Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.11.2020, Az.: 10 LB 207/19
Ausschlussfrist; Bezugszeitraum; Erbfall; GbR; Gesamtrechtsnachfolge; Gleichheitsgrundsatz; Gleichheitssatz; Milchmenge; Milchmengenreduzierung; Milchverringerung; Rechtsnachfolge; Rechtsvorgängerin; Vollbeendigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.11.2020
- Aktenzeichen
- 10 LB 207/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71844
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.03.2018 - AZ: 4 A 189/16
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- § 4 Abs 3 MilchSonBeihV
- Art 2 Abs. 2 UAbs 3 MilchVerVO
- Art 2 Abs 3 MilchVerBeihV
- Art 4 MilchVerBeihV
- Art 4 Abs 1 UAbs 3 MilchVerBeihV
- Art 5 Abs 2 MilchVerBeihV
- § 32 Abs 5 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Fristen des Art. 2 Abs. 2 UA 3 MilchVerVO sind Ausschlussfristen.
2. Der Rechtsnachfolger einer GbR, die durch Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin beendet worden ist, kann sich nicht auf Milchmengen beziehen, die seine Rechtsvorgängerin im Bezugszeitraum geliefert hat.
3. Die Regelungen zur Rechtsnachfolge aus § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV sind im Anwendungsbereich der MilchVerVO nicht analog anwendbar.
4. Aus der unterschiedlichen Behandlung eines echten Erbfalles und der Vollbeendigung einer GbR durch Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin ergibt sich kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 4. Kammer - vom 22. März 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Unionsbeihilfen für die Verringerung von Kuhmilchlieferungen an Erstkäufer für den Verringerungszeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2016.
Der Kläger war mit einem Anteil von 95 % Gesellschafter der A. GbR. Die übrigen 5 % der Anteile wurden von seiner Ehefrau gehalten. Dieser Gesellschaft war die Betriebsnummer nach der InVeKoSV 03 454 035 0202 (vgl. § 17 der Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vom 24. Februar 2015 (BGBl. I S. 166), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 22. Februar 2019 (BGBl. I S. 170) - InVeKoSV -) und die Registriernummer nach der Viehverkehrsverordnung 03 454 035 5238 (vgl. § 15 der Viehverkehrsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 203), zuletzt geändert durch Artikel 6 der Verordnung vom 3. Mai 2016 (BGBl. I S. 1057)) zugeteilt. Die A. GbR lieferte im Zeitraum Oktober bis Dezember 2015 insgesamt 167.911,00 kg Milch an die Firma E. Milchprodukte GmbH in F..
Am 20. November 2015 übertrug die Mitgesellschafterin ihren Anteil an der A. GbR mit Wirkung vom 30. April 2016 auf den Kläger als einzigen verbleibenden Gesellschafter.
Im Juli 2016 lieferte der Kläger nach eigenen Angaben als Einzelunternehmer 20.085 kg Milch an die Firma E. Milchprodukte GmbH in F.. Die Milchgeldabrechnung wurde indes auf die A. GbR ausgestellt.
Am 8. September 2016 erließ die Europäische Kommission die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1612 zur Gewährung einer Beihilfe zur Verringerung der Milcherzeugung (Amtsbl. der EU vom 9. September 2016, L 242/4 - MilchVerVO -). Diese sah die Gewährung einer Beihilfe für Antragsteller vor, die ihre Kuhmilchlieferungen an Erstkäufer im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum („Bezugszeitraum“) für einen Zeitraum von drei Monaten („Verringerungszeitraum“) verringern (Art. 1 Abs. 1 MilchVerVO). Die jeweiligen Antragsteller mussten dazu zu in der Verordnung näher genannten Stichtagen vor Beginn des Verringerungszeitraums gemäß Art. 2 Abs. 1 MilchVerVO einen Beihilfeantrag stellen. In dem Antrag musste neben anderen Angaben die Gesamtmenge der im Bezugszeitraum an Erstkäufer gelieferten Kuhmilch angegeben werden. Ferner war nachzuweisen, dass sich der Antrag auf einen Milcherzeuger bezieht, der im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat. Die Auszahlung der Beihilfe sollte sodann nach der Plausibilitäts- und Zulässigkeitsprüfung des Antrags gemäß Art. 3 und der Genehmigung gemäß Art. 4 Abs. 1 MilchVerVO in einem zweiten Schritt auf Grundlage eines Zahlungsantrags erfolgen (Art. 5 Abs. 1 MilchVerVO).
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erließ auf der Grundlage des Marktorganisationsgesetzes (MOG) unter dem 12. September 2016 (BAnz AT 13.9.2016 V1) die Verordnung zur Durchführung der unionsrechtlichen Beihilfe für eine befristete Verringerung der Milcherzeugung (- MilchVerBeihV -). Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 dieser Verordnung musste ergänzend zu den nach der europarechtlichen MilchVerVO erforderlichen Angaben bei Antragstellung noch die auf den Betrieb des Antragstellers bezogene Betriebsnummer im Sinne der InVeKoSV angegeben werden.
