Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.02.2023, Az.: 1 LC 83/22
Baugenehmigung; Bebauungsplan; Decathlon; Einzelhandel; großflächiger Einzelhandel; interkommunales Abstimmungsgebot; Missbrauch; Planungsbedürfnis; Sportfachmarkt; Baugenehmigung für großflächigen Sportfachmarkt, Rechtsschutz der Nachbargemeinde bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans und planungsrechtlicher Unzulässigkeit des Vorhabens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.02.2023
- Aktenzeichen
- 1 LC 83/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 16297
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0209.1LC83.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 09.02.2022 - AZ: 4 A 3897/20
- nachfolgend
- BVerwG - 24.04.2024 - AZ: BVerwG 4 C 1.23
Rechtsgrundlagen
- BauGB § 2 Abs. 2
- BauNVO § 11 Abs. 3
Fundstellen
- DVBl 2023, 1159-1164
- DÖV 2023, 646
- GewArch 2023, 264
- GuG aktuell 2023, 39
- NordÖR 2023, 358
- ZfBR 2023, 469-471
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Nachbargemeinde kann sich unter Berufung auf das interkommunale Abstimmungsgebot nicht nur gegen eine nicht abgestimmte Bauleitplanung wehren, sondern iauch Einzelgenehmigungen abwehren, wenn die Standortgemeinde dem Bauinteressenten unter Missachtung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat (stRspr. vgl. exemplarisch BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285 = BRS 55 Nr. 174 = juris Rn. 26; Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 = BRS 65 Nr. 10 = juris Rn. 22; Senatsbeschl. v. 15.11.2002 - 1 ME 151/02 -, BauR 2003, 659 = BRS 65 Nr. 69 = juris Rn. 26; v. 18.2.2011 - 1 ME 252/10 -, BRS 78 Nr. 184 = juris Rn. 90).
- 2.
Die Verschaffung eines Zulassungsanspruchs kann in der Aufstellung eines Bebauungsplans liegen. Ist der Plan unwirksam und das Vorhaben deshalb planungsrechtlich unzulässig, reicht das für den Erfolg einer auf eine Verletzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB gestützte Klage nicht aus. Hinzukommen muss, dass die Unwirksamkeit des Bebauungsplans (auch) aus einem Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB folgt.
- 3.
§ 11 Abs. 3 BauNVO entfaltet Schutzwirkung zugunsten der Nachbargemeinden. Diese können beanspruchen, dass eine Vorhabenzulassung nicht erfolgt, solange dem Planungserfordernis nicht genüge getan ist. Erst eine - auch, aber nicht nur mit Blick auf die Rechte der Nachbargemeinde - wirksame Planung macht den Weg frei für die Zulassung der in § 11 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Vorhaben.
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 9. Februar 2022 () wird geändert.
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 17. Dezember 2019 in Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 21. Juli 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2020 werden aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte und die Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich als Nachbargemeinde gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines großflächigen Decathlon-Sportfachmarktes. Sie beruft sich auf eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots (§ 2 Abs. 2 BauGB) und befürchtet insbesondere nachteilige Auswirkungen auf ihre Innenstadt sowie auf die ihr durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen.
Die Klägerin ist eine kreisfreie Stadt mit rund 78.000 Einwohnern. In ihrem zentralen Versorgungsbereich Innenstadt befinden sich zwei Sportfachgeschäfte (Intersport und Sport2000) mit zusammen etwa 1.000 m2 Verkaufsfläche. Die Beklagte ist eine selbständige Gemeinde im Norden des Landkreises Diepholz mit rund 34.000 Einwohnern; ihre zwei zentralen Versorgungsbereiche, in denen keine Sportfachgeschäfte zu finden sind, liegen in den Ortskernen von Stuhr und Brinkum. Ihr Gemeindegebiet grenzt nördlich an Bremen und westlich an die Klägerin an. Raumordnungsrechtlich sind die Klägerin als Mittelzentrum mit oberzentraler Teilfunktion (u.a. Einzelhandel) und die Beklagte als Mittelzentrum eingestuft.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des bislang unbebauten Grundstücks H. -Straße 1 (Flurstück I. und nördlicher Teil des Flurstücks J. der K. der Gemarkung Brinkum) mit einer Fläche von 12.883 m2, das knapp 4 km östlich von Stuhr und etwa 1,5 km nordöstlich des Ortskerns von Brinkum inmitten des Gewerbegebiets "Brinkum Nord", nordöstlich der Kreuzung der Bundesautobahn A 1 mit der Bundesstraße B 6, unmittelbar an der Ausfahrt Bremen-Brinkum liegt. In der Umgebung befinden sich beidseits der B 6 zahlreiche weitere, auch großflächige Einzelhandelsbetriebe, u.a. der "Ochtum-Park" - ein Outlet-Center mit 20.000 m2 Verkaufsfläche und zahlreichen Sportartikelanbietern - sowie sonstige Gewerbebetriebe. Die nördlich gelegene bremisch-niedersächsische Landesgrenze ist weniger als 500 Meter vom Vorhabengrundstück entfernt. Die Luftlinie des Standortes zum Stadtgebiet der Klägerin beträgt etwa 7 km, bis zu ihrer Innenstadt sind es etwa 12 km.
Der östliche Teil des Vorhabengrundstücks lag ursprünglich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 23 (15/13) - 3. "Brinkum - Nord - Teil Ost 3. Änderung - Teppichmarkt", rechtsverbindlich seit dem 19. Oktober 2007, der ein Sonstiges Sondergebiet großflächiger Einzelhandel mit der Zweckbestimmung "Teppichmarkt" festsetzt. Ziff. 1.1.1 der textlichen Festsetzungen lautet: "Das Sondergebiet dient vornehmlich zur Unterbringung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes "Teppichmarkt". Der westliche Teil des Vorhabengrundstücks lag im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 23/191-N "Sondergebiete Brinkum Nord - Neuaufstellung", rechtsverbindlich seit dem 3. November 2014, der in diesem Bereich ein Sonstiges Sondergebiet (SO 6) mit der Zweckbestimmung "Baumarkt mit Gartencenter" festsetzt. Ziff. 1 der textlichen Festsetzungen lautet: "Das Sondergebiet dient vorwiegend der Unterbringung eines Baumarktes mit Gartencenter". Zuvor galt der nahezu den gesamten Bereich östlich der B 6 bis zur A 1 und zur bremischen Landesgrenze abdeckende Ursprungsplan Nr. 23 (15/13) "Brinkum-Nord Teil Ost", rechtsverbindlich seit dem 22. September 1978, in der Fassung der 1. Änderung, rechtsverbindlich seit dem 27. Mai 1998. Dieser Plan setzt überwiegend und auch für das Vorhabengrundstück Gewerbegebiete nach der BauNVO 1968 fest.
