Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.05.2000, Az.: 1 L 2995/98

Baufläche; Bauleitplanung; Bauverbotszone; Befreiung; Darstellung; Deich; Deichschutz; Deichschutzzone; Flächennutzungsplan; Kennzeichnung; Planfeststellung; Widmung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.05.2000
Aktenzeichen
1 L 2995/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42058
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 2 A 1845/96

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Darstellung von Bauflächen in der landseitigen Schutzzone des Deichs nach § 16 NDG ist nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Befreiung nach § 16 Abs. 2 NDG vorliegen.
2. Eine Befreiung nach § 16 Abs. 2 NDG setzt einen atypischen Sonderfall voraus.
3. Die Bauverbotszone hinter dem Deich muss jedenfalls dann nicht als nachrichtliche Kennzeichnung in den Flächennutzungsplan aufgenommen werden, wenn der Deich nicht aufgrund einer Planfeststellung errichtet und nicht gewidmet worden ist.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die uneingeschränkte Genehmigung der von ihr beschlossenen 46. Änderung ihres Flächennutzungsplans "Ortseingang D.".

2

In seiner Sitzung am 18. April 1996 beschloss der Verwaltungsausschuss der Klägerin den Flächennutzungsplan für den Ortseingangsbereich des Ortsteils D. zu ändern sowie für das Gebiet zwei Bebauungspläne aufzustellen. Anlass waren Bemühungen eines Investors auf einer Fläche in diesem Bereich nördlich der C. Straße im Ortsteil D. ein Sea-Life-Center zu errichten. Das Grundstück grenzt im Westen an die Bebauung des Ortsteils D. an, nach Osten ist die nächste Bebauung etwa 200 m entfernt. Die südlich anschließende Bebauung liegt jenseits der C. Straße. Da sich das von dem Investor in Aussicht genommene Grundstück unmittelbar hinter dem Deich befindet, wurde diesem mitgeteilt, dass eine Ausnahmegenehmigung von § 16 NDG erforderlich sei wegen des insoweit bestehenden Anbauverbots. Auf den Antrag des Investors erteilte die Klägerin als Untere Deichbehörde mit Bescheid vom 1. April 1996 eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 16 Abs. 2 NDG, nachdem das Tiefbauamt und der Deichverband keine Bedenken wegen der Deichsicherheit vorgebracht hatten.

3

In der Zeit vom 29. April bis 30. Mai legte die Klägerin die 46. Änderung des Flächennutzungsplans öffentlich aus. Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gab der Deichverband eine Stellungnahme ab, die auf die Inanspruchnahme der 50-Meter-Schutzzone gemäß § 16 NDG nicht einging. Die Untere Deichbehörde wies in ihrer Stellungnahme vom 29. 5.1996 darauf hin, dass die deichrechtlich geltenden Nutzungs- und Änderungsverbote nach §§ 14 bis 16 NDG zu beachten seien. Das Staatliche Amt für Wasser- und Abfall in Stade machte in seiner Stellungnahme vom 21.5.1996 Bedenken gegen eine Befreiung vom Verbot des § 16 NDG geltend, weil die Voraussetzungen für eine "offenbar nicht beabsichtigte Härte" nicht vorlägen. Den entsprechenden Planungen müsse eine einwandfreie deichrechtliche Überprüfung der Einzelvorhaben vorausgehen. In ihrer Stellungnahme vom 11. Juni 1996 wies die Bezirksregierung Braunschweig darauf hin, dass hinsichtlich einer Überplanung der 50-Meter-Schutzzone des Deiches erhebliche Bedenken bestünden. Hinweise auf die 50-Meter-Schutzzone des Deiches und eine mögliche Gefährdung der Deichsicherheit wurden auch im Rahmen der Anregungen und Bedenken betroffener Bürger vorgebracht.

