Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.05.2022, Az.: 1 KN 85/20

Betriebswohnen; Betriebswohnung; Dauerwohnen; Reines Wohngebiet; Sondergebiet

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.05.2022
Aktenzeichen
1 KN 85/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59586
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Sondergebiet mit der einzig zulässigen Nutzung Dauerwohnen unterscheidet sich nicht wesentlich von einem reinen Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO.

Ein Sondergebiet, in dem allein die Nutzung "Betriebswohnen" zulässig ist, verstößt nicht gegen § 11 BauNVO.

Tenor:

Die vom Rat der Antragsgegnerin am 9. Mai 2019 als Satzung beschlossene 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 28 „Am Weststrand“ ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 „Am Weststrand“.

Die mit Hauptwohnsitz in A-Stadt lebenden Antragsteller sind Eigentümer einer Eigentumswohnung auf Norderney. Diese bewohnen sie zum Teil selbst, zum Teil vermieten sie sie als Ferienwohnung. Die Eigentumswohnung ist Teil der Wohnungseigentumsanlage „Südwesthörn“ (Flur F., Flurstück G. der Gemarkung Norderney). Dabei handelt es sich um einen Anfang der 1990er Jahre errichteten Gebäudekomplex auf einer Fläche von ca. 2.000 m². Unter dem Gebäudekomplex befindet sich eine von allen Wohnungseigentümern gemeinsam genutzte Tiefgarage.

Das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft liegt im Geltungsbereich des vom Rat der Antragsgegnerin am 30. November 1982 beschlossenen Bebauungsplans Nr. 28 „Am Weststrand“. Dieser sah für das Grundstück in seiner ursprünglichen Fassung ein Sondergebiet SO „Kur-, Heil- und Erholungszwecke (gemäß § 11 BauNVO) (Kurwohnzone)“ vor. Für dieses Sondergebiet wurde als einzig zulässige Nutzung die Nutzung „Betriebswohnungen“ festgesetzt. In der Planbegründung wurde dies damit begründet, dass aufgrund der Monostruktur der Insel und damit verbunden die überwiegende Bereitstellung von Beherbergungskapazitäten lediglich für Gäste für die im Dienstleistungsbereich Beschäftigten ein Fehlbedarf an geeigneten Wohnunterkünften bestehe. Die getroffene Festsetzung solle der Schaffung von Personalunterkünften dienen, insbesondere der Kurverwaltung des Staatsbads Norderney.

Der Bebauungsplan Nr. 28 wurde in den Folgejahren mehrfach geändert. Das Grundstück der Wohnungseigentumsgemeinschaft war dabei - außer durch die hier streitgegenständliche 5. Änderung - lediglich durch die am 7. Dezember 1988 beschlossene 1. Änderung betroffen, die aber die festgesetzte Nutzung unverändert übernahm und lediglich das zulässige Maß der baulichen Nutzung und die Bauweise für das seinerzeit noch nicht bebaute Grundstück änderte. Durch die 4. Änderung wurde für direkt angrenzende Grundstücke unter anderem die Nutzung für Ferienwohnungen im Zusammenhang mit Wohngebäuden zum Dauerwohnen für Personen mit Lebensmittelpunkt auf Norderney allgemein zugelassen. Im nahegelegenen Sondergebiet SO 2 wurde die Nutzung mit Ferienwohnungen „als gewerbliche Beherbergungsbetriebe“ allgemein zugelassen.

Die Errichtung der Wohnungen erfolgte zu Beginn der 1990er Jahre durch die Niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft. Im das Plangrundstück betreffenden Bauvorbescheid ebenso wie im Bauschein wurde das Bauvorhaben als „Neubau einer Wohnanlage mit Betriebswohnungen“ bzw. als „Neubau einer Wohnanlage mit Betriebswohnungen ‚Habenpad‘“ bezeichnet. Im Zuge der Errichtung und des späteren Verkaufs der Wohnungen betonte die Antragsgegnerin gegenüber dieser Gesellschaft wiederholt den im Bebauungsplan festgesetzten Nutzungszweck.