Anfang 2018 leitete die Beklagte ein Verfahren zur Neuaufstellung eines Bebauungsplans für das Vorhabengrundstück und - im Parallelverfahren - Änderung des Flächennutzungsplans ein. Planungsziel war die Festsetzung eines Sondergebiets zur Ansiedlung eines großflächigen Sportfachmarktes der Firma Decathlon. Die Klägerin beteiligte sich am Planaufstellungsverfahren und erhob zahlreiche auf die Funktionsfähigkeit ihres zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt und ihre Versorgungsaufgabe als Mittelzentrum mit oberzentraler Teilfunktion Einzelhandel bezogene Einwände. Diese Einwände wies die Beklagte zurück und beschloss den Bebauungsplan Nr. 23/220 "Brinkum Nord Sportfachmarkt" unter Teilaufhebung der Vorgängerpläne am 2. Februar 2020 Satzung; er trat am 2. März 2020 in Kraft. Der Plan überplant das Vorhabengrundstück als Sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung "Sportfachmarkt". Die textliche Festsetzung Ziff. 1. ("Art der baulichen Nutzung") lautet: "Innerhalb des sonstigen Sondergebiets (SO) mit der Zweckbestimmung "Sportfachmarkt" gem. § 11 BauNVO ist ein Fachmarkt für Sportartikel mit max. 3.700 m2 Verkaufsfläche zulässig. Hiervon entfallen max. 2.400 m2 auf sonstige Sportartikel (wie Sportgeräte, Camping und Fahrräder). Max. 1.300 m2 entfallen auf Sportbekleidung/-schuhe."
Bereits kurz vor Inkrafttreten des Bebauungsplans, am 17. Dezember 2019, erteilte die Beklagte der Beigeladenen auf ihren Bauantrag vom 14. Februar 2019 auf der Grundlage von § 33 Abs. 1 BauGB die angegriffene Baugenehmigung für den Neubau einer Verkaufsstätte (Sportfachmarkt - Decathlon) mit 90 erforderlichen Stellplätzen auf dem Grundstück H. -Straße 1 (Verkaufsfläche gesamt 3.576,61 m2; davon 832 m2 Sportbekleidung, 447 m2 Sportschuhe, 1.778,61m2 Sportartikel/-Geräte und 519 m2 Fahrräder). Ein Nachtrag zur Baugenehmigung (u.a. Gesamtverkaufsfläche jetzt 3.547,83 m2) folgte unter dem 21. Juli 2020.
Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2020 hat die Klägerin am 17. Juli 2020 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass der der Baugenehmigung zugrundeliegende Bebauungsplan aus formellen und materiellen Gründen unwirksam sei. Dem Plan fehle es an einer ausreichenden interkommunalen Abstimmung, sodass er gegen § 2 Abs. 2 BauGB verstoße. Es fehle schon an einer fehlerfreien Ermittlung der Auswirkung des Decathlon-Marktes auf die Nachbargemeinden; zudem verstießen die Planfestsetzungen gegen das raumordnungsrechtliche Integrationsgebot, das Beeinträchtigungsverbot und das Kongruenzgebot. Der Plan sei schließlich auch im Ergebnis abwägungsfehlerhaft. Aus der Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 23/220 folge die objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung, weil die demnach fortbestehenden Bebauungspläne für das Plangebiet Sondergebiete mit der Zweckbestimmung "Teppichmarkt" und "Wochenendhausgebiet" bzw. Misch-, Industrie- und Gewerbegebiete festsetzten. Die Klägerin werde hierdurch in eigenen Rechten verletzt, weil der Schutzzweck des § 2 Abs. 2 BauGB gerade ihr als Nachbargemeinde diene und die Genehmigung auf einem Planungsvorgang beruhe, der nicht abwägungsfehlerfrei durchgeführt worden sei. Zudem leide die Baugenehmigung ihrerseits an einer Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes. § 11 Abs. 3 BauNVO liege die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass Einzelhandelsbetriebe wie der hiesige regelmäßig geeignet seien, Nachbargemeinden zu beeinträchtigen. Das Vorhaben löse deshalb einen qualifizierten Abstimmungsbedarf aus, dem die Beklagte keine Rechnung getragen habe. Die Verletzung des Beeinträchtigungsverbots setze sich somit in der Baugenehmigung fort.
Die Klägerin hat beantragt,
die Baugenehmigung der Beklagten vom 17. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2020 für den Neubau einer Verkaufsstätte (Sportfachmarkt - Decathlon) mit 90 erforderlichen Stellplätzen auf dem Grundstück H. -Straße 1, Gemarkung Brinkum, K., Flurstücke J. und I., aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Der Bebauungsplan sei wirksam; raumordnungsrechtliche Vorgaben und das interkommunale Abstimmungsgebot seien nicht verletzt. Die Auswirkungen des Decathlon-Marktes auf die Klägerin und ihren zentralen Versorgungsbereich seien marginal. Jedenfalls aber fehle es an der Verletzung einer die Klägerin schützenden Rechtsvorschrift durch die Baugenehmigung. § 2 Abs. 2 BauGB sei insoweit nicht anwendbar.
