Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.05.2000, Az.: 1 M 1565/00

Begründungsfrist; Dach; Farbe; örtliche Bauvorschrift

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.05.2000
Aktenzeichen
1 M 1565/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41563
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 2 B 232/00

Gründe

1

Mit der angegriffenen (zweiten) Verfügung vom 15. Februar 2000 verbot der Antragsgegner dem Antragsteller unter Hinweis auf eine örtliche Bauvorschrift der Beigeladenen, sein Dach weiterhin mit blauen/anthrazitfarbenen Dachziegeln zu decken. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt. Darin hat es im wesentlichen ausgeführt, gegen die Gültigkeit der örtlichen Bauvorschrift bestünden durchgreifende Bedenken nicht. Diese Art der Bauausführung habe der Antragsgegner im Bauschein vom 5. August 1999 nicht genehmigt. Die nunmehr erlassene Verfügung sei auch verhältnismäßig.

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Dagegen richtet sich der rechtzeitig gestellte, allein auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel gestützte Zulassungsantrag. Dieser hat keinen Erfolg.

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Ernstliche Zweifel im Sinne des §124 Abs. 2 Nr. 1 (i.V.m. § 146 Abs. 4) VwGO liegen nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. Beschl. vom 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431) erst dann vor, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - allein dies ist ausschlaggebend und nicht einzelne Begründungselemente - "die besseren Gründe sprechen", d.h. wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Dies ist nicht der Fall.

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Zu den ersten beiden, gegen die Gültigkeit der örtlichen Bauvorschriften der Beigeladenen vom 15. Juli 1994 gerichteten Zulassungsangriffen ist Folgendes auszuführen:

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Nach § 56 Abs. 1 NBauVO dürfen Gemeinden auch über die Anforderungen der §§ 14, 49 und 53 NBauO hinaus für bestimmte Teile ihres Gebietes örtliche Bauvorschriften erlassen, um bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu verwirklichen oder um die Eigenart oder den Eindruck von Baudenkmalen zu erhalten oder hervorzuheben. Dazu dürfen sie namentlich besondere Anforderungen an die Gestaltung von Gebäuden stellen, insbesondere an Farben der von außen sichtbaren Bauteile sowie für die Neigung der Dächer einen Rahmen setzen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts (S. 4 Mitte BA) ergibt sich aus § 97 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 NBauO, dass die hierfür bestimmenden Erwägungen entsprechend § 9 Abs. 8 BauGB in einer Begründung niederzulegen sind. Die vom Verwaltungsgericht (a.a.O.) zitierte Entscheidung des Senats vom 12. Februar 1982 (- 1OVG A 231/80 -, NJW 1982, 2012; vgl. dort insbesondere rechte Spalte Mitte) bezieht sich auf die Bauordnung des Landes Schleswig-Holstein. Diese sah - anders als schon seinerzeit die Niedersächsische Bauordnung - eine Begründungspflicht nicht vor. Diese dient vor allem dem Zweck, eine Überprüfung zu erleichtern. Diese Begründung darf sich jedoch auf die zentralen Regelungen der örtlichen Bauvorschrift beschränken und muss nicht zu jeder möglicherweise einmalig strittig werdenden Frage etwas aussagen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.11.1992 - 4 NB 28.92 -, BRS 54 Nr. 111 = NVwZ-RR 1993, 286 = DVBl. 1993, 116, 117 m.w.N.). Diesen Anforderungen werden die Erläuterungen, welche die Beigeladene unter Ordnungspunkt VIII. ihrer Begründung zum Bebauungsplan Nr. 36 "Wiesenweg" mit örtlicher Bauvorschrift über Gestaltung gegeben hat, - noch - gerecht. Danach verfolgte die Beigeladene mit der örtlichen Bauvorschrift insbesondere das Ziel, die Einbindung des neuen Baugebiets in die Landschaft zu gewährleisten und ihm einen Rahmen zu geben. Weil prägendes Element in der Ortschaft W. das Satteldach sei, seien diese und entsprechende Dachformen nebst besondere Anforderungen an die Dachgauben, die Traufhöhe und das Dachmaterial festgesetzt worden. Aus diesen - recht knappen - Ausführungen ergibt sich noch hinreichend folgender Zweck der örtlichen Bauvorschrift über Gestaltung: Das bislang zu etwa 85 v.H. unbebaute Plangelände soll als ein nach außen erkennbar in sich geschlossenes Gebilde in den Außenbereich hinein verwirklicht werden. Aus diesem Grunde werden in Anknüpfung an die in anderen Teilen des Gemeindegebiets vorhandenen Dachformen - nur - drei verschiedene Dachformen zugelassen. Dadurch wird ein geschlossenes, gegen den Außenbereich städtebaulich besonders gestaltetes Gebilde geschaffen. Maßgebliches Stilelement sollen dabei die Dächer sein. Deren Funktion wird nicht nur durch die Form und die Festsetzung der Traufhöhe, sondern auch durch die Bestimmung eines Rahmens hervorgehoben, der für die Farbgestaltung gelten soll.

