Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.08.2018, Az.: 13 LA 137/16

Ablehnungsermessen; Ehegatten; Einbürgerung; Einbürgerungsurkunde; Lebensgemeinschaft, eheliche; Regeleinbürgerungsanspruch; Rückforderung; Rücknahme; Scheitern der Ehe; Tatsachenfeststellungen; Täuschung; Trennung, räumliche

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.08.2018
Aktenzeichen
13 LA 137/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74296
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.05.2016 - AZ: 10 A 4372/13

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 11. Mai 2016 zugelassen.

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 13 LB 323/18 geführt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 11. Mai 2016 bestehen. Ob die Berufung auch wegen geltend gemachter besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen wäre, kann deshalb dahinstehen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers gegen die durch Bescheid der Beklagten vom 26. April 2013 verfügte Rücknahme dessen Einbürgerung (§ 35 Abs. 1 StAG) und Rückforderung der Einbürgerungsurkunde (§ 52 Satz 1 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG) abgewiesen, weil dieser Bescheid rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. In nicht zu beanstandender Weise ist es dabei in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, die am 14. September 2009 vorgenommene Einbürgerung des Klägers wäre wegen einer Ermessensunterschreitung (eines Ermessensausfalls) im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG rechtswidrig, wenn die Ehe des Klägers mit Frau C. gesch. A. zu diesem Zeitpunkt bereits gescheitert gewesen wäre, weil dann ein atypischer Fall im Sinne der Sollensvorschrift des § 9 Abs. 1 StAG vorgelegen hätte, der - abweichend von der danach für den Regelfall gebundenen Entscheidung - ein Ablehnungsermessen der Beklagten eröffnet hätte, von dem die Beklagte aufgrund einer Täuschung des Klägers mangels Kenntnis des ein Scheitern begründenden Sachverhalts jedoch nichts gewusst und sich daher irrtümlich für gebunden gehalten hätte. Die Atypik der Konstellation eines Scheiterns der Ehe bestehe darin, dass dem Einbürgerungsbewerber die besondere positive Integrationsprognose, die den gesetzlichen Regeleinbürgerungsanspruch aus § 9 Abs. 1 StAG rechtfertige, in diesen Fällen mangels einer tatsächlichen Verbundenheit mit einem deutschen Ehegatten nicht gestellt werden könne. Die diesen rechtlichen Ausgangspunkt stützenden Grundsätze stellt die Zulassungsbegründung nicht mit Darlegungen in Frage; sie entsprechen im Übrigen der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 StAG (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.5.1983 - BVerwG 1 C 28.81 -, juris Rn. 33; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, juris Rn. 28, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner abweichenden, noch im Beschl. v. 26.8.1993 - 13 S 2019/93 -, ESVGH 44, 153, juris Rn. 3, vertretenen Ansicht, die - obwohl insoweit überholt - noch immer von Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, StAG § 9 Rn. 30, zitiert wird; Bayerischer VGH, Urt. v. 4.5.2005 - 5 B 03.1679 -, juris Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 2.9.1996 - 25 A 2106/94 -, juris Rn. 32, 34). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in Anlehnung an § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB für ein „Scheitern der Ehe“ im Sinne einer endgültigen Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft verlangt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass sie wiederhergestellt wird (vgl. Bayerischer VGH, a.a.O.), wofür es ausreichte, dass mindestens ein Ehegatte sie nicht wiederaufnehmen will.

