Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.11.2020, Az.: 8 LA 92/20

Bescheidung; Bescheidungsanspruch; Darlegung; Darlegung zumutbar; Petition; Petitionsrecht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.11.2020
Aktenzeichen
8 LA 92/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71904
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.07.2020 - AZ: 13 A 4961/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren muss der geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 VwGO) innerhalb der Frist § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO soweit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist.

Grenzen des petitionsrechtlichen Bescheidungsanspruch bei Eingaben beleidigenden Charakters.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs.1 Satz 1 ZPO).

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung ist selbst von dem anwaltlich (noch) nicht gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vertretenen Kläger im (isolierten) Prozesskostenhilfeverfahren für einen nur beabsichtigten, aber noch nicht gestellten Berufungszulassungsantrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 17.1.1980 – 5 C 32/79 -, juris Rn. 11) die Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO zumindest in groben Zügen zu verlangen (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2015 – 5 PKH 12/15 D -, juris Rn. 2 u. v. 30.7.2012 – 5 PKH 8/12 –, juris Rn. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.4.2020 – 4 A 3.8.2008/18 –, juris Rn. 3; Bayerischer VGH, Beschl. v. 26.2.2020 – 15 ZB 20.25 u.a. -, juris Rn. 11; Sächsisches OVG, Beschl. v. 19.9.2017 – 4 A 613/15 –, juris Rn. 5f.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 13.10.2020 – 1 BvR 2212/20 -, juris Rn. 2; zur älteren Rspr. vgl. einerseits Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 6.8.1997 – 12 L 3035/97 –, juris Rn. 4; andererseits Beschl. v. 20.1.1998 – 4 L 5475/97 –, juris Rn. 2). Der geltend gemachte Zulassungsgrund muss innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO soweit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.2.2015 – 5 PKH 12/15 D -, juris Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 16.6.2009 – 2 NB 67/09 –, juris Rn. 7). Auch unter Berücksichtigung dieser geminderten Darlegungsmaßstäbe lässt der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Ergebnisrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, in der ein Rechtsanspruch auf Bescheidung der – von ihm als „Petitionen“ bezeichneten – Eingaben an den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen verneint wird, nicht erkennen, so dass eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht kommt.

Das Grundrecht aus Art. 17 GG verleiht jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Die Vorschrift unterscheidet sich insoweit von Art. 26 Niedersächsische Verfassung, der als Adressat für Petitionen lediglich den Landtag nennt. Unter Bitten sind Forderungen und Vorschläge zu verstehen, die auf ein Handeln oder Unterlassen von staatlichen Organen, Behörden und sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, gerichtet sind. Beschwerden sind Beanstandungen, die sich gegen ein Handeln oder Unterlassen dieser Stellen wenden. Gegenstand einer Petition kann eine Eingabe in eigener Sache, für andere oder im allgemeinen Interesse sein; es steht jedermann frei, sich durch eine Petition für die Förderung welchen Anliegens auch immer einzusetzen (BVerwG, Beschl. v. 15.3.2017 – 6 C 16/16 –, juris Rn. 6), weshalb das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Bescheidung einer Petition nicht vom Vorliegen eines eigenen rechtlichen Interesses oder sonstiger schutzwürdiger Belange des Klägers am Gegenstand der Petition abhängig gemacht werden darf. Auch ein nicht näher spezifiziertes, pauschal formuliertes Anliegen ist ausreichend, sofern sich daraus erschließt, dass der Petent nicht lediglich sein Missfallen über eine bestimmte Handlung oder Entscheidung zum Ausdruck bringt, sondern ein Tätigwerden in eine bestimmte Richtung verlangt (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.11.2018 – 1 S 2712/17 –, juris Rn. 48 m.w.N.). Eine Petition wird mithin nicht allein dadurch zur Petition im Sinne von Art. 17 GG, dass der Absender sie als solche bezeichnet, erforderlich ist vielmehr, dass sie auch inhaltlich eine Bitte oder Beschwerde im o.a. Sinne enthält.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet das verfassungsrechtliche Petitionsrecht ein Recht darauf, dass die angegangene Stelle die Eingabe nicht nur entgegennimmt, sondern auch sachlich prüft und dem Petenten zum mindesten die Art der Erledigung schriftlich mitteilt (BVerfG, Beschl. v. 22.4.1953 – 1 BvR 162/51 –, juris Rn. 27). Die durch Art. 17 GG gewährleistete Prüfung einer Petition erfordert eine nachvollziehbare und diskriminierungsfreie Behandlung und Erledigung; darüber hinaus ist sie nicht justiziabel (BVerwG, Beschl. v. 15.3.2017 – 6 C 16/16 –, juris Rn. 9). Allerdings gilt dies nur für zulässige Petitionen, woran es etwa fehlt, wenn gesetzlich Verbotenes gefordert wird oder die Form der Petition den Anforderungen nicht entspricht, die an jede bei einer Behörde einzureichende Eingabe zu stellen sind, sie also etwa beleidigenden, herausfordernden oder erpresserischen Inhalt hat (BVerfG, Beschl. v. 22.4.1953 – 1 BvR 162/51 –, juris Rn. 26).

Die vier Schreiben an den niedersächsischen Ministerpräsidenten, deren Bescheidung der Kläger mit seiner Klage fordert, sind keine zulässigen Petitionen im dargestellten Sinn. Der mit „Straftaten im Land Niedersachsen“ überschriebene Eingabe vom 2. März 2019 ist überhaupt keine Aufforderung zu einem Tätigwerden zu entnehmen, sieht man von der – ersichtlich polemischen und als lediglich rhetorisch zu verstehenden – Aufforderung ab, Polizeibeamte zu einer verfassungsrechtlichen Beurteilung zu befragen. Das mit „Totengräber der SPD“ betitelte Schreiben vom 11. Juni 2019 enthält zwar das mit „bitte“ eingeleitete Verlangen, die „… Justizministerin … unverzüglich abzulösen“, kann aber schon aufgrund seines beleidigenden Charakters („… primitiver kriminell kann eine Justizministerin wohl nicht sein“) keinen Bescheidungsanspruch auslösen. Für das mit der Überschrift „Verbrechen im Land Niedersachsen“ versehene Schreiben vom 26. Juni 2019, das erneut die „Bitte“ enthält, die „… Justizministerin … zu entlassen“, gilt gleiches. Die mit „Bundesweite Verletzung von Verfassungsrecht“ übertitelte Eingabe von 5. August 2019 ist ebenfalls aufgrund ihres beleidigenden Charakters nicht als zulässige Ausübung des Petitionsrechts zu qualifizieren.

Nach § 166 Abs.1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).