Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.11.2020, Az.: 8 LB 97/19

Berufsunfähigkeit; Berufsunfähigkeitsrente; Einstellung der beruflichen Tätigkeit; Einstellung der Tätigkeit; Rechtsanwaltsversorgung; Tätigkeit, Einstellung; Vertreter

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.11.2020
Aktenzeichen
8 LB 97/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.05.2019 - AZ: 6 A 1/19

Fundstelle

  • ZAP EN-Nr. 88/2021

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente der Rechtsanwaltsversorgung erforderliche Merkmal der Einstellung der beruflichen Tätigkeit ist erfüllt, wenn die Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Rentenzeitraum vollständig und in nach außen manifestierter Weise aufgegeben wird.

2. Ausübung des Rechtsanwaltsberufs ist auch die Selbstvertretung, soweit sie unter Hinweis auf die Eigenschaft als Rechtsanwalt erfolgt.

3. An einer Manifestation der Einstellung der Tätigkeit fehlt es im Regelfall, wenn der zugelassene Rechtsanwalt noch nicht einmal über den berufsrechtlich vorgesehenen Vertreter verfügt.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Berufsunfähigkeitsrente des beklagten Rechtsanwaltsversorgungswerks für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. März 2018.

Der Kläger ist seit 1989 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und Mitglied des Beklagten. Er war als Justiziar eines Handelsunternehmens tätig. Daneben bearbeitete er auf eigene Rechnung Mandate. Im Rahmen einer Altersteilzeit im Blockmodell befand er sich bis zum 30. November 2012 in der Arbeitsphase in Vollzeit. Die Freistellungsphase dauerte daran anschließend bis zum 30. November 2015.

Im Mai 2013 wurde bei dem Kläger Prostatakrebs festgestellt.

Von Juni 2013 an führte der Kläger Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan vor dem OVG Nordrhein-Westfalen. In dem Verfahren 10 D 44/13.NE war er selbst Antragsteller, in dem später hierzu verbundenen Verfahren 10 D 68/14.NE war er Prozessbevollmächtigter einer Eigentümergemeinschaft, der er angehörte.

Im Herbst 2013 wurde bei der Tochter des Klägers eine Operation durchgeführt, in deren Folge sie eine Schwerbehinderung erlitt. Im November 2013 wurde das Insolvenzverfahren über eine Vermögensanlagegesellschaft des Klägers eröffnet.

In sachlichem Zusammenhang mit dem Normenkontrollantrag führte der Kläger in eigenem Namen ein Klage- (2 K 16/14) und ein Eilverfahren (2 L 137/14; OVG B-Stadt 10 B 402/14) gegen eine Baugenehmigung vor dem VG B-Stadt.

Vom 22. Juni bis 20. Juli 2015 befand sich der Kläger zur onkologischen Rehabilitation in der Klinik G. in H.. In dem Arztbrief anlässlich der Entlassung vom 29. Juli 2015 wurden u.a. ein Fatigue-Syndrom und eine psychoonkologische Belastung diagnostiziert. In dem Brief wurde auch festgehalten, der Kläger arbeite aktuell noch für 25 Stunden pro Woche selbständig als Rechtsanwalt.

Der Kläger beantragte am 14. September 2015 rückwirkend ab Mai 2013 Berufsunfähigkeitsrente. Seine Hausärztin, die Internistin Frau I., erstellte am 5. Oktober 2015 ein Gutachten, in dem sie u.a. einen Burn-out mit reaktiver Depression diagnostizierte. Er könne weniger als eine Stunde täglich konzentriert arbeiten.

Durch Bescheid vom 24. November 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente ab, weil der Kläger die berufliche Tätigkeit nicht eingestellt habe, sondern sich in der passiven Phase der Altersteilzeit befinde und monatlich eine Gehaltszahlung erhalte.

In der zweiten Jahreshälfte 2015 entfernte der Kläger das Kanzleischild von seinem Haus. Die Bestellung eines Vertreters zeigte er der Rechtsanwaltskammer zu keinem Zeitpunkt an.

In dem Normenkontrollverfahren legte der Kläger im Oktober 2015 Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ein (4 BN 46.15).

Am 2. Dezember 2015 beantragte der Kläger Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. Dezember 2015.

Der Steuerberater des Klägers teilte dem Finanzamt durch Schreiben vom 3. Februar 2017 mit, dass dieser die freiberufliche Tätigkeit als Anwalt seit dem 1. Dezember 2015 eingestellt habe. Die Einkommensteuerbescheide des Klägers weisen für 2013 und 2014 positive und für 2015 negative Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit aus. Der Steuerberater gab an, 2016 seien keine Einkünfte aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt erzielt worden.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2016 beantragte der Kläger in dem Normenkontrollverfahren OVG Nordrhein-Westfalen 10 D 44/13.NE, BVerwG 4 BN 46.15 bei dem Bundesverwaltungsgericht, das Rubrum zu berichtigen.