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In ihren Sitzungen vom 13. Juni 1996 beschlossen Verwaltungsausschuss und Rat der Klägerin über die vorgebrachten Anregungen und Bedenken der Träger öffentlicher Belange sowie betroffener Bürger zur 46. Änderung des Flächennutzungsplans. Nach ausführlicher Debatte um die Rechtmäßigkeit einer Inanspruchnahme der 50 m-Schutzzone des Deiches, wurden die Anregungen und Bedenken zurückgewiesen mit der Begründung, dass mit Bescheid vom 1. April 1996 eine Ausnahmegenehmigung nach § 16 Abs. 2 NDG erteilt worden sei, so dass sich die Bedenken für diesen Bereich erledigt hätten. Darüber hinaus sei es städtebaulich sinnvoll und erforderlich, die zukünftigen Entwicklungen für diesen Bereich planungsrechtlich zu regeln. Die Frage, ob für künftige Projektentwicklungen im Zeitpunkt ihrer Realisierung deichrechtliche Ausnahmegenehmigungen zu erteilen seien, stelle sich erst im späteren Zeitpunkt. Ziel der Bauleitplanung sei es nur, die städtebaulichen Rahmenbedingungen für spätere Objektentwicklungen zu schaffen.

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Mit Genehmigungsbescheid vom 17. September 1996 erteilte die Beklagte die Genehmigung der 46. Änderung des Flächennutzungsplans unter Ausschluss der innerhalb der 50-m-Schutzzone des Deiches liegenden als Sondergebiet ausgewiesenen Flächen. Weiterhin erteilte die Beklagte die Maßgabe, das Planzeichen für die Grenze der Schutzzone nach § 16 NDG neu zu fassen und die Grenze im gesamten Geltungsbereich der Planzeichnung darzustellen sowie die Ausführungen im Erläuterungsbericht des Flächennutzungsplans betreffend das Sea-Life-Center ersatzlos zu streichen. Zur Erläuterung verwies die Bezirksregierung darauf, dass die Inanspruchnahme der 50 m-Schutzzone des Deiches nicht möglich sei, weil die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 16 Abs. 2 NDG nicht vorlägen. Dementsprechend sei auch die von der Unteren Deichbehörde bereits für ein konkretes Projekt erteilte Ausnahmegenehmigung vom 1. April 1996 aufzuheben. Hierzu sei die Untere Deichbehörde mit Verfügung vom 12. September 1996 fachaufsichtlich angewiesen worden. Die untere Deichbehörde hat die Ausnahmegenehmigung nach § 16 Abs. 2 NDG mit Bescheid vom 5. März 1997 zurückgenommen.