Die Klage hat das Verwaltungsgericht Hannover - nachdem es bereits zuvor einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 27. Oktober 2020 (- 4 B 3898/20 -, juris) abgelehnt hatte - mit dem angegriffenen Urteil vom 9. Februar 2022 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin sei klagebefugt, weil es möglich sei, dass die Baugenehmigung unter Missachtung des in § 2 Abs. 2 BauGB normierten interkommunalen Abstimmungsgebots erteilt worden sei. Auch das Rechtsschutzbedürfnis fehle nicht. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil die Klägerin - unabhängig davon, anhand welcher Rechtsgrundlage die Baugenehmigung zu beurteilen und ob sie objektiv rechtswidrig sei - jedenfalls nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt sei. Zwar sei § 2 Abs. 2 BauGB, der grundsätzlich nur für die Aufstellung von Bauleitplänen gelte, hier unmittelbar auf die Baugenehmigung anwendbar, weil die Beklagte mit der Änderung des Flächennutzungsplans und der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 23/220 selbst städtebaulich zurechenbar die bauplanungsrechtlichen Rahmenbedingungen für das streitgegenständliche Vorhaben geschaffen habe. Das interkommunale Abstimmungsgebot habe sie jedoch nicht verletzt. In formeller Hinsicht habe sie die Klägerin im Rahmen der Änderung des Flächennutzungsplans und der Aufstellung des Bebauungsplans beteiligt und die von ihr erhobenen Einwendungen in das Abwägungsmaterial eingestellt. Auch der Abwägungsvorgang halte der rechtlichen Überprüfung stand. Die von dem Vorhaben ausgehenden und die Klägerin betreffenden Auswirkungen bewegten sich unterhalb der Schwelle der städtebaulichen Relevanz. Auch unter Berücksichtigung der ihr durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen ergebe sich keine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes, weil weder das Beeinträchtigungsverbot noch das Integrationsgebot verletzt seien. Im Hinblick auf das Kongruenzgebot könne dahinstehen, ob es ein Ziel der Raumordnung darstelle und welcher Kongruenzraum vorliegend maßgeblich sei, denn die Klägerin könne aus einem möglichen Verstoß keine relevante eigene Rechtsverletzung ableiten, weil es ihr nicht gelungen sei darzulegen, dass die Überschreitung des Kongruenzrahmens durch die Beklagte in einem über den Bagatellbereich hinausgehenden Umfang Einfluss auf ihren eigenen Versorgungsauftrag habe. Dahingestellt bleiben könne, ob die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 BauGB - insbesondere die Planreife - zum Zeitpunkt der Genehmigung vorgelegen haben, weil die Norm nur in dem Umfang Drittschutz vermittle, in dem die antizipiert angewandten künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans selbst dem Drittschutz dienten. Auch komme es nicht auf die zwischen den Beteiligten erörterte Frage an, ob mit der Einführung des § 34 Abs. 3 BauGB für eine Anwendung des § 2 Abs. 2 BauGB auf ein Einzelvorhaben kein Raum mehr sei, denn aus § 34 Abs. 3 BauGB ergebe sich jedenfalls kein für die Klägerin günstigerer Prüfungsmaßstab. Soweit die Klägerin meine, bereits aus der Unwirksamkeit des aufgestellten Bebauungsplans die Verletzung des sie schützenden Planungserfordernisses ableiten zu können, könne sie hiermit nicht durchdringen, weil eine Konstellation, in der die genehmigende Gemeinde ein Bauleitplanverfahren für das nach § 11 BauNVO sondergebietspflichtige Vorhaben nicht durchgeführt und den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 BauGB potenziell unterlaufen habe, nicht vorliege.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 22. Juli 2022 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Sie meint, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze sie in eigenen Rechten. Bei Wirksamkeit der Vorgängerpläne ergebe sich ihre Rechtsverletzung aus einer unmittelbaren Anwendung des § 2 Abs. 2 BauGB. Die Beklagte habe mit der Änderung ihres Einzelhandelskonzepts, des Flächennutzungsplans und des (unwirksamen) Bebauungsplans "die Weichen in Richtung Zulassungsentscheidung gestellt", sodass sie sich zur Abwehr des Vorhabens unmittelbar auf § 2 Abs. 2 BauGB berufen könne. Das Verwaltungsgericht hätte zunächst prüfen müssen, welche planungsrechtliche Zulassungsnorm einschlägig sei, also insbesondere, ob der der Baugenehmigung zugrundeliegende Bebauungsplan Nr. 23/220 "Brinkum Nord Sportfachmarkt" wirksam sei; dies sei aus den im Normenkontrollverfahren (- 1 KN 63/20 -) im einzelnen vorgetragenen Gründen nicht der Fall. Mit den Festsetzungen der Vorgängerpläne sei das Vorhaben unstreitig unvereinbar, sodass die Beklagte das großflächige Einzelhandelsvorhaben nicht ohne Aufstellung eines Bebauungsplans habe genehmigen können. Die Beklagte habe mit dem nicht an die Ziele der Raumordnung angepassten Bebauungsplan den Anschein einer Genehmigungsgrundlage geschaffen. Liege kein das Vorhaben legitimierender Bebauungsplan vor, fehle es an einer interkommunalen Abstimmung, sodass es nicht auf die von dem Vorhaben konkret ausgehenden Auswirkungen auf ihr Gemeindegebiet ankomme. In einer solchen Situation sei es auch nicht zulässig, gleichsam hilfsweise auf die Abwägungsentscheidung im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zurückzugreifen, das im Ergebnis nicht zum Erlass eines wirksamen Bebauungsplans geführt habe. Ein Bebauungsplan sei entweder wirksam oder unwirksam; eine partielle Wirksamkeit hinsichtlich der interkommunalen Abwägung komme nicht in Betracht (vgl. Saarl. OVG, Urt. v. 11.11.2010 - 2 A 29/10 -, BRS 76 Nr. 200 = juris Rn. 68). Soweit die Beigeladene den Missbrauchsgedanken als Grundlage der Anwendung von § 2 Abs. 2 BauGB ins Feld führe, sei daran zu erinnern, dass die Beklagte durch die Aufstellung eines das raumordnungsrechtliche Integrationsgebot verletzenden Bebauungsplans erst den Boden für die Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung bereitet habe. Unabhängig davon seien aber auch die materiell-rechtlichen Anforderungen des interkommunalen Abstimmungsgebots verletzt. Bei Beurteilung des Vorhabens anhand von § 34 BauGB ergebe sich der Drittschutz aus § 34 Abs. 3 BauGB, wobei die Vorschädigung ihres zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt - auch vor dem Hintergrund der ihr raumordnungsrechtlich zugewiesenen Funktionen - zu berücksichtigen sei. Das Vorhaben erschwere die Erholung ihres Zentrums bzw. mache diese im Bereich des Sportsortiments vermutlich endgültig unmöglich.