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Es sprechen die besseren Gründe für die Annahme, die insoweit getroffenen Regelungen der Beigeladenen hielten sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 56 NBauO und wahrten in mehrfacher Hinsicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Entgegen der Annahme des Antragstellers entspricht es grundsätzlich gerade nicht dem Sinn des § 56 NBauO, gleichsam flächendeckend für das gesamte Gemeindegebiet eine örtliche Bauvorschrift zu erlassen. Dies ist vielmehr nur für bestimmte Teile des Gemeindegebiets vorgesehen. Sollen nach außen abgegrenzte Teile (z.B. der zentrale Innenstadtbereich) zusammen mit einem darüber hinaus reichenden Bereich einer einheitlichen örtlichen Bauvorschrift unterworfen werden, so bedarf dies - im Gegenteil - besonderer Rechtfertigung (vgl. dazu Senatsurt. v. 12.5.1993 - 1 K 67/91 -, NVwZ-RR 1994, 136, 137 für den "weiteren Innenstadtbereich" von Duderstadt). Die Beigeladene hat - gerade im Interesse der Grundstückseigentümer - den Rahmen der zulässigen Farben dabei vergleichsweise weit bestimmt und lässt ihn immerhin von rot über rotbraun bis kastanienbraun reichen. Vorschriften zum Material der Dachbedeckung werden überhaupt nicht gemacht und dadurch weitergehende Einschränkungen der Grundstückseigentümer vermieden. Die Beigeladene hat sich des Weiteren darauf beschränkt, die Abgrenzung des neuen Baugebiets vom Außenbereich optisch allein durch Dachformen und -farben nebst Festsetzung der Traufhöhe sichtbar werden zu lassen. Weitergehende Anforderungen an die Farbe der Mauern hat sie nicht gestellt und damit ebenfalls einen Kompromiss dem Willen zur Gestaltungsfreiheit des Grundstückseigentümers und ihren Absichten zur Herstellung eines jedenfalls in Teilen homogenen Gebildes, welches sich in den Außenbereich hinentwickelt, gefunden. Der Umstand allein, dass in anderen Teilen des Gemeindegebiets andere Dachformen und -farben vorhanden sind, ist für die Gestaltung dieses Baugebiets nicht von ausschlaggebender Bedeutung; denn die örtliche Bauvorschrift hat sich nach dem Wortlaut des § 56 NBauO (grundsätzlich) auf bestimmte Teile des Gemeindegebietes zu beschränken. Soweit innerhalb dieses Baugebietes Gebäude bereits stehen, welche eine andere Dachfarbe aufweisen, hinderte dies die Beigeladene an der Festsetzung der örtlichen Bauvorschrift nicht. Es ist regelmäßig so, dass vorhandene Bausubstanz "Einbrüche" in die baugestalterischen Festsetzungen darstellen, ohne dass deswegen eine planende Gemeinde gehindert wäre, noch Schützenswertes durch eine örtliche Bauvorschrift abzusichern bzw. mit Blick auf die Zukunft langfristig gesehen auch durchsetzen zu können (vgl. Senatsurt. v. 12.5.1993, a.a.O.). Dementsprechend ist unerheblich, dass - nur - zwei Gebäude im Bereich der streitigen örtlichen Bauvorschrift in anderer Weise gedeckt worden sind. Über 90 v.H. der übrigen Gebäude dieses Baugebiets werden daher in Übereinstimmung mit der örtlichen Bauvorschrift gedeckt werden. Das reicht in jedem Fall aus.

