Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.03.2023, Az.: 1 KN 26/18

Baugebiet; Bebauungsplan; Eingriff in Natur und Landschaft; Gewerbegebiet; Hochwasserschutz; Lagerplatz; Landschaftsbild; Landschaftsbild:Beeinträchtigung; Landschaftsschutzgebiet; Rechtsverordnung; Überschwemmungsgebiet; festgesetztes Überschwemmungsgebiet; vorläufig gesichertes Überschwemmungsgebiet; Bebauungsplan zur Erweiterung eines Gewerbebetriebs innerhalb eines Überschwemmungsgebiets; Belange des Landschaftsbildes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.03.2023
Aktenzeichen
1 KN 26/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 23413
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0302.1KN26.18.00

Fundstellen

  • BauR 2023, 1618-1623
  • DÖV 2023, 825
  • NordÖR 2023, 552
  • NuR 2023, 789-792
  • ZfBR 2023, 578-581
  • ZfW 2023, 219-225

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in festgesetzten Überschwemmungsgebieten (§ 78 Abs. 1 Satz 1 WHG) gilt bis zur Änderung der entsprechenden Rechtsverordnung grundsätzlich auch dann fort, wenn neuere Daten zeigen, dass das tatsächliche Überschwemmungsgebiet hinter der Festsetzung zurückbleibt und dieses bereits Gegenstand einer vorläufigen Festsetzung ist.

  2. 2.

    Die an ein Landschaftsschutzgebiet angrenzende Festsetzung eines eingeschränkten Gewerbegebietes mit der Zweckbestimmung Lagerplatz kann abwägungsfehlerhaft sein, wenn der Plan keine wirksamen Vorkehrungen trifft, um eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch ein Hineinwirken in das Landschaftsschutzgebiet zu verringern (hier fehlende Eingrünung).

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 14. Dezember 2017 beschlossene Bebauungsplan Nr. 216 "Calenberger Mühle" wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 216 "Calenberger Mühle" der Antragsgegnerin, der eine Betriebserweiterung der Beigeladenen ermöglicht.

Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin der im Ortsteil Schulenburg der Antragsgegnerin gelegenen Domäne Calenberg, einer denkmalgeschützten ehemaligen Hofstelle aus dem 17. Jahrhundert. Die Hofstelle wird heute zu Wohnzwecken und zur Pferdehaltung genutzt. Ein Bebauungsplan für das am Nordufer der Leine in Ortsrandlage erhöht gelegene Hofgrundstück besteht nicht.

Der Antragsteller zu 2. ist ein gemäß § 3 UmwRG anerkannter Verein, dessen Aufgabenbereich sich insbesondere auf den Schutz und die Pflege der Natur sowie der Eigenart des Landschaftsbildes erstreckt.

Der im Außenbereich gelegene Betrieb der Beigeladenen mit rund 70 Beschäftigten liegt südöstlich der Domäne Calenberg auf einer von der Leine und der Mühlen-Leine (Mühlengraben) umflossenen Insel, einem historischen Mühlenstandort. Seine Haupttätigkeit besteht in der Produktion und Verarbeitung organischer Faserstoffe für die verschiedensten Industriezweige. Am Standort Schulenburg werden pflanzliche Fasern für den Straßenbau hergestellt. Weitere Betriebsstandorte bestehen im näheren Umland.

Der Betrieb, dessen bestandskräftige Genehmigungen bislang auf der Grundlage von § 35 Abs. 2 BauGB erteilt wurden, liegt im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans Nr. 216 "Calenberger Mühle" der Antragsgegnerin, rechtsverbindlich seit dem 15. Februar 2018. Planungsziel ist es ausweislich der Planbegründung, den Erweiterungsbedarf der Beigeladenen an dem seit vielen Jahrzehnten bestehenden Betriebsstandort zu decken, aber ausdrücklich kein Gewerbegebiet für alle Arten von Betrieben zu schaffen, für die an anderer Stelle im Stadtgebiet uneingeschränkte Gewerbegebiete zur Verfügung stehen. Der Plan setzt die bestehenden und für die geplante Erweiterung vorgesehenen Betriebsflächen im Wege einer auf das ganze Stadtgebiet bezogenen externen Gliederung als eingeschränkte Gewerbegebiete für Betriebe, die Pflanzenfasern verarbeiten, Gewerbegebiete mit der Zweckbestimmung Lagerplatz mit einer maximalen Lagerhöhe von 3 m sowie private Verkehrsflächen mit der Zweckbestimmung Lkw-Stellplätze fest. Die Erweiterungsflächen liegen im Nordosten entlang der bestehenden Betriebszufahrt (Stellplätze für Lastkraftwagen, 4.835 qm) sowie im Süden des Betriebs auf der Westseite der Mühlen-Leine (Lagerplatz, 3.500 qm). Die Entfernung der nächstgelegenen Gebäude der Domäne Calenberg zu den Stellplätzen beträgt weniger als 100 m, zu dem Lagerplatz mehr als 300 m.