2. Jedoch geben die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wie der Kläger im Einzelnen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hat, Anlass zu ernstlichen Zweifeln daran, dass diese die ausgeurteilte Klageabweisung tragen. Der Senat bezweifelt ernstlich, ob die Ehe bereits am 14. September 2009 gescheitert war. Derartige Zweifel im Tatsächlichen bestehen schon daran, ob aufgrund des Inhalts der Gerichtsakte, des beigezogenen Einbürgerungs- und Rücknahmevorgangs (BA 001), der beigezogenen Strafakte (BA 002) sowie der Anhörung des Klägers und der Zeugenvernehmung der geschiedenen Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2016 die tragfähige Überzeugung, die eheliche Lebensgemeinschaft sei bereits mit dem Auszug des Klägers in ein eigenes Zimmer zur Untermiete im D. (bei Frau E.) in A-Stadt im Mai 2009 aufgehoben worden, gewonnen werden konnte.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind auch dann anzunehmen, wenn erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NdsVBl. 2000, 244, 245). Bezieht sich, wie hier, das diesbezügliche Vorbringen auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung, kommt eine Zulassung der Berufung nicht schon dann in Betracht, wenn der erkennende Senat die vom Verwaltungsgericht nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer eigenen etwaigen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht selbst. Denn sonst wäre die Berufung gegen Urteile, die auf einer Sachverhalts- oder Beweiswürdigung beruhen, regelmäßig nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 18.1.2017 - 8 LA 162/16 -, juris Rn. 27, und v. 18.1.2001 - 4 L 2401/00 -, juris Rn. 4; Sächsisches OVG, Beschl. v. 8.1.2010 - 3 B 197/07 -, juris Rn. 2). Eine Sachverhalts- oder Beweiswürdigung kann deshalb nur mit Erfolg angegriffen werden bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder wenn sie offensichtlich sachwidrig und damit willkürlich ist (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 34; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, juris Rn. 25; Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.4.2017 - 10 ZB 16.2594 -, juris Rn. 5; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124 Rn. 26g (Stand: Oktober 2015), jeweils m.w.N.). Solche Fehler hat der Kläger hier indes aufgezeigt. Die Sachverhaltswürdigung des angegriffenen Urteils ist in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich, teilweise unvollständig und objektiv willkürlich.

Zuzugeben ist dem Verwaltungsgericht und der Beklagten zwar, dass die zeitlich eng getakteten Abläufe während des Jahres 2009 - insbesondere die der Beklagten vom Kläger verschwiegene räumliche Trennung der Eheleute seit Mai 2009 sowie der kurze zeitliche Abstand der nach Angaben des Klägers erst im Oktober 2009 erfolgten endgültigen Trennung von seiner Ehefrau unter endgültigem Auszug aus der Ehewohnung F. Straße in 30625 A-Stadt zu der am 14. September 2009 vorgenommenen Einbürgerung - sowie die Tatsache, dass er die Verurteilung nach § 42 StAG wegen Erschleichens einer Einbürgerung durch Strafbefehl des Amtsgerichts A-Stadt - Strafrichter - vom 25. Januar 2012 hat rechtskräftig werden lassen, auf den ersten Blick gegen den Kläger und für die von der Beklagten vertretene Auffassung zu sprechen scheinen. Jedoch sind die Schlüsse auf ein Scheitern der Ehe bereits im Zeitraum bis zur Einbürgerung, die das Verwaltungsgericht aus den genannten zur Verfügung stehenden Beweismitteln und sonstigen Unterlagen gezogen hat, widersprüchlich, teilweise unvollständig und objektiv willkürlich. Sie können daher nicht überzeugen. An die Feststellungen des Strafrichters aus dem Strafbefehl vom 25. Januar 2012 ist der Senat nicht gebunden. Die Klärung der staatsangehörigkeitsrechtlich erheblichen tatsächlichen Fragen muss daher einem Berufungsverfahren vor dem Senat vorbehalten bleiben.