Unter dem 15. September 2016 beantragte der Kläger unter der ihm als Einzelunternehmer zwischenzeitlich zugewiesenen Betriebsnummer nach der InVeKoSV 03 454 035 0281 und unter der Angabe der beibehaltenen Registriernummer nach der Viehverkehrsverordnung die Beihilfe zur (beabsichtigten) Verringerung der Milchlieferung nach der MilchVerVO. Er legte Milchgeldabrechnungen für Juli 2016 sowie für den Zeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 bei, die allesamt auf die A. GbR ausgestellt sind.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 lehnte die Beklagte die beantragte Beihilfe ab. Zur Begründung führte sie aus, beihilfeberechtigt sei nur ein Antragsteller, der im Bezugszeitraum Oktober bis Dezember 2015 sowie im Juli 2016 auf seinen Namen Milch an einen Erstkäufer geliefert habe. Da er für den Referenzzeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 und/oder Juli 2016 auf seinen Namen keine Kuhmilchlieferung an einen Erstkäufer durch eingereichte Belege habe nachweisen können, sei der Antrag leider abzulehnen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 1. November 2016 Klage erhoben. Die Milchlieferungen der A. GbR seien ihm zuzurechnen, weil die Gesellschaft nach dem Austritt der einzigen anderen Gesellschafterin nicht aufgelöst und liquidiert worden, sondern vielmehr vom Kläger als Einzelunternehmer fortgeführt worden sei. Er sei Rechtsnachfolger der nicht mehr existenten GbR bzw. dieselbe Person im Rechtssinne. Bei Austritt eines Gesellschafters trete die Gesamtrechtsnachfolge ein. Der Übergang auf ihn als Einzelunternehmer sei lediglich erfolgt, weil eine GbR nicht aus einem einzigen Gesellschafter bestehen könne. Für die Zwecke der Gewährung der streitgegenständlichen Beihilfe könne es nicht darauf ankommen, ob die Gesellschaft vor dem Ausscheiden der Gesellschafterin aus zwei oder drei Gesellschaftern bestanden habe. Die neue Betriebsnummer habe er auf Anraten einer Mitarbeiterin der Beklagten beantragt. Hinsichtlich der Milchlieferungen im Referenzmonat Juli 2016 habe er die Milch bereits im eigenen Namen abgeliefert. Soweit sich dies aus der Milchgeldabrechnung der E. Milchprodukte GmbH anderweitig ergebe, beruhe dies auf einem Versehen, weil die Molkerei offenbar nicht über den Wechsel der Gesellschaftsform ab dem 1. Mai 2016 informiert gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Beihilfe nach der Verordnung (EU) Nr. 2016/1612 i.V.m. der Milchverringerungsbeihilfenverordnung für den Reduktionszeitraum 01. Oktober 2016 bis 31. Dezember 2016 bis zu einer Milchmenge von 83.955,00 Kg zu bewilligen und den Bescheid vom 06. Oktober 2016 aufzuheben, soweit der dem entgegensteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Bezugszeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 habe die A. GbR die Milch angeliefert und nicht der Kläger. Im Juli 2016 habe wiederum der Kläger und nicht die A. GbR die Milch angeliefert. Der Kläger sei zwar beihilfefähiger Antragsteller, erfülle aber die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 VO (EU) 2016/1612 nicht. Der Kläger habe bereits seit Jahren, u.a. auch zeitlich parallel zum Bestand der A. GbR, als Einzelunternehmer gehandelt. Die Beklagte legte eine Stellungnahme der EU-Kommission vom 5. September 2016 vor, aus der sich ergibt, dass eine Person, die einen Hof nach Juli 2016 übernommen hat, nicht beihilfeberechtigt sei. Die einzige Ausnahme („sole exception“) sei der Fall einer echten Erbschaft („genuine inheritance cases“), in der eine Gesamtrechtsnachfolge eintrete.
Mit Urteil vom 22. März 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger könnten die Milchlieferungen im Bezugszeitraum von Oktober bis Dezember 2015 nicht zugerechnet werden. Die Milchlieferungen seien noch unter der Betriebsnummer der zu diesem Zeitpunkt noch existenten GbR erfolgt. Umfangreiche Nachforschungen und Prüfungen einer Zurechnung zu einer anderen Betriebsnummer würden ausscheiden, da nach der amtlichen Begründung der MilchVerBeihV die Angabe der Betriebsnummer die Verwaltung und Kontrolle der teilnehmenden Betriebe erleichtern solle. Auch eine Zurechnung der von der GbR gelieferten Milchmengen komme nicht in Betracht. Im Gegensatz zu der Milchsonderbeihilfeverordnung (- MilchSonBeihV -) enthalte die MilchVerBeihV keine Regelung für den Fall der Rechtsnachfolge. Dies finde seine Begründung vor allem in der Vereinfachung und Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens. Eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV komme mangels planwidriger Regelungslücke ebenfalls nicht in Betracht. Soweit die Europäische Kommission in einer Stellungnahme vom 5. September 2016 die Berücksichtigung einer Rechtsnachfolge im Wege der Erbfolge für zulässig erachtet habe, sei auch dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Gegen dieses Urteil, dem Kläger am 12. April 2018 zugestellt, hat er am 11. Mai 2018 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2019 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen.
