Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.08.2018, Az.: 13 ME 325/18
Anordnungsgrund; Duldungsbescheinigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.08.2018
- Aktenzeichen
- 13 ME 325/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74369
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 25.07.2018 - AZ: 11 B 2007/18
Rechtsgrundlagen
- § 60a Abs 4 AufenthG
- § 123 Abs 1 VwGO
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 11. Kammer - vom 25. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 25. Juli 2018 hat keinen Erfolg.
Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für den Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 2 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht hat.
Der beim Verwaltungsgericht wie auch mit der Beschwerdebegründung gestellte Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig eine Duldung zu erteilen, ist bei sachgerechter Auslegung dahingehend zu verstehen, dass die Antragstellerin nicht ihrer drohenden Abschiebung entgegentreten will, sondern die Ausstellung einer Duldungsbescheinigung begehrt. Für eine bevorstehende Abschiebung der Antragstellerin durch den Antragsgegner sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und ist in der Beschwerdebegründung auch nichts vorgetragen. Schwerpunkt der dortigen Argumentation ist vielmehr der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegebene Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Duldung bei nicht kurzfristig bevorstehender Abschiebung. Die Antragstellerin geht gerade davon aus, dass ihre Abschiebung nicht nur derzeit aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unmöglich ist, sondern aufgrund der Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ausweispapieren für ihre Tochter auch für längere Zeit tatsächlich nicht erfolgen wird. Ihr sei deshalb nach § 60a Abs. 4 AufenthG ein Duldungsausweis zu erteilen. Die derzeit nicht bestehende Gefahr einer Abschiebung wird auch durch das Verhalten des Antragsgegners bestätigt, der erstinstanzlich in erster Linie seine ausländerrechtliche Zuständigkeit bestritten hat. Mithin geht es der Antragstellerin in der Sache lediglich um die Erteilung einer Duldungsbescheinigung. Einen Anspruch hierauf kann sie aber nicht mit Erfolg im Wege der Regelungsanordnung verfolgen.
Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer Regelungsanordnung erfordert das Vorliegen besonderer Gründe, die es unzumutbar erscheinen lassen, die Antragsteller auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.10.1992 - 4 M 89/92 -, InfAuslR 1993, 18 m.w.N.). Der Anordnungsgrund ist folglich gleichzusetzen mit der Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995 - 1 BvR 1087/91 -, NJW 1995, 2477, 2482 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 28.5.2010 - 8 ME 101/10 -, juris Rn. 3).
Dass die begehrte Erteilung einer Duldungsbescheinigung hier derart eilbedürftig ist, hat die Antragstellerin nicht ansatzweise aufgezeigt. Sie hat lediglich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.9.1997 – 1 C 3.97 und 1 C 11.97 - sowie Urt. v. 21.3.2000 - 1 C 23.99 -) verwiesen, derzufolge es keinen ungeregelten Aufenthaltsstatus gebe und entweder eine Duldung zu erteilen oder der Ausländer kurzfristig abzuschieben sei. Zudem hat sie auf die rechtliche Verpflichtung des Antragsgegners hingewiesen, über eine Aussetzung der Abschiebung auch eine Bescheinigung zu erteilen. Sie hat aber keine besonderen Umstände geltend gemacht, die es ihr unzumutbar machen könnten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Solche Umstände, etwa die Abhängigkeit der Gewährung zur Lebensunterhaltssicherung erforderlicher öffentlicher Sozialleistungen von der Erteilung einer Duldungsbescheinigung, sind für den Senat auch nicht offensichtlich.
Unabhängig davon sind im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht erfüllt, da die Antragstellerin keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hat. Ihre Abschiebung ist weder aus rechtlichen noch tatsächlichen Gründen unmöglich. Eine rechtliche Unmöglichkeit ergibt sich insbesondere nicht mit Blick auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit ihrer Tochter aus den Schutzwirkungen des Art. 6 GG (vgl. hierzu etwa Senatsbeschl. v. 19.9.2017 - 13 ME 192/17 -, V.m.b Umdruck S. 4 m.w.N.). Denn weder die Antragstellerin noch ihre Tochter werden durch die Abschiebung gezwungen, ihre familiäre Lebensgemeinschaft auch nur kurzfristig zu unterbrechen. Im Falle der Abschiebung der Antragstellerin ist es ihrer Tochter vielmehr möglich und zumutbar, mit ihr gemeinsam das Bundesgebiet zu verlassen. Auch die Tochter ist vollziehbar ausreisepflichtig. Eine Ausreise ist ihr - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - auch nicht wegen fehlender Reisepapiere tatsächlich unmöglich. Mittels eines EU-Laissez-Passer ist sie vielmehr in der Lage, zusammen mit ihrer Mutter in ihr Heimatland auszureisen (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners v. 15.6.2018, dort S. 2). In diesem Fall besteht die nicht mehr im Ermessen stehende gesetzliche Pflicht der zuständigen Ausländerbehörde, die Ausreisepflicht der Antragstellerin unverzüglich durchzusetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.9.1997 - 1 C 3.97 -, juris Rn. 19).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Der Beschwerde kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362) unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu den im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 8.7.2016, - 2 BvR 2231/13 -, juris Rn. 10 ff. m.w.N.).
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 8.3 sowie Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).