Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.08.2018, Az.: 8 ME 42/18

Abschiebung; Antragsfrist; EATRR; Europäisches Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge; Flüchtling; Geschäftsverteilung; Rechtskraft; Grenzen der Rechtskraft; Statthaftigkeit; Verantwortungsübergang; Wiederaufnahme

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.08.2018
Aktenzeichen
8 ME 42/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.03.2018 - AZ: 12 B 2011/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Übergang der Verantwortung gemäß Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge steht der Abschiebung in den Staat, der einen Reiseausweis für Flüchtlinge erteilt hat, nicht entgegen, wenn dieser Staat der Wiederaufnahme trotz des verspäteten Wiederaufnahmeantrags zustimmt.
2. Der Flüchtling kann aus dem Ablauf der Frist des Art. 4 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge keine Rechte herleiten.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 29. März 2018 geändert. Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über die Klage (12 A 598/18) von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber den Antragstellern abzusehen, wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Soweit der Rechtsstreit in der Beschwerdeinstanz angefallen ist, begehren die Antragsteller die Aussetzung der Abschiebung.

Die Antragsteller sind syrische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1. reiste 2012 nach Rumänien ein. Ihm wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Den nachgereisten Antragstellern zu 2. bis 4. wurde ebenfalls die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Sie erhielten bis zum 11. November 2015 gültige rumänische Reisedokumente. Der Antragsteller hatte ein rumänisches Reisedokument mit unbekannter Gültigkeitsdauer und niedrigerer Seriennummer als die Dokumente der Antragsteller zu 2. bis 4. inne. Nach ihren Angaben vernichteten die Antragsteller die rumänischen Dokumente.

Die Antragsteller reisten am 10. Dezember 2013 in das Bundesgebiet ein und beantragten Asyl. Dabei gaben sie an, in Rumänien Asyl zuerkannt bekommen zu haben. Dies bestätigte die rumänische Dublin- und Eurodac-Einheit durch Schreiben vom 26. Mai 2014, in dem auch die Gültigkeitsdauer der rumänischen Reisedokumente der Antragsteller zu 2. bis 4. angegeben war. Auf die Anwendbarkeit des Europäischen Übereinkommens vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge (BGBl. 1994 II, S. 2645; EATRR) wurde hingewiesen. Das Bundesamt übermittelte diese Informationen am 27. Mai 2014 dem Antragsgegner, der die Bundespolizei bat, ein Aufnahmeersuchen zu veranlassen. Ein Tätigwerden der Bundespolizei zu diesem Zeitpunkt ist nicht aktenkundig.

Durch Bescheid vom 25. März 2015 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab, drohte die Abschiebung nach Rumänien an und sprach aus, dass die Antragsteller nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage.

Am 5. Mai 2016 beantragten die Antragsteller die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG und von Reiseausweisen für Flüchtlinge. Die Verantwortung sei nach dem EATRR auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.

Auf ein Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 19. Oktober 2016 erklärte das rumänische Generalinspektorat für Immigration am 24. Oktober 2016 die Zustimmung zur Wiederaufnahme der Antragsteller. Die Antragsteller zu 2. bis 4. hatten in der Folgezeit Aufenthaltsgestattungen inne, der Antragsteller zu 1. nach Rücknahme seiner Asylklage eine Duldung. Nach Abweisung ihrer Klage verfügten die Antragsteller zu 2. bis 4. ebenfalls über Duldungen. Der Antragsgegner teilte ihnen im März 2017 mit, dass sie allein wegen des Klageverfahrens noch nicht abgeschoben worden seien und die Abschiebung nach Rumänien erfolgen solle.

Die Antragsteller stellten einen Asylfolgeantrag und legten einen Überweisungsschein für die Antragstellerin zu 2. vor, in der ihr Hausarzt einen Verdacht auf PTBS festhielt.

Das Bundesamt lehnte die Asylfolgeanträge durch Bescheid vom 10. November 2017 als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die Prüfung von Abschiebungsverboten erfolgte in Bezug auf Rumänien. Die Antragsteller erhoben Klage und beantragten einstweiligen Rechtsschutz.

Durch Beschluss vom 6. Dezember 2017 lehnte das Verwaltungsgericht Hannover - 2. Kammer - den sinngemäßen Antrag, die Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Ausländerbehörde anzuweisen, von Abschiebemaßnahmen der Antragsteller nach Rumänien bis zum bestandskräftigen Abschluss des Klageverfahrens abzusehen, ab. Dem Antrag fehle des Rechtsschutzbedürfnis, weil die Verantwortung nach dem EATRR auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei. Damit könne ein in einem anderen Mitgliedstaat anerkannter Flüchtling auch ohne Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in Deutschland in den vollen Genuss der mit der Flüchtlingsanerkennung verbundenen Rechte kommen. Die Antragsteller erfüllten nach ihrem eigenen Vortrag die Voraussetzungen für den Verantwortungsübergang. Jedenfalls dürfte der Antrag unbegründet sein. Der Bescheid im Asylfolgeverfahren sei bei summarischer Prüfung rechtmäßig, so dass die bestandskräftige Abschiebungsandrohung aus dem ersten Asylverfahren vollziehbar bleibe. In Rumänien hätten die Antragsteller faktisch Zugang zu Integrationsleistungen i.S.d. Art. 20 ff. RL 2011/95/EU (Qualifikations- oder Anerkennungsrichtlinie). Ein Abänderungsantrag der Antragsteller entsprechend § 80 Abs. 7 VwGO blieb ohne Erfolg.