Am 1. Februar 2016 unterzog sich der Kläger einer Rückenoperation. Vom 14. März bis 9. April 2016 befand er sich zur orthopädischen Behandlung in der Klinik J..

Mit Schriftsatz unter dem Rechtsanwalts-Briefkopf des Klägers vom 14. März 2016 wurde in dem Normenkontrollverfahren OVG Nordrhein-Westfalen 10 D 44/13.NE Fristverlängerung für die Stellungnahme zur Kostenfestsetzung beantragt. Die Unterschrift ist unleserlich.

Unter dem 29. April 2016 beantragte der Kläger auf dem Briefkopf der A. GbR ohne Hinweis auf seine Eigenschaft als Rechtsanwalt, aber unter Angabe der E-Mail-Adresse „Rechtsanwalt-H.A.@t-online.de“, bei dem Landkreis Grafschaft Bentheim eine Abrissgenehmigung für ein denkmalgeschütztes Objekt. Er gab an, als Geschäftsführer der Gesellschaft zu handeln. Durch E-Mail vom 11. Oktober 2016 unter derselben Absender-adresse stellte er in Aussicht, er werde eine Untätigkeitsklage erheben. Die Behörde fragte später bei den Gesellschaftern und dem Kläger an, ob dieser zur Vertretung berechtigt sei, und erhielt keine Antwort. Nachfolgend lehnte der Landkreis den Antrag gegenüber der Gesellschaft, die er als durch den Kläger als Rechtsanwalt vertreten ansah, ab.

Am 4. Mai 2016 unterschrieb der Kläger in dem Verfahren OVG Nordrhein-Westfalen 10 D 44/13.NE, BVerwG 4 BN 46.15 ein Empfangsbekenntnis.

Die Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. K. erstattete im Auftrag des Klägers ein psychosomatisch-psychiatrisches Gutachten vom 25. Mai 2016. Darin vergab sie auf psychiatrischem Gebiet die Diagnose einer schweren depressiven Episode. Das Leistungsvermögen sei aufgehoben. Eine anwaltliche Tätigkeit sei auch stundenweise nicht zumutbar.

Der Neurologe Priv.-Doz. Dr. L. erstattete auf Anforderung der Beklagten ein neurologisches Gutachten vom 6. August 2016 nebst ergänzender Stellungnahme vom 28. Oktober 2016. Er diagnostizierte u.a. eine depressive Anpassungsstörung und eine leicht- bis mittelgradige Episode. Der Kläger könne drei bis sechs Stunden täglich kontinuierlich juristisch arbeiten.

Durch Bescheid vom 28. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. Dezember 2015 ab.

Gegen die Ablehnung hat der Kläger am 23. Dezember 2016 Klage erhoben.

Der Kläger ist vom 18. Januar bis 7. März 2017 in der Klinik M. stationär behandelt worden.

Über die Ablehnung der Abrissgenehmigung ist von der A. GbR ab Januar 2017 das Verfahren 3 A 5/17 vor dem VG Osnabrück geführt worden. Am 27. Januar 2017 hat der Kläger bei Gericht angerufen, mitgeteilt, dass er wegen der Reha-Maßnahme nicht bei Gericht Akteneinsicht nehmen könne und die Einsichtnahme durch seinen Sohn abgesprochen. Unter dem 2. April 2017 hat der Kläger Fristverlängerung für eine Stellungnahme beantragt, um die ihn die Klägerin gebeten habe. Die Klage ist mit Schriftsatz vom 19. April 2017, den die Frau des Klägers als Gesellschafterin der A. GbR unterzeichnet hat, begründet worden. Nach seinen Angaben hat der Kläger den Schriftsatz nach Internetrecherche durch Vorgabe einer Gliederung und Angabe von Stichworten vorbereitet, woraufhin sein Sohn den Schriftsatz verfasst hat. Einen fünfseitigen Schriftsatz vom 12. September 2017 hat der Sohn des Klägers unterschrieben. Dieser hat den Schriftsatz nach Angaben des Klägers auch abgefasst, während der Kläger ihn Korrektur gelesen hat; der Sohn hat die Darstellung des Sachverhaltes übernommen, rechtliche Ausführungen sind mit dem Kläger besprochen und soweit notwendig vorbereitet worden. In einem dreiseitigen Schriftsatz vom 1. Januar 2018 ist der Kläger als Geschäftsführer der Gesellschaft bezeichnet und die E-Mail-Adresse „Rechtsanwalt-H.A.@t-online.de“ verwendet worden. Der Kläger hat den Schriftsatz verfasst. Nach seinen Angaben hat sein Sohn ihn ausgefertigt.