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe einen Anspruch auf die streitgegenständliche Beihilfe. § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV sei vorliegend analog anzuwenden. Allerdings könnten Vorschriften des nationalen Rechts für die Auslegung der MilchVerVO nicht herangezogen werden, weil die EU-Verordnung insoweit keinen Regelungsspielraum für die Mitgliedstaaten lasse. Da es in der Folge auch nicht auf den Willen des nationalen Gesetzgebers ankomme, sei auch ein Vergleich mit der MilchSonBeihV unergiebig. Die § 3 Abs. 2 MilchVerBeihV und § 8 InVeKoSV seien nicht geeignet, die Frage der Rechtsnachfolge zu klären. Aus den Erwägungsgründen der MilchVerVO ergebe sich hinsichtlich dieser Frage ebenfalls nichts. Dem Unionsgesetzgeber könne nicht unterstellt werden, dass er eine dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in schwerwiegender Weise widersprechende Regelung anordnen habe wollen. Es gebe keine rechtfertigenden Umstände dafür, die Beihilfe allein aufgrund des zufälligen Umstandes der Rechtsnachfolge zwischen Bezugszeitraum und Verringerungszeitraum zu versagen. Vielmehr habe der Unionsgesetzgeber eine Regelung zur Rechtsnachfolge in der Eile schlichtweg vergessen. Wenn er dieses Problem gesehen hätte, so hätte er eine analoge Anwendung der Vorschriften des Art. 14 VO (EU) 639/2014 angeordnet. Im Übrigen könne ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz jedenfalls dadurch vermieden werden, dass der Rechtsnachfolger mit dem ursprünglichen Antragsteller als identisch angesehen werde, da nach nationalem Recht die A. GbR mit dem Kläger identisch sei. Auf die InVeKoS-Nummer könne es nicht ankommen, weil die Angabe dieser Betriebsnummer keine der in der MilchVerVO abschließend genannten Voraussetzungen für eine Bewilligung der Beihilfe sei. Er habe den Milchviehbestand nach und nach verringert, weil die Milchviehhaltung vollständig habe aufgegeben werden sollen. Die Tiere seien sukzessive trocken gestellt worden. Dazu legt der Kläger eine Jahresübersicht der Milchlieferungen der A. GbR für das Jahr 2016 vor, aus der sich ergibt, dass von der GbR in den Monaten September bis Dezember 2016 jeweils 0 kg Milch an die E. Milchprodukte GmbH geliefert worden sind.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 22. März 2018 - 4 A 189/16 - abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Oktober 2016 zu verpflichten, seinen Beihilfeantrag vom 15. September 2016 gemäß Art. 4 MilchVerVO zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Verordnungsgeber habe sich bewusst entschieden, zugunsten eines möglichst einfachen Verwaltungsverfahrens ohne Ausnahmetatbestände, klarer Vorgaben für die Antragsteller, einer schnellen Umsetzung, Kontrollierbarkeit und eines geringen Anlastungsrisikos auf Regelungen zur Rechtsnachfolge zu verzichten. Der Unterschied zwischen der MilchVerVO und der Verordnung (EU) 2016/1613 der Kommission vom 8. September 2016 über eine außergewöhnliche Anpassungsbeihilfe für Milcherzeuger und Landwirte in anderen Tierhaltungssektoren ergebe sich aus Art. 1 der jeweiligen Unionsverordnung. Während nach der MilchVerVO unter den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen eine Unionsbeihilfe für bestimmte Antragsteller gewährt werde, überantworte Art. 1 VO (EU) 2016/1613 den Mitgliedsstaaten ein Budget, um Milcherzeugern und/oder Landwirten eine außergewöhnliche Anpassungsbeihilfe zu gewähren. Folglich habe es im Fall der VO (EU) 2016/1613 dem nationalen Gesetzgeber oblegen, die Maßnahmen konkret auszugestalten, was durch die MilchSonBeihV erfolgt sei. Im Fall der MilchVerVO fänden sich die Voraussetzungen der Bewilligung dagegen direkt im Unionsrecht. Zudem sei es im Unionsrecht üblich, Regelungen zur Rechtsnachfolge direkt im Unionsrecht zu verankern, wie etwa Art. 14 VO (EU) 639/2014 für die Direktzahlungen zeige. Bei der MilchVerVO habe die Kommission bewusst auf eine solche Regelung verzichtet, weshalb sich eine Analogie zu § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV verbiete. Aus Erwägungsgrund Nr. 8 der MilchVerVO lasse sich herleiten, dass es für die Gewährung der Beihilfe auf den einzelnen Antragsteller ankomme. Die rechtliche Übereinstimmung des Milcherzeugers am 1. Juli 2016 und im Bezugszeitraum sei zwingend. Die Bewilligungsbehörde prüfe das antragstellende Unternehmen. Dieses identifiziere sich im gesamten Geltungsbereich der Agrarförderung mit der ihm zugeteilten InVeKoS-Nummer. Eine Neu- bzw. Umorganisation vor dem 1. Juli 2016 führe dazu, dass die Antragsvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt seien. Außerdem sei der Antrag auf Auszahlung nicht 45 Tage nach Ablauf des Verringerungszeitraums unter Nutzung des Online-Systems HI-Tier gestellt worden. Die Frist sei am 14. Februar 2017 verstrichen, sodass eine Auszahlung der Beihilfe so nicht mehr möglich sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Das Bundesverwaltungsgericht habe zu den Direktzahlungen entschieden, dass die nationale Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer unionsrechtlichen Ausschlussfrist keine Anwendung finde. In tatsächlicher Hinsicht habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass eine Verringerung der Milchproduktion überhaupt stattgefunden habe. Seit Juli 2016 seien die Milchkühe der A. GbR vom Kläger als Einzelunternehmer und unter derselben Anschrift gehalten worden. Im Verringerungszeitraum Oktober 2016 bis Dezember 2016 habe er mit ca. 25 Milchkühen Milch produziert. Nach Auffassung der Beklagten liege daher keine Verringerung der Milchlieferungen vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Genehmigung seines Beihilfeantrages nach Art. 4 Abs. 1 UA 3 MilchVerVO. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beihilfeantrag des Klägers ist bereits unzulässig und der Kläger erfüllt die materiellen Anspruchsvoraussetzungen nicht.
I.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis.