Das rumänische Generalinspektorat bestätigte durch E-Mail vom 28. Dezember 2017, dass die Zustimmung zur Wiederaufnahme vom 24. Oktober 2016 weiterhin gültig sei.

Durch Bescheid vom 9. Januar 2018 lehnte der Landrat des Antragsgegners den Antrag auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG ab. Die Verantwortung sei nicht nach dem EATRR auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.

Die Antragsteller haben am 22. Januar 2018 Klage erhoben. Nach Rücknahme eines ersten Eilantrags haben sie am 14. März 2018 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie haben vorgetragen, ihnen seien Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, weil die Verantwortung nach dem EATRR auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei. Das hindere zudem die Abschiebung.

Das Verwaltungsgericht - 12. Kammer - hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 29. März 2018, zugestellt am 3. April 2018, im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zu einer Entscheidung über die Klage von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber den Antragstellern abzusehen, und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Soweit die Antragsteller die vorläufige Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen begehrten, sei dafür im vorliegenden Eilverfahren kein Raum. Die Antragsteller wollten erreichen, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht nach Rumänien abgeschoben zu werden. Ein auf Aussetzung der Abschiebung gerichteter Antrag sei als Minus in dem Antrag auf vorläufige Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen enthalten. Für diesen Antrag sei nach dem Geschäftsverteilungsplan die 2. Kammer zuständig, da die Abschiebung aufgrund einer Abschiebungsandrohung des Bundesamtes durchgeführt werden solle. Nachdem die 2. Kammer jedoch wiederholt einen Antrag auf Aussetzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgelehnt habe, wobei sie mit Blick auf einen möglichen Anspruch der Antragsteller auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen deren Rechtsschutzbedürfnis verneint habe, sehe sich die Kammer zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes genötigt, über den Antrag auf Aussetzung der Abschiebung zu entscheiden. Es bestehe ein Anordnungsanspruch. Die Abschiebung sei aus rechtlichen Gründen unmöglich. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihnen ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zustehe. Zwar scheide eine Duldung für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus, wenn - wie hier - ein vorläufiges Bleiberecht nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG nicht bestehe. Etwas anderes könne aber gelten, wenn - wie im Fall einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG - der Aufenthaltserlaubnisantrag vom Inland aus verfolgt werden könne. Die von § 25 Abs. 2 AufenthG vorausgesetzte Entscheidung des Bundesamtes liege zwar nicht vor. Gleichwohl erscheine ein Anspruch nicht ausgeschlossen, weil die Verantwortung für die Antragsteller nach dem EATRR auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei. Der Verantwortungsübergang beruhe nicht auf Art. 2 Abs. 1 EATRR, weil es an der Zustimmung der Behörden der Bundesrepublik Deutschland fehle. Möglicherweise sei die Verantwortung jedoch übergegangen, wenn die Wiederaufnahme nicht mehr beantragt werden könne. Die Voraussetzungen hierfür könnten erfüllt sein, wenn davon auszugehen sei, dass die Reiseausweise der Antragsteller spätestens am 11. Mai 2015 abgelaufen seien, Deutschland - nachweislich - erst am 19. Oktober 2016 einen Wiederaufnahmeantrag gestellt habe und sich die Antragsteller auf das Fristversäumnis berufen könnten, obwohl Rumänien mehrfach seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme bekräftigt habe. Die Klärung insbesondere der letzten Voraussetzung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, weil der Antragsgegner die Abschiebung nach Rumänien eingeleitet habe. Soweit die Ausstellung von Reisepässen für Flüchtlinge beantragt worden sei, sei kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Antragsgegner macht mit der am 17. April 2018 erhobenen Beschwerde im Wesentlichen geltend, die Rechtskraft der Beschlüsse im asylrechtlichen Eilverfahren stehe der Entscheidung entgegen, diese sei nicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich und ein offenkundiger Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestehe auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht, so dass eine Prüfung im Hauptsacheverfahren erfolgen müsse, das die Antragsteller von Rumänien aus führen könnten.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie ist nicht gemäß § 80 AsylG ausgeschlossen (so aber wohl Huber, NVwZ 2017, 244, 248 [BVerwG 07.03.2016 - BVerwG 7 B 45.15]). Nach dieser Vorschrift können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz liegt nur dann vor, wenn die vom Ausländer angefochtene oder begehrte Maßnahme ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz findet (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.9.1997 - 1 C 6/97 -, NVwZ 1998, 299, juris Rn. 14). Dafür ist ausschlaggebend‚ auf welche Rechtsgrundlage die angefochtene oder begehrte Maßnahme oder Entscheidung gestützt wird. Im Fall der von der Ausländerbehörde begehrten Aussetzung der Abschiebung (Duldung) liegt keine Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz vor. Auch wenn das Bundesamt für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2‚ 3, 5 und 7 AufenthG zuständig ist und somit Kompetenzen des Bundesamtes nicht nur im Asylgesetz, sondern auch im Aufenthaltsgesetz geregelt sind, hat das nicht zur Folge, dass das Bundesamt auch für die Prüfung von im Aufenthaltsgesetz geregelten Vollstreckungshindernissen bei asylrechtlichen Abschiebungsandrohungen zuständig ist. In den genannten Fällen wird im Asylgesetz bzw. AufenthG ausdrücklich auf die entsprechenden Befugnisse des Bundesamtes verwiesen (§ 31 AsylG, § 60 Abs. 1 und 2 AufenthG). In diesem Fall wird auch ausdrücklich geregelt, dass Rechtsschutz nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Umgekehrt ist die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes gebunden (§ 42 AsylG) bzw. hat gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG das Bundesamt zu beteiligen. Demgegenüber entscheidet die Ausländerbehörde über Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 AufenthG (sog. inlandsbezogene Abschiebungshindernisse) in eigener Zuständigkeit ohne Beteiligung des Bundesamtes. Rechtsschutz erfolgt deshalb nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 13.9.2016 - 13 PA 151/16 -, NVwZ 2016, 1742, juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. Senatsbeschl. v. 12.11.2003 - 8 ME 189/03 , AuAS 2004, 34, juris Rn. 4 f.).