Im Jahr 2018 kamen in der Verwaltung der Antragsgegnerin Bedenken auf, ob die Festsetzung „Betriebswohnen“ noch rechtssicher sei, zumal sich der Begriff auf Wohnungen beziehe, welche sich in räumlichem und funktionalem Zusammenhang zu einem Betrieb befänden. Es gebe auch vermehrt Anfragen, ob eine Umnutzung einer Wohneinheit in eine Ferienwohnung zulässig sei. Eine solche Nutzung sei aber gerade nicht gewollt. Daraufhin beschloss der Rat der Antragsgegnerin nach Durchführung eines entsprechenden Planaufstellungsverfahrens am 26. März 2019 die 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28, die am 31. Mai 2019 im Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt und für die Stadt Emden (Nr. 22, Seite 234 ff.) bekannt gemacht wurde. Diese erstreckt sich allein auf das oben genannte Flurstück und sieht hierfür die Festsetzung eines Sondergebietes (SO) „Dauerwohnen“ vor. Die zugehörige textliche Festsetzung Nr. 1 lautet:

„Innerhalb des festgesetzten Sondergebietes (SO) mit der Zweckbestimmung „Dauerwohnen“ gem. § 11 BauNVO sind ausschließlich folgende Nutzungen zulässig:

(1) Allgemein zulässig sind:

- Wohngebäude mit Wohnungen zum Dauerwohnen für Personen mit Lebensmittelpunkt auf Norderney

(2) Ausnahmsweise zulässig sind:

- Räume für freie Berufe“

In der Planbegründung gibt die Antragsgegnerin als städtebauliches Ziel für die Planung an, das jetzige Wohngebäude in seinem Bestand zu sichern. Die in touristisch geprägten Regionen weit verbreitete Nutzung als Zweit- und Ferienwohnung sowie als Beherbergungsbetrieb solle zugunsten derer, die ihren Lebensmittelpunkt auf Norderney haben, ausgeschlossen werden. Auf diese Weise solle dem Wohnungsbedarf der heimischen Bevölkerung Rechnung getragen werden.

Zum Maß der baulichen Nutzung enthält der Änderungsplan unter anderem folgende Festsetzungen:

4. In den mit “I“ gekennzeichneten Bereich (mit Ausnahme einer Überdachung zur Tiefgarage) ist die Höhe der Gebäude auf 60 cm beschränkt. Das Maß gilt ab Oberkante Erschließungsstraßenmitte bis Oberkante des Gebäudes.

5. Innerhalb des festgesetzten Sondergebiets (SO) ist die Höhenlage des vorhandenen Gebäudes auf dem Grundstück zu erhalten. Abgrabungen, Vertiefungen oder Aufschüttungen sind nicht zulässig.

In der Planskizze ist mit „I“ der von Baugrenzen begrenzte Einfahrtbereich zur Tiefgarage gekennzeichnet.

Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2020, eingegangen am 27. Mai 2020, haben die Antragsteller gegen diese 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 Normenkontrollantrag gestellt. Sie machen geltend, der Bebauungsplan Nr. 28 sei sowohl in der ursprünglichen Fassung bzw. in der Fassung der 1. Änderung als auch in der Fassung der 5. Änderung unwirksam. Die ursprünglich festgesetzte Nutzung „Betriebswohnen“ habe nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt. Es fehle an der notwendigen Zuordnung der Wohnungen zu bestimmten Betrieben. Diese Nutzung sei auch nie gelebt worden. Die Antragsgegnerin habe keine Versuche unternommen, diese Nutzung durchzusetzen. Stattdessen habe sie sich durch die Erhebung von Zweitwohnungssteuern in Widerspruch zur von ihr selbst festgesetzten Nutzung gesetzt. Mit der 5. Änderung des Bebauungsplans werde für ihr Grundstück unzulässig ein Sondergebiet „Dauerwohnen“ festgesetzt. Mit einer solchen Festsetzung verstoße die Antragsgegnerin gegen § 11 Abs. 1 BauNVO, da sich ein solches Sondergebiet nicht wesentlich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO unterscheide. Die 5. Änderung des Bebauungsplans sei zudem abwägungsfehlerhaft, weil die tatsächliche Nutzung zahlreicher Wohnungen als Ferien- oder Zweitwohnungen nicht berücksichtigt worden sei. Diese jahrzehntelange Nutzung hätte in Anlehnung an § 1 Abs. 10 BauNVO in ihrem Bestand geschützt werden müssen. Sie sei angesichts der Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt auf der Grundlage von § 34 BauGB auch materiell-rechtlich zulässig. Durch den Änderungsplan werde daher unzulässig in ihr Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen. Zudem würden sie im Vergleich zu den umliegenden Sondergebieten, in denen zumindest auch die Nutzung als Ferienwohnung zugelassen worden sei, ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt. Ferner liege ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB vor, weil die Antragsgegnerin ein einzelnes Grundstück mit bestandsgeschützten, andersartigen Nutzungen überplane, was eine geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets beeinträchtige.