Zwar sind in dem streitgegenständlichen zweistufigen Beihilfeverfahren auf der zweiten Stufe die Zahlungsanträge so einzureichen, dass sie innerhalb von 45 Tagen nach Ablauf des Verringerungszeitraums bei dem Mitgliedstaat eingehen (Art. 5 Abs. 2 S. 2 MilchVerVO). Der Kläger hat einen solchen Zahlungsantrag unstreitig nicht gestellt. Doch ob es sich bei der Frist des Art. 5 Abs. 2 S. 2 MilchVerVO um eine Ausschlussfrist handelt, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließen würde (§ 1 NVwVfG i.V.m. § 32 Abs. 5 VwVfG), kann im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung dahinstehen, da jedenfalls eine Nachsichtgewährung in Betracht kommen könnte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Rechtsgedanken der §§ 242, 162 BGB nicht auf das Versäumnis einer die Rechtsverfolgung hindernden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (BVerwG, Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38.95 -, juris Rn. 17; Senatsurteil vom 18.1.2011 - 10 LB 70/90 -, juris Rn. 46). Da hier ein Fehlverhalten des Beklagten in Form einer rechtswidrigen Ablehnung der Genehmigung des Beihilfeantrags des Klägers bereits auf der ersten Stufe des Beihilfeverfahrens grundsätzlich in Betracht kommt, kann eine Nachsichtgewährung und damit das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Ob hier in Bezug auf den Milchviehbestand der GbR bzw. des Klägers als Einzelunternehmer in tatsächlicher Hinsicht eine Verringerung der Kuhmilchlieferungen an Erstkäufer vorliegt, kann im Rahmen des hiesigen Verfahrens offenbleiben. Denn dies ist eine Frage der zweiten Stufe des Beihilfeverfahrens nach der MilchVerVO. Der Nachweis über die Verringerung muss (erst) mit dem Zahlungsantrag eingereicht werden (Art. 5 Abs. 3 MilchVerVO), der hier noch nicht gestellt worden ist.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Genehmigung seines Beihilfeantrages ist Art. 4 Abs. 1 UA 3 MilchVerVO. Danach werden Genehmigungen für alle zulässigen und plausiblen Anträge erteilt, die gemäß Art. 3 MilchVerVO an die Kommission gemeldet wurden. Art. 3 MilchVerVO bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Plausibilitäts- und Zulässigkeitsprüfung vornehmen und der Kommission gemäß VO (EG) Nr. 792/2009 alle zulässigen und plausiblen Beihilfeanträge bis 16.00 Uhr (Ortszeit Brüssel) am dritten Arbeitstag nach dem in Art. 2 Abs. 2 MilchVerVO festgelegten Stichtag für die Einreichung der Anträge melden.
Nach Art. 1 Abs. 1 MilchVerVO wird unter den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen eine Unionsbeihilfe für beihilfefähige Antragsteller gewährt, die ihre Kuhmilchlieferungen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum („Bezugszeitraum“) für einen Zeitraum von drei Monaten verringern („Verringerungszeitraum“). Für die Zwecke der Verordnung bezeichnet der Ausdruck „beihilfefähiger Antragsteller“ Milcherzeuger, die im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert haben (Art. 1 Abs. 2 MilchVerVO).
Aus Wortlaut, Zielrichtung und Systematik der MilchVerVO ergibt sich für die Gewährung der streitgegenständlichen Unionsbeihilfe die materielle Voraussetzung, dass der beihilfefähige Antragsteller dieselbe (ggf. juristische) Person ist, die im Bezugszeitraum Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat. So normiert Art. 1 Abs. 1 MilchVerVO, dass die Beihilfe für beihilfefähige Antragsteller gewährt wird, „die ihre“ Kuhmilchlieferungen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum verringert haben. Erwägungsgrund 10 der MilchVerVO verdeutlicht, dass aufgrund der Zielrichtung der Verordnung, Kuhmilchlieferungen wirksam zu verringern, nur diejenigen Antragsteller für eine Beihilfe in Frage kommen, die im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert haben, da dies der aktuellste Zeitraum ist, für den Antragsteller solche Lieferungen nachweisen können. Letztlich ergibt sich auch aus der formellen Voraussetzung des Art. 2 Abs. 3 c) MilchVerVO, „dass sich der Antrag auf einen Milcherzeuger bezieht, der im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat“. Auch die Kommission äußert in ihrem „FAQ-Papier“ vom 5. September 2016 ausdrücklich, dass nur derjenige Antragsteller die Beihilfe beantragen kann, der im Bezugszeitraum und im Juli 2016 Milch an Erstkäufer geliefert hat.
1. Hier fehlt es bereits an einem zulässigen und plausiblen Antrag, der Voraussetzung für die Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 UA 3 MilchVerVO ist.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 MilchVerVO wird die Beihilfe auf der Grundlage entsprechender Anträge gewährt. Beihilfefähige Antragsteller reichen ihre Beihilfeanträge bei dem Mitgliedstaat ein, in dem sie ansässig sind, und halten das in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende Verfahren ein (Art. 2 Abs. 2 UA 1 MilchVerVO). Nach Art. 2 Abs. 2 UA 3 MilchVerVO gelten je nach Verringerungszeitraum bestimmte Stichtage für die Einreichung der „vollständigen Anträge“ (für den streitgegenständlichen Verringerungszeitraum: 21. September 2016). Damit ein Beihilfeantrag zulässig ist, muss er gemäß Art. 2 Abs. 3 MilchVerVO Folgendes enthalten:
„a) die nachstehenden Angaben auf einem vom betreffenden Mitgliedstaat bereitgestellten Formular:
i) Name und Anschrift des beihilfefähigen Antragstellers;
ii) Gesamtmenge der im Bezugszeitraum an Erstkäufer gelieferten Kuhmilch;
iii) Gesamtmenge an Kuhmilch, die im Verringerungszeitraum voraussichtlich geliefert wird;
iv) geplante Verringerung der Kuhmilchlieferungen, für die die Beihilfe beantragt wird, wobei die Menge nicht mehr als 50 % der Gesamtmenge unter Ziffer ii und nicht weniger als 1 500 kg betragen darf;
b) Nachweise für die Gesamtmenge an Kuhmilch gemäß Buchstabe a Ziffer ii;
c) Nachweise, dass sich der Antrag auf einen Milcherzeuger bezieht, der im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat.“
Diesen formellen Anforderungen genügt der Beihilfeantrag des Klägers nicht. Denn seinem Antrag sind weder Nachweise dafür hinzugefügt, dass er als Einzelunternehmer im Bezugszeitraum Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat (Art. 2 Abs. 3 a) ii) MilchVerVO), noch dafür, dass er als Einzelunternehmer im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat (Art. 2 Abs. 3 c) MilchVerVO). Denn der Antrag des Klägers wurde zwar von ihm unter der Betriebsnummer seines Einzelunternehmens 03 454 035 0281 gestellt (Art. 2 Abs. 3 a) i) MilchVerVO). Gleichzeitig legte er aber Nachweise über die von der A. GbR im Bezugszeitraum an Erstkäufer gelieferte Kuhmilch vor (Art. 2 Abs. 3 b) MilchVerVO). Zudem legte er den Nachweis darüber vor, dass nicht er, sondern die A. GbR im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat (Art. 2 Abs. 3 c) MilchVerVO). Der Antrag ist aufgrund dieser inhaltlichen Abweichungen zwischen Antragsteller und Milcherzeuger bereits für sich genommen unzulässig.