Im Beschwerdeverfahren ist der Antrag angefallen, die Ausländerbehörde im Wege der einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Abschiebung, die den Antragstellern durch eine vom Bundesamt erlassene Abschiebungsandrohung angedroht worden ist, zu verpflichten. Dabei wird geltend gemacht, dass die Antragsteller zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien und sich hieraus eine Unmöglichkeit der Abschiebung ergebe. Dieser Vortrag führt auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (s.u. 2.a.bb.). Dass § 73a AsylG Bestimmungen über Erlöschen und Entzug der Rechtsstellung als Flüchtling nach einem Verantwortungsübergang trifft, steht mit dem ohne Rücksicht auf die Verhältnisse im Zielstaat auf einen Verantwortungsübergang gestützten Duldungsbegehren in keinem Zusammenhang.

2. Die Beschwerde ist begründet. Aus den mit ihr dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne tragfähige Begründung stattgegeben hat. Die deswegen erforderliche eigenständige Prüfung ergibt, dass dieser Antrag nicht begründet ist.

a. Für die Aussetzung der Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung genügt es nicht, dass das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG als möglich angesehen hat.

aa. Allerdings greift der Einwand der Beschwerde, die Rechtskraft der Beschlüsse vom 6. Dezember 2017 und 22. März 2018 stehe der Stattgabe entgegen, nicht durch.

Der Antrag im vorliegenden Verfahren liegt außerhalb der objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft der asylrechtlichen Beschlüsse. Diese betreffen die Mitteilung des Bundesamtes an die Ausländerbehörde über die Zulässigkeit der Abschiebung; beteiligt ist neben den Antragstellern die Bundesrepublik Deutschland. Darüber, ob der Antragsgegner zur Aussetzung der Abschiebung verpflichtet ist, ist in den genannten Beschlüssen nicht entschieden worden.

Auch unabhängig von der Frage der Rechtskraftwirkung sind die Entscheidungen in den asylrechtlichen Eilverfahren nicht vorgreiflich. Das Verwaltungsgericht hat nicht entschieden, ob der Durchführung der Abschiebung ein Verantwortungsübergang nach dem EATRR entgegensteht. Es hat nur für das Rechtsverhältnis zwischen Antragstellern und dem Träger des Bundesamtes angenommen, dass ein Rechtsschutzbedürfnis wegen eines nach dem Vortrag der Antragsteller eingetretenen Verantwortungsübergangs nicht bestehe. Damit bleibt die Frage, ob die Ausländerbehörde tatsächlich aus diesem Grund an der Abschiebung gehindert ist, zu prüfen.

bb. Soweit das Verwaltungsgericht - 12. Kammer - ausgeführt hat, es weiche von der Geschäftsverteilung ab, greift das Beschwerdevorbringen das nicht auf. Die Beschwerde ist zwar der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, seine Entscheidung sei zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich. Der Antragsgegner bezieht das aber nur auf die von ihm angenommene Bindungswirkung der bereits getroffenen Entscheidungen der 2. Kammer und nicht auf die für das Verwaltungsgericht problematische Frage, ob für den nunmehr gestellten Antrag, den Antragsgegner zur Aussetzung der Abschiebung zu verpflichten, die 2. Kammer zuständig gewesen wäre.