Dem Ausgleich der mit der Erweiterung verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft dient eine weitere unmittelbar östlich der Mühlen-Leine gelegene Pferdeweide mit einer Größe von rund 19.100 qm, die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zu einem Auwald entwickelt werden soll. Die Planbegründung geht davon aus, dass mit der Ausnutzung der planerischen Festsetzungen ein Kompensationsbedarf von 12.503 Wertpunkten (8.335 qm x 1,5 Wertstufen-Verlust) entsteht, was bei Realisierung der Ausgleichsmaßnahme zu einem für künftige Eingriffe berücksichtigungsfähigen Überschuss von 16.148 Wertpunkten (19.100 qm x 1,5 Wertstufen-Aufwertung - 12.503) führe (Zahlen mit Rundungsdifferenzen).

Die Betriebs- und Ausgleichsflächen befanden sich zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bzw. der Bekanntmachung zu erheblichen Teilen im durch Verordnung der Bezirksregierung Hannover vom 10. Oktober 2001 festgesetzten bzw. durch die Region Hannover unter dem 26. Juli 2017 (Nds. MBl. S. 966) vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet der Leine. Die für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 2 WHG a.F. zuständige Region Hannover ging in ihrer Stellungnahme vom 29. Mai 2015 im Rahmen der ersten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange davon aus, dass eine Ausnahmegenehmigung erforderlich sei. Das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG a.F. beziehe sich zwar nicht auf den bereits bebauten bisherigen Betriebsbereich, da es sich lediglich um eine Übernahme bestehender Nutzungen handele. Auch die Festsetzung der Lkw-Stellplätze schaffe kein neues Baugebiet im Sinne der Vorschrift. Allerdings liege der Lagerplatz im Süden im Überschwemmungsgebiet, sodass die Begründung des Bebauungsplans darstellen müsse, dass den Anforderungen des § 78 Abs. 2 WHG a.F. entsprochen werde; das fehle. In ihrer weiteren Stellungnahme vom 12. Juli 2016 im Rahmen der zweiten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und nach entsprechender Ergänzung der Planbegründung teilte die Region Hannover mit, der Lagerplatz liege zwar im festgesetzten, nicht aber im aufgrund neuerer Erkenntnisse in diesem Bereich hinter der Festsetzung zurückbleibenden vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet; der Planung könne daher zugestimmt werden. Eine Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG a.F. enthielt die Stellungnahme nicht. Die Antragsgegnerin hat aus dieser Stellungnahme ausweislich der Planbegründung (S. 26) den Schluss gezogen, eine Ausnahmegenehmigung sei nicht erforderlich.

Umgeben ist das planerisch festgesetzte Betriebsgelände vom Landschaftsschutzgebiet "Calenberger Leinetal" (LSG H 70; VO v. 13.5.1997). Nach Entlassung der Erweiterungsflächen aus dem Landschaftsschutzgebiet durch Verordnung der Region Hannover vom 29. September 2017 liegt von dem Plangebiet nur noch die Ausgleichsfläche innerhalb desselben. Ein gegen die Entlassung gerichteter Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1. wurde als unzulässig verworfen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 4.12.2017 - 4 KN 406/17 -; BVerwG, Beschl. v. 4.3.2019 - 4 BN 15.19 -).

Bereits im Planaufstellungsverfahren mit zwei unbeschränkten und einer beschränkten Auslegung erhoben die Antragsteller eine Vielzahl von überwiegend sachverständig untermauerten Einwendungen, die sich insbesondere auf eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sowie des Denkmalschutzes, natur- und artenschutzrechtliche Fragen, Belange des Immissionsschutzes sowie des Hochwasserschutzes bezogen. Diese Einwendungen wies der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 14. Dezember 2017 zurück und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Mit der Bekanntmachung im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover vom 15. Februar 2018 wurde der Bebauungsplan rechtsverbindlich.

Mit ihrem am 15. Februar 2018 erhobenen Normenkontrollantrag vertiefen und erweitern die Antragsteller ihre bereits im Planaufstellungsverfahren erhobenen Einwände. Der Plan sei unter anderem deshalb fehlerhaft, weil die Betriebsflächen zum Teil im Landschaftsschutzgebiet lägen; deren Entlassung sei unwirksam. Der Betrieb der Beigeladenen und die vorgesehenen Erweiterungen beeinträchtigten das Landschaftsbild des Calenberger Leinetals und störten insbesondere die Wirkungen des Denkmalensembles im Bereich der Leineinsel sowie die Blickbeziehungen zwischen den Baudenkmälern Calenberger Feste, Leinebrücke und Domäne Calenberg. Auch in naturschutzrechtlicher Hinsicht sei der Plan fehlerhaft. Die Belange des Artenschutzes seien unzureichend ermittelt worden; die Biotoptypenerfassung sei ebenso unzureichend wie der Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft. Defizitär sei die Planung auch mit Blick auf den Hochwasserschutz. Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG (a.F.) lägen nicht vor; die Ermittlung der Auswirkungen des Vorhabens sei fehlerhaft bzw. nicht nachzuvollziehen. In immissionsschutzrechtlicher Hinsicht gehe die Planung von falschen Voraussetzungen aus und beruhe auf unzureichenden Ermittlungen. Die Planung sei zudem weder erforderlich noch mit zentralen Planungsdirektiven wie dem Gebot des Vorrangs der Innenentwicklung und dem Klimaschutzgebot vereinbar.