Die Antragsteller beantragen,

den Bebauungsplan Nr. 28 „Am Weststrand“, 5. Änderung, vom 31. Mai 2019 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt den Bebauungsplan Nr. 28 in seiner ursprünglichen Fassung und in der Fassung der 1. Änderung. Der von den Antragstellern behaupteten Funktionslosigkeit hält sie entgegen, dass Teile des Gebäudekomplexes auch heute noch als Betriebswohnungen genutzt würden. Sie, die Antragsgegnerin, habe an dem eingeschränkten Nutzungszweck immer festgehalten. Nachdem sie aber anfangs noch habe durchsetzen können, dass etwaige Erwerber der Wohnungen auf den eingeschränkten Nutzungszweck „Betriebswohnen“ hingewiesen wurden, hätten sich spätere Weiterveräußerungen der Wohnungen ihrer Kontrolle entzogen. Auch die hier zu beurteilende 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 sei nicht zu beanstanden. Die Festsetzung eines Sondergebiets sei notwendig, weil sich durch die Ausweisung eines reinen oder allgemeinen Wohngebiets der beabsichtigte Ausschluss einer Nutzung als Zweitwohnung nicht erreichen lasse. Der tatsächlich abweichenden Nutzung auch durch die Antragsteller sei mangels Genehmigung dieser Nutzungsänderung kein Gewicht beigemessen worden. Aus dem gleichen Grund verstoße die Änderungsplanung nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Von übrigen Baugebieten in der näheren Umgebung unterscheide sich das Plangebiet durch seine seit Errichtung bestehende Struktur als in sich geschlossener Gebäudekomplex. Aus der Erhebung von Zweitwohnungssteuern könne keine bauordnungsrechtliche Duldung hergeleitet werden, zumal aus dem Besteuerungsverfahren gewonnene Erkenntnisse wegen des Steuergeheimnisses nicht hätten verwertet werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.

I.

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 1. Var. VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 10 Abs. 1 BauGB kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch einen Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Satzung die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über deren Gültigkeit beantragen. Wegen einer möglichen Eigentumsverletzung ist die Antragsbefugnis grundsätzlich zu bejahen, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft (Senatsurt. v. 12.5.2022 - 1 KN 14/20 -, juris Rn. 15). Gleiches gilt für einen Wohnungseigentümer, der geltend macht, durch bauplanerische Festsetzungen in der Nutzung seines Wohnungseigentums beeinträchtigt zu werden. Zumindest ist eine Verletzung des Rechts eines solchen Wohnungseigentümers auf eine gerechte Abwägung im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB nicht von vornherein ausgeschlossen.

Dies vorangestellt sind die Antragsteller antragsbefugt. Durch die Festsetzung der Zulässigkeit von Wohnungen (nur) zum Dauerwohnen für Personen mit Lebensmittelpunkt auf Norderney wird die bisher von ihnen ausgeübte Nutzung als Ferien- bzw. Zweitwohnung ausgeschlossen.

Die daraus resultierende Antragsbefugnis kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Antragsteller diese Nutzung mangels einer Genehmigung derzeit formell-rechtswidrig ausüben. Die Antragsteller könnten nämlich den Versuch unternehmen, ihre jetzige Nutzung durch Genehmigung einer Nutzungsänderung legalisieren zu lassen. Der Erfolg eines solchen Antrags ist nicht in einer schon die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags hindernden Weise offensichtlich ausgeschlossen. Zwar wäre die Nutzung durch die Antragsteller auch unter Geltung des bisherigen Bebauungsplans Nr. 28 in der Fassung, die er durch die 1. Änderung erhalten hat, nicht genehmigungsfähig. Danach ist nur die Nutzung als Betriebswohnung, nicht aber als Zweit- oder Ferienwohnung zulässig. Die Antragsteller halten aber auch den Bebauungsplan Nr. 28 und dessen 1. Änderung für unwirksam. Dies als zutreffend unterstellt würde sich die materiell-rechtliche Legalität ihrer Nutzung am Maßstab des § 34 BauGB bemessen. Dass die von ihnen ausgeübte Nutzung daran gemessen nicht genehmigungsfähig wäre und ihre Einwände gegen die Wirksamkeit der früheren Bauleitplanung für das Grundstück nicht durchgreifen, liegt jedenfalls nicht von vornherein nach jeder denkbaren Sichtweise offen auf der Hand.

II.