Auch unabhängig von der fehlenden Darlegung eines Beschwerdegrundes ist der Beschwerde nicht bereits im Hinblick auf eine fehlende gerichtsinterne Zuständigkeit der 12. Kammer des Verwaltungsgerichts stattzugeben. Allerdings ist die für die Zuständigkeit gegebene Begründung, die 2. Kammer habe wiederholt einen Antrag auf Aussetzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgelehnt, weswegen die 12. Kammer tätig werden müsse, zweifelhaft. Zu unterscheiden sind Fälle, in denen bei bestehender Verantwortung des Erststaats dortige Versorgungsmängel gegen die Abschiebung eingewandt werden, von Fällen, in denen aus einem Verantwortungsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland ein Recht auf erlaubten oder geduldeten Aufenthalt im Inland abgeleitet werden soll. Im asylrechtlichen Verfahren, in dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, kann allein zu klären sein, ob im Hinblick auf Rumänien zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen. Dagegen ist die Frage, ob die Ausländerbehörde an der Abschiebung gehindert ist, weil die Verantwortung für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist, vom Bundesamt nicht zu prüfen. Sie kann nur in einem gerichtlichen Verfahren geklärt werden, an dem der Träger der Ausländerbehörde beteiligt ist. Denn das Bundesamt kann zwar, wenn ein Asylantrag gestellt wurde, zu entscheiden haben, ob im Hinblick auf den Staat, der die Flüchtlingsanerkennung ausgesprochen hat (im Folgenden: Erststaat, vgl. Art. 1 Buchst. c) EATRR) und in den die Abschiebung erfolgen soll, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen. Ob aber - insbesondere, wenn solche Abschiebungshindernisse nicht gegeben sind - der Verantwortungsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland (den Zweitstaat i.S.d. Art. 1 Buchst. d) EATRR) zur Folge hat, dass die Abschiebung rechtlich unmöglich ist, weil der Ausländer sich nunmehr hier aufhalten darf, ist eine davon zu unterscheidende Frage. Insoweit handelt es sich um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Ein solches, gegen den Antragsgegner gerichtetes Verfahren ist bei der 2. Kammer noch nicht anhängig gewesen, so dass für die Besorgnis einer Rechtsschutzverweigerung kein Anlass bestand.

Es kann offen bleiben, ob sich aus den vorstehenden Erwägungen ein Verfahrensfehler ergibt. Anlass zur Zurückverweisung besteht nicht. Der Senat entscheidet nach umfassender Prüfung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz in der Sache (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 146 Rn. 43).

cc. Die Beschwerde greift durch, soweit sie gegen die angegriffene Entscheidung einwendet, ein offenkundiger Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und Reiseausweisen bestehe auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht; die Frage sei im Hauptsacheverfahren zu klären und dieses könne vom Ausland aus betrieben werden. Die Begründung des Verwaltungsgerichts für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist nicht tragfähig.

Für die Dauer eines Erteilungsverfahrens für eine Aufenthaltserlaubnis kann ausnahmsweise durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung erwirkt werden, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugute kommt, wobei das Vorliegen der Voraussetzungen glaubhaft zu machen ist. Derartige ausländerrechtliche Regelungen sind solche, die implizieren, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status auch vom Inland aus verfolgt werden kann. In diesem Fall ist zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, wonach die Erteilung einer Duldung für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus gesetzessystematischen Gründen ausscheidet, wenn ein vorläufiges Bleiberecht nach § 81 AufenthG nicht eingetreten ist. Die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist aber in einer solchen Situation nicht gerechtfertigt, wenn bereits zum Zeitpunkt der Prüfung eines Anspruchs auf Erteilung einer Duldung feststeht, dass die Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist (Senatsbeschl. v. 22.11.2017 - 8 ME 132/17 -; v. 20.2.2018 - 8 ME 161/17 -; vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.8.2008 - 13 ME 128/08 -, juris Rn. 2 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 12.2.2008 - 18 B 230/08 -, InfAuslR 2008, 211, juris Rn. 3).

Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich nicht, dass nach diesen Maßstäben ein Anordnungsanspruch gegeben gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht als glaubhaft gemacht angesehen. Aus seinen Ausführungen ergibt sich, dass es die Erfolgsaussichten in der Hauptsache für offen hält. In einer solchen Situation hätte es allenfalls aufgrund einer Interessenabwägung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung gelangen können. Dabei hätte es auch den bei Vorhandensein eines sicheren Drittstaats naheliegenden Einwand zu bewerten gehabt, das Hauptsacheverfahren könne von diesem Drittstaat aus geführt werden.

b. Die Prüfung des zulässigen Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Oberverwaltungsgericht ergibt, dass dieser nicht begründet ist. Ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung der Antragsteller ist möglich.

aa. Die Abschiebung ist nicht wegen des Fehlens eines aufnahmebereiten Staates tatsächlich unmöglich. Allerdings kann sich eine solche Unmöglichkeit im Falle der Weiterreise anerkannter Flüchtlinge ergeben, wenn der Erststaat die Wiederaufnahme verweigert, weil die nach dem EATRR vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Rumänien verweigert die Wiederaufnahme der Antragsteller jedoch nicht.