Die Antragsteller beantragen,

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 216 "Calenberger Mühle", rechtsverbindlich seit dem 15. Februar 2018, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Sie treten den Ausführungen der Antragsteller entgegen.

Auf der Grundlage des Bebauungsplans hat die Region Hannover unter dem 9. April 2018 einen auf die Vereinbarkeit der Vorhaben mit städtebaulichem Planungsrecht beschränkten Bauvorbescheid zur Errichtung der Lkw-Stellplätze und des Lagerplatzes erteilt. In dem Bescheid hat sie darauf hingewiesen, dass die Einhaltung der Vorgaben des Immissionsschutzrechts und des Hochwasserschutzes sowie die im Bebauungsplan festgesetzten naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen in der Baugenehmigung nachzuweisen bzw. zu regeln seien. Gegen den Bauvorbescheid ist ein Widerspruch (nur) der Antragstellerin zu 1. anhängig; ein gerichtlicher Eilantrag gegen dessen sofortige Vollziehbarkeit blieb erfolglos (VG Hannover, Beschl. v. 17.1.2019 - 4 B 4342/18 -; Senatsbeschl. v. 4.3.2019 - 1 ME 19/19 -).

Unter dem 2. April 2019, jeweils geändert durch Bescheide vom 30. April 2019, 11. Februar 2021 und 9. September 2021 hat die Beigeladene Baugenehmigungen zur Errichtung des Lagerplatzes und des Lkw-Stellplatzes erhalten. Die Bescheide enthielten zugleich die - mittlerweile bestandskräftigen - wasserrechtlichen Genehmigungen zur Errichtung der Anlagen im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet. Die Baugenehmigungen hat das Verwaltungsgericht Hannover mit rechtskräftigem Urteil vom 2. März 2022 (- 4 A 2385/21 -; nachfolgend Senatsbeschl. v. 12.10.2022 - 1 LA 75/22 -) auf die Klage des Antragstellers zu 2. aufgehoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Normenkontrollanträge beider Antragsteller sind zulässig und begründet.

I.

Die Normenkontrollanträge sind zulässig.

1.

Beide Antragsteller sind antragsbefugt.

Für die Antragstellerin zu 1. folgt die Antragsbefugnis aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil sie geltend macht, durch den Bebauungsplan bzw. dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Als Eigentümerin von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans kann ihre Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Auf derartige Belange kann sich die Antragstellerin zu 1. jedenfalls mit Blick darauf berufen, dass der Bebauungsplan - über den konkreten Planungsanlass hinaus - Erweiterungen und Veränderungen des Betriebs der Beigeladenen zulässt und daher ihre Immissionssituation in den Blick zu nehmen war.

Der Antragsteller zu 2. kann als anerkannte Umweltvereinigung i.S.v. § 3 UmwRG, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen (§ 2 Abs. 1 UmwRG). Denn er macht geltend, dass der Bebauungsplan - als Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG, § 2 Abs. 7 mit Anlage 5 UVPG - Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht und er in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berührt ist. Zudem war er im Planaufstellungsverfahren zur Beteiligung berechtigt und hat sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert. Schließlich macht er die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend.

2.

Das Rechtsschutzbedürfnis beider Antragsteller besteht fort; es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass ein Erfolg in diesem Verfahren ihre rechtliche Position verbessert.

Für die Antragstellerin zu 1. gilt dies ungeachtet der Tatsache, dass das Verwaltungsgericht ihre Klage gegen die Baugenehmigungen für die geplanten Betriebserweiterungen rechtskräftig abgewiesen hat. Denn die Baugenehmigungen sind auf die Klage des Antragstellers zu 2. aufgehoben worden und daher nicht mehr existent. Der Bauvorbescheid, der den Erweiterungen die planungsrechtliche Zulässigkeit bescheinigt, ist der Antragstellerin zu 1. gegenüber noch nicht bestandskräftig. Es ist zwar anzunehmen, dass ihr Rechtsmittel mangels einer Verletzung subjektiver Rechte aus den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 2. März 2022 (- 4 A 2385/21 -) erfolglos bleiben wird (vgl. Senatsbeschl. v. 29.12.2020 - 1 ME 68/20 -, ZfBR 2021, 279 = juris Rn. 14 ff.), sodass sie die Betriebserweiterungen im Ergebnis möglicherweise nicht mehr verhindern kann. Das Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin zu 1. besteht jedoch ungeachtet dessen fort, weil der Bebauungsplan auch im Bereich des bestehenden Betriebsgeländes erhebliche Erweiterungs- und Veränderungsmöglichkeiten schafft, die auf der Grundlage von § 35 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB voraussichtlich nicht bestehen würden (vgl. insbes. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB).