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

Die Festsetzung des Sondergebiets „Dauerwohnen“ verstößt gegen § 11 BauNVO (dazu unter 1.). Sie lässt sich nicht in die Festsetzung eines Gebiets nach den §§ 2 bis 10 BauNVO umdeuten (dazu unter 2.). Der Verstoß führt zur Gesamtunwirksamkeit des Plans (dazu unter 3.).

1.

Gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO sind als sonstige Sondergebiete solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Die Festsetzung eines Sondergebiets scheidet deshalb aus, wenn die planerische Zielsetzung der Gemeinde durch Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 10 BauNVO, auch in Kombination mit den Gestaltungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO, verwirklicht werden kann, die insoweit begrenzt sind, als die festgelegte allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietstypus gewahrt bleiben muss (BVerwG, Beschl. v. 9.6.2016 - 4 B 8.16 -, ZfBR 2016, 699 = BRS 84 Nr. 64 = juris Rn. 4). Daran gemessen verstößt die Festsetzung des Sondergebiets gegen § 11 Abs. 1 BauNVO.

Die Antragsgegnerin verfolgt ausweislich der Planbegründung das Ziel, die Nutzung des Plangebiets auf „Dauerwohnen“ zu beschränken. Insbesondere soll die Nutzung als Ferien- und Zweitwohnung ausgeschlossen werden. Dieses Planungsziel kann die Antragsgegnerin aber auch dadurch erreichen, dass sie ein reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO festsetzt und von den Möglichkeiten des § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO Gebrauch macht.

Ein reines Wohngebiet dient gemäß Abs. 1 (allein) dem Wohnen. Zulässig sind gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wohngebäude. Wohngebäude schließen Ferienwohnungen nicht ein. Der Begriff des Wohnens ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient. Darunter fallen Ferienwohnungen nicht; bei ihnen fehlt es jedenfalls (typischerweise) an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (stRspr., Senatsbeschl. v. 18.7.2008 - 1 LA 203/07 -, BauR 2008, 2022 = BRS 73 Nr. 168 = juris Rn. 12; Senatsurt. v. 15.1.2015 - 1 KN 61/14 -, BauR 2015, 630 = BRS 83 Nr. 62).

Der Ausschluss von Zweitwohnungen kann gemäß § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 9 BauNVO durch die Beschränkung der Wohnnutzung auf Personen mit Lebensmittelpunkt auf Norderney erreicht werden. Eine solche Beschränkung des Dauerwohnens ist nach der Senatsrechtsprechung hinreichend bestimmt (Senatsbeschl. v. 18.9.2014 - 1 KN 123/12 -, ZfBR 2014, 767 = BRS 82 Nr. 21 = juris Rn. 32) und kann durch städtebauliche Gründe, etwa der Vermeidung von Leerstand während der weitaus meisten Zeit des Jahres, im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO gerechtfertigt werden (Senatsbeschl. v. 7.10.2021 - 1 KN 92/19 -, BauR 2022, 205 = juris Rn. 119 u. v. 18.9.2014 - 1 KN 123/12 -, ZfBR 2014, 767 = BRS 82 Nr. 21 = juris Rn. 30).

Der Ausschluss der in einem reinen Wohngebiet allgemein zulässigen Anlagen zur Kinderbetreuung lässt sich gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO herstellen, ohne dass die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets („Wohnen“) tangiert wäre. Sämtliche gemäß § 3 Abs. 3 ausnahmsweise zulässigen Nutzungen können gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO ausgeschlossen werden. Mit dem dadurch erreichten Ausschluss kleiner Beherbergungsbetriebe würde auch die Nutzung von Ferienwohnungen als kleiner Beherbergungsbetrieb verhindert, weil sich gemäß § 13a BauNVO die Zulässigkeit einer Ferienwohnung nach der Zulässigkeit der kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO richtet.

2.