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Der dritte Zulassungsangriff führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Beschwerde. es sprechen die besseren Gründe für das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis, der Antragsgegner habe mit seinem Bauschein vom 5. August 1999 diese Art der Bauausführung nicht genehmigt. Der Bauschein vom 5. August 1999 enthält keine Ausführungen zur Farbe der Dachziegel. Es bestand auch kein Anlass, in Anwendung von § 56 Abs.2 NBauO eine Ausnahme zu erteilen. die dem Bauantrag beigefügte Baubeschreibung (S. 2) enthält lediglich Angaben zu Neigung, Konstruktion, Dachsteinart, Isolierung und Innenverkleidung des Daches, nicht jedoch zu seiner Farbe (vgl. Bl. 23 der Beiakte A). Der erst nach entsprechender Aufforderung (vgl. Bl. 39 R und 41 R der Beiakte A) gestellte Antrag auf Befreiung von Bauvorschriften (Bl. 55 f. der Beiakte A) bezieht sich nicht auf die Farbe der Dacheindeckung, sondern allein darauf, ob der Wintergarten mit einer Pfanneneindeckung versehen werden müsse. Das auf S. 3 der Zulassungsantragsschrift aufgeführte Zitat ist ersichtlich unvollständig. Die entsprechenden Ausführungen erhalten ihren Sinn erst durch die ergänzenden Darlegungen, welche der Antragsteller auf der Rückseite des Befreiungsantrages (Bl. 55 R Beiakte A) sowie der begleitenden Zeichnung (Bl.56 der Beiakte A) gemacht hat. Auf der Zeichnung werden die Farben der Pfannen nicht angegeben. Im Begründungstext wird im wesentlichen allein auf den geplanten Wintergarten abgestellt, der seiner Eigenart nach nicht mit Pfannen gedeckt werden könne. Nur zur Begründung dieses Antrages wird nicht nur auf Wintergärten in der näheren Umgebung, sondern auf ebenfalls anders gedeckte Dächer in unmittelbarer Nähe verwiesen. Dieses Begründungselement rechtfertigt die Annahme nicht, es habe zugleich die Befreiung für die Deckung des "Hauptdaches" beantragt werden sollen. Dazu hätten die Angaben auch gar nicht ausgereicht. Nach § 56 Abs. 2 NBauO können Ausnahmen von der örtlichen Bauvorschrift nur dann zugelassen werden, wenn die städtebaulichen, baugestalterischen oder ökologischen Zielsetzungen nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

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Das kann nur dann beurteilt werden, wenn der Antragsteller die Farbe der Betondachsteine näher angegeben hätte. Eine "Passepartout"-Befreiung, d.h. eine Befreiung für jedwede von der örtlichen Bauvorschrift abweichende Dacheindeckung, ist mit Sinn und Zweck sowie Wortlaut des § 56 Abs. 2 NBauO nicht zu vereinbaren. Insofern hat das Verwaltungsgericht zutreffend den eigenen Vortrag des Antragstellers (vgl. insbesondere S. 3 unten der Eilantragsschrift vom 22.2.2000) herangezogen, wonach der Antragsteller seinerzeit konkrete Vorstellungen über die Dacheindeckung nicht hatte. Auch das schließt die Annahme eines Befreiungsantrages aus, der auf diese Art der Dacheindeckung mit  blauen/anthrazitfarbenen Betonsteinen gerichtet gewesen wäre.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sich diese nicht geäußert hat. Im übrigen lässt sie die örtliche Bauvorschrift nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht Lüneburg im übertragenen Wirkungskreis und wird daher durch die angegriffene Maßnahme in ihren Rechten nicht unmittelbar betroffen.

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Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert ist entsprechend § 25 Abs. 2 Satz 2GKG zu korrigieren. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 11 c der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 6. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Nds. VBl. 1995, 80) ist der Streitwert für das Eilverfahren auf ein Viertel des Nutzungsverbotes festzusetzen. Hier ist zu beachten, dass das Verbot, die Dachflächen des Vorhabens des Antragstellers mit blauen/anthrazitfarbenen Betonziegeln zu decken, mit ganz erheblichen Gebrauchseinbußen für das Gebäude einhergeht. Dem Antragsteller wird nichts anderes übrig bleiben, als mit beträchtlichen Kosten die zum teil verwirklichte Dacheindeckung vollständig entfernen zu lassen und unter Anlieferung neuer Betondachsteine das Dach komplett neu decken zu lasen. Dieses Interesse schätz der Senat für das Hauptsacheverfahren mit 12.000,-- DM. Die Hälfte ist für das Eilverfahren anzunehmen.