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. Februar 2022 die Baugenehmigung der Beklagten vom 17. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2020 für den Neubau einer Verkaufsstätte (Sportfachmarkt-Decathlon) mit 90 erforderlichen Stellplätzen auf dem Grundstück H. -Str. 1, Gemarkung Brinkum, K., Flurstücke J. und I. aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten daran fest, dass die Klage unzulässig und - unter Verweis auf ihren Vortrag im Normenkontrollverfahren - der der Baugenehmigung zugrundeliegende Bebauungsplan Nr. 23/220 wirksam sei. Selbst dessen Unwirksamkeit unterstellt könne allein die objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht zu einem Erfolg der Anfechtungsklage führen; sonst könne sich jede beliebige Kommune bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans erfolgreich gegen die Baugenehmigung wenden. Es sei generell fraglich, ob an der Rechtsprechung zur Aktivierung des § 2 Abs. 2 BauGB im Genehmigungsverfahren jedenfalls in Fällen, in denen es um Innenbereichsvorhaben gehe, überhaupt festzuhalten sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe es in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2018 (- 4 B 15.18 -, BauR 2019, 470 = BRS 86 Nr. 133 = juris Rn. 6 ff.) ausdrücklich als zweifelhaft bezeichnet, ob nach Inkrafttreten des § 34 Abs. 3 BauGB im unbeplanten Innenbereich noch Bedarf für eine Missbrauchsabwehr bestehe. Tatsächlich sei das nicht der Fall, zumal man sich nicht in Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 3 BauGB setzen dürfe. Unabhängig davon könne sich die Klägerin jedenfalls nur dann erfolgreich auf § 2 Abs. 2 BauGB berufen, wenn der Bebauungsplan gerade wegen eines sie betreffenden Verstoßes gegen das interkommunale Abstimmungsgebot unwirksam sei (vgl. Thür. OVG, Beschl. v. 20.12.2004 - 1 EO 1077/04 -, BRS 67 Nr. 196 = juris Rn. 60). Die Beklagte habe zwar für das Vorhaben die Weichen in Richtung Zulassung gestellt, im Übrigen unterscheide sich der vorliegende Fall aber grundlegend von den in der Rechtsprechung behandelten Fallkonstellationen, bei denen von Nachbargemeinden § 2 Abs. 2 BauGB aktiviert werden könne, weil keine Missbrauchskonstellation vorliege. Sie habe einen Bebauungsplan aufgestellt und in diesem Rahmen eine interkommunale Abstimmung vorgenommen. Das Bauleitplanverfahren sei zudem nicht nur durch-, sondern auch zu Ende geführt worden, sodass Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden. Ob die interkommunale Abstimmung zu einem wirksamen Bebauungsplan geführt habe, sei unerheblich; der Auffassung, dass nur eine interkommunale Abstimmung beachtlich sei, die in einen wirksamen Bebauungsplan gemündet sei, stehe die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2009 (- 4 B 25.09 -, BauR 2010, 740 = BRS 74 Nr. 9 = juris Rn. 12 f.) entgegen. Im Ergebnis gehe es also um die Frage, ob gewichtige Auswirkungen - im maßgeblichen Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung - richtig abgewogen worden seien. Dies sei hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, der Fall. Die Beklagte habe sich insbesondere anhand der von ihr eingeholten Auswirkungsanalysen, die die Klägerin nicht substantiell angegriffen habe, und der Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts der Klägerin aus Juli 2017 mit den Auswirkungen der Planung auf die Innenstadt der Klägerin unter Berücksichtigung möglicher Vorschädigungen befasst.
Auf den von der Klägerin am 6. April 2020 gestellten Normenkontrollantrag hat der Senat den Bebauungsplan Nr. 23/220 der Beklagten "Brinkum Nord Sportfachmarkt" mit Urteil vom 9. Februar 2023 (- 1 KN 63/20 -) wegen eines formellen Fehlers sowie einer Verletzung des nicht dem Schutz der Klägerin dienenden raumordnungsrechtlichen Integrationsgebots für unwirksam erklärt. Eine Verletzung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Klägerin dienen, etwa des raumordnungsrechtlichen Beeinträchtigungsverbots, des interkommunalen Abstimmungsgebots und des Kongruenzgebots, hat der Senat dagegen nicht festgestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten - auch des Normenkontrollverfahrens 1 KN 63/20 - verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Anfechtungsklage ist zulässig (dazu I.) und begründet, weil die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 17. Dezember 2019 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (dazu II.). Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist daher zu ändern, und die Baugenehmigung in Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 21. Juli 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2020 sind aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Anfechtungsklage ist zulässig. Der Klägerin fehlt es weder an der Klagebefugnis (dazu 1.) noch am Rechtsschutzbedürfnis (dazu 2.).
1.
Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie hat hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen, die es als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in subjektiven Rechten aus § 11 Abs. 3 BauNVO verletzt ist. Der Vorschrift ist ein Planungsbedürfnis zu entnehmen, das gerade auch dem Schutz der Nachbargemeinden dient; eine Verletzung dieses Planungsbedürfnisses hat die Klägerin mit ihren Darlegungen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 23/220 "Brinkum Nord Sportfachmarkt" ausreichend dargelegt. Auf seine Ausführungen im Urteil vom 9. Februar 2023 (- 1 KN 63/20 -, dort UA S. 4 ff.) nimmt der Senat ergänzend Bezug.