Selbst wenn ein (Gesamt-)Rechtsnachfolger unter Berücksichtigung der Milchlieferungen seiner Rechtsvorgängerin die streitgegenständliche Unionsbeihilfe beantragen könnte, so ergibt sich der Umstand der Rechtsnachfolge nicht aus dem Antrag des Klägers, sodass für die Beklagte nicht erkennbar gewesen ist, dass es sich um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge handelt. Die vorgelegten Nachweise passen schlicht nicht zu den aus der InVeKoS-Nummer des Klägers als Einzelunternehmer abgeleiteten Antragsdaten.
Art. 2 Abs. 3 MilchVerVO bestimmt konkret, was für einen „zulässigen“ Antrag beizubringen ist. Etwaige Ermittlungen und Nachforderungen des Beklagten sind in der MilchVerVO nicht vorgesehen und auch nicht unter sonstigen Gesichtspunkten erforderlich. Denn angesichts des engen Zeitkorridors von knapp drei Arbeitstagen (Art. 3 MilchVerVO), der der Beklagten nach Ablauf der Antragsfrist noch verbleibt, um der Kommission nach Prüfung der Zulässigkeit und Plausibilität alle zulässigen Anträge zu melden, sowie des Umstandes, dass es sich bei dem Milchreduktionsprogramm um ein Massenantragsverfahren handelt, war die Beklagte weder verpflichtet noch in der Lage, Rücksprachen oder (interne) Datenabgleiche vorzunehmen. Eine Anhörung ist im Übrigen im hier betroffenen Bereich der Leistungsgewährung auch nicht geboten (§ 28 Abs. 1 VwVfG). Gerade weil es sich bei den Milchreduktionsprogrammen um Verfahren handelt, die eine Vielzahl von Anträgen betreffen, setzt das seit langem im Bereich der Agrarbeihilfen eingeführte elektronische System nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich voraus, dass die Beihilfeempfänger aktiv an der korrekten Durchführung der Verfahren mitwirken und dass die von ihnen beizubringenden Informationen von vornherein vollständig und richtig sind. So ist es regelmäßig Sache des Wirtschaftsteilnehmers, der sich aus freien Stücken dazu entschieden hat, eine Beihilferegelung im Bereich der Landwirtschaft in Anspruch zu nehmen, diejenigen Informationen beizubringen, die für einen ordnungsgemäßen Antrag erforderlich sind (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 13.12.2012 - C-11/12 -, juris Rn. 36 f. und Urteil vom 16.5.2002 - C-63/00 -, juris Rn. 34 ff., jeweils zu Sanktionen; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.7.2019 - 12 A 2946/17 -, juris Rn. 25; Senatsurteil vom 18.1.2011 - 10 LB 82/09 -, juris Rn. 36).
Aus diesen Gründen kommt auch eine Berichtigung gemäß Art. 4 VO (EU) 809/2014 von vornherein nicht in Betracht. Denn unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift im vorliegenden Verfahren anwendbar ist, liegt ein für die Behörde ohne weiteres erkennbarer „offensichtlicher Irrtum“ im Sinne dieser Vorschrift hier jedenfalls nicht vor (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.7.2019 - 12 A 2946/17 -, juris Rn. 29 ff., ebenfalls zur Milchverringerungsbeihilfe).
Passende Nachweise könnten auch nicht mehr nachgereicht werden, weil die hier maßgebliche Frist des Art. 2 Abs. 2 UA 3 a) MilchVerVO am 21. September 2016 verstrichen ist. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, sodass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich dieser Frist ausscheidet. Gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 32 Abs. 5 VwVfG ist eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Der Ausschluss der Wiedereinsetzung muss dem Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich zu entnehmen sein. Es genügt, wenn nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ein verspäteter Antragsteller materiell-rechtlich endgültig seine Anspruchsberechtigung verlieren soll (BVerwG, Urteil vom 28.3.1996 - 7 C 28.95 -, juris Rn. 11 ff., und Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38.95 -, juris Rn. 12). Das Fachrecht muss jedoch einen hinreichenden Anhalt für die Annahme bieten, der Gesetzgeber habe dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist gegenüber dem Interesse des Bürgers an deren nachträglicher Wiedereröffnung auch bei unverschuldeter Fristversäumnis schlechthin den Vorrang eingeräumt und deswegen die Wiedereinsetzung generell versagt (Michler in BeckOK VwVfG, 48. Ed. 1.7.2020, § 32 Rn. 49).
Ein solcher hinreichender Anhalt ist der MilchVerVO für die jeweiligen Stichtage in Art. 2 Abs. 2 UA 3 zu entnehmen. Die MilchVerVO wurde ausweislich ihrer Erwägungsgründe wegen des Verfalls der Kuhmilchpreise als kurzfristige Kriseninterventionsmaßnahme erlassen. Entsprechend formal und an kurze Fristen gebunden ist das gesamte zweistufige Verfahren zur Gewährung der Unionsbeihilfe ausgestaltet.