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Am 16. Oktober 1996 hat die Klägerin Klage erhoben, soweit der Bescheid die teilweise Versagung der beantragten Genehmigung sowie Auflagen und Maßgaben enthält. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, die Voraussetzungen gemäß § 16 Abs. 2 NDG lägen vor. Eine "nicht beabsichtigte Härte" im Sinne der Vorschrift sei gegeben, weil das betroffene Grundstück andernfalls nicht baulich genutzt werden könne im Gegensatz zu weiteren Grundstücken in der Nachbarschaft, auf denen innerhalb der Schutzzone Baulichkeiten errichtet worden seien. Darüber hinaus werde auf dem Grundstück bereits eine Mini-Golf-Anlage mit drei Kiosk-Gebäuden betrieben. Die Deichsicherheit werde deshalb durch das Vorhaben nicht eingeschränkt, weil das Grundstück wegen der vorhandenen Baulichkeiten nicht der Deichverteidigung dienen könne. Die Freihaltung einer durchgehenden Schutzzone, wie sie vom Deichgesetz gefordert werde, könne wegen der bereits vorhandenen umfangreichen Bebauung im Ortsteil Duhnen ohnehin nicht mehr gewährleistet werden, so dass auch für die restlichen Grundstücke keine Pflicht zur Freihaltung mehr bestehe.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 17. September 1996 aufzuheben, soweit durch ihn ein Teilbereich der 46. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin von der Genehmigung ausgenommen und für diesen Bereich die Genehmigung versagt wurde und soweit die Genehmigung mit zwei Maßgaben und der Auflage Nr. 1 versehen wurde, die sich aus den deichrechtlichen Bestimmungen ergebende Grenze der 50 m-Schutzzone in der Planzeichnung darzustellen sowie die Beklagte zu verpflichten, die 46. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin auch hinsichtlich des von der Genehmigung ausgenommenen Teilbereichs sowie ohne die Maßgaben und die Auflage Nr. 1 zu genehmigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe sich mit der Frage der Deichsicherheit nicht ausreichend beschäftigt, sondern allein auf die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung gemäß § 16 Abs. 2 NDG verwiesen. Die Voraussetzungen für eine solche Genehmigung lägen indes nicht vor. Die Besonderheiten, die eine Ausnahmegenehmigung ermöglichten, bestünden für das überplante Grundstück nicht. Die Deichschutzzone müsse auch im Flächennutzungsplan gemäß § 5 Abs. 4 BauGB dargestellt werden. Dazu reiche die Aufnahme im Erläuterungsbericht nicht aus. Die Nebenbestimmungen dienten lediglich dazu, die fehlerhafte Darstellung in der Planzeichnung zu korrigieren.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Dezember 1997 der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, die 46. Änderung des Flächennutzungsplans auch hinsichtlich der von der Genehmigung ausgenommenen Teilbereiche sowie ohne die Maßgabe hinsichtlich der Ausführungen Ziffer 6 Abschnitt A im Erläuterungsbericht zu genehmigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass § 16 NDG der Aufstellung eines Flächennutzungsplans nicht entgegen stehe, weil im vorliegenden Fall die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 16 Abs. 2 NDG nicht auszuschließen sei. Einzelheiten der Frage, ob eine Befreiung gemäß § 16 Abs. 2 NDG in Betracht komme, seien den späteren Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans und zur Erteilung einer konkreten Baugenehmigung vorbehalten und müssten nicht im Rahmen der Aufstellung des Flächennutzungsplanes überprüft werden. Im Rahmen der Änderung des Flächennutzungsplanes reiche es aus, wenn die Ausnahmegenehmigung nicht von vornherein als ausgeschlossen angesehen werden müsse. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Dagegen dienten die Maßgabe zur Erläuterung der Planzeichen und die Auflage der Beklagten, die 50 m-Schutzzone in der Planzeichnung darzustellen, lediglich der Klarstellung und damit der Rechtssicherheit und verletzten daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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Dagegen richten sich die mit Beschluss des Senats vom 2. Juli 1998 zugelassenen Berufungen der Klägerin und der Beklagten.

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Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor: Eine Pflicht zur nachrichtlichen  Übernahme ergebe sich aus § 5 Abs. 4 BauGB für Planungen und Nutzungsregelungen, die nach gesetzlichen Vorschriften "festgesetzt" seien. Darunter falle jedoch nicht das Bauverbot gemäß § 16 NDG, weil dieses nicht festgesetzt sei, sondern kraft Gesetzes gelte. Einen solchen Festsetzungsakt setze jedoch § 5 Abs. 4 BauGB ebenso wie § 9 Abs. 6 BauGB voraus. Eine Analogie komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Sachlage mit der Festsetzung  durch Planungen nicht vergleichbar sei, denn der Deich sei in diesem Bereich nicht aufgrund einer Planfeststellung errichtet worden. Im Übrigen reiche der gewählte textliche Hinweis auf der Planzeichnung zur Klarstellung der Situation aus.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 18. Dezember 1997 zu ändern, soweit die Klage abgewiesen worden ist  und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 18. Dezember 1997 aufzuheben, soweit der Bescheid vom 17. September 1996 aufgehoben worden ist und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

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Zur Begründung verweist die Beklagte darauf, dass bei Aufstellung des Flächennutzungsplans geprüft werden müsse, ob eine Befreiungslage gegeben sei. Dies müsse prognostiziert werden. Diese voraus schauende Ermittlung sei unterblieben, weshalb die Abwägung der Klägerin insoweit fehlerhaft sei. Dazu müsse im Übrigen auch festgestellt werden, ob es sich bei dem Planbereich um Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB handele. Im Hinblick auf die Berufung der Klägerin sei darauf zu verweisen, dass nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 BauGB nicht die nachrichtliche Übernahme von bereits durch Gesetz und nicht durch behördlichen Akt festgelegten Nutzungsregelungen ausgeschlossen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Senat hat die Örtlichkeiten besichtigt; auf das Protokoll über die Ortsbesichtigung wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist begründet.