Bereits eine Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vor der Einbürgerung, von der das Verwaltungsgericht schon für die Zeit ab dem Einzug des Klägers in ein eigenes Zimmer zur Untermiete im D. in A-Stadt im Mai 2009 ausgeht, ist fragwürdig, so dass es auf die Frage einer Erwartung der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft voraussichtlich nicht ankommen wird. Der von der Beklagten betonte Umstand, dass die häusliche Gemeinschaft mit diesem Einzug unterbrochen und auch später nie wiederaufgenommen wurde, spricht nicht per se gegen die Version des Klägers, die eheliche Lebensgemeinschaft als solche sei erst nach der Einbürgerung vom 14. September 2009 beendet worden.

a) Gerade wenn das Verwaltungsgericht auf Seite 7 des angefochtenen Urteils eingangs betont, es sei nicht von einer (objektiviert-)typischen (Ideal- oder Norm-)Ehe auszugehen, vielmehr komme es darauf an, von welchen subjektiven Vorstellungen die zuvor geführte eheliche Lebensgemeinschaft im Einzelfall geprägt gewesen sei, und hierzu feststellt, die Ehegatten hätten in den Jahren 2005 bis 2009 im Wesentlichen nur äußerliche Gemeinsamkeiten wie die häusliche Gemeinschaft und die gegenseitige (vor allem sexuelle) körperliche Anziehung verbunden, während gemeinsame Unternehmungen ausgeblieben und gemeinsame Interessen gefehlt hätten sowie die (nicht per se in Frage gestellte) eheliche Lebensgemeinschaft vor allem finanziell einseitig zum Nachteil der Ehefrau ausgestaltet gewesen sei, ist dem Senat nicht nachvollziehbar, weshalb die bloße Unterbrechung der häuslichen Gemeinschaft (das heißt eine gewisse räumliche Trennung), die sich in der Zeit ab Mai 2009 in der Bewohnung des Zimmers bei Frau E. durch den Kläger manifestierte, bei fortbestehenden persönlichen Kontakten zwischen den Eheleuten dort wie auch in der Ehewohnung unter Beibehaltung der sexuellen Beziehung und unter Belassung persönlicher Gegenstände in der Ehewohnung die zugegebenermaßen „lockerer gewordene“ eheliche Lebensgemeinschaft vollständig beseitigt haben soll; zumal das Verwaltungsgericht eingangs zu Recht hervorgehoben hat, dass die häusliche Gemeinschaft kein notwendiges Element einer ehelichen Lebensgemeinschaft darstelle (vgl. hierzu auch Senatsbeschl. v. 10.11.2017 - 13 ME 190/17 -, juris Rn. 8).

b) Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Anmietung des Zimmers bei der älteren Untervermieterin Frau E. zwar im Gefolge einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten und wegen einer belastenden Bewerbungs- und Prüfungsvorbereitungsphase des Klägers sowie ggf. auch wegen gesundheitlicher Probleme des an einer Katzenallergie leidenden Klägers geschah, zwischen den Ehegatten jedoch einvernehmlich entschieden und gemeinsam organisiert (gemeinsame Zimmerbesichtigung) und nach übereinstimmenden Angaben beider Eheleute zunächst nur auf vorübergehende Zeit (einen „begrenzten Zeitraum“, vgl. die Zeugenaussage der Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vom 11.5.2016, S. 6 des Protokolls, Bl. 73R der GA, detaillierter: ihre Zeugenaussage bei der Polizeiinspektion A-Stadt-Süd am 14.12.2011, Bl. 38 f. der BA 002) ausgelegt gewesen ist, um an der kriselnden Beziehung zu arbeiten, und die persönlichen und körperlichen Kontakte und Besuche aufgrund „beiderseitige[r] Verfahrensweise“ fortgeführt wurden (vgl. Bl. 39 der BA 002). Diesen Umstand bezieht das Verwaltungsgericht nicht in seine Würdigung ein. Dass der Kläger sich in der Zeit seiner tatsächlich gelebten Untermiete zumindest Unterlagen des Arbeitgebers sowie der Agentur für Arbeit an die Adresse im D. hat schicken lassen, ist ohne Aussagewert.