Für die Zwecke der Verordnung bezeichnet der Ausdruck „beihilfefähiger Antragsteller“ Milcherzeuger, die im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert haben (Art. 1 Abs. 2 MilchVerVO). Aus dem Erwägungsgrund 10 der Verordnung ergibt sich, dass der Zeitraum Juli 2016 gewählt worden ist, weil dies zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung der aktuellste Zeitraum gewesen ist, für den Antragsteller Kuhmilchlieferungen nachweisen konnten. Bereits hieran zeigt sich, dass die MilchVerVO auf einen schnellen Eingriff in den Markt ausgerichtet ist. Entsprechend kurz sind die Fristen des zweistufigen Verfahrens ausgestaltet. Obwohl die Verordnung erst am 8. September 2016 erlassen worden ist, ist der Stichtag für die Einreichung der vollständigen Anträge gemäß Art. 2 Abs. 2 UA 3 a) MilchVerVO für den ersten Verringerungszeitraum bereits der 21. September 2016, 12.00 Uhr (Ortszeit Brüssel), gewesen. Gemäß Art. 3 MilchVerVO nehmen die Mitgliedstaaten nach Einreichung der Anträge eine Plausibilitäts- und Zulässigkeitsprüfung vor und melden der Kommission alle zulässigen und plausiblen Beihilfeanträge bis 16.00 Uhr (Ortszeit Brüssel) am dritten Arbeitstag nach dem zuvor genannten Stichtag. Auf der Grundlage dieser Mitteilungen teilt die Kommission den Mitgliedstaaten mit, in welchem Umfang angesichts der Gesamtmenge Genehmigungen für die beantragten Mengen erteilt werden können (Art. 4 Abs. 1 MilchVerVO). Gegebenenfalls wird ein Zuteilungskoeffizient ermittelt (Art. 4 Abs. 2 MilchVerVO). Die Mitgliedstaaten informieren die Antragsteller innerhalb einer Frist von sieben Arbeitstagen nach dem jeweiligen Stichtag für die Einreichung der Anträge über die Genehmigungen (Art. 4 Abs. 1 UA 2 MilchVerVO). Die zweite Stufe des Genehmigungsverfahrens ist ebenfalls mit knappen Fristen versehen. So sind die Zahlungsanträge so einzureichen, dass sie innerhalb von 45 Tagen nach Ablauf des Verringerungszeitraums bei dem Mitgliedstaat eingehen (Art. 5 Abs. 2 S. 2 MilchVerVO). Die Systematik der MilchVerVO zeigt, dass Verzögerungen überhaupt erst im Rahmen der Auszahlung der Beihilfe (in der Regel spätestens am 90. Tag nach Ablauf des Verringerungszeitraums) und nur im Falle eines eingeleiteten Untersuchungsverfahrens berücksichtigt werden (Art. 5 Abs. 4 S. 2 MilchVerVO). Diese Fristenregelungen dienen der effektiven und beschleunigten Auskehr der in der Gesamtsumme durch Art. 1 Abs. 1 UA 2 MilchVerVO auf 150.000.000 EUR begrenzten Unionsbeihilfen in angemessener Zeit, um einen schnellen Eingriff in den Markt zu ermöglichen. Dies rechtfertigt den materiellen Ausschluss derjenigen, die die Stichtage des Art. 2 Abs. 2 UA 3 MilchVerVO (ggf. unverschuldet) versäumt haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.7.2019 - 12 A 2946/17 -, juris Rn. 34 ff.).
Auch eine Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Ausschlussfrist außerhalb der Wiedereinsetzungsregeln kommt vorliegend nicht in Betracht. Denn hier fehlt es schon an einem treuwidrigen Verhalten des Beklagten. Es entspricht der geltenden Rechtslage, unvollständige Beihilfeanträge abzulehnen.
2. Der Kläger hat auch materiell keinen Anspruch auf die Genehmigung seines Beihilfeantrages nach Art. 4 Abs. 1 UA 3 MilchVerVO.
Vorliegend ist der Kläger als Einzelunternehmer entgegen der von ihm vertretenen Auffassung nicht dieselbe (juristische) Person, die im Bezugszeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 Kuhmilch geliefert hat. Dies war vielmehr die A. GbR.
Nach Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin mit Ablauf des 30. April 2016 ist der Kläger Gesamtrechtsnachfolger der A. GbR geworden. Scheidet aus einer zweigliedrigen Personenhandelsgesellschaft die vorletzte Gesellschafterin aus, tritt eine Gesamtrechtsnachfolge ein. Dies führt vorbehaltlich einer abweichenden Regelung der Gesellschafter, die hier ausweislich des Übertragungsvertrages vom 20. November 2015 nicht vorliegt, zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft. Das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes auf den verbleibenden Gesellschafter über. Es kommt zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem allein verbleibenden “Gesellschafter“ (vgl. § 738 BGB; BGH, Urteil vom 5.7.2018 - V ZB 10/18 -, juris Rn. 10). Die bisherige Gesamthandberechtigung wandelt sich zu Alleineigentum in der Person des verbliebenen Gesellschafters um (BGH, Urteil vom 12.7.1999 - II ZR 4/98 -, juris Rn. 7).
Die Milchlieferungen der GbR können dem Kläger unbeschadet der Gesamtrechtsnachfolge aber im Lichte der MilchVerVO rechtlich nicht zugerechnet werden. Weder die MilchVerVO noch die MilchVerBeihV enthalten eine Regelung zur Rechtsnachfolge.
a) Eine Analogie zu § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV sieht der Senat entgegen der noch im Zulassungsbeschluss vertretenen Auffassung nicht als möglich an.
