Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.08.2018, Az.: 12 OA 90/18

Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein privates Gutachten in einem Eilverfahren; Prüfung des Vorliegens von notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i. S. d. § 162 Abs. 1 VwGO

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.08.2018
Aktenzeichen
12 OA 90/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 63564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:0814.12OA90.18.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 08.05.2018 - AZ: 1 B 142/16

Fundstellen

  • BauR 2018, 1877-1879
  • FuBW 2019, 386-389
  • KomVerw/B 2019, 281-284
  • KomVerw/LSA 2019, 282-284
  • KomVerw/MV 2019, 283-286
  • KomVerw/S 2019, 283-286
  • KomVerw/T 2019, 282-285

Redaktioneller Leitsatz

Der Grundsatz, dass Aufwendungen für private, d. h. nicht vom Gericht in Auftrag gegebene, Gutachten und Stellungnahmen von Sachverständigen im Verwaltungsprozess wegen des grundsätzlich herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) lediglich in engen Grenzen als notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzuerkennen sind, erfährt, soweit der Auftraggeber seinen Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen muss, aufgrund des Charakters des Eilverfahrens und der insbesondere dem Antragsteller dieses Verfahrens obliegenden Mitwirkungslast, Einschränkungen.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1. wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 8. Mai 2018 aufgehoben, soweit die Anerkennung von Aufwendungen der Antragstellerin zu 1. für private Gutachten in Höhe von 107.656,- EUR versagt und insoweit der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 19. März 2018 dergestalt geändert worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Rechtsstreit wird zur entsprechenden Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Lüneburg zurückverwiesen.

Das Verfahren hinsichtlich der Beschwerde der Antragstellerin zu 2. wird eingestellt, nachdem diese ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 13. Juli 2018 zurückgenommen hat.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Die Antragstellerin zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst und die Kosten der Antragsgegnerin zur Hälfte. Die Antragsgegnerin trägt die eigenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit von Kosten für private Gutachter, die der Antragstellerin zu 1. entstanden sind.

2

Die Antragstellerinnen haben zur vorläufigen Verhinderung der Vollsperrung der E. -Brücke, namentlich zur weiteren Ermöglichung ihres Anliegerverkehrs, vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Nachdem das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt hatte, hat der Senat der Beschwerde der Antragstellerinnen im Wesentlichen stattgegeben und die Kosten des gesamten Verfahrens der Antragsgegnerin zu 3/4 und den Antragstellerinnen zu jeweils 1/8 auferlegt.

3

Im Anschluss beantragten die Antragstellerinnen, ihre außergerichtlichen Kosten einschließlich 111.636,00 EUR als Aufwendungen für eingeholte Privatgutachten (zugunsten der Antragstellerin zu 1.) festzusetzen. Die Antragsgegnerin beantragte, ihre außergerichtlichen Kosten, die u. a. 6.741,05 EUR für Auslagen für Sachverständige beinhalteten, festzusetzen.

4

Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts hat bei der Berechnung jeweils die Kosten für die Privatgutachten als erstattungsfähig anerkannt und deshalb die Kosten in beantragter Höhe festgesetzt.

5

Sowohl die Antragstellerinnen als auch die Antragsgegnerin haben Erinnerungen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt und sich wechselseitig gegen die Erstattung der außergerichtlichen Kosten für von der Gegenseite beauftragte private Sachverständige gewandt.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Erinnerungen der Antragstellerinnen und der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin stattgegeben. Es hat ausgeführt, die von den Antragstellerinnen in ihrem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten Kosten für die von ihr beauftragten Gutachtertätigkeiten in Höhe von insgesamt 111.636,00 EUR (zugunsten der Antragstellerin zu 1.) seien ebenso wie die von der Antragsgegnerin in ihrem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten Kosten für die von ihr beauftragten Gutachtertätigkeiten in Höhe von insgesamt 6.741,05 EUR im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht nach § 162 Abs. 1 VwGO als zu erstattende Kosten festzusetzen.