bb. Ein Abschiebungshindernis ergibt sich nicht aus Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention (vom 28.7.1951, BGBl. 1953 II S. 560 - GK) i.V.m. § 11 des Anhangs zur GK. Wechselt ein Flüchtling seinen Wohnort oder lässt er sich rechtmäßig im Gebiet eines anderen vertragschließenden Staates nieder, so geht nach der zuletzt genannten Vorschrift gemäß Art. 28 GK die Verantwortung für die Ausstellung eines neuen Ausweises auf die zuständige Behörde desjenigen Gebietes über, bei welcher der Flüchtling seinen Antrag zu stellen berechtigt ist.

Rechtmäßiger Aufenthalt im Hoheitsgebiet beinhaltet eine besondere Beziehung des Betroffenen zu dem Vertragsstaat durch eine mit dessen Zustimmung begründete Aufenthaltsverfestigung. Es genügt nicht die faktische Anwesenheit, selbst wenn sie dem Vertragsstaat bekannt ist und von diesem hingenommen wird. In der Bundesrepublik Deutschland ist der Aufenthalt eines Ausländers grundsätzlich nur dann rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Die bloße Anwesenheit des Ausländers, mag sie auch von der Behörde hingenommen werden, genügt mithin nach deutschem Recht unabhängig von ihrer Dauer nicht für einen rechtmäßigen Aufenthalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1991 - 1 C 42.88 -, BVerwGE 88, 254, juris Rn. 36 f.; v. 17.3.2004 - 1 C 1.03 -, BVerwGE 120, 206, juris Rn. 19 f.).

Die Antragsteller halten sich nicht in diesem Sinne rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihr Aufenthalt war während des Asylverfahrens gestattet und wird seither geduldet.

cc. Die Abschiebung ist nicht wegen eines Verantwortungsübergangs nach dem EATRR unmöglich. Dabei kann offen bleiben, ob die Bundesrepublik Deutschland die flüchtlingsrechtliche Verantwortung derzeit nicht trägt oder ob eine solche Verantwortung neben derjenigen Rumäniens besteht. In beiden Fällen ist der deutsche Staat nicht auf der Grundlage des EATRR verpflichtet, den Antragstellern den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

(1) Die Verantwortung ist nicht nach Art. 2 Abs. 1 Var. 1 EATRR auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Nach dieser Vorschrift gilt die Verantwortung nach Ablauf von zwei Jahren des tatsächlichen und dauernden Aufenthalts im Zweitstaat mit Zustimmung von dessen Behörden als übergegangen. Es fehlt an der Zustimmung der deutschen Behörden. Daher kann offen bleiben, ob es eines erlaubten Aufenthalts i.S.d. Art. 28 GK i.V.m. § 11 des Anhangs zur GK bedarf (so BayVGH, Beschl. v. 27.10.2004 - 10 CS 04.2158 -, juris Rn. 5; a.A. SächsOVG, Beschl. v. 12.4.2016 - 3 B 7/16 -, NVwZ 2017, 244, juris Rn. 14). Eine Zustimmung setzt zumindest voraus, dass die stillschweigende Billigung des Zweitstaates für den dauerhaften Aufenthalt des Flüchtlings vorliegt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 12.4.2016 - 3 B 7/16 -, NVwZ 2017, 244 [BVerwG 07.03.2016 - BVerwG 7 B 45.15], juris Rn. 14; vgl. auch Erläuternder Bericht zum Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge (im Folgenden: Erläuternder Bericht), BT-Drs. 12/6852, S. 17, Rn. 21: nicht unbedingt durch einen formalen Akt).

Deutsche Behörden haben einen dauerhaften Aufenthalt der Antragsteller nicht stillschweigend gebilligt. Das Bundesamt hat zunächst ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens durchgeführt und bereits dadurch zu erkennen gegeben, dass eine Aufenthaltsbeendigung in Erwägung gezogen werde. Mit dem Bescheid vom 25. März 2015 hat es die Antragsteller aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen und die Abschiebung angedroht. Die Ausländerbehörde hat die Antragsteller während des Gerichtsverfahrens und zur Vorbereitung der Überstellung nach Rumänien geduldet und diese Zwecke der Duldung auch in Schreiben an den Bevollmächtigten der Antragsteller kundgemacht.

(2) Ein Verantwortungsübergang nach Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 EATRR ist zunächst erfolgt.

Art. 2 Abs. 3 EATRR bestimmt, dass die Verantwortung auch dann als übergegangen gilt, wenn die Wiederaufnahme des Flüchtlings durch den Erststaat nach Art. 4 EATRR nicht mehr beantragt werden kann. Gemäß Art. 4 Abs. 1 EATRR wird der Flüchtling, solange die Verantwortung nicht nach Art. 2 Abs. 1 und 2 EATRR übergegangen ist, jederzeit im Hoheitsgebiet des Erststaats wieder aufgenommen, selbst nach Ablauf der Gültigkeit des Reiseausweises. In letzterem Fall erfolgt die Wiederaufnahme auf einfachen Antrag des Zweitstaats unter der Bedingung, dass der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Gültigkeit des Reiseausweises gestellt wird.