Mit Antrag vom 20. April 2017 hat der Kläger rückwirkend zum 1. Dezember 2015 bei der Rechtsanwaltskammer die Befreiung von der Kanzleipflicht beantragt. Er hat einen anderen Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten benannt. Die Rechtsanwaltskammer hat die Befreiung am 24. Mai 2017 mit Wirkung bis zum 31. Mai 2018 erteilt.

Seit dem 1. Juli 2017 bezieht der Kläger antragsgemäß vorgezogene Altersrente.

Der Kläger ist ab Dezember 2017 an drei bis vier Tagen pro Woche für ein bis zwei Stunden in der Kanzlei eines Kollegen tätig gewesen; er beschreibt die Aufgaben als „back office“. Die Tätigkeit ist im Februar 2018 gesteigert worden und der Kläger hat an Mandantengesprächen teilgenommen.

Im Januar 2018 hat der Kläger seinen Sohn juristisch bei der Führung eines finanzgerichtlichen Verfahrens unterstützt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe geplant gehabt, nach dem Ende der Tätigkeit als Syndikusanwalt als Rechtsanwalt freiberuflich weiterzuarbeiten. Das sei krankheitsbedingt nicht möglich gewesen. Darin liege die Einstellung der Tätigkeit. Auch als er Syndikusanwalt gewesen sei, habe er eigene Mandate betreut. In der zweiten Jahreshälfte 2015 habe er krankheitsbedingt keine weiteren Mandate mehr angenommen. Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten bewiesen die Berufsunfähigkeit. Das Gutachten des Priv.-Doz. Dr. L. sei mangelhaft, der behördliche Sachverständige befangen.

Der Kläger hat zunächst beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2016 zu verurteilen, ihm eine Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. Dezember 2015 zu bewilligen. In der mündlichen Verhandlung hat er beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. November 2016 zu verpflichten, ihm eine Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. März 2018 in satzungsgemäßer Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe die Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht eingestellt und sei nicht berufsunfähig. Der Bezug von Altersrente schließe eine Berufsunfähigkeitsrente aus.

Das Verwaltungsgericht hat ein psychiatrisches Gutachten des Dr. N., Medizinische Hochschule O., vom 24. April 2018 eingeholt. Darin wird eine „100 %-ige Arbeitsunfähigkeit“ im Zeitraum 1. Dezember 2015 bis 30. März 2018 angenommen.

Durch Urteil vom 15. Mai 2019 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit der Klageantrag auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt worden sei, liege eine Teilklagerücknahme gegenüber dem vorherigen unbeschränkten Antrag vor. Es bestehe kein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente in dem streitigen Zeitraum, der auch für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich sei. Es könne offenbleiben, ob die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente ausgeschlossen sei, soweit der Kläger seit dem 1. Juli 2017 vorgezogene Altersrente beziehe. Ob der Kläger die Tätigkeit als Rechtsanwalt eingestellt habe, sei zweifelhaft. Erforderlich sei deren tatsächliche Aufgabe, die nach außen manifestiert sei, das Nichterbringen von Arbeitsleistungen reiche nicht aus. Für eine Einstellung spreche die Bescheinigung des Steuerberaters. Dagegen spreche die Tätigkeit in zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Der Kläger sei nicht berufsunfähig. Dabei komme es nicht auf ein Verschulden im Sinne einer nicht ausreichenden Heilbehandlung an. Der Grundsatz „Heilung vor Rente“ sei insoweit, anders als in Fällen, in denen die Berufsunfähigkeit dauerhaft vorliegen müsse, nicht maßgeblich. Die vorgelegten Gutachten belegten keine Berufsunfähigkeit. Das Gutachten der Frau I. vom 5. Oktober 2015 und das Gutachten der Frau Dr. K. vom 25. Mai 2016 seien nicht tragfähig. Die übrigen medizinischen Unterlagen seien für den Nachweis einer Berufsunfähigkeit ungeeignet, weil nach dem Satzungsrecht ein Gutachten vorzulegen sei. Die Einbeziehung weiterer Unterlagen sei nicht geboten und führe überdies nicht zur Annahme einer Berufsunfähigkeit. Das die Berufsunfähigkeit verneinende Gutachten des Priv.-Doz. Dr. L. sei verwertbar, der behördliche Sachverständige nicht befangen. Das Gutachten aus der Medizinischen Hochschule O. ändere an der Einschätzung der nicht nachgewiesenen Berufsunfähigkeit nichts. Es lasse eine kritische Auseinandersetzung mit den Gutachten der Frau Dr. K. und des Priv.-Doz. Dr. L. vermissen, beschränke sich auf eine Einschätzung der Glaubhaftigkeit des Klägers und enthalte keine kritische Auseinandersetzung mit den vorliegenden Befunden und den Divergenzen hinsichtlich der Schwere. Es bestünden Widersprüchlichkeiten insbesondere hinsichtlich der Belastbarkeit des Klägers und der betrachteten Zeiträume. Das für die A. GbR geführte Verfahren spreche gegen eine Berufsunfähigkeit. Eine weitere Beweiserhebung sei nicht geboten. Ein weiteres Gutachten würde keine neuen Erkenntnisse bringen.