Ebenfalls dargelegt ist eine mögliche Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Dieses Gebot kann einen Abwehranspruch gegen ein für die klagende Gemeinde mit unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art verbundenes Bauvorhaben - und damit einen Anspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung - dann begründen, wenn eine Gemeinde dem Bauinteressenten unter Missachtung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285 = BRS 55 Nr. 174 = juris Rn. 26; Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 = BRS 65 Nr. 10 = juris Rn. 22; Beschl. v. 24.10.2018 - 4 B 15.18 -, BauR 2019, 470 = BRS 86 Nr. 133 = juris Rn. 7). Eine solche Konstellation erscheint nach dem sachverständig untermauerten Vortrag der Klägerin ebenfalls möglich.
2.
Der Klägerin fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Der Senat macht sich insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil (UA S. 17-19) zu eigen (vgl. § 130b Satz 2 VwGO).
II.
Die Klage ist auch begründet, weil die nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Baugenehmigung rechtswidrig ist (dazu 1.) und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (dazu 2.). Die Baugenehmigung ist in der Folge aufzuheben (dazu 3.).
1.
Die Baugenehmigung ist rechtswidrig, weil der Bebauungsplan Nr. 23/220 "Brinkum Nord Sportfachmarkt" vom 2. März 2020 aus den Gründen des Senatsurteils vom 9. Februar 2023 (- 1 KN 63/20 -) unwirksam und das Vorhaben auf der Grundlage der Vorgängerpläne gemäß § 30 Abs. 1 BauGB nicht genehmigungsfähig ist.
Der Senat lässt offen, ob die unmittelbaren Vorgängerpläne, die für den westlichen Teil des Vorhabenstandorts ein Sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung "Baumarkt mit Gartencenter" (Nr. 23/191-N "Sondergebiet Brinkum Nord - Neuaufstellung", rechtsverbindlich seit dem 3.11.2014) und für den östlichen Teil ein Sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung "Teppichmarkt" (Nr. 23 (15/13) - 3 "Brinkum - Nord - Teil Ost 3. Änderung - Teppichmarkt", rechtsverbindlich seit dem 19.10.2007) festsetzen, wirksam sind. Wären sie wirksam, wäre das Vorhaben mit den Festsetzungen dieser Pläne zur Art der baulichen Nutzung unvereinbar.
Wären die Vorgängerpläne unwirksam, wäre das Vorhaben nach dem Ursprungsplan Nr. 23 (15/13) "Brinkum-Nord Teil Ost" (Beginn der öffentlichen Auslegung am 11.8.1977, rechtsverbindlich seit dem 22.9.1978) zu beurteilen, der für das Grundstück der Beigeladenen ein Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968 festsetzt (vgl. zur Anwendung der BauNVO 1968 § 25 BauNVO 1977). Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968 sind im Gewerbegebiet Gewerbebetriebe aller Art mit Ausnahme von Einkaufszentren und Verbrauchermärkten im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, soweit diese Anlagen für die Umgebung keine erheblichen Nachteile oder Belästigungen zur Folge haben können, zulässig. Gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 sind Einkaufszentren und Verbrauchermärkte, die außerhalb von Kerngebieten errichtet werden sollen und die nach Lage, Umfang und Zweckbestimmung vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen sollen, als Sondergebiete darzustellen und festzusetzen. Letzteres trifft auf das Vorhaben der Beigeladenen zu.
Bei dem Decathlon-Markt mit seiner genehmigten Gesamtverkaufsfläche von über 3.500 m2 und dem Angebot von Sportartikeln handelt es sich um einen Verbrauchermarkt der in § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 bezeichneten Art in Gestalt eines Fachmarktes (vgl. zum Begriff BVerwG, Urt. v. 18.6.2003 - 4 C 5.02 -, BauR 2004, 4 = BRS 66 Nr. 85 = juris Rn. 6 ff.). Er ist vorwiegend auf einen übergemeindlichen Kundenkreis ausgerichtet (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 1.9.1989 - 4 B 99.89 -, NVwZ-RR 1990, 229 = BRS 49 Nr. 67 = juris Rn. 4), weil mehr als die Hälfte der Ware an Personen außerhalb des Gemeindegebiets der Beklagten abgesetzt werden soll (vgl. zu der plangenehmigten Gesamtverkaufsfläche von 3.700 m2 die Darstellungen zum Einzugsgebiet und Nachfragevolumen in der Auswirkungsanalyse v. 17.9.2019, S. 50 f.). Die Beklagte selbst könnte mit ihrer vergleichsweise geringen Zahl von 34.000 Einwohnern einen Markt dieser Größe nicht ansatzweise auslasten. Das Vorhaben der Beigeladenen ist damit auch mit dem Ursprungsplan unvereinbar.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen ist der Ursprungsplan, der nahezu den gesamten Bereich östlich der B 6 bis zur A 1 und der bremischen Landesgrenze überplant und überwiegend Gewerbegebiete nach § 8 BauNVO 1968 festsetzt, weder im betroffenen Teilbereich noch insgesamt funktionslos geworden. Von der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans bzw. einer bauplanerischen Festsetzung ist dann auszugehen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse deren Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (Senatsurt. v. 13.5.2022 - 1 KN 85/20 -, ZfBR 2022, 576 = juris Rn. 50; v. 1.12.2022 - 1 KN 79/20 -, juris Rn. 27). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
Die Beklagte und die Beigeladene gehen von der Funktionslosigkeit deshalb aus, weil sich im Plangebiet eine Vielzahl von in einem Gewerbegebiet nach § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 unzulässigen großflächigen Einzelhandelsbetrieben angesiedelt hat. Dieser Befund trifft ausweislich der in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten diskutierten Luftaufnahmen bei google maps für den Bereich unmittelbar östlich der B 6 zu. Dort sind unter anderem ein Baumarkt sowie ein - möglicherweise schon als Einkaufszentrum einzustufendes - Fachmarktzentrum mit verschiedenen, ihrerseits wohl jedenfalls teilweise großflächigen Ladengeschäften ansässig. Zu finden sind dort allerdings auch zahlreiche Betriebe, deren Zulässigkeit in einem Gewerbegebiet nicht in Frage steht, etwa eine Bäckerei und eine Tankstelle, ein Hotel-Restaurant, ein Großhandelsbetrieb sowie eine Autoglaserei. Eine größere Freifläche ist zudem unbebaut, sodass bereits für den Bereich unmittelbar östlich der B 6 keine Rede davon sein kann, der Bebauungsplan vermöge dort eine städtebauliche Gestaltungsfunktion für jedermann offenkundig nicht mehr zu erfüllen. Hinzu kommt, dass das Kriterium der Offenkundigkeit auch deshalb nicht erfüllt ist, weil bei den großflächigen Einzelhandelsbetrieben nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob es sich dabei um Verbrauchermärkte, die vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen, oder nur um "einfache" großflächige Betriebe, die nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968 zulässig sind, handelt.