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Die Beklagte hat die Genehmigung der 46. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin zu Recht insoweit versagt, als damit eine Sondergebietsfläche im Bereich der 50-Meter-Deichschutzzone ausgewiesen war. Gemäß § 6 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn der Flächennutzungsplan nicht mit den gesetzlichen Anforderungen des BauGB übereinstimmt. Da die von der Beklagten beanstandeten Mängel sich nur auf einen räumlich begrenzten Teil der 46. Änderung des Flächennutzungsplans beziehen, konnte dieser Teil entsprechend § 6 Abs. 3 BauGB von der Genehmigung ausgenommen werden, um die negativen Folgen der Genehmigungsversagung zu begrenzen (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB-Komm., 6. Aufl. 1998, § 6 Rdnr. 14).

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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen für die teilweise Versagung der Genehmigung des Flächennutzungsplans gemäß § 6 Abs. 2 BauGB vor, denn der Flächennutzungsplan entspricht in dem umstrittenen Teil nicht dem Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 BauGB und den Anforderungen an eine sachgerechte Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB. Die Genehmigungsfähigkeit des Flächennutzungsplans nach § 6 Abs. 2 BauGB setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan "alle rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, um das gewollte gesamträumliche Entwicklungskonzept ohne Weiteres in den abgeleiteten verbindlichen Bebauungsplan umsetzen zu können" (BVerwG, Urt. v. 21.10.1999 - 4 C 1.99 -, ZfBR 2000, 202). An der Erforderlichkeit eines Planes mangelt es dann, wenn seiner Verwirklichung dauerhafte Hindernisse entgegen stehen (BVerwG, Beschl. v. 25.8.1997 - 4 NB 12.97 -, BSR 59 Nr. 29). Ein solches dauerhaftes Hindernis liegt hier in dem Anbauverbot gemäß § 16 Abs. 1 NDG, wonach Anlagen jeder Art in einer Entfernung bis zu 50 m von der landseitigen Grenze des Deiches nicht errichtet werden dürfen. Dabei handelt es sich im Grundsatz um eine zwingende Vorschrift, die in § 16 Abs. 2 Satz 1 NDG nur für den Fall einer unbilligen, aber vermeidbaren Härte im Einzelfall eine Ausnahme vorsieht (Lüders-Leis, NDG Komm., 1964, 16, Anm. 6). Durch den Befreiungsvorbehalt des § 16 Abs. 2 NDG ist die Möglichkeit einer entsprechenden Bauleitplanung für den Geländestreifen nicht bereits im Grundsatz ausgeschlossen. Andererseits reicht die Möglichkeit, dass vom Gesetz eine Befreiung vorgesehen ist, allein nicht aus, wenn nicht wenigstens Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im konkreten Fall eine Befreiung in Betracht kommen könnte (a.A. Hess. VGH, Beschl. v. 22.7.1999 - 4 N 1598/93 -, ZfBR 2000, 195). Die Antragstellerin hat in dem Erläuterungsbericht zur 46. Änderung des Flächennutzungsplans ausschließlich angeführt, für das konkrete Projekt, das Auslöser für die Änderung des Flächennutzungsplans war, sei bereits eine Befreiung nach § 16 Abs. 2 NDG erteilt worden und hat deshalb auf eine eigene Untersuchung der Voraussetzungen für eine Befreiungslage verzichtet. Die bereits vor der Beschlussfassung mit Bescheid vom 1. April 1996 von der unteren Deichbehörde erteilte Ausnahmegenehmigung für das in Aussicht genommene Projekt des Investors ist jedoch auf die fachaufsichtliche Weisung der oberen Deichbehörde vom 12. September 1996 mit Bescheid vom 5. März 1997 zurück genommen worden. Ihre rechtliche Wirkung für das Verfahren ist damit entfallen.