Mit der vom Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 20. November 2019 - 8 LA 63/19 - zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, die Tätigkeit sei eingestellt worden. Dies werde durch die Bestätigung des Steuerberaters hinreichend belegt. Tätigkeiten außerhalb des Zeitraums, für den Rente beantragt sei, seien bedeutungslos. 2014 habe er mit einem anderen Rechtsanwalt abgesprochen, dass dieser bereit gewesen sei, an den Kläger herangetragene Mandate Dritter zu übernehmen. An den Kläger seien keine Mandate herangetragen worden, so dass der andere Rechtsanwalt nicht tätig geworden sei. Bei ihm als Syndikusanwalt reiche es für die Einstellung der Tätigkeit aus, dass er seine ursprünglich vorhandene Absicht, nach dem Ende der aktiven Angestelltentätigkeit sein Büro als selbständiger Rechtsanwalt aufzubauen, nicht habe umsetzen können. Er habe an eine Bekanntgabe seiner Verhinderung gegenüber der Rechtsanwaltskammer bis 2017 nicht gedacht. Seine gesundheitliche Entwicklung und die der Tochter hätten keine freiberufliche Tätigkeit zugelassen. 2014 und 2015 seien im Wesentlichen von der Sorge um die Tochter geprägt gewesen. Februar bis April 2016 habe er wegen einer Wirbelsäulenoperation nicht arbeiten können. Die von ihm geführten Verfahren seien im eigenen Interesse geführt worden und hätten nicht der Erzielung von Einnahmen aus anwaltlicher Tätigkeit gedient. Die Klage der Gesellschaft seiner Angehörigen habe er nur prozessual begleitet. Ohne Einnahmenerzielung liege keine berufliche Tätigkeit im Sinne der Satzung vor. Aus den Gutachten ergebe sich, dass er berufsunfähig gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 15. Mai 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. November 2016 zu verpflichten, ihm eine Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. März 2018 in satzungsgemäßer Höhe zu bewilligen, sowie den Beklagten zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung auf den nachzuzahlenden Rentenbetrag, für die nach Klageerhebung fällig gewordenen Rentenansprüche jeweils ab Fälligkeit, zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurück- und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Er trägt vor, der Kläger habe seine Tätigkeit nicht eingestellt. Erforderlich sei, dass die Tätigkeit vollständig eingestellt werde. Der Kläger sei insbesondere in dem Normenkontrollverfahren und in dem denkmalschutzrechtlichen Verfahren, in dem er Prozessbevollmächtigter gewesen sei, als Rechtsanwalt tätig gewesen. Auch eine rechtsanwaltliche Tätigkeit in eigenen Angelegenheiten stehe der Einstellung der Tätigkeit entgegen. Der Kläger sei nicht berufsunfähig.

Entscheidungsgründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum 1. Dezember 2015 bis 31. März 2018 nebst Prozesszinsen. Die Berufung ist mit diesem Gegenstand zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist auch hinsichtlich ihres erweiterten Gegenstands, der Zinsforderung, unbegründet.

Soweit in der Berufungsinstanz erstmalig ein Anspruch auf Prozesszinsen geltend gemacht worden ist, ist die in der Berufungsinstanz gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 VwGO mögliche Klageänderung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig, weil es sich um die Erweiterung des Klageantrags in Bezug auf eine Nebenforderung handelt (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 23.3.2017 - 9 C 1.16 -, BVerwGE 158, 296, juris Rn. 7).

Die Berufung ist zulässig, insbesondere zugelassen und fristgemäß erhoben. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klage auf Verpflichtung zur Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente und Zahlung von Prozesszinsen ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Das betrifft sowohl die fristgerecht erhobene Verpflichtungsklage auf Berufsunfähigkeitsrente als auch die Leistungsklage auf Zinszahlung, die mit der Verpflichtungsklage verbunden werden kann (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 15.6.2011 - 9 C 5.10 -, NVwZ-RR 2012, 189, juris Rn. 5, 22).