c) Nicht überzeugend ist die auf Seite 10 des Urteils vorgenommene Würdigung des Verwaltungsgerichts, die (zunächst) vorübergehende räumliche Trennung ab Mai 2009, die der Kläger erst Ende Oktober 2009 als endgültig angesehen habe, weil dann festgestanden habe, dass die Ehefrau nicht von der Haltung von Katzen absehen werde, könne nicht auch durch gesundheitliche Probleme des Klägers aufgrund seiner Allergie gegen eine oder beide der damals von der Ehefrau in der Ehewohnung gehaltenen Katzen motiviert gewesen sein. Soweit das Verwaltungsgericht diese Erklärung des Klägers als Schutzbehauptung ansieht, widerspricht dies dem Akteninhalt. Denn die Katzenallergie des Klägers ist bereits durch einen ärztlich durchgeführten allergologischen Pricktest vom 27. Februar 2009 (Bl. 24 der GA) eindeutig festgestellt worden. Der Senat hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der Facharzt für HNO G. aus A-Stadt bei diesem auf Erzielung einer allergischen Reaktion gerichteten Test einwandfreie Allergene eingesetzt hat, die von Katzen stammten. Die Katzenallergie ist später auch durch Test des Allergologen H. aus A-Stadt vom 23. Mai 2011 (Bl. 36 f. der GA) bestätigt worden und als sehr stark ausgeprägt (Klasse 6) zu bezeichnen. Bereits angesichts des Ergebnisses des Tests vom 27. Februar 2009 steht (a maiore ad minus) fest, dass mit den „eigenen“ (das heißt offenbar vom Kläger zum Test an diesem Tage mitgebrachten) Katzenhaarproben, auf die der Kläger im Pricktest keine allergische Reaktion gezeigt hat, etwas nicht in Ordnung gewesen sein kann. Dahinstehen kann an dieser Stelle, ob der vom Kläger im Klage- und Zulassungsverfahren erhobene Vorwurf zutrifft, die Ehefrau - eine ausgebildete Krankenschwester - habe die dem Kläger mitgegebenen Katzenhaare aus „Liebe zu ihren Katzen“ gezielt desinfiziert, um bestehende Probleme nicht feststellen zu lassen. Das von der Beklagten im Zulassungsverfahren geführte Argument, Ehegatten müssten sich bei einer solchen Allergie für die Beibehaltung der Katzen oder füreinander entscheiden, übersieht grundlegend, dass das allenfalls gegen eine Absicht der Ehefrau sprechen könnte, die eheliche Lebensgemeinschaft beizubehalten, die aber vom Verwaltungsgericht nicht zuletzt angesichts deren Liebesbezeugungen gegenüber dem Kläger bis in das Jahr 2011 hinein überzeugend als durchgehend fortbestehend angesehen wurde, nicht jedoch gegen eine Absicht des Klägers als von der Allergie betroffenen Ehemanns schon in der Phase anfänglicher räumlicher Trennung nach erstmaligem Auftreten eines derartigen Problems. Zum anderen ist zum Zeitpunkt des endgültigen Bestehens auf der Haltung von Katzen durch die Ehefrau - unter etwaiger Inkaufnahme des endgültigen Endes der ehelichen Lebensgemeinschaft - nichts festgestellt worden.

d) Unzureichend ist schließlich der auf Seite 10 des Urteils enthaltene Verweis darauf, dass der Kläger seine in der Ehewohnung zunächst verbliebenen Gegenstände von dort entfernt habe, indiziere, die Initiative zur endgültigen Trennung sei von ihm ausgegangen. Zwar kann einer solchen Entfernung der restlichen Gegenstände in der Tat auch nach Ansicht des Senats Indizwirkung für das Vorliegen der inneren Tatsache einer (endgültig) fehlenden Absicht eines Ehegatten zum Führen der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen. Allerdings hat das Verwaltungsgericht nicht geklärt, zu welchem Zeitpunkt diese Entfernung erfolgt sein soll, namentlich ob sie vor der Einbürgerung vom 14. September 2009 geschehen ist. Hierauf kam es aber im vorliegenden Fall gerade an; ein erst nach der Einbürgerung durch Entfernung der Gegenstände manifestierter endgültiger Trennungswille wäre unschädlich. Auf die diesbezüglichen Angaben der geschiedenen Ehefrau, die insbesondere zum zeitlichen Ablauf (von „vor dem Tod meiner Mutter [1.8.2009]“ bis „im September 2009“, vgl. Bl. 72R, 73R der GA und Bl. 39 der BA 002) und zu den Modalitäten (von „(einmal) mit der Vermieterin Frau E. […] alles herausgeschafft“ bis „Step by Step aus der Wohnung abgeholt“, vgl. Bl. 72R, 73R der GA) erheblich schwankten, was auch dem Verwaltungsgericht nicht verborgen geblieben sein kann, hat es gerade nicht abgestellt.