Die Festsetzung eines Sondergebiets lässt sich nicht in die Festsetzung eines reinen Wohngebiets gemäß § 3 BauNVO umdeuten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher offengelassen, ob Gerichte Festsetzungen vom Baugebieten überhaupt auswechseln oder umdeuten dürfen (BVerwG, Urt. v. 7.9.2017 - 4 C 8.16 -, BVerwGE 159, 322 = BauR 2018, 69 = BRS 85 Nr. 59 = juris Rn. 10; v. 27.10.2011 - 4 CN 7.10 -, BVerwGE 150, 101 = juris Rn. 20; Beschl. v. 21.12.2016 - 4 BN 14.16 -, BRS 84 Nr. 32 = juris Rn. 10). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird eine Umdeutung wegen des Rechtsnormcharakters eines Bebauungsplans (§ 10 Abs. 1 BauGB) grundsätzlich abgelehnt (OVG Berl.-Bbg., Urt. v. 15.2.2007 - OVG 2 A 14.05 -, BRS 71 Nr. 118 = juris Rn. 37; BayVGH, Urt. v. 27.9.2005 - 8 N 03.2750 -, BRS 69 Nr. 42 = NVwZ-RR 2006, 381 = juris Rn. 36 f.). Der Senat hat eine Umdeutung einer Verlängerung einer Veränderungssperre in eine Erneuerung dann als grundsätzlich unbedenklich angesehen, wenn die Gemeinde bei der umgedeuteten Entscheidung inhaltlich keine anderen Erwägungen hinsichtlich der Einschränkung der Eigentümerbefugnisse anzustellen hatte als bei der Entscheidung, die formell richtiger zum gleichen Ergebnis führt (Senatsurt. v. 14.8.2009 - 1 KN 219/07 -, BauR 2010, 67 = BRS 74 Nr. 122 = juris Rn. 50 f.). Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten oder ob eine Satzung als Rechtsnorm grundsätzlich der Umdeutung nicht zugänglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn auch nach Maßgabe der zitierten Senatsentscheidung kommt eine Umdeutung hier nicht in Betracht.

Im konkreten Fall scheitert eine Umdeutung daran, dass zum Maß der baulichen Nutzung eine Grundflächenzahl von 0,8 festgesetzt wurde. Das entspräche zwar in einem sonstigen Sondergebiet gemäß § 17 Abs. 1 BauNVO in der zum Zeitpunkt des Satzungserlasses geltenden Fassung (BauNVO 2017) der regelmäßig geltenden Obergrenze. In einem reinen Wohngebiet betrug die maximale Grundflächenzahl jedoch gemäß § 17 Abs. 1 BauNVO 2017 nur 0,4. Eine Überschreitung war zwar gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 2017 möglich, jedoch nur dann, „wenn die Überschreitung durch Umstände ausgeglichen ist oder durch Maßnahmen ausgeglichen wird, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden.“ Somit hätte sich die Antragsgegnerin bewusst sein müssen, dass sie die regelhaft geltende Obergrenze von 0,4 mit der Festsetzung einer Grundflächenzahl von 0,8 überschreitet. Zudem hätte sie prüfen müssen, ob eine solche Überschreitung im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 2017 durch Umstände ausgeglichen ist oder durch Maßnahmen ausgeglichen wird, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden. Entsprechende Erwägungen hat die Antragsgegnerin - von ihrem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht angestellt.

3.

Eine unwirksame Gebietsfestsetzung führt regelmäßig zur Gesamtunwirksamkeit und nicht nur zur teilweisen Unwirksamkeit eines Bebauungsplans, wenn es sich bei dem Plan um einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB handelt (BVerwG, Urt. v. 7.9.2017 - 4 C 8.16 -, BVerwGE 159, 322 = BauR 2018, 69 = BRS 85 Nr. 59 = juris Rn. 11). Das trifft insbesondere dann zu, wenn sich der Bebauungsplan - wie hier - in der (unwirksamen) Festsetzung des Sondergebiets erschöpft.

III.

Der Fehler könnte in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden.

Für den Fall eines solchen Heilungsversuchs weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Antragsgegnerin, sollte sie an ihrem Planungsziel festhalten wollen, dieses durch Festsetzung eines reinen Wohngebiets gemäß § 3 BauNVO in beschriebener Weise erreichen könnte, ohne abwägungserhebliche Belange der Antragsteller zu übergehen. Insbesondere ist die mit einer solchen Festsetzung unvereinbare, bisher von den Antragstellern ausgeübte Nutzung nicht schutzwürdig (dazu unter 1.). Auch das Gleichbehandlungsgebot gebietet nicht, im Rahmen der Bauleitplanung auch die Nutzung als Zweit- oder Ferienwohnung zuzulassen (dazu unter 2.). Gegen die textlichen Festsetzungen Nr. 4 und 5 bestehen allerdings Bedenken (dazu unter 3.).

1.