Selbst wenn man dies für den unmittelbar östlich der B 6 gelegenen Teil des Plangebiets anders sehen wollte, ist eine vergleichbare Mitprägung durch großflächigen Einzelhandel für die Grundstücke östlich der Rudolf-Diesel-Straße bzw. der H. -Straße und damit für den flächenmäßig weitaus überwiegenden Teil des Plangebiets jedenfalls nicht zu verzeichnen. In diesem Bereich, in dem auch das Vorhabengrundstück liegt, dominieren nach Zahl und Fläche klassische Gewerbebetriebe; Verbrauchermärkte i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 sind allenfalls vereinzelt (ggf. Teppich Kibek) zu finden, sodass der Bebauungsplan dort weiterhin Steuerungswirkungen entfaltet. Die tatsächliche Bebauung entspricht im Wesentlichen der planerischen Artfestsetzung. Mit dieser weiterhin wirksamen Artfestsetzung ist das Vorhaben nicht zu vereinbaren.
2.
Die demzufolge rechtswidrige Baugenehmigung verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie kann eine Aufhebung der Baugenehmigung zwar nicht auf einen Verstoß gegen das sie schützende interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB stützen (dazu a.). Die Genehmigung verstößt indes gegen § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 bzw. 1990; auch diese Vorschrift entfaltet Drittschutz zu Gunsten der Klägerin als benachbarter Gemeinde (dazu b.).
a)
Ein Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB, das die Gemeinden nicht nur für Vorhaben nach § 11 Abs. 3 BauNVO, sondern in allen Bauleitplanverfahren zu einer formellen und materiellen Abstimmung verpflichtet, wenn vom Bauleitplan unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung einer Nachbargemeinde ausgehen, liegt nicht vor.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285 = BRS 55 Nr. 174 = juris Rn. 26; Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 = BRS 65 Nr. 10 = juris Rn. 22; Beschl. v. 24.10.2018 - 4 B 15.18 -, BauR 2019, 470 = BRS 86 Nr. 133 = juris Rn. 7) und des Senats (vgl. Beschl. v. 15.11.2002 - 1 ME 151/02 -, BauR 2003, 659 = BRS 65 Nr. 69 = juris Rn. 26; v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -, ZfBR 2006, 168 = juris Rn. 31; v. 18.2.2011 - 1 ME 252/10 -, BRS 78 Nr. 184 = juris Rn. 90) ist anerkannt, dass sich eine Nachbargemeinde unter Berufung auf das interkommunale Abstimmungsgebot nicht nur gegen eine nicht abgestimmte Bauleitplanung wehren, sondern in bestimmten Fallkonstellationen auch Einzelgenehmigungen abwehren kann. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn die Gemeinde dem Bauinteressenten unter Missachtung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass die Gemeinde, in der das Vorhaben verwirklicht werden soll, in einer städtebaurechtlich zurechenbaren Weise die Weichen in Richtung Zulassungsentscheidung gestellt hat. Das kann auf verschiedene Weise geschehen, und zwar beispielsweise durch Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.1972 - IV C 17.71 -, BVerwGE 40, 323 = BRS 25 Nr. 14 = juris Rn. 37 f.) oder durch die Änderung des Flächennutzungsplans und die darauf fußende Erteilung des Einvernehmens (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209 = BRS 50 Nr. 193 = juris Rn. 35). Die analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB, der nach Wortlaut und Systematik unmittelbar nur für die Bauleitplanung gilt, im Anfechtungsklageverfahren dient insofern - wie insbesondere die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat - der Missbrauchsabwehr (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.10.2018 - 4 B 15.18 -, BauR 2019, 470 = BRS 86 Nr. 133 = juris Rn. 8). Ein Missbrauch in diesem Sinne liegt vor, wenn die Gemeinde dem Vorhaben durch Handlungen, bei denen § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB unmittelbar anzuwenden war oder durch welche eine von Baurechts wegen an sich gebotene Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB in vorwerfbarer Weise umgangen worden ist, den Weg geebnet hat. Fehlt es daran und beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des Vorhabens anhand von Vorschriften, die keinen Bezug zu § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB aufweisen, kann von einer solchen Umgehung ebenso wenig die Rede sein wie davon, die Vorhaben-Gemeinde habe die Weichen in Richtung Vorhaben gestellt und dieses vorzubereiten geholfen (vgl. Senatsbeschl. v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -, ZfBR 2006, 168 = juris Rn. 31; der Sache nach ebenso BVerwG, Beschl. v. 24.10.2018 - 4 B 15.18 -, BauR 2019, 470 = BRS 86 Nr. 133 = juris Rn. 7 ff.).