e) Indem das Verwaltungsgericht sodann auf Seite 9 des Urteils für ein (Noch- oder Wieder-)Führen der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Zeit von Mai 2009 bis zur Einbürgerung am 14. September 2009 über den in dieser Zeit weiterhin mit unbekannter Frequenz praktizierten körperlichen Kontakt des Klägers und seiner Ehefrau und einen regelmäßigen Besuchskontakt etwa noch die „Erörterung gemeinsamer Probleme“ verlangt hat, entfernt sich das Verwaltungsgericht von seinem oben unter a) genannten Ausgangspunkt, nach welchem der Inhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht nach typischen oder objektiven Maßstäben zu bestimmen, sondern der Entscheidung und Definition der Eheleute vorbehalten sei. Denn es verlangt auf diese Weise für die Zeit ab Mai 2009 teilweise ein „Mehr“ an (innerlicher) Verbundenheit zwischen den Eheleuten, als sie vor dem Einzug des Klägers in das gemietete Zimmer im D. jemals bestanden hatte. Im Übrigen hat der Kläger unwidersprochen seiner Ehefrau auch in dieser Phase innerlich beigestanden, etwa nach dem Tod deren Mutter (1. August 2009) sowie nach dem Tod einer der von der Ehefrau gehaltenen Katzen (Sommer 2009), der sie offenbar ebenfalls emotional belastet hat. Dass das Verwaltungsgericht auf Seite 10 des Urteils den Umstand, dass der Kläger nicht bei der Beerdigung der Mutter der Klägerin zugegen war, als Indiz für eine fehlende „Versöhnungsbereitschaft“ des Klägers gewürdigt hat, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass sich das Verwaltungsgericht hier erneut in einer von ihm eingangs gerade abgelehnten Bewertung der Verbundenheit der Eheleute am Maßstab eines vertypten oder objektivierten Ehelebens ergeht, kann die Teilnahme einer Person an der Beerdigung ihrer Schwiegermutter selbst für den „Normalfall“ eines Ehelebens nicht als zwingend angesehen werden.

f) Ein weiterer Widerspruch in der verwaltungsgerichtlichen Feststellung der Tatsache „Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft“ besteht schließlich darin, dass das Verwaltungsgericht im Anschluss an diese auf Seiten 7 f. des Urteils begründete Feststellung im Rahmen der Begründung der zweiten Voraussetzung eines von ihm angenommenen Scheiterns der Ehe vor der Einbürgerung am 14. September 2009, nämlich der „fehlenden Erwartung der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft“, die es aufgrund eines endgültigen Trennungswillens des Klägers bejaht hat, auf Seite 9 des Urteils ausführt, der Kläger habe „mit seinem Auszug [gemeint ist: im Mai 2009] eine eheliche Gesinnung völlig aufgegeben […] und nur noch zum Zwecke der Erfüllung der Einbürgerungsvoraussetzungen bzw. zur Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse an der ehelichen Lebensgemeinschaft [festgehalten]“ (Hervorhebung durch den Senat). Damit impliziert das Verwaltungsgericht, dass es - entgegen seiner soeben erfolgten Feststellung - von Mai 2009 bis zur Einbürgerung eben doch noch einen „Rest“ an ehelicher Lebensgemeinschaft für gegeben erachtet hat, womit die Annahme eines Scheiterns der Ehe bereits zu diesem Zeitpunkt der Grundlage entbehrte.

II. Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, oder in elektronischer Form nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).