwägungen als solcher, die die Tiergesundheit betreffen, erlassen, veröffentlicht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben, und ist damit unmittelbar anwendbar (vgl. Erwägungsgrund Nr. 37 VO (EU) Nr. 576/2014). Sie gilt gemäß Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 576/2013 für die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken aus einem Mitgliedstaat in einen anderen oder aus einem Gebiet oder Drittland in die Mitgliedstaaten. Heimtiere im Sinne der Verordnung sind gemäß Art. 3 Buchstabe b) i.V.m. Anhang I Teil A VO (EU) Nr. 576/2013 unter anderem Hunde, die von ihrem Halter oder einer ermächtigten Person bei einer Verbringung zu anderen als Handelszwecken mitgeführt werden und für die der Halter oder die ermächtigte Person für die Dauer einer solchen Verbringung verantwortlich bleibt. „Verbringung zu anderen als Handelswecken“ ist nach Art. 3 Buchstabe a) VO (EU) Nr. 576/2014 jede Verbringung, die weder den Verkauf eines Heimtieres noch den Übergang des Eigentums an dem Heimtier bezweckt. Ziel der Verordnung ist es u.a., Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier vorzusehen, die mit der Verbringung von Heimtieren einhergehen, um diese zu vermeiden bzw. zu verringern (vgl. Erwägungsgründe Nr. 28 und 37 VO (EU) Nr. 576/2014).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Kläger die vier in Rede stehenden Hundewelpen aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt hat, da er keinerlei Nachweise für einen Erwerb der Tiere in der Bundesrepublik erbringen konnte, jedoch einen polnischen Impfausweis für Hunde und Katzen bei sich führte, der zwar keinem der Hunde konkret zugeordnet werden konnte, allerdings Eintragungen enthält, die im zeitlichen Zusammenhang mit den ersten Lebenswochen der von ihm mitgeführten Tiere stehen. Mindestens einen der Hunde hatte der Kläger nach seinen Angaben zur eigenen Heimtierhaltung eingeführt, so dass der Anwendungsbereich der Verordnung vorliegend eröffnet ist.

Wenn die Kontrollen nach den Artikeln 33 und 34 VO (EU) Nr. 576/2013 ergeben, dass ein Heimtier die in den Kapiteln II oder III festgelegten Bedingungen nicht erfüllt, beschließt die zuständige Behörde nach Anhörung des amtlichen Tierarztes und des Tierhalters gemäß Art. 35 Abs. 1 Buchst. b) VO (EU) Nr. 576/2013, das Heimtier unter amtlicher Überwachung so lange zu isolieren, bis es die in Kapitel II oder III festgelegten Bedingungen - wie die vorgeschriebene Kennzeichnung (Art. 6 Buchst. a) i.V.m. Art. 17 Abs. 1), den erforderlichen Impfschutz (Art. 6 Buchst. b)) sowie den ordnungsgemäßen Ausweis (Art. 6 Buchst. d) i.V.m. Art. 22) - erfüllt. Diese Maßnahme erfolgt gemäß Art. 35 Abs. 3 VO (EU) Nr. 576/2013 auf Kosten des Tierhalters.