Dem Antragsteller zu 2. gegenüber ist der Bauvorbescheid vom 9. April 2018 bestandskräftig geworden, sodass er nicht mehr in der Lage ist, die planungsrechtliche Zulässigkeit der Betriebserweiterungen als solche in Frage zu stellen. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht aber auch insofern fort, weil der Bebauungsplan Erweiterungen und Veränderungen über die vom Bauvorbescheid abgedeckten Vorhaben hinaus ermöglicht.

II.

Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der Bebauungsplan leidet unter Rechtsfehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen.

1.

Dem Plan steht das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG in der bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans und noch heute unverändert geltenden Fassung vom 30. Juni 2017, in Kraft seit dem 5. Januar 2018 (BGBl. I v. 5.7.2017, S. 2193), entgegen. Danach ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten sowie gemäß § 78 Abs. 8 WHG auch in vorläufig gesicherten Gebieten die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich in Bauleitplänen oder in sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch untersagt. Mit dieser Vorschrift, deren im Vergleich zur Vorgängerfassung veränderten Wortlaut der Gesetzgeber der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 3.6.2014 - 4 CN 6.12 -, BVerwGE 149, 373 = BRS 82 Nr. 25 = juris Rn. 11 ff.) angepasst hat, ist ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/10879, S. 27) Folgendes bezweckt:

"In Absatz 3 finden sich nunmehr die Regelungen zum Bauen bzw. Überplanen im Innenbereich. Der bisherige Absatz 1 Nummer 1 enthielt ein Planungsverbot nur in "neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch". Was unter neuen Baugebieten zu verstehen ist, hat das BVerwG in einem Grundsatzurteil vom 2.6.2014 (BVerwGE Urteil vom 03.06.2014 - 4 CN 6.12 (Rn. 12 -15)) entschieden. Die bisherige Vorschrift erfasst nur solche Flächen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten, die erstmals einer Bebauung zugeführt werden sollen. Bloße Umplanungen, etwa die Änderung der Gebietsart eines bereits bestehenden Baugebiets, fallen nicht hierunter. Das BVerwG machte über den entschiedenen Fall hinaus auch deutlich, dass die Überplanung faktischer Baugebiete, d. h. die Überplanung bebauter Innenbereichslagen, für die kein qualifizierter Bebauungsplan existiert, nicht vom Planungsverbot erfasst ist."

Mit diesen Ausführungen, die im Wortlaut des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG ihre Entsprechung finden, wird deutlich, dass das Planungsverbot auf die Festsetzung von Baugebieten im Außenbereich beschränkt ist, während die Überplanung von Gebieten, die nach § 30 oder § 34 BauGB zu beurteilen sind, lediglich an den Abwägungsdirektiven des § 78 Abs. 3 WHG zu messen ist. Danach fällt der angegriffene Bebauungsplan in den Anwendungsbereich der Vorschrift, soweit er Gewerbegebiete gemäß § 8 BauNVO, also Baugebiete, in Bereichen festsetzt, die bislang dem Außenbereich zugehörig und als Überschwemmungsgebiet festgesetzt bzw. vorläufig gesichert sind.

Jedenfalls der wesentliche Teil der südlichen Erweiterungsfläche, die als Gewerbegebiet mit der Zweckbestimmung Lagerplatz festgesetzt ist, zählt zum Außenbereich. Ob auch die Flächen des Bestandsbetriebs vor Planaufstellung - wie die Region Hannover als zuständige Bauaufsichtsbehörde stets angenommen hat - im Außenbereich lagen, ist überwiegend wahrscheinlich, kann angesichts dessen aber dahinstehen.

Wesentliche Teile des Lagerplatzes liegen zudem im durch Verordnung der Bezirksregierung Hannover vom 10. Oktober 2001 festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Leine, sodass das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG eingreift. Soweit Antragsgegnerin und Beigeladene dem entgegenhalten, die Festsetzung aus dem Jahr 2001 sei nicht maßgeblich; heranzuziehen sei vielmehr die vorläufige Sicherung durch die Region Hannover vom 26. Juli 2017, die den Lagerplatz aus dem Überschwemmungsgebot ausnimmt, folgt der Senat dem nicht. Dabei geht der Senat mit Antragsgegnerin und Beigeladener von der Richtigkeit und Aktualität der der vorläufigen Sicherung zugrundeliegenden tatsächlichen Annahmen aus. Auf den Fortbestand des Planungsverbots des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG hat das indes keinen Einfluss. § 106 Abs. 3 WHG ordnet die Fortgeltung bestehender Festsetzungen ausdrücklich an und enthält auch keinen Vorbehalt dahingehend, dass alte Festsetzungen einer Überprüfung anhand neuerer Erkenntnisse standhalten müssen. § 76 Abs. 2 Satz 2 WHG ordnet lediglich allgemein an, dass Festsetzungen an neue Erkenntnisse anzupassen sind, sodass auch in tatsächlicher Hinsicht anpassungsbedürftige Festsetzungen bis zum Tätigwerden des Normgebers weiter gelten.