Im Unterschied zur MilchVerBeihV, die zur MilchVerVO ergangen ist, enthält die MilchSonBeihV, die zur VO (EU) 2016/1613 ergangen ist, in § 4 Abs. 3 eine Regelung zur Rechtsnachfolge. Danach ist bei einer Änderung der Rechtsform oder des Namens des Betriebes innerhalb des relevanten Zeitraums Art. 14 VO (EU) 639/2014 entsprechend anzuwenden. Gemäß Art. 14 Nr. 2 UA 2 VO (EU) 639/2014 hat eine Änderung des Rechtsstatus keine Auswirkungen auf die Anzahl und den Wert der zuzuweisenden Zahlungsansprüche, wenn der Betriebsinhaber, der in Bezug auf Betriebsführung, Gewinne und finanzielle Risiken die Kontrolle über den ursprünglichen Betrieb ausgeübt hat, auch den neuen Betrieb leitet.
Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift im Rahmen der hier streitgegenständlichen MilchVerVO scheidet indes aus. Voraussetzung für eine Analogie ist, dass die Norm eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Normgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Normgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Norm, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 4.8.2010 - XII ZR 118/08 -, juris Rn. 11).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn es mangelt schon an der Planwidrigkeit. In Anbetracht der unterschiedlichen Zielrichtungen der MilchVerVO und der VO (EU) 2016/1613 und der Systematik der erstgenannten Verordnung, die durch klare Vorgaben und kurze Fristen gekennzeichnet ist, ist bei Erlass der MilchVerBeihV auf Regelungen zur Rechtsnachfolge offenbar bewusst verzichtet worden.
Zwar sind die MilchVerVO und die VO (EU) 2016/1613 jeweils am 8. September 2016 erlassen worden und die Erwägungsgründe der beiden Verordnungen zeigen, dass beide anlässlich des Milchpreisverfalls als Krisenintervention gedacht sind (vgl. etwa Erwägungsgrund 11 der VO (EU) 2016/1613 oder Erwägungsgrund 8 der MilchVerVO). Die Verordnungen unterscheiden sich allerdings in ihrer konkreten Zielsetzung und ihrer Ausgestaltung deutlich voneinander.
Die MilchVerVO zielt konkret auf die schnelle Verringerung der auf den Markt gelangenden Kuhmilchmengen. Sie enthält klare Vorgaben zu den Voraussetzungen für die Gewährung dieser Unionsbeihilfe an beihilfefähige Antragsteller. Sie definiert in Art. 1 Abs. 1 selbst, dass die Beihilfe „unter den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen“ gewährt wird. Entsprechend detaillierte Regelungen zum Antragserfordernis sowie zum Inhalt des Antrags finden sich in Art. 2 MilchVerVO und entsprechend kurze Fristen finden sich in Art. 2 Abs. 2, Art. 3, Art. 4 und Art. 5 Abs. 2 und 4 MilchVerVO.
Die VO (EU) 2016/1613 hat dagegen eine langfristigere und zudem breitere Zielsetzung. Zur Abmilderung der Krise sollen danach einmalige Finanzhilfen gewährt werden, mit der die Mitgliedstaaten Milcherzeuger und/oder Landwirte in anderen Tierhaltungssektoren unterstützen können, die Tätigkeiten aufnehmen, die zur Verbesserung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit und Marktstabilität beitragen. Nach Art. 1 VO (EU) 2016/1613 wird den Mitgliedstaaten eine Beihilfe der Union in Höhe von insgesamt 350.000.000 EUR zur Verfügung gestellt, um Milcherzeugern und/oder Landwirten in den Sektoren Rindfleisch, Schweinefleisch, sowie Schaf- und Ziegenfleisch eine außergewöhnliche Anpassungsbeihilfe zu gewähren. Die Mitgliedstaaten nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel für auf der Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien getroffene Maßnahmen, sofern die entsprechenden Zahlungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen (Art. 1 Abs. 1 UA 2 VO (EU) 2016/1613). Die Verordnung führt lediglich allgemein die förderungswürdigen Tätigkeiten auf, die auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe der Mitgliedstaaten abzielen und zur Marktstabilität beitragen (Art. 1 Abs. 1 UA 3 VO (EU) 2016/1613). Im Übrigen bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie die Förderung im Einzelnen ausgestalten. Das Ziel der VO (EU) 2016/1613 ist mithin deutlich breiter aufgestellt. Vor allem haben die Mitgliedstaaten einen ganz erheblichen Gestaltungsspielraum, wie die ihnen gewährte Unionsbeihilfe eingesetzt werden soll. Entsprechend enthält hier die MilchSonBeihV die konkreten Antragsvoraussetzungen (§ 5 MilchSonBeihV) und daneben auch eine Regelung zur Rechtsnachfolge (§ 4 Abs. 3 MilchSonBeihV).
In der Gesamtschau ist also die MilchVerVO auf eine kurzfristige Maßnahme, die möglichst schnell wirksam werden soll, gerichtet, während die VO (EU) 2016/1613 auf breitere mittelfristige Maßnahmen ausgelegt ist. Der schnelle Markteingriff erfordert klare Vorgaben zu den Voraussetzungen der Beihilfegewährung, wie sie Eingang in die MilchVerVO gefunden haben.