7

Hinsichtlich der - für nicht erstattungsfähig erachteten - Gutachterkosten der Antragstellerin zu 1. hat das Gericht zur Begründung u. a. ausgeführt: Aus der Sicht eines verständigen Antragstellers (hier: der Antragstellerinnen) diene es einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu den Erfolgsaussichten der Klage und damit auch zur Rechtmäßigkeit der - hier im Hinblick auf die nur vorläufig getroffene Regelung unverändert drohenden - straßenverkehrsrechtlichen Vollsperrung der E. -Brücke durch die Antragsgegnerin vorzutragen. Bei Stellung des Eilantrages sei für die Antragstellerinnen nicht erkennbar gewesen, ob und in welchem Umfang die Gerichte eine - die (beabsichtigte) straßenverkehrsrechtliche Vollsperrung rechtfertigende - konkrete (Einsturz-)Gefahr der E. -Brücke im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO durch die weitere verkehrliche Nutzung der Brücke schon aufgrund des fehlenden Nachweises der Tragfähigkeit auf den Stufen 1 und 2 der sogenannten Nachrechnungsrichtlinie in der maßgeblichen Fassung annehmen würden. Es habe daher grundsätzlich einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient, ein von der Antragstellerin zu 1. in Auftrag gegebenes (und im Beschwerdeverfahren berücksichtigtes) Gutachten für die Nachrechnung der - auf den Stufen 1 und 2 nicht nachgewiesenen - Querkraft und Torsionsbeanspruchung (Tragfähigkeit) mittels der Stufe 4 sowie weitere Gutachten, Prüfberichte für das Bauwerk E. -Brücke und gutachterliche Stellungnahmen vorzulegen. Letztlich sei das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu der Überzeugung gelangt, dass durch die von den Antragstellerinnen zu ergreifenden Maßnahmen, insbesondere die Nutzungsbeschränkungen und Überwachungsmaßnahmen, eine Überschreitung der Tragfähigkeit der E. -Brücke zwar nicht gänzlich, aber weitgehend ausgeschlossen werde, eine solche Überschreitung jedenfalls durch das von den Antragstellerinnen angebotene Geomonitoring mit ausreichender Sicherheit und ausreichendem Vorlauf rechtzeitig erkannt werde und dadurch das Risiko eines Versagens der Brücke ohne hinreichenden Vorlauf ausgeschlossen sei, so dass "derzeit" eine Vollsperrung nicht notwendig erscheine, vielmehr die bezeichneten Maßnahmen als milderes Mittel rechtlich einer Vollsperrung entgegenstünden.

8

Das Verwaltungsgericht hat gestützt auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts weiter ausgeführt, Kosten für Privatgutachten seien als außergerichtliche Kosten nach § 162 Abs. 1 VwGO nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig. Das gelte in besonderem Maße für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die in der Regel auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache beschränkt seien.

9

Die Einholung eines Privatgutachtens könne gleichwohl als notwendig anzuerkennen sein, wenn ein Beteiligter mangels ausreichender eigener Sachkunde die sein Begehren tragenden Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen könne. Zudem müsse die jeweilige Prozesssituation das Gutachten herausfordern und dessen Inhalt auf die Förderung des jeweiligen Verfahrens zugeschnitten sein. Ob diese Voraussetzungen hier vorlägen, brauche jedoch nicht entschieden werden, da die Kosten der eingeholten Privatgutachten jedenfalls deshalb nicht erstattungsfähig seien, weil ihnen der spezifische Bezug zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes fehle. Sie seien nicht zur Rechtsverfolgung gerade im diesem Verfahren notwendig gewesen. Sie zielten darauf, die Tragfähigkeit der E. -Brücke zu beurteilen und im Sinne der Antragstellerinnen - jedenfalls beschränkt auf ihren Anliegerverkehr - zu bejahen. Sie dienten dazu, die Einwände der Antragstellerinnen gegen die von der Antragsgegnerin beabsichtigte (straßenverkehrsrechtliche) Vollsperrung der E. -Brücke in verfahrens- und materiell-rechtlicher Hinsicht zu substantiieren. Es sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Gutachten, Prüfberichte und gutachterlichen Stellungnahmen nicht nur im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern auch im Klageverfahren Bedeutung erlangen würden. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei ersichtlich nicht erfolgt. Eine Erstattung der nur einmal angefallenen Gutachterkosten sei indes nur einmal möglich.