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente in der Zeit vom 1. Dezember 2015 bis 31. März 2018 und dementsprechend auch nicht auf Prozesszinsen.

Für die Prüfung der Begründetheit der auf Rentengewährung gerichteten Verpflichtungsklage ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Senatsbeschl. v. 6.2.2017 - 8 PA 204/16 -). Vorliegend wird die Rentengewährung allerdings für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt. Die Rentenvoraussetzungen müssen in diesem Zeitraum vorgelegen haben. Dementsprechend sind die seinerzeit geltenden Leistungsvoraussetzungen zugrundezulegen (vgl. Senatsurt. v. 16.3.1998 - 8 L 1233/97 -, NdsVBl. 1999, 20, juris Rn. 3; v. 26.4.2019 - 8 LB 12/17 -, juris Rn. 25). Diese ergeben sich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. März 2018 aus der Satzung des Beklagten vom 18. Dezember 2014 (Nds. RPfl. 2015, 43; RVS. Die Änderung durch Satzung vom 10. Dezember 2015 betrifft nicht die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen.).

Anspruchsgrundlage für das Rentenbegehren ist § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS. Nach dieser Vorschrift erhält jedes Mitglied, das mindestens für einen Monat seine Beiträge geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unfähig ist und deshalb seine berufliche Tätigkeit einstellt, auf Antrag eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert.

Es fehlt an einer Einstellung der beruflichen Tätigkeit.

a) Das Merkmal ist erfüllt, wenn die Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Rentenzeitraum vollständig und in nach außen manifestierter Weise aufgegeben wird.

Das Tatbestandsmerkmal der Einstellung der beruflichen Tätigkeit konkretisiert neben denjenigen der Berufsunfähigkeit und ihrer Dauer das versicherte Risiko (vgl. auch Senatsbeschl. v. 14.1.1999 - 8 L 5642/98 -, juris Rn. 9). Die Berufsunfähigkeitsrente tritt an die Stelle der üblicherweise von den Mitgliedern erzielten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, soll derartige Einkünfte aber nicht ergänzen. Ein abweichendes Verständnis würde die aus allen Mitgliedern des Beklagten bestehende Solidargemeinschaft übermäßig in Anspruch nehmen, da die Berufsunfähigkeitsrente nicht ausschließlich aus den Beiträgen des einzelnen Mitgliedes, sondern zumindest anteilig aus den Mitteln aller Mitglieder des Beklagten finanziert wird (Senatsbeschl. v. 12.2.2009 - 8 LB 7/08 -, juris Rn. 33). Der Rentenbezug ist deshalb davon abhängig, dass diese Tätigkeit unterbleibt. Dagegen ist Tatbestandsvoraussetzung nach der RVS einerseits nicht, dass Bedürftigkeit vorliegt oder dass auch keine Einkünfte aus anderen Quellen bezogen werden (vgl. Senatsurt. v. 26. April 2007 - 8 LB 22/05 -, GesR 2007, 359, juris Rn. 49 f.). Andererseits fordert das Satzungsrecht nicht allein das Ausbleiben von Einkünften aus beruflicher Tätigkeit, sondern die Einstellung dieser Tätigkeit als solche. Damit bezeichnet es die Situation, in der Berufsunfähigkeitsrente bezogen werden soll, typisierend, verhindert, dass der Rentenbezug von zufälligen Umständen in Bezug auf die Entstehung von Einkünften abhängig ist, und intendiert zugleich einen klaren Nachweis der Rentenvoraussetzung. Dieser kann im einfachsten Fall durch den Verzicht auf die Zulassung als Rechtsanwalt erbracht werden.