Die MilchVerVO lässt ihrem Wortlaut nach auch ausdrücklich erkennen, dass die dort geregelten Voraussetzungen abschließend sind (Art. 1 Abs. 1 MilchVerVO). Auch der Umstand, dass Art. 1 Abs. 2 der Verordnung den “beihilfefähigen Antragsteller“ ausdrücklich definiert, ohne Regelungen zur Rechtsnachfolge zu treffen, zeigt, dass letztere gerade nicht gewollt sind. Aus Art. 2 Abs. 2 UA 1 Satz 1 MilchVerVO ist ferner ersichtlich, dass Gestaltungsspielraum lediglich hinsichtlich der in den Mitgliedstaaten geltenden Verfahrensregelungen besteht. Unter diese Regelung dürfte auch § 3 MilchVerBeihV fallen, der u.a. vorschreibt, dass die Betriebsnummer nach der InVeKoSV angegeben werden muss (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 MilchVerBeihV). Diese Frage kann hier jedoch offenbleiben, da es auf die Betriebsnummer vorliegend nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr der in tatsächlicher Hinsicht unstreitig erfolgte Rechtsformwechsel. Auch die kurzen Fristen der MilchVerVO, bei denen es sich mindestens zum Teil um materielle Ausschlussfristen handelt, zeigen, dass zugunsten des schnellen Markteingriffs sehr enge Voraussetzungen für die formelle und materielle Anspruchsberechtigung gezogen worden sind.
Dass Regelungen zur Rechtsnachfolge in die MilchVerBeihV nicht aufgenommen worden sind, ist mithin nicht planwidrig, sondern systematisch passend. Eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV scheidet nach alledem aus.
b) Der Kläger ist durch den streitgegenständlichen Bescheid auch nicht in seinen Rechten aus Art. 3 GG, Art. 51 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt. Hiernach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.
Nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist der Gesetzgeber gehalten, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln. Der Gesetzgeber muss bei seiner Entscheidung abwägen, ob die Gleichheit zwischen zwei Gruppen so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen lässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte und das Verhalten einer Person je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Es ist dann grundsätzlich Sache des Betroffenen, sich auf diese Regelung einzustellen und nachteiligen Auswirkungen durch eigenes Verhalten zu begegnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich allerdings der Gleichheitssatz nicht in dem Verbot einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Normadressaten. Vielmehr kommt in ihm ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck, das der Gesetzgebung gewisse äußerste Grenzen setzt. Der Gesetzgeber handelt allerdings nicht schon dann willkürlich, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, sondern nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt. Diese Kriterien gelten auch und gerade für die Beurteilung gesetzlicher Differenzierungen bei der Regelung von Sachverhalten; hier endet der Spielraum des Gesetzgebers erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Eine derartige Willkür kann einer gesetzlichen Regelung nach ständiger Rechtsprechung aber nur dann vorgeworfen werden, wenn ihre Unsachlichkeit evident ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1.7.2020 - 1 BvR 2838/19 -, juris Rn. 36 m.w.N., und Urteil vom 26.5.2020 - 1 BvL 5/18 -, juris Rn. 93 ff.; Senatsurteile vom 8.8.2018 - 10 KN 3/18 -, juris Rn. 41, vom 8.8.2018 - 10 KN 5/18 -, juris Rn. 111, und vom 17.6.2014 - 10 LC 81/12 -, juris Rn. 71 ff.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze liegt in der unterschiedlichen Ausgestaltung der MilchVerBeihV und der MilchSonBeihV hinsichtlich der Frage der Rechtsnachfolge aus den oben zur Frage der Analogie dargelegten Gründen kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Vielmehr ist die unterschiedliche Ausgestaltung bereits durch die jeweilige EU-Verordnung bedingt.
Auch aus der möglicherweise unterschiedlichen Behandlung eines („echten“) Erbfalles und der Vollbeendigung einer GbR durch Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin ergibt sich kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Die EU-Kommission hat hinsichtlich der Frage der Rechtsnachfolge zur MilchVerVO im Rahmen eines „FAQ-Papiers“ vom 5. September 2016 erklärt, dass ein Milcherzeuger, der den Betrieb nach Juli 2016 übernimmt, keine Beihilfe beantragen kann. Der Antragsteller müsse im Verringerungszeitraum und im Juli 2016 Milch geliefert haben. Die einzige Ausnahme („sole exception“) sei ein echter Erbfall („genuine inheritance cases“) mit Gesamtrechtsnachfolge. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Antragsmöglichkeit nicht durch Rechtskonstruktionen ausgenutzt werde, die speziell zu diesem Zweck geschaffen worden seien.
Selbst wenn es in Anbetracht dieser Äußerung der Kommission eine Verwaltungspraxis geben sollte, nach der bei echten Erbfällen Unionsbeihilfen gewährt werden, so liegt ein solcher echter Erbfall hier nicht vor, sodass der Kläger hieraus für sich nichts herleiten kann.
Es handelt sich bei einem („echten“) Erbfall und der Vollbeendigung einer GbR durch Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin auch nicht um wesentlich Gleiches im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes. Zwar mögen die rechtlichen Folgen im nationalen Recht identisch sein. Es bestehen zwischen den beiden Sachverhalten jedoch in tatsächlicher Hinsicht offensichtliche Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen.
Selbst wenn durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Regelungen zur Rechtsnachfolge oder durch die unterschiedliche Behandlung eines („echten“) Erbfalls zu der Vollbeendigung einer GbR durch Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin wesentlich Gleiches ungleich behandelt würde, so wäre dies auch keine willkürliche Behandlung, sondern durch den sachlichen Grund einer gesteigerten Verwaltungseffizienz gerechtfertigt. Denn die MilchVerVO ist auf einen schnellen Eingriff in den Markt gerichtet. Dieser bedingt wiederum eine ehebliche Effizienz der Verwaltung bei der Gewährung der Beihilfe, um diese so kurzfristig auszukehren, dass sie den Markt noch zeitnah beeinflussen kann. Um diese Effizienz zu erreichen, prägen Formstrenge und kurze Fristen die MilchVerVO und wurden in die MilchVerBeihV dementsprechend nur wenige ergänzende Regelungen aufgenommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.