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Die Voraussetzungen für eine Befreiungslage im Sinne des § 16 Abs. 2 NDG bestehen nicht. Die Klägerin hat das Vorliegen einer Härte für die Erteilung der Befreiung für das von dem Investor ursprünglich geplante Vorhaben in diesem Gebiet im Wesentlichen mit dessen städtebaulicher Bedeutung begründet. Damit wird der Begriff der Härte im Sinne des NDG jedoch nicht erfasst. Nach der Entstehungsgeschichte des Niedersächsischen Deichgesetzes ist § 31 BBauG der Vorschrift als Vorbild zugrunde gelegt worden ebenso wie die von der Rechtsprechung dazu entwickelte Begrifflichkeit (Entwurf eines Niedersächsischen Deichgesetzes, Niedersächsischer Landtag, 4. Wahlperiode, LT-Drs. Nr. 541, S. 2885 f.). Es ist also darauf abzustellen, ob die Anwendung der Verbotsvorschrift des Abs. 1 in ungewöhnlichen, atypischen Sonderfällen zu Ungerechtigkeiten führen würde (Lüders-Leis, a.a.O., Anm. 7; OVG Lüneburg, Urt. v. 14.1.1993 - 3 L 162/90 -). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 31 Abs. 2 BBauG liegt eine Befreiungslage nur vor, wenn es sich um einen dem Schutzgut der Norm entzogenen Sonderfall handelt, in dem die Anwendung der Norm zu einem Ergebnis führen würde, das nach der gesetzlichen Regelung nicht beabsichtigt ist und eine vernünftige Bebauung erschwert (BVerwG, Urt. v. 14.7.1972 - IV C 69.70 -, BVerwGE 40, 268; Urt. v. 20.6.1975 - IV C 5.74 -, DVBl. 1995, 895; Urt. v. 5.5.1976 - IV C 83.74 -, DVBl. 1976, 788; Beschl. v. 6.7.1977 - IV B 53.77 -, Buchholz 406.11 § 31 BBauG Nr. 15). Um diesen atypischen Fall feststellen zu können, ist die Bestimmung des Schutzgutes der Norm notwendig. Das ist hier die Deichsicherung. Die Freihaltung eines breiten Geländestreifens ist zur Verteidigung und Sicherung des Deiches in Gefahrenfällen bei Sturmflut, Grundbrüchen oder Bauarbeiten größeren Umfangs erforderlich oder auch für etwaige weitere Deichverstärkungen oder mögliche Deichverlegungen, weil nach den Erfahrungen der mit der Deichsicherheit befassten Stellen Anlagen in dieser Zone für die Deichsicherheit hinderlich sind oder werden können (Lüders-Leis, a.a.O., Anm. 2). Dementsprechend stützt sich diese Vorschrift auf Vorgängerregelungen des Deichgesetzes, die offensichtlich ebenfalls immer einen von Bebauung freien Geländestreifen hinter dem Deich (landseitig) vorsahen (vgl. Entwurf eines Niedersächsischen Deichgesetzes, a.a.O., S. 2885).

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Die Situation "hinter" dem Deich im Bereich der umstrittenen Änderung des Flächennutzungsplans weicht nicht so wesentlich von der typischen Gefahrenlage ab, die den Gesetzgeber veranlasst hat mit § 16 NDG eine Schutzzone von 50 m auf der landseitigen Seite des Deiches vorzuschreiben. Die Überlegungen der Klägerin, es stelle eine wirtschaftlich unzumutbare Härte dar, wenn der Bereich der 46. Änderung des Flächennutzungsplans nicht entsprechend seinem natürlichen Lagevorteil und der westlichen Nachbarschaft genutzt werden dürfe, greifen nicht durch. Zwar trifft es zu, dass die Bebauung von Duhnen in unmittelbarer Nachbarschaft bis auf 25 m bis 15 m an den Deich heranreicht, jedoch ist der hier umstrittene Bereich nicht mehr der im Zusammenhang bebauten Ortslage zuzurechnen.