Der Kläger ist als (früherer) Eigentümer der betreffenden Hunde als deren Halter im Sinne der Verordnung anzusehen, auch wenn er nicht gemäß Art. 3 Buchst. c) VO (EU) Nr. 576/2013 in einem Ausweis der Hunde eingetragen war. Denn dass die Tiere illegal und ohne die erforderlichen Ausweise und Kennzeichnungen eingeführt wurden, kann ihm kostenrechtlich nicht zum Vorteil gereichen. Dies wird auch durch die Verordnung selbst bestätigt, da nach deren Art. 22 Abs. 1 Buchst. c) der „Tierhalter“ den erst noch auszustellenden Ausweis zu unterschreiben hat. Dass der Kläger mit der Freigabe der Hunde am 4. November 2016 die Eigentümerstellung und damit nach dem Vorstehenden auch die Haltereigenschaft aufgegeben hat, lässt diese Voraussetzung des Art. 35 Abs. 3 VO (EU) Nr. 576/2013 nicht nachträglich entfallen. Bei der Zustimmung zur Verwertung der Hunde im Zusammenhang mit dem Verzicht auf deren Rückgabe durch den Kläger handelt es sich um eine einseitige Aufgabe des Eigentums i.S.d. gemäß § 90a Satz 3 BGB auf Tiere anwendbaren § 959 BGB, da diese Erklärung nach ihrem Wortlaut allein dem Zweck diente, Eigentum und Besitz an den Tieren aufzugeben und damit die Verwertung der Tiere zu ermöglichen und nicht, das Eigentum an diesen auf eine dritte Person zu übertragen. Der Wirksamkeit der Dereliktion stand im vorliegenden Fall auch nicht das Tieraussetzungsverbot nach § 3 Satz 1 Nr. 3 des Tierschutzgesetzes entgegen, da mit der Eigentumsaufgabe hier objektiv keine Aussetzung einherging, da die Hunde nicht ohne neue Obhut aus der Obhut des Klägers entlassen und sich selbst überlassen wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.2018 - 3 C 24.16 -, juris Rn. 15; Hessischer VGH, Beschluss vom 23.11.2017 - 2 A 890/16 -, juris Rn. 27, wonach § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG eine Dereliktion nicht ausschließt, sondern nur gewisse Verhaltensweisen im allgemeinen öffentlichen Ordnungsinteresse sicherstellen soll, für die die Eigentumslage irrelevant ist). Um den Eigentümer durch die Eigentumsaufgabe nicht unbilligerweise aus seiner Verantwortung für die betreffenden Tiere zu entlassen, wirkt die Haltereigenschaft nach dem Sinn und Zweck des Art. 35 Abs. 3 VO (EU) Nr. 576/2013 kostenrechtlich so lange fort, bis die Bedingungen nach Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EU) Nr. 576/2013 erfüllt sind, denn derjenige, der Heimtiere ohne die erforderlichen Ausweise und Impfungen einführt, soll auch die Kosten für die Durchführung der aus diesem Grund erforderlichen Maßnahmen tragen. Dies bringt auch der Wortlaut dieser Regelung zum Ausdruck, wonach die Maßnahmen „auf Kosten des Tierhalters“ durchgeführt werden und zur Bekräftigung seiner alleinigen Kostenträgerschaft klargestellt wird, dass „die Möglichkeit einer finanziellen Entschädigung“ nicht besteht.

Der Einwand des Klägers, dass er von der Mitarbeiterin der Beklagten Frau H. eine telefonische Zusage dahingehend erhalten habe, dass er nach der Erklärung der Freigabe der Hunde am 4. November 2016 keine weiteren Kosten tragen müsse, verfängt nicht. Denn auch wenn Frau H. gegenüber dem Kläger eine bindende Erklärung mit dem Inhalt, dass ihn die Aufgabe des Eigentums von weiteren Kostenpflichten entbinde, hätte abgeben wollen, könnte der Kläger daraus nichts herleiten, da in keinem Fall eine wirksame Zusicherung i.S.v. § 38 Abs. 1 VwVfG gegeben wäre. Denn die entsprechende Äußerung von Frau H. erfolgte auch nach dem Vortrag des Klägers ausschließlich mündlich. Die Einhaltung der Schriftform ist jedoch gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Wirksamkeitsvoraussetzung einer behördlichen Zusicherung.