Die einzustellende berufliche Tätigkeit ist die Tätigkeit im Rechtsanwaltsberuf. Das ergeben der Zusammenhang mit den übrigen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS und der Zweck der Rente, die Berufs- und nicht die Erwerbsunfähigkeit abzusichern. Dementsprechend ist eine anderweitige selbständige oder nichtselbständige Betätigung, ob mit ihr Einkünfte erzielt werden oder nicht, unschädlich. Zum Rechtsanwaltsberuf gehören diejenigen Tätigkeiten, welche die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beziehungsweise den Fortbestand der Zulassung rechtfertigen. Dass eine juristische Ausbildung für die Tätigkeit förderlich oder notwendig ist, reicht nicht aus. Die Merkmale des Rechtsanwaltsberufs sind insbesondere §§ 1-3, 43a, 46 BRAO zu entnehmen. Kennzeichnend für die Tätigkeit als Rechtsanwalt ist demnach die unabhängige und eigenverantwortliche Interessenwahrnehmung durch Beratung und Vertretung von Rechtsuchenden bzw. im Fall des Syndikusrechtsanwalts des Arbeitgebers (Senatsurt. v. 26.4.2019 - 8 LB 12/17 -, juris Rn. 41 m.w.N.). Darauf, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wurde (vgl. Senatsbeschl. v. 12.2.2009 - 8 LB 7/08 -, juris Rn. 36) oder auch nur Rechnungen gestellt wurden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.11.2009 - 17 A 629/05 -, juris Rn. 58), kommt es nicht an; das ergibt sich daraus, dass die Satzung nicht die Einkünfte selbst, sondern um des klaren Nachweises willen die Tätigkeit in den Blick nimmt. Ausübung des Rechtsanwaltsberufs ist auch die Selbstvertretung, soweit sie unter Hinweis auf die Eigenschaft als Rechtsanwalt erfolgt (vgl. VG Köln, Urt. v. 14.3.2017 - 7 K 5145/15 -, juris Rn. 26). Das gilt umso mehr, als der sich selbst vertretende Rechtsanwalt im Obsiegensfall eine Gebührenerstattung erhalten kann (vgl. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Schon deswegen folgt der Senat nicht der Ansicht des Klägers, eine berufliche Tätigkeit setze begrifflich voraus, dass eine Absicht zur Erzielung von Einnahmen bestehe. Eine Prüfung, ob im Einzelfall subjektiv ein finanzieller Vorteil intendiert war, stünde zudem nicht mit dem Zweck eines klaren Nachweises im Einklang.

Das Tatbestandsmerkmal des Einstellens ist nicht bereits dann erfüllt, wenn tatsächlich im Rentenzeitraum keine Arbeitsleistungen erbracht wurden. Das gilt auch dann, wenn dieses schlichte Nicht-Arbeiten krankheits- oder behandlungsbedingt ist. Erforderlich ist, dass die Einstellung nach außen manifestiert wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.1.2003 - 4 A 245/01 -, juris Rn. 5; Urt. v. 14.7.2017 - 17 A 681/16 -, juris Rn. 84). Das ergibt sich wiederum aus dem Zweck der Satzungsbestimmung, einen klaren Nachweis des Eintritts des versicherten Risikos zu ermöglichen.

Die Einstellung muss grundsätzlich jegliche berufliche Tätigkeit betreffen. Anderenfalls ist das versicherte Risiko nicht verwirklicht. Ausnahmsweise mag es unschädlich sein, wenn nach einer nach außen manifestierten zunächst vollständigen Einstellung später einige wenige, einmalig gebliebene Arbeitsleistungen erbracht werden, die lediglich versuchsweise beziehungsweise aus Gefälligkeit vorgenommen wurden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.11.2009 - 17 A 629/05 -, juris Rn. 60); das kann offen bleiben. Nicht erforderlich ist hingegen die endgültige Einstellung der beruflichen Tätigkeit. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS fordert nicht, dass die Berufsunfähigkeit irreversibel sein muss. Denn es wäre insbesondere im Falle einer Erkrankung, bei der langfristig Aussicht auf Besserung besteht, und einer u.U. befristeten Rentenbewilligung widersprüchlich, eine endgültige Einstellung der Tätigkeit zu fordern. Mit der Verwendung des Wortes „endgültig“ an nicht entscheidungserheblicher Stelle und im Zusammenhang mit einer anderen Alterssicherungsordnung hat der Senat in dem Beschluss vom 14. Januar 1999 (- 8 L 5642/98 -, juris Rn. 3) entgegen dem Beklagtenvorbringen nichts anderes zum Ausdruck bringen wollen.

b) Der Kläger hat seine berufliche Tätigkeit in der Zeit vom 1. Dezember 2015 bis 31. März 2018 nicht eingestellt. Er hat eine Einstellung der beruflichen Tätigkeit nicht nach außen manifestiert und zudem eine Reihe von zum Rechtsanwaltsberuf gehörenden Tätigkeiten verrichtet.