Es gilt daher der allgemeine Grundsatz, dass Existenz und Fortgeltung einer rechtmäßig erlassenen Rechtsverordnung von einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse unberührt bleiben, sofern nicht ausnahmsweise ein Fall offensichtlicher Gegenstandslosigkeit oder Funktionslosigkeit vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1979 - 8 C 2.79 -, BVerwGE 59, 195 = juris Rn. 15 ff.). Letzteres setzt voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse die Verwirklichung der Verordnung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (vgl. zu bauplanerischen Festsetzungen Senatsurt. v. 13.5.2022 - 1 KN 85/20 -, ZfBR 2022, 576 = juris Rn. 50; v. 1.12.2022 - 1 KN 79/20 -, juris Rn. 27 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Die Verordnung der Bezirksregierung Hannover vom 10. Oktober 2001 erfüllt ihre Zielsetzung des Hochwasserschutzes weiterhin in umfassender Weise; sie geht lediglich partiell über das erforderliche Maß hinaus. Das führt aber schon deshalb nicht zu ihrer Gegenstandslosigkeit oder Funktionslosigkeit, weil die tatsächlichen Veränderungen nicht offenkundig, sondern nur für den Fachmann unter Zuhilfenahme von Messtechnik erkennbar sind. Das gilt unabhängig davon, ob geringfügige Veränderungen der Höhenlage des Leineufers oder der technische Fortschritt bei der Vermessung die Ursache für die Verschiebung der Grenzen des Überschwemmungsgebietes ist.

Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ohne weitere örtliche oder sachliche Konkretisierung pauschal behauptet hat, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit dem Jahr 2001 "wesentlich und offensichtlich" geändert, gestattet das keine andere Betrachtung. Das gilt auch dann, wenn man die Behauptung zugunsten der Antragsgegnerin dahingehend versteht, dass in der Örtlichkeit tatsächliche Veränderungen der Höhenlage auch für den Laien auf den ersten Blick sichtbar sind. Denn weder bringt sie tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptung vor noch hat der Senat den umfangreichen Unterlagen zu wasserrechtlichen und -technischen Fragestellungen den geringsten Anhalt für gravierende Veränderungen in der Örtlichkeit entnehmen können. Wäre die Behauptung, es habe derartige offensichtliche Veränderungen gegeben, zutreffend, hätte es der ortskundigen Antragsgegnerin zudem ohne weiteres möglich sein müssen, diese konkret zu bezeichnen.

Ist demzufolge der Tatbestand des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG erfüllt, kommt die Ausweisung eines neuen Baugebietes gemäß § 78 Abs. 2 WHG nur unter kumulativer Erfüllung der in der Vorschrift genannten Voraussetzungen und bei Vorliegen einer entsprechenden Zulassung durch die zuständige Behörde in Betracht; andernfalls besteht ein striktes Planungsverbot. Eine solche Zulassung, die in Form eines Verwaltungsaktes erfolgt und gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 WHG insbesondere die Auswirkungen auf die Nachbarschaft berücksichtigen muss, fehlt. Insbesondere kann die Stellungnahme der Region Hannover vom 12. Juli 2016 im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nicht als Zulassung angesehen werden. In der Stellungnahme, die sich nicht bloß zu wasserrechtlichen Fragen, sondern auch zu weiteren Fragen der Bauleitplanung verhält, heißt es zwar im Fließtext, der Planung könne (mit Blick auf den Lagerplatz) zugestimmt werden. Mit einer Regelungswirkung i.S.v. § 35 Satz 1 VwVfG, § 78 Abs. 2 Satz 1 WHG war diese Aussage nach ihrem Kontext indes nicht verbunden. Denn die weiteren Ausführungen dazu, dass es sich bei der Überplanung des bestehenden Betriebsgeländes nicht um die Ausweisung eines neuen Baugebietes handele, der Lagerplatz lediglich im festgesetzten, nicht aber im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet liege und die Verordnung dementsprechend anzupassen sei, machen deutlich, dass nach Auffassung der Region Hannover die Zulassung einer Ausnahme nicht erforderlich war. In diesem Sinne hat auch die Antragsgegnerin die Stellungnahme verstanden und lediglich hilfsweise geprüft, ob aus ihrer Sicht die Anforderungen einer Ausnahme vorlagen. Hinzu kommt, dass es in der Stellungnahme - nachdem die Region Hannover in ihrer vorangegangenen Stellungnahme vom 29. Mai 2015 noch ausdrücklich auf entsprechende Ausführungen in der Planbegründung gedrungen hatte - an jeglicher Auseinandersetzung mit den Anforderungen des § 78 Abs. 2 WHG fehlt. Auch das macht deutlich, dass die Stellungnahme nicht als Zulassungsentscheidung anzusehen ist.