10

Die geltend gemachten Kosten für Privatgutachten seien vorliegend dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen. Denn Kosten, die im Hauptsache- und im Eilverfahren angefallen seien oder anfielen, seien in der Regel Kosten des Hauptsacheverfahrens. Erst in diesem werde rechtskräftig über die Sach- und Rechtslage entschieden.

II.

11

Die Antragstellerin zu 2. hat ihre gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde zurückgenommen. Daher war das Verfahren insoweit einzustellen.

12

Die seitens der Antragstellerin zu 1. eingelegte, zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, können Aufwendungen für private, d. h. nicht vom Gericht in Auftrag gegebene, Gutachten und Stellungnahmen von Sachverständigen im Verwaltungsprozess lediglich in engen Grenzen als notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anerkannt werden. Denn nach dem herrschenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist die Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich von dem Verwaltungsgericht selbst vorzunehmen und nicht den Verfahrensbeteiligten übertragen. Die Einholung eines Privatgutachtens durch einen Beteiligten kann daher nur ausnahmsweise als notwendig anerkannt werden, wenn dieser mangels genügender eigener Sachkunde sein Vorbringen tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines solchen Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann, die Prozesssituation dies erfordert und der Inhalt des Gutachtens auf die Verfahrensförderung zugeschnitten ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte (BVerwG, Beschl. v. 11.4.2001 - 9 KSt 2.01 -, NVwZ 2001, 919). Die Prozesssituation muss aus einer Sicht "ex ante" die Einholung des Gutachtens herausfordern (sogenannte "prozessuale Notlage"). Auch Vorbereitungskosten - einschließlich der Kosten für Privatgutachten (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 25.9.2013 - 2 E 374/13 -, LKRZ 2013, 509) - können hiernach ausnahmsweise zu den Aufwendungen gehören, die für eine effektive und rechtzeitige Rechtsverfolgung notwendig sind, wenn sie im Blick auf einen bestimmten Rechtsstreit und in zeitlichem Zusammenhang mit diesem entstanden sind und in einem angemessenen Verhältnis zum Sach- und Streitstoff des Prozesses stehen. Die Notwendigkeit solcher Kosten ist aber ebenfalls aus der Sicht einer verständigen, das Gebot der Kostenminimierung berücksichtigenden Partei zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.12.2007 - 4 KSt 1004.07 -, juris). Da stets auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abgestellt werden muss, ist einerseits ohne Belang, wenn sich diese Handlung im Nachhinein als unnötig herausstellt (Nds. OVG, Beschl. v. 26.3.2015 - 7 OB 62/14 -, JurBüro 2015, 368), andererseits sind die Aufwendungen für ein Privatgutachten, das ohne das Bestehen einer "prozessualen Notlage" eingeholt und in den Prozess eingeführt wurde, auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Prozessgegner und das Gericht auf das Gutachten eingehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.2.2015 - 3 S 2432/14 -, VBlBW 2015, 468 [VGH Baden-Württemberg 17.02.2015 - 3 S 2432/14]), es sich also nachträglich als nützlich erweist oder gar weitere Beweiserhebungen erübrigt.

13

Das Verwaltungsgericht hat nach diesen Maßstäben zutreffend angenommen, dass die Antragstellerin zu 1. bei der Beauftragung der Gutachter annehmen durfte, die Einholung der Privatgutachten entspreche grundsätzlich einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO. Insoweit wird auf den Beschluss verwiesen.

14

Anders als das Verwaltungsgericht geht der Senat jedoch davon aus, dass die Gutachten durch die vorliegende Prozesssituation herausgefordert wurden und auch und gerade auf die Förderung des Eilverfahrens zugeschnitten waren.