An einer hinreichenden Manifestation einer Einstellung der beruflichen Tätigkeit fehlt es bereits, weil der Kläger entgegen der bei einer solchen Einstellung zumindest bestehenden Berufspflicht nicht nach § 53 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BRAO einen Vertreter bestellt oder für die Bestellung gesorgt hat. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO muss der Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben. Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist auch eine chronische Erkrankung, die noch keine zur Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO führende Dienstunfähigkeit zur Folge hat (vgl. Nöker, in: Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 53 Rn. 12a). Stellt der Rechtsanwalt, der eine Berufsunfähigkeitsrente begehrt, seine Tätigkeit nicht durch Verzicht auf die Zulassung ein, so ist regelmäßig erforderlich, dass er zumindest für die Bestellung eines Vertreters nach dieser Vorschrift Sorge trägt. Ausnahmen können u.a. gelten, wenn er dazu etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist. Im Regelfall ist aber die Vertreterbestellung notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung der Tätigkeitseinstellung. Nicht hinreichend ist die Bestellung eines Vertreters, weil dies allein nicht ausschließt, dass der Antragsteller weiterhin Einkünfte aus der beruflichen Tätigkeit erzielt (vgl. § 53 Abs. 9 Satz 1 BRAO; vgl. zur Zahnärzteversorgung Senatsbeschl. v. 12.2.2009 - 8 LB 7/08 -, juris). Notwendig ist die Vertreterbestellung aber, weil es ohne sie an einem klaren, von außen erkennbaren Anzeichen fehlt, dass eine Einstellung der Tätigkeit möglich und gewollt ist. Dementsprechend gibt es Rechtsanwaltsversorgungswerke, die für den Zeitraum bis zum Zulassungsverzicht die Vertreterbestellung ausdrücklich in ihrer Satzung vorsehen (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 29.7.2015 - 1 K 1414/13 -, juris). Aber auch ohne satzungsrechtliche Anordnung fehlt es im Regelfall an einer Manifestation der Einstellung der Tätigkeit, wenn der zugelassene Rechtsanwalt noch nicht einmal über den berufsrechtlich vorgesehenen Vertreter verfügt. Denn ist das nicht der Fall, so ist zu vermuten, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich bereit ist, rechtsanwaltliche Handlungen jederzeit selbst vorzunehmen und für Gerichte, Behörden oder die Gegenseite grundsätzlich erreichbar zu sein.

Der Kläger hat nach seinen Angaben, deren Richtigkeit trotz des Bestreitens des Beklagten für die rechtliche Prüfung unterstellt werden kann, mit einem anderen Rechtsanwalt abgesprochen, dass dieser bereit war, an den Kläger herangetragene Mandate zu übernehmen, und diesen später zum Zustellungsbevollmächtigten bestellt. Eine Bestellung zum Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO, die der Rechtsanwaltskammer gemäß § 53 Abs. 6 BRAO hätte angezeigt werden müssen, liegt dagegen nicht vor. Die getroffenen Abreden hatten nicht die in § 53 Abs. 7 BRAO vorgesehene Wirkung, dem Kollegen die anwaltlichen Befugnisse des Klägers einzuräumen und kommen einer Vertreterbestellung nicht gleich.

Ausnahmsweise mag eine Vertreterbestellung auch entbehrlich sein und eine ausreichende Manifestation der Einstellung der Tätigkeit vorliegen, wenn der Antragsteller seine berufliche Tätigkeit ausnahmslos im Rahmen seiner Anstellung entfaltet hat und das Dienstverhältnis beendet wird (wobei sich in dieser Situation allerdings die Frage stellte, wozu die Rechtsanwaltszulassung aufrechterhalten wird). So verhält es sich vorliegend aber nicht. Der Kläger hat neben seiner Tätigkeit als Syndikusanwalt freiberuflich Mandate bearbeitet, so dass das Ende der passiven Phase der Altersteilzeit nicht die Einstellung der beruflichen Tätigkeit bedeutet. Das Unterlassen einer beabsichtigten Ausweitung der bisherigen Rechtsanwaltstätigkeit ist keine Einstellung der Tätigkeit.

Der Antrag auf Befreiung von der Kanzleipflicht steht der nach außen erkennbaren Einstellung der Tätigkeit ebenfalls nicht gleich. Dass eine Kanzlei i.S.d. § 27 Abs. 1 BRAO nicht unterhalten wird, ergibt noch nicht, dass die Berufsausübung als Rechtsanwalt unterbleibt. Dasselbe gilt für die Entfernung des Kanzleischilds im Jahr 2015. Diese hat umso weniger Bedeutung, als der Kläger seine Mandanten durch Empfehlung anderer gewann. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. N. hat er angegeben, er habe nicht aktiv seine Dienste beworben, sondern die Klienten hätten ihn bereits gekannt oder er sei ihnen empfohlen worden.

Das Verwaltungsgericht hat es als grundsätzlich möglich angesehen, die Mitteilung eines Steuerberaters an das Finanzamt, wonach die selbständige Tätigkeit eingestellt worden sei, als Manifestation der Einstellung der beruflichen Tätigkeit zu bewerten. Es kann offen bleiben, ob dieser Einschätzung bereits die Möglichkeit einer Selbstvertretung entgegensteht. Jedenfalls im Fall des Klägers, der sich auch tatsächlich selbst vertreten hat und zudem in anwaltlicher Eigenschaft für Dritte tätig geworden ist, hat die Mitteilung seines Steuerberaters an das Finanzamt vom 3. Februar 2017, dass der Kläger die freiberufliche Tätigkeit als Anwalt seit dem 1. Dezember 2015 eingestellt habe, keine Aussagekraft im Hinblick auf die Einstellung der beruflichen Tätigkeit i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS.