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Nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung, der das sich aus den Plänen ergebende Bild bestätigte, endet der Bebauungszusammenhang westlich des umstrittenen Geländes mit dem letzten dort stehenden Wohngebäude. Selbst wenn die an der westlichen Grenze des Minigolfplatzes vorhandenen Kioskbauten dem Bebauungszusammenhang noch zuzurechnen sind, gehören jedenfalls die Freiflächen des Minigolfplatzes dem Außenbereich an, weil er wegen seiner Größe und der nach Osten anschließenden unbebauten Flächen nicht mehr von der Bebauung geprägt ist. Die Bebauung südlich der Cuxhavener Straße wirkt sich auf diesen parkartig mit Bäumen und Baumgruppen bewachsenen nach Osten in Wald übergehenden Geländestreifen nicht mehr aus, weil die Straße insoweit als Zäsur erscheint. Die in der 46. Änderung des Flächennutzungsplans dargestellte Sondergebietsfläche ist daher, wenn nicht in vollem Umfang, so jedenfalls im wesentlichen dem Außenbereich zuzuordnen. Diese Zuordnung entkräftet das Argument der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, weil Außenbereichsflächen einer Bebauung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zugänglich sind und öffentliche Belange demgegenüber ein ganz anderes Gewicht erlangen.

27

Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, wie sich die bereits vorhandene Bebauung, die nahe an den Deich heranrückt, auf Deichsicherheit und Deichverteidigung auswirkt. Das Argument, zwischen der Bebauung im Westen und dem Wald im Osten bleibe für die Deichverteidigung nur noch ein kleiner Geländestreifen, auf den es "auch nicht mehr ankomme" geht fehl, denn gerade weil nach Westen und Osten die Deichverteidigung eingeschränkt ist, ist der hier verbliebene Abschnitt umso wichtiger, weil von hier aus Maßnahmen zur Deichverstärkung etc. vorgenommen werden können.

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Der Klägerin ist einzuräumen, dass die dem Deich vorgelagerte Sanddüne die Deichsicherheit erhöht, weil sie, wie die Klägerin treffend formuliert, die ersten Angriffe einer Sturmflut abfedert. Dementsprechend hat die Düne im hier maßgeblichen Bereich bei den Sturmfluten des Jahres 1976 den Deich wirksam geschützt. Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, dass natürliche Bodenformationen wie die Düne, auch wenn sie von den zuständigen Behörden "gehegt und gepflegt" werden, Veränderungen durch die Naturgewalten unterliegen und deshalb den Schutz durch den Deich nicht entbehrlich machen.

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Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführten städtebaulichen Belange zur Förderung der Attraktivität des Standortes Duhnen als Kurort sind im Gegensatz zu den "schutzgutbezogenen" Erwägungen nicht geeignet, die Atypik der Lage für den Fall einer Befreiung zu begründen. Das gilt auch für die derzeit vorhandene - teilweise - Nutzung des Geländes als Minigolfplatz mit drei Kioskbauten. Abgesehen davon, dass diese baulichen Anlagen im Falle ihrer festgestellten Rechtswidrigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Deichsicherheit, mit relativ wenig Aufwand beseitigt werden könnten, sind diese Anlagen auch von ihrer Masse her bereits derzeit nicht geeignet, die Nutzung der Fläche für Belange der Deichsicherheit und Deichverteidigung vollkommen auszuschließen, wie dies jedoch angesichts einer massiven Bebauung, wie sie geplant werden soll, der Fall wäre.

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Nach alledem kann nicht von einer Befreiungslage nach § 16 Abs. 2 NDG ausgegangen werden, so dass die 46. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin hier nicht erforderlich ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, weil die umstrittene Darstellung Sondergebiet Kureinrichtungen keine Verwirklichungschance hat.