15

Für den (vom Verwaltungsgericht verneinten) spezifischen Bezug zum Eilverfahren spricht Folgendes: Der Grundsatz, dass Aufwendungen für private, d. h. nicht vom Gericht in Auftrag gegebene, Gutachten und Stellungnahmen von Sachverständigen im Verwaltungsprozess wegen des grundsätzlich herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) lediglich in engen Grenzen als notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzuerkennen sind, gilt vorliegend nur eingeschränkt, weil die Antragstellerinnen ihren Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen mussten. In diesen Verfahren ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO der Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Der den Verwaltungsprozess prägende Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) wird dadurch zwar nicht völlig verdrängt, erfährt aber - durch den Charakter des Eilverfahrens und die insbesondere dem Antragsteller dieses Verfahrens obliegende Mitwirkungslast - Einschränkungen. Grundsätzlich ist das Gericht im Eilverfahren zu weiteren Ermittlungen und Hinweisen nicht verpflichtet, vielmehr ergeht die Entscheidung im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit aufgrund der innerhalb angemessener Zeit verfügbaren präsenten Beweismittel, von glaubhaft gemachten Tatsachen und aufgrund überwiegender Wahrscheinlichkeiten. Die Beweiserhebung und weitere Ermittlungen bleiben dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Eine Beweiserhebung oder weitere Ermittlungen sind zwar anders als im Verfahren des Arrests und der einstweiligen Verfügung im Zivilrecht (vgl. § 920 Abs. 2 i. V. m. § 294 ZPO) wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes im verwaltungsrechtlichen Eilverfahren nicht völlig ausgeschlossen. Sie stehen aber im Ermessen des Gerichts und kommen nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31.1.2018 - 12 ME 218/17 -; SächsOVG, Beschl. v. 14.7.2010 - 2 B 436/09 -, juris; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 80, Rn. 136; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 80 Rn. 125 jeweils m. w. N.).

16

Mithin hätte die Antragstellerin zu 1. im Hauptsacheverfahren wohl vor Beauftragung eines eigenen Gutachters mit der Nachrechnung der Stufe 4 und weiteren Untersuchungen zunächst auf eine weitere Klärung der Rechts- und Sachlage durch das Gericht hinwirken müssen. Schließt eine Behörde - aus Sicht eines Anliegers - in rechtswidriger Weise aus vorliegenden Gutachten bzw. fachlichen Stellungnahmen auf eine die Sperrung einer Brücke rechtfertigende Gefahr, ist der Anlieger nämlich in einem Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht gehalten, Privatgutachten zur Tragfähigkeit der Brücke zu beauftragen, sondern hat das rechtswidrige behördliche Vorgehen zu beanstanden und notfalls den Rechtsweg zu beschreiten, um gerichtlich klären zu lassen, welche tatsächlichen Voraussetzungen für die Sperrung einer Brücke überhaupt gegeben sein müssen, ob es insoweit also insbesondere auf die sogenannte Nachrechnungsrichtlinie ankommt - was noch nicht entschieden ist -, und ob die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Sperrung hier gegeben sind. Deshalb spricht vieles dafür, dass die Antragstellerinnen im Klageverfahren vor der Beauftragung eines Gutachters durch entsprechende Beweisanträge auf eine Beweiserhebung seitens des Gerichts hätte hinwirken müssen. Das Gericht hätte - sofern es diese Frage für entscheidungserheblich und dann nicht den Antragsgegner zur Sachverhaltsermittlung in der Pflicht gesehen hätte - einen Sachverständigen beauftragen und diesem eine gutachterlich zu beantwortenden Beweisfrage verbindlich vorgeben müssen. In dem Klageverfahren hätten die Antragsstellerinnen mithin - vor der Beauftragung eines eigenen Gutachters - erfahren können, ob das Gericht eine Nachrechnung der Stufe 4 als entscheidungserheblich für den Rechtsstreit erachtet, eine solche selbst in Auftrag gibt oder etwa die Auffassung vertritt, es hätte der Antragsgegnerin oblegen, eine solche Nachrechnung zur Sachverhaltsermittlung vor ihrer Ermessensentscheidung über die Sperrung zu veranlassen. Die Antragstellerin zu 1. hätte vor der die Kosten auslösenden Beauftragung des Gutachters mithin im Hauptsacheverfahren die Einschätzung des Gerichts abwarten und ihr Verhalten danach auszurichten müssen, so dass die Kosten des Privatgutachtens dort wohl nicht erstattungsfähig gewesen wären.

17

Im hier maßgeblichen Eilverfahren durfte sie als verständiger Beteiligter im Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachtens dagegen davon ausgehen, dass ein solches Vorgehen wegen der genannten Besonderheiten des Verfahrens nach § 123 VwGO voraussichtlich nicht erfolgversprechend sein werde und sie die von der Antragsgegnerin behauptete (konkrete) Einsturzgefahr der Brücke nur durch eine selbst beauftragte Nachrechnung der Stufe 4 der Nachrechnungsrichtlinie werde hinreichend erschüttern können.