Wird ein Bebauungsplan geändert, ist das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes abwägungserheblich. Das Baugesetzbuch gewährt zwar keinen Anspruch auf den Fortbestand eines Bebauungsplans; Änderungen des Bebauungsplans sind mithin nicht ausgeschlossen. Die Planbetroffenen besitzen jedoch regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Festsetzungen des Plans nicht ohne Berücksichtigung ihrer Belange geändert werden. Bei der Entscheidung über eine Planänderung hat die Gemeinde daher besonders zu prüfen, ob und in welchem Umfang sich die Planunterworfenen (oder auch Nachbarn des Plangebietes bzw. Planänderungsbereiches) auf die Fortgeltung der Planfestsetzungen eingerichtet haben und welches Gewicht diesem Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Festsetzungen zukommt (vgl. Senatsurt. v. 24.2.2021 - 1 KN 3/19 -, NuR 2021, 410 = BauR 2021, 916 = juris Rn. 68 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 24.3.2022 - 1 MN 131/21 -, juris Rn. 51). Nicht abwägungserheblich sind dabei geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, Urt. v. 27.9.2021 - 4 BN 17/21 -, ZfBR 2022, 69 = NVwZ 2022, 73 = juris Rn. 8; Senatsurt. v. 10.2.2022 - 1 KN 11/20 -, juris Rn. 22).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die von den Antragstellern ausgeübte Nutzung nicht abwägungserheblich, weil sie aufgrund der lediglich eine Nutzung als „Betriebswohnung“ zulassenden Baugenehmigung formell und auch materiell baurechtswidrig erfolgt. Die Nutzung widerspricht im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 28 in der Fassung der 1. Änderung, weil es sich ersichtlich nicht um Betriebswohnen handelt. Dieser Bebauungsplan ist auch wirksam (dazu unter a) und nicht funktionslos geworden (dazu unter b), sodass sich die Zulässigkeit der Nutzung nicht - wie von den Antragstellern geltend gemacht - nach § 34 BauGB bemisst. Im Einzelnen:

a)

Die Festsetzung eines Sondergebiets „Kur-, Heil- und Erholungszwecke (gemäß § 11 BauNVO) (Kurwohnzone)“ mit der einzig zulässigen Nutzung „Betriebswohnen“ in dem ursprünglichen Bebauungsplan Nr. 28, unverändert übernommen in der 1. Änderung dieses Bebauungsplans, ist zulässig.

(Auch) gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses geltenden Fassung aus dem Jahr 1977 - insofern übereinstimmend mit § 11 Abs. 1 BauNVO 2017 - waren solche Gebiete als sonstige Sondergebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO 1977 auch im Zusammenwirken mit den Gestaltungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO 1977 wesentlich unterschieden.

Diese Voraussetzung war zum Zeitpunkt des damaligen Satzungsbeschlusses erfüllt. Insbesondere hätte die Antragsgegnerin ihr Planungsziel nicht auch dadurch erreichen können, dass sie für das Gebiet ein reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO 1977 festgesetzt hätte. Danach wären allgemein Wohngebäude zulässig gewesen. Es kann dahinstehen, ob das Nutzungsspektrum eines solchen Wohngebiets unter Anwendung des § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO 1977 auf Betriebswohnen zugunsten von in der Kurverwaltung beschäftigten bzw. bei inselansässigen Betrieben angestellten Arbeitnehmern hätte reduziert werden können. Jedenfalls wäre eine solche Beschränkung nicht mehr mit der Zweckbestimmung eines reinen Wohngebiets vereinbar. Dieses ist darauf angelegt, Wohnnutzungen aller Art aufzunehmen. Die Beschränkung auf einzelne Arten von Nutzungen ist dagegen ein Anwendungsfall von § 11 BauNVO (vgl. hierzu Senatsurt. v. 8.9.2021 - 1 KN 150/19 -, BauR 2022, 432 = ZfBR 2022, 267 = juris Rn. 76; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand d. Bearb.: August 2021, § 11 Rn. 19, 37).

Die Festsetzung ist auch hinreichend bestimmt. Der begünstigte Personenkreis ist zumindest unter Heranziehung der Begründung erkennbar und abgrenzbar. Nach der Planbegründung soll die Festsetzung „der Schaffung von Personalunterkünften dienen, hier insbesondere dem Staatsbad Norderney - Kurverwaltung -.“ Daraus ergibt sich unmittelbar, dass die zu errichtenden Wohnungen ausschließlich solchen Personen vorbehalten sein sollen, deren Wohnungsbedarf aus ihrer Tätigkeit als Beschäftigte auf der Insel Norderney resultiert. Eine konkrete Zuordnung zu einem bestimmten Betrieb war auf der Ebene des Bebauungsplans nicht erforderlich.

