Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.08.2018, Az.: 10 LA 320/18
Innenminister; Regierung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.08.2018
- Aktenzeichen
- 10 LA 320/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74191
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.06.2018 - AZ: 3 A 13/18
Rechtsgrundlagen
- Art 4 EUGrdRCh
- Art 3 MRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die aktuelle politische Situation in Italien lässt keine belastbaren Rückschlüsse dahingehend zu, dass sich die in der Entscheidung des Senats vom 4. April 2018 (Az. 10 LB 96/17) dargestellte Situation von Schutzsuchenden in Italien verschlechtert hat oder verschlechtern wird.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig – Einzelrichterin der 3. Kammer – vom 20. Juni 2018 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn der von ihm allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (GK-AsylG, Stand: Oktober 2017, § 78 AsylG Rn. 88 ff. m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2017, § 78 AsylG Rn. 15 ff. m.w.N.).
Der Kläger hat zur Begründung dieses Zulassungsgrunds die Frage aufgeworfen,
„ob in Italien (jedenfalls nunmehr) systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, aufgrund derer einem in Dublin-Verfahren rücküberstellten Asylbewerber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht?“
Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage hat er ausgeführt, dass sich die Situation in Italien anders darstelle als zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vom 4. April 2018. Insbesondere betreibe die italienische Regierung eine erheblich restriktivere Asylpolitik.
Diese Tatsachenfrage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie vom Senat bereits entschieden worden ist. Denn nach der Rechtsprechung des Senats sind keine hinreichenden Gründe für die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EUGrCh bzw. Artikel 3 EMRK bei einer Rückkehr von Schutzsuchenden nach Italien feststellbar (Senatsurteil vom 04.04.2018 – 10 LB 96/17 –, juris), die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien begründen könnten. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die diese Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute Befassung des Senats mit der bezeichneten Frage gebieten.
Ob sich aufgrund der neuen italienischen Regierung – wie der Kläger befürchtet – zukünftig eine Änderung der Bedingungen für Dublin-Rückkehrer ergeben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Soweit sich die italienische Regierung – wie sich aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 19. Juni 2018 (3 B 3967/18) ergibt – gegen eine weitere Aufnahme von aus dem Mittelmeer geretteten Schutzsuchenden ausspricht, lässt dies keine belastbaren Rückschlüsse auf ein künftiges Verhalten der italienischen Behörden gegenüber sich bereits in Italien aufhaltenden Schutzsuchenden oder Dublin-Rückkehrern zu. Dies gilt gleichsam für die an die Beklagte gerichtete Äußerung des italienischen Innenministers, dass Italien keine dort bereits registrierten Flüchtlinge mehr aufnehmen könne. Aus dieser pauschalen Aussage im Rahmen einer europapolitischen Auseinandersetzung folgt nicht, dass sich die in der Entscheidung des Senats dargestellte Situation von Schutzsuchenden in Italien verschlechtert hätte oder verschlechtern wird. Auch ist derzeit noch nicht absehbar, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leistungen für Asylbewerber – wie von dem Kläger unter Verweis auf einen Artikel in der Online Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Juli 2018 angeführt – künftig tatsächlich gekürzt werden und ob sich daraus systemische Mängel ergeben würden, zumal sich Italien, wie aus dem Bericht ebenfalls hervorgeht, zwei Wochen zuvor verpflichtet hat, Migranten Zugang zu sozialen Sicherungssystemen zu gewähren.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.