Die Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Buchstabe b) i.V.m. den in Kapitel II VO (EU) Nr. 576/2013 festgelegten Bedingungen sind erfüllt:

Die am 26. September an der I. -Tankstelle in der J. Straße K. in B-Stadt durchgeführte Kontrolle ergab ausweislich des polizeilichen Einsatz- und Streifendienstberichtes (Bl. 16 Beiakte 001), dass Vorschriften des Kapitels II der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 nicht eingehalten wurden, da die von dem Kläger mitgeführten Welpen entgegen den Vorgaben des Art. 6 Buchstabe a) i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) Nr. 576/2013 weder einen Transponder noch eine Tätowierung besaßen. Auch führte der Kläger keinen Ausweis für die Hunde mit und erfüllte damit nicht die Bedingungen des Art. 6 Buchstabe d) i.V.m. Art 22 VO (EU) Nr. 576/2013. Darüber hinaus war davon auszugehen, dass die Welpen nicht die nach Art. 6 Buchstabe b) VO (EU) Nr. 576/2013 erforderliche Tollwutimpfung erhalten hatten, da der Kläger weder eine Impfbescheinigung noch einen Ausweis mit entsprechenden Einträgen vorlegen konnte. Auf Grund dieser Verstöße ordnete die Beklagte gemäß Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EU) Nr. 576/2013 nach Anhörung des amtlichen Tierarztes sowie des Klägers an, die Hundewelpen des Klägers unter amtlicher Überwachung so lange zu isolieren, bis die genannten - in Kapitel II und III der Verordnung festgelegten - Bedingungen erfüllt waren. Diese Isolierung nach Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EU) Nr. 576/2013 war entsprechend Anhang III Nr. 2 Buchstabe e) VO (EU) Nr. 576/2013 bis zum 22. Dezember 2016 notwendig.

Der Einwand des Klägers, dass die Welpen im Zeitpunkt seiner Zustimmung zur Verwertung bereits 13 Wochen alt gewesen seien und daher nicht länger hätten in Quarantäne gehalten werden müssen, greift nicht vollständig durch. Denn ausweislich des ärztlichen Untersuchungsergebnisses (s. Bl. 25 Beiakte 001) waren die Welpen zunächst erkrankt und eine Impfung konnte deshalb nicht zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen (vgl. dazu die Feststellungen der Beklagten im bestandskräftigen Bescheid vom 19. Dezember 2016, Bl. 122 Beiakte 001). Nach Erhalt der Impfung am 1. Dezember 2016 mussten die vier Hundewelpen entsprechend Anhang III Nr. 2 Buchstabe e) VO (EU) Nr. 576/2013 mindestens noch 21 Tage bis zur Feststellung des Impfschutzes aufbewahrt werden (vgl. auch § 1 Nr. 3 a) der Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut). Noch vor der Verabreichung der Impfung soll die Kennzeichnung der Hunde mit Mikrochips entsprechend Anhang III Nr. 2 Buchstabe d) VO (EU) Nr. 576/2013 stattfinden. Auch die Ausstellung des Ausweises musste sinnvollerweise bereits vor der Verabreichung der Impfung stattfinden, da gemäß Anhang III Nr. 2 Buchstabe c) VO (EU) Nr. 576/2013 der Zeitpunkt der Impfung sowie der Impfstoff in den entsprechenden Abschnitt des Ausweises einzutragen sind. Da die Beklagte keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer über 21 Tage hinausgehenden Quarantänezeit genannt hat, ist somit davon auszugehen, dass die Vorgaben des Art. 6 Buchstabe a) i.V.m. Art. 17 Abs. 1 (Kennzeichnung), Art. 6 Buchstabe b) (Impfschutz) sowie Art. 6 Buchstabe d) i.V.m. Art. 22 (Ausweis) VO (EU) Nr. 576/2013 am 22. Dezember 2016 erfüllt waren. Da der Kläger aber zu diesem Zeitpunkt das Eigentum und die Haltereigenschaft an den Hunden aufgegeben hatte, endete mit der Erforderlichkeit der Isolierung nach Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EU) Nr. 576/2013 auch dessen Kostenpflicht nach Art. 35 Abs. 3 VO (EU) Nr. 576/2013. Die Geltendmachung der Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Welpen im Zeitraum vom 23. bis 31. Dezember 2016 kann dementsprechend nicht (mehr) auf Art. 35 Abs. 3 VO (EU) Nr. 576/2013 gestützt werden.