Nur ergänzend und mit Blick auf ein mögliches ergänzendes Verfahren merkt der Senat an, dass die Planung nach gegenwärtigem Stand auch nicht zulassungsfähig wäre. Denn sie verstößt gegen § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG. Danach dürfen neue Baugebiete innerhalb der festgesetzten Überschwemmungsgebiete nur dann ausgewiesen werden, wenn keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können. Diese Ausnahmemöglichkeit von dem strikten Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten soll verhindern, dass einzelne Kommunen aufgrund ihrer ungünstigen räumlichen Lage von jeder Entwicklungsmöglichkeit abgeschnitten werden. Ihnen soll ausnahmsweise und unter weiteren strengen Voraussetzungen eine Überplanung von Überschwemmungsgebieten gestattet werden, wenn eine weitere Siedlungsentwicklung andernfalls nicht möglich wäre (vgl. dazu die Empfehlungen der Ausschüsse zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 4.5.2004, BR-Drs. 268/1/04, S. 6). In Betracht kommt das in seltenen Ausnahmefällen, in denen beispielsweise (nahezu) das gesamte Gemeindegebiet innerhalb eines festgesetzten Überschwemmungsgebietes liegt oder aber etwa aus topografischen Gründen eine Gemeindeentwicklung nur dort in Betracht kommt; die Planung muss aus Sicht der Gemeinde objektiv alternativlos sein (vgl. Senatsbeschl. v. 20.3.2014 - 1 MN 7/14 -, BauR 2014, 949 = BRS 82 Nr. 17 = juris Rn. 51; Hünnekens, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 78 WHG Rn. 16 f., Stand der Bearbeitung: September 2019; Rossi, in: Siedler/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwG, § 78 WHG Rn. 26, Stand der Bearbeitung: Juni 2018). Eine Überplanung eines Überschwemmungsgebietes ist dagegen nicht schon dann zulässig, wenn ein ganz konkretes Vorhaben an anderer Stelle im Stadtgebiet nicht zulässiger- und zumutbarerweise ausgeführt werden kann. § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG lässt den Zugriff auf ein Überschwemmungsgebiet nicht schon dann zu, wenn sich für ein bestimmtes Vorhaben kein sinnvoller außerhalb gelegener Alternativstandort findet, sondern stellt ausdrücklich auf die Siedlungsentwicklung als solche ab. Der Begriff der Siedlungsentwicklung ist nicht mit dem Begriff der Projekt- bzw. Vorhabenentwicklung gleichzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.3.2014 - 1 MN 7/14 -, BauR 2014, 949 = BRS 82 Nr. 17 = juris Rn. 53; Hünnekens, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 78 WHG Rn. 17). Das gilt auch dann, wenn die Planung die Erweiterung eines ortsansässigen Bestandsbetriebes bezweckt. Die Entwicklung des Betriebs ist selbst dann, wenn sie nur im Überschwemmungsgebiet möglich und demzufolge alternativlos sein sollte, nicht als alternativlose gemeindliche Siedlungsentwicklung anzusehen.

Gemessen daran sind die Anforderungen des § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG nicht erfüllt. Dabei kann offenbleiben, ob die Entwicklung des Betriebs der Beigeladenen tatsächlich nur unter Inanspruchnahme von Flächen im Überschwemmungsgebiet möglich ist oder sich diese nicht lediglich als betriebswirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig darstellt. Denn die Antragsgegnerin verfügt außerhalb von Überschwemmungsgebieten über umfangreiche Flächenpotenziale, die sie zur Ansiedlung von Gewerbe nutzen kann.

2.

Der Plan leidet zudem unter einem nach den §§ 214, 215 BauGB beachtlichen Abwägungsfehler.

Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen Mängel im Abwägungsvorgang nur, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB). Hiernach beachtliche Mängel im Abwägungsvorgang werden nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind.

Gemessen daran hat die Antragsgegnerin die Belange des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB), und zwar mit Blick auf die mit der Planverwirklichung verbundene Beeinträchtigung des Landschaftsbildes fehlerhaft behandelt. Die das Plangebiet umgebenden Flächen liegen im Geltungsbereich der Verordnung zum Schutz des Landschaftsteiles "Calenberger Leinetal" (LSG-H 70) in der Stadt Pattensen, Landkreis Hannover (Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover, Sonderausgabe 2006 v. 28.2.2006, S. 45, i.F. LSG-VO). § 2 Abs. 1 LSG-VO beschreibt den Charakter des Landschaftsschutzgebietes wie folgt:

"Seinen besonderen Reiz erhält das Landschaftsbild des Schutzgebietes ,Calenberger Leinetal' durch den fließenden Übergang vom Tal in das angrenzende Hügelland. Nur an einigen Stellen ist der Talrand deutlich durch Terrassenkanten markiert.

Die vorhandenen Höhenunterschiede zwischen Talraum und den Randbereichen ermöglichen wechselseitig schöne Einblicke in die unterschiedlichen Landschaftsformen und haben für den Betrachter einen hohen Erlebniswert. Die den Charakter des Schutzgebietes prägenden Landschaftselemente wie der Flusslauf der Leine, der Rössingbach, die Teiche und die verbliebenen Gehölzstrukturen, sind Lebensräume für gebietstypische Tier- und Pflanzenarten und dienen damit dem Naturhaushalt.

Durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung sind viele wertvolle Kleinstrukturen verlorengegangen. Dadurch ist die für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes bedeutsame Vielfalt an Lebensräumen stark gefährdet. Die noch vorhandenen Landschaftselemente bedürfen deshalb dringend des Schutzes und der Pflege, um ihren Bestand langfristig zu sichern. Zum Erhalt und zur Verbesserung der ökologischen Funktionen ist eine Vermehrung naturnaher bzw. natürlicher Elemente und Strukturen anzustreben."

Zu den Schutzzwecken zählt daher gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 LSG-VO der Erhalt des vielfältigen Landschaftsbildes, zu dem die Fließ- und Stillgewässer und deren Gehölzsäume, Wälder, Restwaldstücke, Einzelbäume, Hecken und Feldgehölze, das Bodenrelief und die Restgrünlandflächen zählen. Die genannten Strukturmerkmale prägen als solche und in Wechselwirkung zueinander den Landschaftsraum und begründen seine besondere Schönheit und Schutzwürdigkeit.

Die vorliegende Planung, die dem Betrieb der Beigeladenen eine Betriebserweiterung ermöglicht, ist mit einer erheblichen Beeinträchtigung des geschützten Landschaftsbildes verbunden. Bereits der seit langem bestehende Bestandsbetrieb ist ausweislich der in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten in Augenschein genommenen Lichtbilder weithin sichtbar und wirkt als Fremdkörper in die Landschaft hinein. Diese Wirkung, die das Ergebnis einer historischen Entwicklung des ehemaligen Mühlenstandorts zu einem modernen Gewerbebetrieb darstellt, wird durch die mit der Planung ermöglichte Betriebserweiterung nochmals erheblich verstärkt. Nachteilig wirkt sich insoweit weniger die im Norden angeordnete Lkw-Abstellfläche aus, die etwas unterhalb des Niveaus der Straße Zum Calenberg (L 460) liegt, zur Straße hin über eine weitgehend wirksame Eingrünung verfügt und optisch unmittelbar an die bestehenden Betriebsgebäude angebunden ist. Mit einer gravierenden Belastung des Landschaftsbildes ist hingegen der Lagerplatz verbunden, der sich abgesetzt von bestehender Bebauung als rund 100 m langer Finger in die freie Landschaft erstreckt. Wird er - wie planerisch vorgesehen - zum Abstellen von rund 3 m hohen weißen Kunststoffsäcken ("big bags") genutzt, wirkt er weit in die flache Landschaft hinein und mindert deren Erlebniswert nachhaltig. Erschwerend kommt hinzu, dass der Lagerplatz in direkter Nachbarschaft zur gebietsprägenden Leine vorgesehen ist und zugleich den einzigen bislang unberührten Südteil der Leineinsel erstmals einer weithin sichtbaren gewerblichen Nutzung zuführt. Schon von der Straße Zum Calenberg aus fällt der Blick - jedenfalls in den Wintermonaten - auf den Lagerplatz, der seine Umgebung dominiert und ihr - mit Wirkung weit in das Landschaftsschutzgebiet hinein - eine gewerbliche Prägung verleiht.

Die mit dem Lagerplatz einhergehende schwerwiegende Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Schutzzwecke des Landschaftsschutzgebiets hat die Antragsgegnerin im Abwägungsvorgang und im Abwägungsergebnis fehlerhaft behandelt. Ausweislich des Umweltberichts (S. 25) hat sie zwar gesehen, dass der Landschaftsrahmenplan 2013 der Region Hannover der Leineaue und damit im Ausgangspunkt auch dem Plangebiet eine hohe Bedeutung für das Landschaftsbild beimisst. Der Landschaftsbildtyp "Gehölzreiche Wiesen- und Weidelandschaft der Flussauen" ist - darin ist den Antragstellern zuzustimmen - eine der hochwertigsten Landschaftsbildtypen der Region Hannover überhaupt. Dieser allgemeinen Einschätzung setzt die Antragsgegnerin im Rahmen einer konkreten Betrachtung des Standortes lediglich entgegen, dass auf der Leineinsel seit mehr als 100 Jahren ein Mühlenbetrieb ansässig ist und die vorhandenen Betriebsgebäude mit einer Höhe bis 33 m das Landschaftsbild von Schulenburg seit langem prägen. In der Abwägung der Einwendungen der Antragsteller legt die Antragsgegnerin ergänzend dar, dass die Erweiterungsflächen insbesondere zur Straße durch Gehölze abgeschirmt und deshalb allenfalls im Herbst und Winter zu sehen seien; zudem sei die Lagerhöhe auf 3 m begrenzt. In der Zusammenschau mit der Vorbelastung rechtfertige dies den Eingriff.