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Abgesehen davon wird die 46. Flächennutzungsplanänderung den Anforderungen des § 1 Abs. 6 BauGB bezüglich der Abwägung nicht gerecht. In die Abwägung sind alle Belange einzustellen, dazu gehört hier auch die 50-m-Schutzzone nach § 16 Abs. 1 NDG. In der Abwägungsentscheidung sind Hochwassergefahren und die Schutzmöglichkeiten in den Gebieten, für die sie relevant sind, mit größter Sorgfalt zu berücksichtigen. Dazu gehört, dass bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials gegebenenfalls unter Beteiligung von Sachverständigen ermittelt wird, welche Maßnahmen insoweit notwendig sind (Lüers, UPR 1996, 241, 242; BVerwG, Beschl. v. 14.8.1989 - 4 NB 24.88 -, BRS 49 Nr. 22; OVG Rhl.-Pf., Urt. v. 17.10.1990 - 10 C 10230/90 -, BRS 50 Nr. 40). Ein Abwägungsfehler liegt vor, wenn von Anfang an feststeht, dass mit der Verwirklichung der im Plan gewollten Darstellungen nicht gerechnet werden kann (BVerwG, Urt. v. 6.5.1993 - 4 C 15.91 -, BRS 55 Nr. 36). Der Rat der Klägerin ist in der Abwägung der eingegangenen Anregungen und Bedenken nur auf die zu diesem Zeitpunkt bereits erteilte Befreiung eingegangen. Nicht erwogen wurde dagegen die Situation, dass keine Befreiung möglich wäre oder aber welche Voraussetzungen im Einzelnen hier zu einer Befreiung führen könnten. Nicht angesprochen wurde weiterhin, dass die bereits erteilte Befreiung sich nur auf ein konkretes Objekt bezog, das zwar den Auslöser für die Planung überhaupt bildete, das jedoch nicht ausschließlich die Fläche in Anspruch nehmen sollte. Die als Sondergebiet Kureinrichtungen ausgewiesene Fläche sollte daneben - nach dem Erläuterungsbericht - auch für die Kureinrichtungen der Gemeinde dienen. Insoweit war zum Zeitpunkt der Aufstellung des Flächennutzungsplans weder eine Befreiung nach § 16 Abs. 2 NDG beantragt noch erteilt. Die Voraussetzungen der Befreiungslage für entsprechende Objekte waren nicht Gegenstand der Debatten über Anregungen und Bedenken. Diese wurden vielmehr ausschließlich im Hinblick auf die bereits durch die untere Deichbehörde erteilte Befreiung als erledigt betrachtet.  Mit der Aufhebung des Befreiungsbescheides ist diese Lage entfallen, so dass von einem Abwägungsdefizit insoweit auszugehen ist. Ein Fehler im Abwägungsvorgang unterliegt der Rechtskontrolle der Aufsichtsbehörde und ist deshalb zu Recht von dieser beanstandet worden.

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Auch die Berufung der Klägerin ist begründet.

33

Der Genehmigungsbescheid der Beklagten ist rechtswidrig, soweit er die Maßgabe enthält, die Deichschutzzone nach § 16 NDG nachrichtlich in den Plan zu übernehmen. Eine Nebenbestimmung zu der Genehmigung nach § 6 BauGB ist nur zulässig, soweit sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die von der Beklagten in den Genehmigungsbescheid vom 17. September 1996 aufgenommenen Maßgaben und die Auflage Nr. 1 sind mit Ausnahme der Maßgabe betreffend die Ausführungen im Erläuterungsbericht zu Ziffer 6 Abschnitt A nördlicher Planbereich nicht gerechtfertigt.

34

Im Flächennutzungsplan sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB die beabsichtigten Bodennutzungen darzustellen. Diese Darstellung muss sich aus dem Plan ergeben. Eine zeichnerische Darstellung ist dem Wortlaut des Gesetzes nach nicht eindeutig vorgeschrieben, ist aber zur notwendigen Planklarheit i.d.R. unerlässlich (Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 5 Rdnr. 17; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl. 1999, § 5 Rdnr. 9 b). In der zeichnerischen Darstellung des Plans fehlt die Angabe der nach § 16 Abs. 1 NDG geforderten Schutzzone von 50 m hinter dem Deich, so dass die sich aus dem Gesetz ergebende Einschränkung der Bodennutzung aus der Planzeichnung heraus nicht erkennbar ist. Die Darstellungen des Plans sind aber einer konkretisierenden Auslegung zugänglich. Insoweit kann auch auf den Erläuterungsbericht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urt. v. 18.2.1994 - 4 C 4.92 -, BRS 56, 2; OVG Berlin, Urt. v. 4.2.1994 - 2 B 2/91 -, BRS 56, 80).