18

Es war der Antragstellerin zu 1. vorliegend nicht zumutbar, vor der Beauftragung des Gutachters zunächst abzuwarten, ob das Verwaltungsgericht im Eilverfahren eine (hinreichende) Gefahr auch ohne die Vorlage eines die Nachrechnung nach Stufe 4 beinhaltenden Gutachtens verneinen, ausnahmsweise einer Beweisanregung nachkommen oder bei offenen Erfolgsaussichten eine Interessenabwägung in ihrem Sinne treffen werde. Ebenso wenig war die Antragstellerin zu 1. gehalten, etwa den Ausgang des Eilverfahrens abzuwarten. Insoweit wird auf den Beschluss des Senats vom 7. September 2017 (12 ME 249/16 -) verwiesen. Dort ist dargelegt, dass und aus welchen Gründen beiden Antragstellerinnen durch die Sperrung der Brücke ab dem ersten Tag erhebliche und kaum zumutbare Nachteile entstanden wären. Die Prozesssituation hat somit aus einer Sicht "ex ante" die Einholung des Gutachtens unmittelbar vor Beginn des Eilverfahrens herausgefordert (sogenannte "prozessuale Notlage"). Anders als die Antragsgegnerin meint, ging der Gutachtenauftrag auch nicht über die prozessuale Notsituation heraus. Streitgegenständlich war insbesondere nicht die Plausibilität des Ergebnisses der Nachrechnung auf den Stufen 1 und 2, sondern die Tragfähigkeit der Brücke. Mithin ist durch das Ergebnis der Nachrechnung der Stufe 4 nicht etwa eine "neue Sachlage" geschaffen worden. Vielmehr ergaben sich dadurch (weitere) Erkenntnisse zu der maßgeblichen Frage der Tragfähigkeit der Brücke im Sinne der Nachrechnungsrichtlinie.

19

Da - wie oben dargelegt - stets auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abgestellt werden muss, kommt es auf die Frage, ob das Gutachten seitens des Gerichts verwertet wurde, nicht an.

20

Der Erstattungsfähigkeit steht auch nicht entgegen, dass das Gutachten bereits vor Erhebung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Auftrag gegeben worden ist. Es reicht insoweit aus, dass die Aufwendungen mit Blick auf einen bestimmten Rechtsstreit und in zeitlichem Zusammenhang mit diesem entstanden sind (vgl. Beschl. d. Sen. v. 12.9.2016 - 12 OA 55/16 -; OVG Saarl., Beschl. v. 25.9.2013 - 2 E 374/13 -, LKRZ 2013, 509). Dies ist hier vor dem Hintergrund zu bejahen, dass sich die Antragstellerinnen im Zeitpunkt der Beauftragung - und dieser und nicht eine etwaige Ankündigung ist maßgeblich - am 29. September 2016 bzw. 21. Oktober 2016 (vgl. Rechnungen) durch den im Verfahren 7 ME 105/16 am 28. September 2016 geschlossenen Vergleich verpflichtete hatten, sofern die Antragsgegnerin die Brücke sperren werde, dagegen binnen eines Monats einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu stellen. Mithin war im Zeitpunkt der Beauftragung ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Eilverfahren, über dessen Kosten vorliegend gestritten wird, gegeben und ist ferner davon auszugehen, dass das Gutachten mit Blick auf dieses zu erwartende Eilverfahren erstellt wurde. Dafür spricht auch, dass nach dem (wohl zutreffenden) Verständnis der Antragstellerinnen nicht sie, sondern die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen wäre, eine Nachrechnung der Stufe 4 in Auftrag zu geben, die Antragsgegnerin eine solche Auftragsvergabe jedoch zuvor wiederholt abgelehnt hatte.