Die städtebauliche Rechtfertigung ergab sich aus der zum Zeitpunkt des hier maßgeblichen Beschlusses des Rates der Antragsgegnerin über die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 am 7. Dezember 1988 geltenden Fassung des § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, 2 und 8 BauGB. Danach waren bei der Aufstellung von Bauleitplänen insbesondere zu berücksichtigen die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung (Nr. 1), die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung bei Vermeidung einseitiger Bevölkerungsstrukturen (Nr. 2), die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, […] und die Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen (Nr. 8). Hierzu hatte die Antragsgegnerin seinerzeit in der Planbegründung wie eingangs ausgeführt auf die Monostruktur der Insel und die damit verbundene Tendenz zur überwiegenden Bereitstellung von Beherbergungskapazitäten lediglich für Gäste verwiesen. Für im Dienstleistungsbereich Beschäftigte bestehe ein Fehlbedarf an Wohnunterkünften. Solche Beschäftigte standen somit bereits damals - wie heute - dem Problem gegenüber, dass bezahlbarer Wohnraum in der Nähe ihrer Beschäftigungsorte kaum noch zur Verfügung stand, weil bereits seinerzeit durch die lukrativere Vermietung von Ferienwohnungen ein großer Flächendruck herrschte. Auf der anderen Seite waren sowohl die Kurverwaltung als auch andere Betriebe auf der Insel Norderney auf ihre Beschäftigten angewiesen, auch und gerade um die Kur- und Feriengäste zu versorgen.

b)

Der Bebauungsplan Nr. 28 in seiner ursprünglichen Fassung und in der Fassung der 1. Änderung ist auch nicht funktionslos geworden.

Die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans setzt voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sich die bauplanerische Festsetzung bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern. Das Normenkontrollgericht ist nur dann zur Prüfung der Funktionslosigkeit des gesamten Bebauungsplans oder einzelner seiner Festsetzungen genötigt, wenn der Antragsteller hierzu substantiiert vorträgt oder wenn gewichtige Anhaltspunkte hierfür vorliegen (BVerwG, Urt. v. 3.12.1998 - 4 CN 3.97 -, BVerwGE 108, 71 = BauR 1999, 601 = juris Rn. 22 m.w.N.).

Dies vorangestellt ist der Bebauungsplan Nr. 28 in seiner ursprünglichen Fassung als auch in der Fassung, die er durch die 1. Änderung erhalten hat, nicht funktionslos. Die Antragsteller selbst behaupten gar nicht, dass sämtliche Wohnungen in dem Wohnkomplex planwidrig und zumindest formell illegal als Ferien- oder Zweitwohnung genutzt werden, sondern räumen sogar ein, dass einige Wohnungen an inselansässige Betriebe veräußert worden sind, die diese an ihre Mitarbeiter vermieten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Bebauungsplan bei unverändertem Bestand der baulichen Substanz lediglich eine bestimmte Nutzung derselben vorschreibt. Eine rechtmäßige Nutzung könnte also ohne jegliche Kosten für Umbauten, etc. umgesetzt werden. Sie kann auch im Wege der bauaufsichtlichen Anordnung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NBauO erzwungen werden. Im Rahmen des dabei auszuübenden Ermessens kommt dem Vertrauen der Wohnungseigentümer auf ein Fortbestehen der derzeit ausgeübten formell und materiell baurechtswidrigen Nutzung kein rechtlicher Schutz zu. Ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Urkunden war den Eigentümern bekannt oder hätte ihnen zumindest bekannt sein müssen, dass eine Nutzung als Ferien- oder Zweitwohnung zu keinem Zeitpunkt genehmigt war. Soweit im Rahmen des Weiterverkaufs einzelner Wohnungen eine entsprechende Information der Käufer durch die Verkäufer unterblieben sein sollte, mag das zur Prüfung zivilrechtlicher Ansprüche Anlass geben. Die öffentlich-rechtliche Beschränkung auf betriebliches Wohnen und die Berechtigung der Bauaufsichtsbehörde, diese Beschränkung durchzusetzen, bliebe in jedem Fall unberührt. Auch aus der Erhebung und Zahlung der Zweitwohnungssteuer können die Antragsteller keine Funktionslosigkeit durch Duldung einer planwidrigen Nutzung herleiten. Die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer trägt allein den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung. Die rechtswidrige Nutzung als Zweitwohnung soll nicht auch noch dadurch “belohnt“ werden, dass die Nutzer von Abgaben verschont bleiben, die sie bei Rechtmäßigkeit ihrer Nutzung würden tragen müssen. Andererseits kann daraus keine aktive Duldung hergeleitet werden. Hinzu kommt, dass für eine Untersagung der baurechtswidrigen Nutzung gemäß § 79 NBauO nicht die steuererhebende Antragsgegnerin, sondern der Landkreis B-Stadt zuständig wäre (vgl. OVG SH, Urt. v. 5.8.2021 - 1 KN 20/17 -, NordÖR 2021, 569 = juris Rn. 72).

