Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.11.2020, Az.: 1 OA 89/20

Abhilfe; Erledigung; Erledigungsgebühr; Fortsetzungsfeststellungsklage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.11.2020
Aktenzeichen
1 OA 89/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71840
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.05.2020 - AZ: 4 A 3532/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hat die Behörde einem Verpflichtungsbegehren des Klägers vollständig abgeholfen, so ist die Rechtssache erledigt i.S.d. Nr. 1002 VV-RVG; die abstrakte Möglichkeit, noch einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen, ändert daran regelmäßig nichts.

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Berichterstatterin der 4. Kammer - vom 19. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Entstehung einer Erledigungsgebühr. Die Klägerin begehrte im Wege der Untätigkeitsklage die Verpflichtung der Beklagten zur Verlängerung eines Bauvorbescheides. Hilfsweise beantragte sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet war, mit Ablauf des 5. Juli 2019 den Verlängerungsbescheid zu erteilen. Hierzu führte sie aus, der Hilfsantrag habe zunächst keine eigenständige Bedeutung; er sei für den Fall gestellt, dass die Stadt nach Ablauf der angemessenen Bearbeitungsfrist gemäß § 75 VwGO von plansichernden Instrumenten Gebrauch gemacht habe oder Gebrauch machen werde. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erteilte die Beklagte den beantragten Verlängerungsbescheid. Hierauf erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, und das Verwaltungsgericht erlegte die Verfahrenskosten im Einstellungsbeschluss der Beklagten auf. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2020 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die der Klägerin zu erstattenden Kosten ohne Berücksichtigung einer Erledigungsgebühr fest. Die Erinnerung dagegen hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Entstehung einer Erledigungsgebühr setze eine Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten an der materiell-rechtlichen Erledigung des Rechtsstreits voraus. Die bloße Beratung des Mandanten zu einer verfahrensmäßig angemessenen Reaktion auf eine ohne sein Zutun eingetretene Erledigungssituation genüge hierfür nicht.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Erledigungsgebühr hat das Verwaltungsgericht zutreffend zusammengefasst; auch die Klägerin greift diese Ausführungen nicht an. Sie beruft sich auch nicht darauf, durch ein nicht von der Verfahrensgebühr abgegoltenes anwaltliches Tätigwerden zum Erlass des Verlängerungsbescheides beigetragen zu haben. Vielmehr macht sie geltend, die Rechtssache i.S.d. Nr. 1002 VV-RVG habe sich materiell-rechtlich durch die Erteilung des Verlängerungsbescheides noch nicht erledigt, da ihr noch die Möglichkeit offen gestanden hätte, einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses zu stellen; ihr Prozessbevollmächtigter habe durch schriftliche und telefonische Beratung dazu beigetragen, dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe.

Dieser Einlassung ist nicht zu folgen. Die bloße Möglichkeit, einen Verpflichtungsantrag auf einen Fortsetzungsfestsetzungsantrag umzustellen, ändert in der Regel nichts daran, dass die bis dahin streitgegenständliche Rechtssache im Sinne von Nr. 1002 VV-RVG erledigt ist, wenn die Behörde dem Verpflichtungsbegehren vollständig abhilft (OVG Lüneburg, 5. Senat, Beschl. v. 8.7.2013 - 5 OA 137/13 -, DÖD 2013, 242 = juris Rn. 9; VGH München, Beschl. v. 4.12.2007 - 3 C 07.2689 -, juris Rn. 11 m.w.N.; OVG Münster, Beschl. v. 31.1.2013 - 6 E 1129/12 -, juris Rn. 9). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Regelfall - das nach der Interessenlage der Klägerseite allenfalls sinnvolle Fortsetzungsfeststellungsbegehren seinem Inhalt nach über die Feststellung hinausgehen müsste, die mit einem Verpflichtungsausspruch des Gerichts verbunden gewesen wäre.

So liegt der Fall hier. Für einen Fortsetzungsfeststellungsausspruch dahingehend, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Abhilfeentscheidung der Beklagten einen Anspruch auf die Verlängerung hatte, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn einen solchen Anspruch bestreitet die Beklagte nicht; anderenfalls hätte sie den Verlängerungsbescheid nicht erlassen dürfen. Gedient wäre der Klägerin allenfalls mit einer Feststellung dahingehend, dass der Anspruch bereits für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit bestanden hätte, da nur daraus ein Verzögerungsschaden abgeleitet werden könnte (zur zusätzlichen Schwierigkeit, dass der zusätzlich erforderliche Ablauf einer angemessenen Bearbeitungsfrist nicht Gegenstand des Fortsetzungsfeststellungsausspruchs wäre, VGH München, Beschl. v. 29.11.2010 - 15 B 10.1453 -, NVwZ-RR 2011, 310 = juris Rn. 19 f.). Ein auf das Bestehen eines Anspruchs in der Vergangenheit gerichtetes Feststellungsbegehren setzte jedoch eine Klageerweiterung voraus (BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 - 4 C 4.98 -, BVerwGE 109, 74 = juris Rn. 15), die über die bisher anhängige Rechtssache i.S.d. Nr. 1002 VV-RVG hinausginge. Der Umstand, dass die Klägerin bereits bei Klageerhebung hilfsweise die Feststellung des Bestehens eines Bescheidungsanspruchs seit dem 5. Juli 2019 beantragt hatte, ändert daran vorliegend nichts. Dieser Antrag ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden, da die Bedingung, von der er abhängig gemacht worden war, nicht eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil bei Erfolglosigkeit der Beschwerde eine streitwertunabhängige Gerichtsgebühr in Höhe von 60,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 KV).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).