21

Anders als die Antragsgegnerin geltend macht, ist auch nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu 1. über eigene hinreichende Sachkunde verfügte, um die Nachrechnung nach Stufe 4 der Nachrechnungsrichtlinie vorzunehmen, und dies einer Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten entgegensteht. Allein der Umstand, dass sie als Eisenbahnunternehmen für - nach Angaben der Antragsgegnerin - mehr als 25.000 Eisenbahnbrücken verantwortlich ist und wegen der gemeinsamen Kreuzungsbaulast für Brücken auch mit deren Tragfähigkeit befasst ist, reicht dafür nicht aus. Denn die Nachrechnung auf der Stufe 4 ist außerordentlich komplex und gehört daher auch für die Antragstellerin zu 1. erkennbar nicht zum Alltagsgeschäft. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin im Verfahren Stellungnahmen der Antragstellerin zur Frage der Tragfähigkeit der Brücke nicht wegen der dort bestehenden "besonderen Sachkunde" für nachvollziehbar erachtet hat. Vielmehr hat sie selbst nach Vorlage der von einem - nicht bei der Antragstellerin beschäftigten - Gutachter erstellten Nachrechnung der Stufe 4 weiterhin die Auffassung vertreten, es sei von einer fehlenden Tragfähigkeit auszugehen. Angesichts dessen vermag das Argument, die Antragstellerin zu 1. hätte sich wegen der eigenen Sachkunde keines Gutachters bedienen dürfen, nicht durchzugreifen.

22

Die Ausführungen der Antragsgegnerin zur gemeinsamen Kreuzungsbaulast der Antragstellerin zu 1. und der Antragsgegnerin für die E. -Brücke führen für die Erstattungsfähigkeit derjenigen Gutachterkosten, die für die Klärung der Frage angefallen sind, ob die Voraussetzungen für ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin vorliegen, nicht weiter. Der Senat weist insoweit im Übrigen nur darauf hin, dass er jedenfalls im Eilverfahren nicht angenommen hat, die Regelung des § 3 EKrG führe zu einem Übergang der Straßenbaulast.

23

Als nach diesen Maßgaben erstattungsfähig anerkannt werden können die Aufwendungen der Antragstellerin zu 1. für private Gutachten jedoch "nur" in Höhe von 107.656,- EUR; ausgenommen sind die weiter geltend gemachten Kosten in Höhe von 3.980,- EUR. Diese dürften nämlich wohl für das Geomonitoring angefallen und damit von der Kostengrundentscheidung des Senatsbeschlusses vom 7. September 2017 (- 12 ME 249/16 -) nicht gedeckt sein. Seinerzeit ist nämlich im Beschwerdeverfahren der zunächst gestellte Antrag beschränkt und von den Antragstellerinnen letztlich nur noch beantragt worden, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die beabsichtigte Vollsperrung der E. -Brücke u. a. unter der Prämisse umzusetzen, dass sie (die Antragstellerinnen) das zwischenzeitlich eingerichtete digitale Geomonitoring auf eigene Kosten fortführen. Daher hat der Senat in seinem Beschluss einstweiligen Rechtsschutz nur unter dieser Voraussetzung gewährt. Für die Zuordnung der genannten Kosten zum - danach von den Antragstellerinnen auf eigene Kosten vorzunehmenden - Geomonitoring spricht, dass Antragstellerin zu 1. in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 22. November 2017 selbst ausgeführt hat, die Rechnung des Gutachters Dr. F. vom 11. Oktober 2017 in Höhe von 1.600,- EUR sei für die "Kalibrierung des Monitorings" entstanden und für die "hierzu erforderliche Durchführung der Messung" hätten G. + Ingenieure Bauplanung GmbH & Co. KG mit Rechnung vom 23. August 2017 insgesamt 2.380,- EUR in Rechnung gestellt. Zudem ist auf der Rechnung vom 11. Oktober 2017 handschriftlich vermerkt: "Kalibrierung Monitoring sachlich richtig". Im Ergebnis ist mithin hinsichtlich dieser Kosten - anders als für die Übrigen, für die zur näheren Begründung auf die Seite 4 des Schriftsatzes der Antragstellerin zu 1. vom 22. November 2017 verwiesen wird - nicht glaubhaft gemacht, dass sie als notwendige Aufwendungen des Eilverfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO zu werten sind.

24

Die Zurückverweisung der Rechtssache an die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beruht auf § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 573 Abs. 1 Satz 3 und § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 165 Rn. 27 und 35, m. w. N.).

25

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG)). Die Kostenentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten folgt bezüglich der Antragstellerin zu 2. aus § 155 Abs. 2 VwGO und der Antragsgegnerin aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da das Unterliegen der Antragstellerin zu 1. geringfügig ist, wurde insoweit § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO entsprechend angewandt.

26

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).