35

Die nachrichtliche Übernahme der Deichschutzzone nach § 16 Abs. 1 NDG kann von der Beklagten nicht durchgesetzt werden unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Diese Regelung ist zwar als zwingende Vorschrift auszulegen (Battis/Krautzberger/Löhr aaO, Rdn. 44), deren Sinn in der Koordinierungsfunktion des Flächennutzungsplans und der Orientierungsfunktion für die geplante Weiterentwicklung der Gemeinde liegt. § 5 Abs. 4 Satz 1 BauGB bezieht sich aber nur auf festgesetzte Planungen und Nutzungsregelungen, nicht auch auf gesetzliche Nutzungsregelungen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der zwischen "Planungen und sonstigen Nutzungsregelungen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften festgesetzt sind ..." und "nach Landesrecht denkmalgeschützten Mehrheiten von baulichen Anlagen ..." unterscheidet. Letzteres wurde vom Gesetzgeber erst in die Vorschrift aufgenommen, nachdem die Rechtsprechung der §§ 5 Abs. 4 und 9 Abs. 6 BBauG/BauGB für die Darstellung von Baudenkmalen, die "nur" nachrichtlich in Denkmallisten aufgenommen waren, für unanwendbar angesehen hat (OVG Lüneburg, Urt. v. 19.12.1979 - 6 OVG C 13/77 -, DÖV 1980, 837 [OVG Niedersachsen 19.12.1979 - 6 C 13/77]). Der Gesetzgeber hielt danach die ausdrückliche Erweiterung der Vorschrift auf Objekte des Denkmalschutzes für geboten, weil diese mangels einer "Festsetzung" im Sinne der §§ 5 Abs. 4, 9 Abs. 6 BauGB anderenfalls nicht von der dort normierten Übernahmepflicht erfasst wären (vgl. BT-Drucks. 10/4630 S. 73 zu § 9 Abs. 6). Damit ist vom Gesetzgeber selbst klargestellt, dass eine erweiternde Auslegung - über den engen Wortlaut hinaus - ausdrücklich nicht gewollt ist. Die nicht auf behördlichem Festsetzungsakt beruhenden Nutzungsregelungen unterliegen damit nicht der Pflicht zu nachrichtlicher Darstellung. Ob anderes zu gelten hat, wenn der Deich aufgrund eines Planfeststellungsverfahrens nach § 12 NDG errichtet worden ist, oder nach § 3 Abs. 1 NDG gewidmet worden ist, kann hier offen bleiben. Auch wenn es sich bei der Deichschutzzone nach § 16 NDG um eine gesetzliche Nutzungsregelung handelt, kann sie nur aufgrund einer konstitutiven Festsetzung des Deiches (Planfeststellung oder Widmung) in die Örtlichkeit übertragen werden, was im Sinne einer festgesetzten Nutzungsregelung verstanden werden könnte (vgl. Gierke in Brügelmann, BauGB, Stand Jan. 2000, § 9 Rdn. 652 zu Baubeschränkungszonen an Bundesfernstraßen). Da der Deich in dem hier betroffenen Abschnitt weder aufgrund einer Planfeststellung errichtet worden ist, noch gewidmet worden ist, fehlt auch eine "mittelbare" Festsetzung der Deichschutzzone. Die - daneben bestehende - Möglichkeit einer Darstellung gemäß § 5 Abs. 2 BauGB im Flächennutzungsplan ist davon unabhängig, aber der Entscheidung der Gemeinde überlassen. Sie kann nicht von der Aufsichtsbehörde durchgesetzt werden. Fehlt es an einem Rechtsverstoß gegen die aus § 5 Abs. 4 BauGB folgende Pflicht, durfte die Beklagte eine entsprechende Maßgabe in den Genehmigungsbescheid nicht aufnehmen. Die entsprechende Maßgabe sowie die damit zusammenhängende Auflage Nr. 1 aus dem Genehmigungsbescheid sind dementsprechend rechtswidrig und der Bescheid insoweit aufzuheben.

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Die weitere Maßgabe, den Abschnitt der Erläuterungen betreffend die Ausweisung Sondergebiet innerhalb der 50-m-Deichschutzzone aus den Erläuterungen heraus zu nehmen, ist gerechtfertigt, da sich diese Erläuterungen nur auf die Festsetzung beziehen, die von der Genehmigung ausgenommen wurde und somit nunmehr gegenstandslos sind. Die Berufung der Klägerin ist dementsprechend insoweit zurückzuweisen.

Sonstiger Langtext

37

B e s c h l u s s

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Der Streitwert wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.