Die Wiederaufnahme der Antragsteller konnte nicht mehr beantragt werden. Der Antrag war verspätet. Die Gültigkeitsdauer der rumänischen Reisedokumente der Antragsteller zu 2. bis 4. endete am 11. November 2015; die rumänische Behörde hat mitgeteilt, dass sie nicht verlängert wurden. Das Reisedokument des Antragstellers zu 1. trug eine niedrigere Seriennummer, so dass davon auszugehen ist, dass es früher ausgestellt wurde und seine Gültigkeit früher endete. Das Aufnahmeersuchen wurde - trotz der deutlich früheren Veranlassung durch den Antragsgegner gegenüber dem Bundespolizeipräsidium - erst durch Schreiben vom 19. Oktober 2016 an die rumänischen Behörden übermittelt und hielt die Sechs-Monats-Frist nicht ein. Bestimmungen, aus denen sich eine Hemmung der Frist insbesondere durch das gerichtliche Verfahren ergeben könnte, bestehen nicht. Insbesondere ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. c) EATRR nach Wortlaut und Systematik nur auf die Fälle des Art. 2 Abs. 1 EATRR anwendbar.

Rechtsfolge des Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 EATRR ist der Übergang der Verantwortung. Er ist dann als erfolgt anzusehen, wenn der in Art. 4 Abs. 1 EATRR bestimmte Zeitraum abgelaufen ist (vgl. Erläuternder Bericht, BT-Drs. 12/6852, S. 17, Rn. 24, 29).

(3) Die Verantwortung ist aber zurück auf Rumänien übergegangen.

Ebenso, wie die Verantwortung nach den Bestimmungen des EATRR auf den nächsten Zweitstaat weiter übergehen kann, kann sie bei Vorliegen der Voraussetzungen auch auf den Erststaat zurück übergehen. Das ist durch die Zustimmung Rumäniens zu dem verspäteten Aufnahmeersuchen erfolgt.

Rechtsgrundlage des Rückübergangs ist Art. 8 Abs. 2 EATRR. Danach ist das Übereinkommen nicht so auszulegen, als hindere es eine Vertragspartei, die Vorteile des Übereinkommens auf Personen zu erstrecken, welche die festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllen.

Der Erststaat hat demzufolge die Möglichkeit, den Flüchtling nach Ablauf des für den Übergang der Verantwortung erforderlichen Zeitraums erneut in sein Staatsgebiet zuzulassen und seinen Reiseausweis zu erneuern (vgl. Erläuternder Bericht, BT-Drs. 12/6852, S. 17, Rn. 35). Soweit der erläuternde Bericht in diesem Zusammenhang eine Berücksichtigung der Wünsche des Flüchtlings voraussetzt, handelt es sich nicht um ein Tatbestandsmerkmal. Der vorgesehene Vorteil besteht im erkennbaren Vorhandensein eines Staates, der für die Erteilung des Reiseausweises für Flüchtlinge die Verantwortung trägt. Diesbezügliche Auslegungsschwierigkeiten in Fällen der Weiterwanderung sollte das EATRR beseitigen (vgl. Erläuternder Bericht, BT-Drs. 12/6852, S. 17, Rn. 10). Diesem Zweck dient auch der Rückübergang der Verantwortung auf den Erststaat nach einem ohne den Willen des Zweitstaats erfolgten Verantwortungsübergang gemäß Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 EATRR. Vorgesehener Vorteil ist demgegenüber nicht die Unterstützung eines Weiterwanderungswunsches des Flüchtlings, dem der Zweitstaat nicht zugestimmt hat.

