Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.05.2000, Az.: 13 L 549/00

Behinderter; Eingliederungshilfe; Integration; Integrationsklasse; Kostenerstattung; Schulbesuch; Schulbildung; Schule; Schüler; Sozialhilfe; Stützkraft; Unterrichtshelfer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.05.2000
Aktenzeichen
13 L 549/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 42065
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eltern behinderter Kinder haben aus dem NSchG keinen Anspruch auf Übernahme oder Ersatz von Kosten, die daraus entstehen, dass schulfremde Personen (sog. Unterrichtshelfer) dem Schüler beim Schulbesuch helfen

Gründe

1

Die klagende Stadt verlangt von der beklagten Bezirksregierung auf sich übergeleitete Ansprüche der Eltern eines behinderten Kindes auf Erstattung von Kosten, die diese für eine Unterrichtshelferin ihres Kindes aufgewendet haben. Das VG wies die Klage ab, das OVG ließ die Berufung der Klägerin nicht zu.

2

Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Anspruch ergebe sich "als übergeleiteter Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag", kann ihr nicht gefolgt werden. Mit ihren Überleitungsanzeigen nach § 90 BSHG hat die Klägerin vermeintliche Ansprüche der Eltern der Schülerin L. auf sich übergeleitet, die diesen in Form der Erstattung der Kosten zustehen sollen, die sie für eine "Unterrichtshelferin" aufgewandt haben. Dieser angebliche Erstattungsanspruch kann sich gegen die Beklagte nur dann "aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag" ergeben, wenn die Eltern eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Landes Niedersachsen erfüllt hätten, als sie die "Unterrichtshelferin" beauftragten. Das war indessen nicht der Fall, so dass den Eltern keinerlei Erstattungsansprüche gegenüber der Beklagten (oder dem Land Niedersachsen) zustehen, die die Klägerin auf sich hätte überleiten können. Vielmehr hat die Klägerin mit der Übernahme der streitigen Kosten (im Schuljahr 1996/97 - 343,75 DM) eine Sozialhilfeleistung (Eingliederungshilfe für Behinderte als "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" i.S. von § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG) erbracht und die Eltern der Schülerin L. haben damit, soweit sie in Vorleistung getreten sind, ein Geschäft mit der Klägerin geführt.

3

Zu Recht geht das VG davon aus, dass den Bestimmungen des NSchG nicht entnommen werden kann, dass die Eltern behinderter Schüler Anspruch darauf hätten, dass das Land die Kosten übernimmt oder ersetzt, die dadurch entstehen, dass schulfremde Personen dem Schüler beim Schulbesuch helfen (sog. "Unterrichtshelfer", bisher auch "Stützkräfte" genannt). Eine derartige Verpflichtung ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin weder aus der Einrichtung einer sog. "Integrationsklasse" (§ 23 Abs. 4 NSchG), wie sie die Schülerin hier offenbar besucht, noch aus den Regelungen, die den Besuch von Sonderschulen betreffen (§ 4, § 14 Abs. 2, § 68 NSchG). Vielmehr ist die Frage der Tragung der Personalkosten in § 112 NSchG abschließend geregelt. "Unterrichtshelfer", wie sie vorliegend tätig geworden sind, zählen nicht zu den Mitarbeitern der Schule. Das ergibt sich bereits daraus, dass sie nicht in einem "unmittelbaren Dienstverhältnis zum Land" stehen (§ 53 Abs. 1 NSchG). Soweit die Klägerin demgegenüber meint, "mit der Genehmigung der Einrichtung einer Integrationsklasse und der Überweisung der Schülerin an eine allgemeine Schule" habe die Beklagte "die Gewähr für die erforderliche personelle Versorgung der Klasse wie auch der einzelnen Integrationsschüler übernommen", weil Voraussetzung dafür entsprechende "organisatorische, personelle und sachliche" Bedingungen seien (§ 4 und § 23 Abs. 5 Satz 2 NSchG), so trifft das nicht zu. Abgesehen davon, dass sich diese Voraussetzungen lediglich auf den pädagogischen Bereich der Schule beziehen, könnte insoweit auch der sozialhilferechtliche Anspruch aus § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG mit in den Blick genommen werden. Im Übrigen ist es nicht Sache der Eltern eines Schülers (oder der Klägerin) zu ermitteln, welche personellen Voraussetzungen bei einer integrativen Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfüllt sein müssen. Abwegig ist die Ansicht der Klägerin, auch die "pflegerische Betreuung" gehöre zu den Aufgaben der Beklagten, d.h. der Schule. In § 53 NSchG ist von einer Einzelbetreuung auch nicht die Rede. Ein Anspruch auf Stellung/Bezahlung eines "Unterrichtshelfers" ergibt sich daraus jedenfalls nicht. Das gilt auch, soweit die Klägerin auf einen "Therapeutischen Dienst zur Betreuung behinderter Schüler" an der IGS R. hinweist, wobei dahinstehen kann, ob der Schülerin (oder ihren Eltern) insoweit sonst irgendwelche Ansprüche zustehen.

4

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt der Sache auch eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass (auch bei Bestehen von sonderpädagogischem Förderbedarf i.S. von § 14 Abs. 2 NSchG) ein Anspruch darauf, beim Besuch der Schule schulfremde Personen als sog. (pädagogische) "Stützkräfte" mitzubringen, nicht besteht, da die Gestellung von Lehrkräften und anderem Schulpersonal an öffentlichen Schulen Sache des Landes Niedersachsen ist, das dafür die Kosten zu tragen hat. Lediglich in einem Falle, da nach Einlassung der Bezirksregierung Braunschweig von sog. "Integrationshelfern" für körperbehinderte Schüler die Rede war, hat der Senat einen Anspruch darauf, in Begleitung eines solchen die Schule zu besuchen, anerkannt. Mag die vorliegend in Rede stehende "Unterrichtshelferin" einem solchen auch nahe kommen, so handelt es sich bei ihr aber jedenfalls um eine schulfremde Person, die § 112 Abs. 1 NSchG nicht unterfällt und deren Zulassung, soweit es um eine pädagogische Betreuung geht, vom Senat nicht anerkannt ist. Mag für eine im Rahmen von § 41 Abs. 1 Nr. 3 BSHG tätige Person auch anderes gelten, so kann sich daraus aber nicht ein Anspruch darauf ergeben, die aus ihrer Tätigkeit entstehenden Kosten - entgegen § 113 Abs. 1 NSchG - ersetzt zu verlangen. Das bedarf nicht erst einer Klärung in einem Berufungsverfahren.