Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.05.2000, Az.: 11 L 1788/99
Abschiebungsschutz; Ausländerbehörde Zuständigkeit; Bundesamt Zuständigkeit; inlandsbezogen Abschiebungshindernis; Krankheit; zielstaatsbezogen Abschiebungshindernis
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.05.2000
- Aktenzeichen
- 11 L 1788/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41834
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 5 A 795/98
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 AuslG
Gründe
Das Verwaltungsgericht hat dem im Januar 1998 im Bundesgebiet geborenen Kläger, einem türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, dessen Asylantrag ebenso wie mehrere Asylanträge seiner Eltern ohne Erfolg geblieben ist, auf seinen Asylfolgeantrag hin mit dem angefochtenen Urteil Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG mit der Begründung zugebilligt, aufgrund der Aussage des als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. med. K. sei davon auszugehen, dass der Kläger, der seit seiner Geburt akute Darmprobleme habe, die - auch in lebensbedrohender Weise - durch eine Abschiebung in die Türkei verschlechtert werden könnten.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, der beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte unterstützt den Standpunkt des Bundesbeauftragten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung des Bundesbeauftragten durch Beschluss nach § 130 a VwGO. Der dem Kläger vom Verwaltungsgericht zugebilligte Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerspricht Bundesrecht (vgl. dazu zuletzt Urt. d. BVerwG v. 21.9.1999 - 9 C 8/99 - NVwZ 2000, 206 f.). Der Senat hält daher die Berufung des Bundesbeauftragten einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 4. April 2000 machte eine erneute Anhörung des Klägers nach § 130 a VwGO nicht erforderlich, da er keine Beweisanträge beinhaltet und nur die bisherige Rechtsauffassung bekräftigt.
Auf die Berufung des Bundesbeauftragten ist die Klage des Klägers, soweit ihr stattgegeben worden ist, unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Aussage des von ihm vernommenen sachverständigen Zeugen Dr. med. Kampmann dahin gewertet, bei einer Rückführung des Klägers in die Türkei sei mit einer wesentlichen oder sogar lebensbedrohenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers zu rechnen, das stelle ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis dar. Diese Wertung verkennt, dass der sachverständige Zeuge bei jeder Veränderung der hygienischen Verhältnisse derartige Verschlechterungen befürchtet hat, ohne entscheidend auf medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei abzustellen. Bei solcher Sachlage ist für die Gefahr zusätzlicher Gesundheitsgefährdungen aber nicht die Abschiebung in ein bestimmtes Land ausschlaggebend, sondern überhaupt die Veränderung der hygienischen Verhältnisse, die bei jeder Wohnsitzverlagerung - einerlei, in welches Land - eintreten würde. Krankheitsbedingte Gefahren, die sich allein als Folge der Abschiebung und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ergeben können, sind aber nicht vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Asylverfahren, sondern von der Ausländerbehörde im Vollstreckungsverfahren zu prüfen (vgl. Urteil des BVerwG, a.a.O.). Dem hält der Kläger zu Unrecht entgegen, in seinem Fall sei realistischerweise nur eine Abschiebung in die Türkei in Betracht zu ziehen. Denn dieses Argument ändert nichts daran, dass es sich vorliegend um etwaige allein von der Ausländerbehörde zu berücksichtigende Vollstreckungshindernisse handelt, bei deren Beurteilung die Ausländerbehörde auch die zwischenzeitlichen medizinischen Stellungnahmen zur gesundheitlichen Entwicklung des Klägers zu berücksichtigen haben wird.