Rechte des Flüchtlings werden durch den Rückübergang der Verantwortung auf den Erststaat nicht verletzt. Der Flüchtling kann aus dem Ablauf der Frist des Art. 4 Abs. 1 EATRR keine Rechte herleiten. Dieses 1980 entworfene Übereinkommen steht in der Tradition der Mediatisierung des Einzelnen im Völkerrecht (vgl. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 7 Rn. 1 ff.). Geregelt wurden Rechtsbeziehungen der Vertragsstaaten untereinander. Diese beseitigten Unstimmigkeiten über die Auslegung des Art. 28 GK i.V.m. §§ 6, 11 des Anhangs zur GK. Damit wurden organisatorische Regelungen geschaffen, die dazu dienten, schnell Klarheit über den verantwortlichen Staat und den Übergang der Verantwortlichkeit zu erhalten. Dass dabei im Hinblick auf die Übernahme der Verantwortung Flexibilität besteht, besagt neben Art. 8 Abs. 2 EATRR selbst auch Art. 2 Abs. 1 Var. 2 und 3 EATRR, wonach der Zweitstaat durch die Festlegung der Aufenthaltsdauer einen früheren Verantwortungsübergang als nach Art. 2 Abs. 1 Var. 1 EATRR herbeiführen kann. Ein Rechtsbehelf wird dem Einzelnen nicht eingeräumt. Nur zwischen den Vertragsstaaten sind bei Auslegungsschwierigkeiten Konsultationen und nachrangig ein Schiedsverfahren vorgesehen (Art. 15 EATRR). Die Rechtslage entspricht damit weitgehend derjenigen unter dem ursprünglich völkerrechtlichen Dublin-Übereinkommen (Übereinkommen vom 15.6.1990 über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags, BGBl. 1994 II, S. 791) und den Verordnungen bis zur Dublin-II-Verordnung (VO (EG) 343/2003; vgl. EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 -, NVwZ 2014, 208, juris Rn. 49 ff.; BVerwG, Urt. v. 27.10.2015 - 1 C 32/14 -, BVerwGE 153, 162, juris Rn. 19 f.). Erst die Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten durch Erwägungsgrund 19 der Dublin-III-Verordnung hat es dem Einzelnen ermöglicht, sich auf die Verletzung der Zuständigkeitskriterien zu berufen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.6.2016 - C-63/15 -, NVwZ 2016, 1157, juris Rn. 30 ff.).

(4) Aufgrund der Begründung der Verantwortung durch Rumänien können die Antragsteller dorthin abgeschoben werden. Das gilt unabhängig davon, ob die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland neben derjenigen Rumäniens besteht oder beendet worden ist.

(a) Es kommt in Betracht, dass die erneute Begründung der Verantwortung des Erststaates die zwischenzeitlich bei dem Zweitstaat begründete Verantwortung wieder beendet. In diesem Fall ist keine flüchtlingsrechtliche Verantwortung mehr gegeben, auf die eine Unmöglichkeit der Abschiebung gestützt werden könnte.

Dafür, dass mit der Zustimmung zu dem verspäteten Aufnahmeantrag der Erststaat allein verantwortlich wird und die zwischenzeitliche Verantwortung des Zweitstaates endet, könnten die Wertungen des EATRR sprechen. Grundsätzlich soll jeder Vertragsstaat die Entscheidungsfreiheit darüber behalten, ob er einen aus einem anderen Vertragsstaat eingereisten Flüchtling dauerhaft aufnehmen will oder nicht (so auch Denkschrift zum Übereinkommen, BT-Drs. 12/6852, S. 14). Diese Wertung kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass in Fällen, in denen ein Verantwortungsübergang gegen den Willen des Zweitstaats möglich erscheint, die Anbringung eines Vorbehalts ermöglicht wird (vgl. Art. 14 EATRR). Das betrifft erstens den Aufenthalt zu Studienzwecken über die Gültigkeitsdauer des Reiseausweises hinaus, der ohne den Vorbehalt trotz des vom Zweitstaat nur zugestandenen vorübergehenden Zwecks gemäß Art. 2 Abs. 1 Var. 3 EATRR zum Verantwortungsübergang führen könnte, und andererseits die Zwei-Jahres-Frist im Falle des unbekannten Verbleibs des Flüchtlings gemäß Art. 4 Abs. 2 EATRR. Dieser Wertung entspricht es am besten, wenn auch im Fall des Art. 4 Abs. 1 EATRR die Einschränkung der Bestimmungsfreiheit des Zweitstaats nicht weiter geht als zur Erreichung des Zwecks der Bestimmung erforderlich. Die Sechs-Monats-Frist des Art. 4 Abs. 1 EATRR verschafft dem Erststaat Klarheit darüber, wie lange er zur Wiederaufnahme verpflichtet ist. Gibt er allerdings zu erkennen, dass er auf diese Wirkung der Bestimmung nicht angewiesen ist und stimmt einem verfristeten Antrag zu, so widerspräche es der genannten Wertung, den Zweitstaat gleichwohl zu einer von ihm nicht konsentierten dauerhaften Aufnahme zu verpflichten.

(b) Auch wenn man annimmt, der Rückübergang der Verantwortung auf Rumänien habe die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland nicht beendet, so dass beide Staaten nebeneinander verantwortlich wären, besteht in deren Verhältnis untereinander kein Abschiebungshindernis.

Für die gleichzeitige Verantwortung beider Staaten könnte sprechen, dass die Wiederbegründung der Verantwortung des Erststaates gemäß Art. 8 Abs. 2 EATRR auch in den Fällen des Art. 2 Abs. 1 EATRR möglich ist, in denen an der Zustimmung des Zweitstaates kein Zweifel besteht. In diesen Fällen könnte für den Wegfall der entstandenen Vorteile i.S.d. EATRR kein Bedürfnis bestehen.

In dieser Situation, in der ein aufnahmebereiter anderer Staat vorhanden ist, der ebenfalls die Verantwortung für die Erteilung eines Reiseausweises übernommen hat, steht die Tatsache der Verantwortung Deutschlands allein der Abschiebung nicht entgegen.