Diese Abwägung ist nicht tragfähig. Sie beruht auf fehlerhaften tatsächlichen Annahmen insoweit, als sie von einer Abschirmung der Erweiterungsflächen durch Gehölze ausgeht. Eine solche Abschirmung fehlt hinsichtlich des Lagerplatzes und ist planerisch auch nicht vorgesehen. Die Antragsgegnerin übersieht zudem, dass mit dem Lagerplatz - auch wenn die Verbote nach § 26 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 3 LSG-VO nach wirksamer Entlassung des Plangebiets aus dem Landschaftsschutzgebiet nicht unmittelbar greifen - aufgrund der fehlenden Abschirmung, der Lagerhöhe und der grellweißen Farbe des Lagerguts eine gravierende Beeinträchtigung des umgebenden Landschaftsschutzgebiets verbunden ist. Beides hätte im Abwägungsvorgang Berücksichtigung finden müssen. Der binnen Jahresfrist von den Antragstellern gerügte und den Planaufstellungsvorgängen unmittelbar zu entnehmende Fehler ist auch beachtlich, denn er ist offensichtlich; ein Einfluss auf das Abwägungsergebnis ist möglich (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).

Auch in der Sache ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, einen Lagerplatz ohne jede Eingrünung oder Abschirmung in besonders sensibler Lage zu ermöglichen, nicht das Ergebnis einer gerechten Abwägung. Angesichts der Tatsache, dass eine wirksame Eingrünung und damit erhebliche Minderung des Eingriffs bei nur geringer Verkleinerung der Lagerfläche durch Festsetzung einer privaten Grünfläche möglich gewesen wäre, ist kein tragfähiger Grund ersichtlich, auf eine solche Eingrünung zu verzichten. Vielmehr gehört die Eingrünung baulicher Anlagen gegenüber dem Außenbereich auch an weitaus weniger sensibler Stelle und bei weitaus weniger belastenden baulichen Anlagen zum planerischen Standard. Nach Lage der Dinge war die Antragsgegnerin daher verpflichtet, eine solche Eingrünung auch an dieser Stelle zu fordern.

Nur ergänzend merkt der Senat an, dass die Abwägung hinsichtlich des Landschaftsbildes hinsichtlich möglicher Erweiterungen des Bestandsbetriebs und des Lkw-Abstellplatzes frei von Fehlern ist. Angesichts der Höhe und Ausdehnung des Bestandsbetriebs fallen weder die planerisch ermöglichten Erweiterungen und Veränderungen noch die Arrondierung durch den Lkw-Abstellplatz in einer Weise ins Gewicht, die die Erwägungen als fehlerhaft erscheinen lassen könnten. Anders als hinsichtlich des Lagerplatzes erreicht die Belastung insofern auch mit Blick auf das Landschaftsschutzgebiet keine neue Qualität. Ein generelles Verschlechterungsverbot, das die Antragsteller insoweit offenbar annehmen, kennt das geltende Recht nicht.

3.

Beide vorgenannten Mängel führen - auch wenn sie im vom Senat festgestellten Umfang lediglich den Lagerplatz betreffen - zur Gesamtunwirksamkeit des Plans. Erstens dient der Plan dazu, eine Betriebserweiterung umsetzen zu können, deren einzelne Elemente nach Darstellung der Beigeladenen für den Fortbestand des Betriebs an dem Standort kumulativ erforderlich sind. Es ist daher möglich, dass die Antragsgegnerin in Kenntnis der aus wasserrechtlichen Gründen fehlenden Verfügbarkeit der Lagerfläche von der Planung insgesamt Abstand genommen und mit der Beigeladenen einen Alternativstandort gesucht hätte. Zweitens sind weitere Festsetzungen mit der Festsetzung der Lagerfläche inhaltlich untrennbar verknüpft. Insbesondere bezüglich der Fläche, die der Plan für Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft vorsieht (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB), kann der Senat deshalb nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin diese in gleicher Art und Größe festgesetzt hätte, wenn die gewerblichen Bauflächen im Plangebiet um 3.500 qm kleiner ausgefallen wären.

4.

Angesichts der vorgenannten Mängel lässt der Senat dahinstehen, ob der Bebauungsplan unter weiteren Rechtsfehlern leidet. Das betrifft namentlich die in der mündlichen Verhandlung erörterten Fragen, ob die Festsetzung eingeschränkter Gewerbegebiete im Wege einer externen Gliederung von § 8 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO gedeckt ist oder ob es angesichts der gewünschten Beschränkung auf eine konkrete Betriebsart einer Sondergebietsfestsetzung nach § 11 BauNVO bedurft hätte und ob die Baunutzungsverordnung für die Festsetzung der zulässigen Lagerhöhe in § 2 TF eine Ermächtigungsgrundlage bereitstellt.

Hinsichtlich der weiteren von den Antragstellern erhobenen Rügen merkt der Senat im Hinblick auf ein mögliches ergänzendes Verfahren an, dass diese aller Voraussicht nach nicht durchgegriffen hätten. Das gilt insbesondere für die weiteren geltend gemachten Abwägungsfehler.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.