2.

Die Festsetzung eines reinen Wohngebiets würde auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Grundsätzlich dürfen allerdings die durch die Festsetzungen eines Bebauungsplanes vorgenommenen Einschränkungen der baulichen Ausnutzbarkeit nicht in einer dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG widersprechenden Art und Weise getroffen werden (Senatsurt. v. 21.4.1998 - 1 K 4672/96 -, juris Rn. 13). Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, BauR 2003, 1338 = BRS 65 Nr. 6 = juris Rn. 13).

Hier liegen sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung vor. Der Gebäudekomplex, in dem sich auch die Wohnung der Antragsteller befindet, ist eine in sich geschlossene Einheit, in der seit ihrer Errichtung die Nutzung der Wohneinheiten als Ferienwohnung ausgeschlossen war. Insofern konnte kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entstehen, dass im Zuge einer künftigen Überplanung des Plangebiets die Nutzung mit Ferienwohnungen für zulässig erklärt werden würde.

3.

Bedenken bestehen jedoch gegen die textlichen Festsetzungen (TF) Nr. 4 und 5.

In TF Nr. 4 wird für den Einfahrtsbereich zu Tiefgarage, der in der Planzeichnung mit „I“ gekennzeichnet ist, eine maximale Gebäudehöhe von 60 cm vorgeschrieben. Gemäß Nr. 2.7 der Anlage zur PlanZV wird mit römischen Ziffern, wenn diese alleinstehen, das Höchstmaß der Zahl der Vollgeschosse festgesetzt. Gemäß § 20 Abs. 1 BauNVO gelten als Vollgeschosse Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden. Gemäß § 2 Abs. 7 Satz 1 NBauO ist ein Vollgeschoss ein oberirdisches Geschoss, das über mindestens der Hälfte seiner Grundfläche eine lichte Höhe von 2,20 m oder mehr hat. Es erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, die Festsetzung TF Nr. 4 als von dieser durch die Niedersächsische Bauordnung zwingend vorgegebenen Mindesthöhe abweichende Festsetzung zu verstehen. Für eine Definition eines eigenen Vollgeschossbegriffs fehlt es aber an einer Ermächtigungsgrundlage (vgl. Senatsurt. v. 8.7.1999 - 1 K 2869/97 -, BauR 2000, 71 = NVwZ-RR 2000, 271 = BRS 62 Nr. 15 = juris Rn. 6). Ob die Vorschrift einer Auslegung zugänglich ist, die die vorstehenden Bedenken vermeidet, lässt der Senat offen.

Die textliche Festsetzung Nr. 5 begegnet ebenfalls Bedenken. Das Ziel, Abgrabungen, Vertiefungen oder Aufschüttungen zu untersagen, kann die Antragsgegnerin nicht mit bauplanerischen Festsetzungen gemäß § 9 BauGB in Verbindung mit den Vorschriften der BauNVO erreichen. Für ein entsprechendes Verbot ergibt sich aus diesen Vorschriften keine Ermächtigungsgrundlage. Regelungen über derartige Maßnahmen unterfallen vielmehr dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht als Gefahrenabwehrrecht.

4.

Auf die weiteren Einwände der Antragsteller, etwa die ohnehin erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB erhobene Rüge der fehlenden Entwicklung der 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 aus dem Flächennutzungsplan, kommt es nicht mehr an. Nur vorsorglich ergänzt der Senat bezüglich des letztgenannten Punktes, dass die Ausweisung eines lediglich rund 2.000 m² großen Gebiets zu Wohnzwecken nicht die Bedeutung des Flächennutzungsplans, dessen Geltungsbereich sich auf den gesamten Westteil der Insel erstreckt, als kommunales Steuerungsinstrument der städtebaulichen Entwicklung „im Großen und Ganzen“ in Frage stellt und daher nicht die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigen würde (vgl. Senatsbeschl. v. 6.4.2020 - 1 MN 125/19 -, BauR 2020, 1139 = juris Rn. 14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 analog, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat legt für die hier geltend gemachte Beeinträchtigung der Nutzung der Antragsteller einen Wert von 7.500 € pro Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 100 % für die gewerbliche Nutzung zugrunde (vgl. Nr. 1 Buchst. e, Nr. 3 Buchst. a der Streitwertannahmen des Senats für vor dem 31. Mai 2021 eingegangene Verfahren, NdsVBl. 2002, 192).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).