Die Beklagte hat hier zwar durch Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 23/220 "Brinkum Nord Sportfachmarkt" und die Änderung des Flächennutzungsplans in einer städtebaulich zurechenbaren Weise die Weichen Richtung Zulassungsentscheidung gestellt. Der Senat hat den Bebauungsplan jedoch mit dem Urteil vom 9. Februar 2023 (- 1 KN 63/20 -, UA S. 10 ff.) nicht wegen eines die Klägerin betreffenden Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 BauGB für unwirksam erklärt. Weder liegt ein Verstoß gegen das als Ziel der Raumordnung in Plansatz Nr. 2.3 (08) LROP 2017 enthaltene und auch die Nachbargemeinden schützende Beeinträchtigungsverbot vor, noch leidet der Plan unter zu seiner Unwirksamkeit führenden Abwägungsfehlern zu Lasten ihrer Nachbarn (§ 1 Abs. 7 i.V.m. § 2 Abs. 2 BauGB). Die Beklagte ist sowohl der formellen Komponente des interkommunalen Abstimmungsgebots - der Pflicht, der Klägerin im Rahmen der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung Gelegenheit zu geben, ihre Belange in den Planungsprozess einzubringen - als auch der materiell-inhaltlichen Komponente gerecht geworden, indem sie die gewichtigen Belange der Klägerin hinreichend ermittelt und im Wege der Abwägung zulässigerweise überwunden hat. Der Senat hat die Unwirksamkeit des Bebauungsplans lediglich auf einen formellen Fehler sowie einen Verstoß gegen das als Ziel der Raumordnung in Plansatz Nr. 2.3 (05) Satz 1 LROP 2017 verankerte Integrationsgebot gestützt. Dieses zielt aber gerade und ausschließlich darauf ab, eine Schwächung der Zentren in der planenden Gemeinde selbst zu vermeiden; einen Bezug zum Stadtgebiet der Klägerin hat es nicht, sodass es auch keinen Drittschutz vermittelt.
Der Senat folgt auch nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 11.11.2010 - 2 A 29/10 -, BRS 76 Nr. 200 = juris Rn. 68), wonach allein die Unwirksamkeit des der Baugenehmigung zugrundeliegenden Bebauungsplans - und damit das Fehlen einer rechtswirksamen interkommunalen Abstimmung - mit Blick auf § 2 Abs. 2 BauGB zum Erfolg der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung führe, weil ein Bebauungsplan nicht "partiell" wirksam sein könne. Denn die auf anderen Gründen als einem Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB beruhende Unwirksamkeit eines Bebauungsplans weist keinen Bezug zu den Rechten der jeweiligen Nachbargemeinde auf (so OVG Weimar, Beschl. v. 20.12.2004 - 1 EO 1077/04 -, BRS 67 Nr. 196 = juris Rn. 60; offen gelassen in Senatsbeschl. v. 18.2.2011, - 1 ME 252/10 -, BRS 78 Nr. 184 = juris Rn. 99). Der Senat sieht demzufolge keinen Anlass, den in Bezug auf die Baugenehmigung ohnehin nur analog heranzuziehenden § 2 Abs. 2 BauGB über Missbrauchsfälle hinaus anzuwenden und damit der Gemeinde, die mit einem Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan erfolgreich war, einen praktisch unbegrenzten Drittschutz gegen auf dessen Grundlage erteilte Baugenehmigungen zuzugestehen. Ein solchermaßen von einer konkreten Verletzung subjektiver Rechte losgelöster Rechtsschutz überschritte den Rahmen einer zulässigen Analogiebildung. Der Aufhebung unterliegt eine Baugenehmigung mit Blick auf § 2 Abs. 2 BauGB folglich nur dann, wenn eine formelle oder materielle Umgehung des Abstimmungsgebots zu Lasten benachbarter Gemeinden vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25 = BRS 66 Nr. 1 = juris Rn. 23).
b)
Die Baugenehmigung verletzt die Klägerin indes in ihren Rechten aus § 11 Abs. 3 BauNVO - abhängig davon, nach welchem Bebauungsplan das Vorhaben zu beurteilen ist - in der Fassung vom 26. November 1968 bzw. vom 23. Januar 1990. Die Vorschrift gestattet ungeachtet ihrer unterschiedlichen Formulierung die Errichtung von Verbrauchermärkten zur übergemeindlichen Versorgung bzw. großflächigen Einzelhandelsbetrieben ausschließlich in Kern- sowie in für sie festgesetzten Sondergebieten. Sie ist nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausdruck der Erkenntnis, dass Einkaufszentren und sonstige großflächige Einzelhandelsbetriebe unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig geeignet sind, Nachbargemeinden in so gewichtiger Weise zu beeinträchtigen, dass sie ohne eine förmliche Planung, die dem Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB gerecht wird, nicht zugelassen werden dürfen. Dies folgt für § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 aus der Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Verbrauchermärkte, die der "übergemeindlichen Versorgung" dienen (vgl. dazu BR-Drs. 402/68, S. 5 f.), und für § 11 Abs. 3 BauNVO 1990 aus der ausdrücklichen Inbezugnahme der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden
§ 11 Abs. 3 BauNVO liegt die Wertung zugrunde, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Betriebe typischerweise ein Beeinträchtigungspotential aufweisen, das es rechtfertigt, sie einem Sonderregime zu unterwerfen. Welche Belange ganz erheblich betroffen sein können, verdeutlicht die Aufzählung in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO (seit 1977). Dort werden neben schädlichen Umwelteinwirkungen insbesondere Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO bezeichneten Betriebe sowie auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden genannt. § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO ist insofern durch eine betont übergemeindliche Sichtweise geprägt. Die Vorschrift macht, soweit es darum geht, die Auswirkungen des Vorhabens zu beurteilen, nicht an den Gemeindegrenzen Halt. Vielmehr stellt sie auf den "Einwirkungsbereich" ab, der weit über die Standortgemeinde hinausreichen kann. Auch unter dem Blickwinkel der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche lässt sie es unabhängig davon, ob insoweit landesplanerische Festlegungen oder gemeindliche Entwicklungskonzepte die Grundlage bilden, nicht mit einer auf ein bestimmtes Gemeindegebiet bezogenen Betrachtung bewenden. In die insoweit gebotene Beurteilung einzubeziehen ist nicht nur die Standortgemeinde. Rechtliche Relevanz kommt auch den Auswirkungen "in anderen Gemeinden" zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 = BRS 65 Nr. 10 = juris Rn. 27 f., 31). § 11 Abs. 3 BauNVO ist demzufolge für die in der Vorschrift genannten Vorhaben gerade auch mit Blick auf die Nachbargemeinden die unwiderlegliche Vermutung eines Planungsbedürfnisses und -erfordernisses zu entnehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.12.2009 - 4 B 25.09 -, BauR 2010, 269 = BRS 74 Nr. 9 = juris Rn. 6), sofern nicht ausnahmsweise eine Zulassung auf der Grundlage von § 34 BauGB - in diesem Fall begrenzt durch § 34 Abs. 3 BauGB - in Frage kommt. Im Rahmen der Planung ist § 2 Abs. 2 BauGB zu beachten; die Vorschrift ist formelle und materielle Richtschnur für das gebotene Maß an interkommunaler Abstimmung und Rücksichtnahme.