Diese Selbstvertretung erfolgte insbesondere dadurch, dass er in dem Verfahren 4 BN 46.15 vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27. Januar 2016 einen Rubrumsberichtigungsantrag gestellt hat. Die Vornahme dieser Prozesshandlung war ihm gemäß § 67 Abs. 4 Sätze 1, 3, 8 VwGO nur in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt möglich. Sie erfolgte einerseits im (Kosten-)interesse des Klägers selbst, andererseits aber auch im Interesse der von ihm vertretenen Eigentümergemeinschaft, die an der Nichtzulassungsbeschwerde teilhaben sollte. Es liegt neben der Selbst- also auch eine Fremdvertretung vor. Damit hat der Kläger gleich zu Beginn des beantragten Zeitraums eine berufliche Tätigkeit ausgeübt. Dies verleiht der Verneinung des hier untersuchten Tatbestandsmerkmals, die schon wegen des Fehlens einer nach außen manifestierten Einstellung der beruflichen Tätigkeit zu erfolgen hat, zusätzlichen Nachdruck. Dies gilt ergänzend für die Abgabe eines Empfangsbekenntnisses am 4. Mai 2016, die gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 174 ZPO bei Naturalparteien nicht vorgesehen ist.

Zudem ist die Tätigkeit für die A. GbR mit Bezug zu dem denkmalgeschützten Gebäude in Veldhausen als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs zu bewerten. Insoweit handelt es sich nicht um eine rechtskundige Unterstützung aus familiärer Verbundenheit, wie sie von jeder juristisch gebildeten Person gelegentlich gewährt werden kann, ohne dass bereits eine Ausübung des Rechtsanwaltsberufs vorliegt. Vielmehr ist die Grenze zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Interessenwahrnehmung durch Beratung von Rechtsuchenden, die die anwaltliche Tätigkeit kennzeichnet, überschritten. Das ergibt sich aus Inhalt, Umfang und Bedeutung der Tätigkeit. Die rechtliche Beratung wurde nicht unmittelbar Familienangehörigen, sondern der von ihnen gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zuteil, die Außenwirksamkeit besitzt und das Grundstück zu Erwerbszwecken verwaltet. Der Kläger hat vorprozessual durch E-Mail vom 11. Oktober 2016 unter der Absenderadresse „Rechtsanwalt-H.A.@t-online.de“ in Aussicht gestellt, er werde eine Untätigkeitsklage erheben. Im gerichtlichen Verfahren hat er nicht bloß wegen Fragen der Akteneinsicht bei Gericht angerufen, sondern die rechtliche Würdigung weitgehend übernommen. Dabei war er ersichtlich selbständig und unabhängig tätig; die weitere Ausformulierung erfolgte nach seinen Vorgaben. Er hat den vierseitigen Schriftsatz vom 19. April 2017 nach Internetrecherche durch Vorgabe einer Gliederung und Angabe von Stichworten vorbereitet, wobei die Abfassung des Schriftsatzes seinem Sohn zufiel. Dieser hat zwar die Darstellung des Sachverhalts in dem fünfseitigen Schriftsatz vom 12. September 2018 übernommen, die rechtlichen Ausführungen wurden aber mit dem Kläger besprochen und von diesem soweit notwendig vorbereitet, es erfolgte also eine weitere Rechtsberatung. Den zweiseitigen Schriftsatz vom 1. Januar 2018 hat der Kläger selbst verfasst.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Kläger den Nachweis der Einstellung seiner beruflichen Tätigkeit nicht geführt hat. Weitere gerichtliche Ermittlungen, die zusätzliche Anhaltspunkte für die Fortsetzung der Rechtsanwaltstätigkeit erbringen könnten, sind nicht veranlasst. So muss nicht aufgeklärt werden, ob der Kläger sich auch in dem Klageverfahren 2 K 16/14 vor dem VG Münster nach Beginn des beantragten Rentenzeitraums selbst vertreten hat. Die Akten weiterer von dem Beklagten bezeichneter gerichtlicher Verfahren sind nicht anzufordern. Ob die seit Dezember 2017 ausgeübte stundenweise Tätigkeit für einen Kollegen derart unabhängig und eigenverantwortlich erfolgte, dass sie als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs anzusehen ist, muss nicht aufgeklärt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.