Allerdings ist zum Teil angenommen worden, dass der Übergang der Verantwortung auf die Bundesrepublik Deutschland zur Folge hat, dass der Flüchtling sich im Bundesgebiet aufhalten kann (vgl. BayVGH, Beschl. v. 27.10.2004 - 10 CS 04.2158 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Beschl. v. 12.4.2016 - 3 B 7/16 -, NVwZ 2017, 244 [BVerwG 07.03.2016 - BVerwG 7 B 45.15], juris Rn. 13; Hailbronner, Ausländerrecht, § 73a AsylG Rn. 2 (Aug. 2008)). Dies bezieht sich aber, soweit ersichtlich, nicht auf Fälle, in denen eine Aufnahmebereitschaft des ebenfalls verantwortlichen Erststaats bestand.

Das EATRR knüpft an den Verantwortungsübergang nicht zwingend ein Aufenthaltsrecht oder eine Duldungspflicht und steht der Abschiebung in einen aufnahmebereiten und die Verantwortung anerkennenden Erststaat nicht entgegen. Als Konkretisierung der Genfer Flüchtlingskonvention geht es über die in der Konvention geregelten Rechtsfolgen des Flüchtlingsstatus nicht hinaus. Dazu gehört aber nur das Refoulement-Verbot des Art. 33 GK, nicht der Anspruch auf Aufenthalt (vgl. Huber NVwZ 2017, 246; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 55 Rn. 2). Das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings davon ausgegangen, dass der Verantwortungsübergang zur Folge hat, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat anerkannter Flüchtling in Deutschland in den vollen Genuss der mit der Flüchtlingsanerkennung verbundenen Rechte kommen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.6.2017 - 1 C 26.16 -, NVwZ 2017, 1545, juris Rn. 24; v. 2.8.2017 - 1 C 37.16 -, juris Rn. 24; v. 2.8. 2017 - 1 C 2.17 -, juris Rn. 24). Der unionsrechtliche Kontext dieser Aussage legt die Annahme nahe, dass zu dieser Rechtsstellung auch der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel gemäß Art. 24 RL 2011/95/EU gehört. Die genannten Vorlagebeschlüsse betreffen aber den Fall, dass die Rückführung in den Erststaat aus Gründen des Unionsrechts wegen der dort herrschenden Bedingungen ausgeschlossen ist. Eine solche Feststellung ist im Hinblick auf die Antragsteller jedoch nicht getroffen worden. Es handelt sich um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, das nach Stellung eines Asylantrags durch das Bundesamt zu prüfen ist. Dementsprechend ist es vom Verwaltungsgericht - wenn auch nicht entscheidungstragend - in dem gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Eilverfahren thematisiert (und verneint) worden.

Auch im Übrigen ist keine Rechtsnorm ersichtlich, die den Aufenthaltsort im Falle zweier nebeneinander die Verantwortung für die Erteilung eines Reiseausweises innehabender Staaten in die Wahl des Flüchtlings stellt oder sonst die Abschiebung in den aufnahmebereiten Erststaat untersagt.

cc. Die Abschiebung ist nicht zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auszusetzen. Wie oben (a.cc.) ausgeführt, kann die Aussetzung der Abschiebung erwirkt werden, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugute kommt.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Es kann offen bleiben, auf welcher Rechtsgrundlage eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn die Verantwortung für die Erteilung eines Reiseausweises nach dem EATRR übergegangen ist und kein anderer aufnahmebereiter Staat zur Verfügung steht. Diskutiert werden die entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 2 AufenthG (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 27.6.2017 - 1 C 26/16 -, NVwZ 2017, 1545, juris Rn. 35; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, § 29 Rn. 12 (April 2017); jeweils für die Überstellung ausschließende Mängel im Erststaat; vgl. auch VG Aachen, Beschl. v. 9.7.2010 - 8 L 151/10 -, juris Rn. 35 f.), § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (vgl. dazu Huber, NVwZ 2017, 246, 248; offengelassen durch VG Aachen, Beschl. v. 19.3.2018 - 8 L 2032/17 -, juris Rn. 9, 26; Marx, InfAuslR 2014, 227, 233) und § 25 Abs. 5 AufenthG (offengelassen durch VG Aachen, Beschl. v. 19.3.2018 - 8 L 2032/17 -, juris Rn. 9, 26; Marx, InfAuslR 2014, 227, 233). Ein Bedarf für eine entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 2 AufenthG ebenso wie ein begründeter Fall i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG besteht, selbst wenn auch die Bundesrepublik Deutschland Verantwortung i.S.d. EATRR trägt, nicht, wenn die Wiederaufnahme durch den ebenfalls verantwortlichen Erststaat vorgesehen ist. In diesem Fall ist die Ausreise auch nicht i.S.d. § 25 Abs. 5 AufenthG unmöglich.

dd. Die Antragstellerin zu 2. ist nicht reiseunfähig. Zur Glaubhaftmachung dieses Abschiebungshindernisses genügt ein Überweisungsschein mit der Angabe eines Verdachts auf PTBS nicht.