Dient das in § 11 Abs. 3 BauNVO zum Ausdruck kommende Planungserfordernis - wie die Klägerin insbesondere in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat - demzufolge gerade auch dem Schutz der Nachbargemeinden (vgl. ebenso OVG MV, Beschl. v. 20.6.1999 - 3 M 144/98 -, NVwZ-RR 2000, 559 = BRS 62 Nr. 62 = juris Rn. 31; BayVGH, Urt. v. 14.1.1991 - 2 B 89.785 -, GewArch 1991, 314 = juris Ls. 2), können diese beanspruchen, dass eine Vorhabenzulassung nicht erfolgt, solange dem Planungserfordernis nicht genüge getan ist. Erst eine - auch, aber nicht nur mit Blick auf die Rechte der Nachbargemeinde - wirksame Planung macht den Weg frei für die Zulassung der in § 11 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Vorhaben. Missachtet eine Gemeinde diese auch zum Schutz der Nachbargemeinden geschaffene Sperre, verletzt sie damit zugleich Rechte der Nachbargemeinden, die im Einwirkungsbereich des Vorhabens liegen und mit unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf ihre Versorgungs- und Infrastruktur, ihre zentralen Versorgungsbereiche oder die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen rechnen müssen. Letzteres ist jedenfalls für die unmittelbaren Nachbargemeinden aufgrund der Vermutungswirkung des § 11 Abs. 3 BauNVO stets anzunehmen (vgl. zutreffend OVG MV, Urt. v. 5.11.2008 - 3 L 281/03 -, BauR 2009, 1399 = BRS 73 Nr. 10 = juris Rn. 140). Dabei kommt es nicht darauf an, auf welchen Ursachen die Verletzung beruht, namentlich ob die Zulassung eines Vorhabens auf einem unwirksamen oder einem das Vorhaben nicht gestattenden Bebauungsplan oder der fehlerhaften Annahme der planungsrechtlichen Zulässigkeit nach den § 33-35 BauGB beruht.
Eine derartige Auslegung des § 11 Abs. 3 BauNVO als nachbarschützend trägt einerseits dem gesetzgeberischen Willen Rechnung, die Errichtung großflächiger Einzelhandelsbetriebe gerade auch im Interesse der Nachbargemeinden einem Sonderregime zu unterwerfen und deren planerische Zulassung auf Kern- und Sondergebiete zu begrenzen. Sie vermeidet andererseits einen überschießenden Drittschutz von Nachbargemeinden auch mit Blick auf Vorhaben, die nicht den besonderen Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO unterliegen, und führt die analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 BauGB auf ihren Kern - die Missbrauchsabwehr - zurück.
Das zugrunde gelegt verletzt die Baugenehmigung die Klägerin in ihren Rechten aus § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 bzw. 1990. Wie der Senat in seinem Urteil vom 9. Februar 2023 im Normenkontrollverfahren (- 1 KN 63/20 -) ausgeführt hat, hat der Decathlon-Markt angesichts der prognostizierten Umsatzumverteilungen von immerhin 7,5 %, dem vorgeschädigten zentralen Versorgungsbereich Innenstadt der Klägerin und den weit auseinanderfallenden Zentralitätskennziffern bei Gesamtbetrachtung der städtebaulichen Wirkungsfaktoren unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Klägerin (insbes. UA S. 16 ff.). Sie liegt daher im Einwirkungsbereich des Vorhabens und profitiert von den Schutzwirkungen der Vorschrift.
3.
Die rechtswidrige Baugenehmigung ist aufzuheben. § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG, wonach eine Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung einer Entscheidung (hier) nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG führt, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann, ändert daran nichts. Beide letztgenannten Möglichkeiten bestehen hier nicht. Da der dem Vorhaben zugrundeliegende Bebauungsplan unwirksam ist, käme ein ergänzendes Verfahren erst nach einer Heilung des Bebauungsplans (§ 214 Abs. 4 BauGB), mithin einer Änderung des materiellen Rechts, in Betracht. Das überspannt den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG. Hinzu kommt, dass eine Heilung des Bebauungsplans nur gelingen kann, wenn der Beklagten gemäß § 6 Abs. 2 ROG eine Zielabweichung von dem das Vorhaben hindernden raumordnungsrechtlichen Integrationsgebot bewilligt wird; ob das grundsätzlich in Frage kommt, ist mindestens zweifelhaft. Eine positive Prognose, dass ein ergänzendes Verfahren Erfolg haben kann, ist dem Senat auch aus diesem Grund nicht möglich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Senat lässt nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision zu. Grundsätzliche Bedeutung hat die Frage, ob § 11 Abs. 3 BauNVO zu Gunsten einer Gemeinde drittschützende Wirkung entfaltet, wenn in der Nachbargemeinde ein Vorhaben der in § 11 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Art zugelassen wird, ohne dass dieses durch einen wirksamen Bebauungsplan oder § 34 BauGB planungsrechtlich legitimiert ist. Wäre die Frage entgegen der Auffassung des Senats zu verneinen, wäre die weitere grundsätzlich bedeutsame Frage aufgerufen, ob § 2 Abs. 2 BauGB auch dann drittschützende Wirkung entfaltet, wenn der das Vorhaben planungsrechtlich gestattende Bebauungsplan ausschließlich aus Gründen unwirksam ist, die keinen Bezug zu Rechten der klagenden Gemeinde haben, und das Vorhaben deshalb planungsrechtlich unzulässig ist.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG) für beide Rechtszüge auf jeweils 50.000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Prof. Dr. Lenz