Unabhängig von der Frage, ob neben den speziellen Regelungen der VO (EU) Nr. 576/2013 überhaupt noch die Anwendung anderer Ermächtigungsgrundlagen bzw. Kostenerstattungsregelungen in Betracht kommt, ist für diesen Zeitraum nach Abschluss der notwendigen Isolierung der Tiere und der Aufgabe des Eigentums an diesen durch den Kläger auch keine andere Norm ersichtlich, auf Grund derer die Beklagte die Erstattung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Welpen von dem Kläger verlangen könnte. Es greift hier insbesondere nicht § 29 Abs. 3 i.V.m. §§ 26 und 7 Abs. 3 NPOG, da die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eine Sicherstellung nach § 26 NPOG verfügt hat, wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend im angefochtenen Urteil erkannt hat. Auch die Voraussetzungen für einen Anspruch aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 679, 683, 670 BGB analog) sind vorliegend bezüglich des noch streitgegenständlichen Zeitraumes nicht erfüllt. Der Beklagte hat mit der Fortführung der Unterbringung der Welpen nach dem Ende der Quarantänezeit kein Geschäft des Klägers geführt, da dieser nach der mit dem Einverständnis bzw. auf Anregung der Beklagten erfolgten Aufgabe des Eigentums an den Hunden kein Interesse an deren weiterer Unterbringung und Versorgung im Tierheim hatte.

Die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Hundewelpen in dem betreffenden Zeitraum sind auf das angemessene Maß zu reduzieren. Der Senat hat diesbezüglich in dem Beschluss vom 3. Juli 2020 (Vergleichsvorschlag) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass entsprechend der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der angemessenen Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Hundewelpen auf Grund einer Quarantäneanordnung (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 03.11.2018 - W 8 K 16.565 - juris Rn. 64, VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26.11.2015 - RO 5 K 14.1521 - juris Rn. 6) auch unter Berücksichtigung der hohen Hygieneanforderungen, des entsprechenden Personalaufwands und der Erforderlichkeit einer speziellen Kleintierbeherbergung ein Tagessatz von 15 EUR pro Hund als angemessen anzusehen ist, sofern keine besonderen Umstände, die die Erforderlichkeit von Mehraufwendungen rechtfertigen, dargelegt werden. Da derartige Umstände von der Beklagten auch nach dem Beschluss vom 3. Juli 2020 nicht vorgetragen und im Übrigen auch nicht ersichtlich sind, sind die geltend gemachten Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der vier Hundewelpen im Zeitraum vom 12. bis 22. Dezember 2016 auf 660,00 EUR (15,00 EUR pro Hund pro Tag) zu reduzieren.

Da der Kläger - wie vorstehend ausgeführt - das Eigentum an den Hunden am 4. November 2020 wirksam aufgegeben hat und seine Kostenpflicht mit der Beendigung der Maßnahme nach Art. 35 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EU) Nr. 576/2013 am 22. Dezember 2020 entfallen ist, besteht unter keinen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Herausgabe oder Verrechnung des Erlöses aus der Verwertung der Hunde am 1. Januar 2017.

Über die Kostenpflicht des Klägers bezüglich der Versorgung der vier Welpen mit Mikrochips in Höhe von 56,00 EUR hat das Verwaltungsgericht bereits durch insoweit rechtskräftiges Urteil vom 23. Oktober 2017 entschieden. Die von dem Kläger zu entrichtende Mehrwertsteuer beträgt damit 136,04 EUR. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid über einen Gesamtbetrag in Höhe von 852,04 EUR (660,00 EUR + 56,00 EUR + 136,04 EUR) hinausgehende Kosten geltend gemacht wurden, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.