Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.05.2000, Az.: 1 M 1287/00

Ausgleichsbetrag; Bodenwerterhöhung Sanierung; Modell Niedersachsen Sanierung; nicht abgeschlossene Sanierung; Schätzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.05.2000
Aktenzeichen
1 M 1287/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41560
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 2 B 9/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das "Modell Niedersachsen" ist ein zulässiges Verfahren zur Berechnung der Bodenwerterhöhungen aus Anlass der Sanierung.

2. Zum Abschlag wegen nicht vollständigen Abschlusses der Sanierung.

3. Zur teilweisen Aussetzung des Ausgleichsbetrages wegen teilweiser Erfolgsaussichten.

Gründe

1

Die Antragsteller, die Eigentümer des Grundstückes G.straße 1 (Flurstück 13/1 der Flur 13) in U. sind, suchen um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Festsetzung des Ausgleichsbetrages in Höhe von 70.980,-- DM nach. Das Verwaltungsgericht hat den Antragstellern mit Beschluss vom 21. März 2000, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, vorläufigen Rechtsschutz gewährt, soweit ein höherer Betrag als 64.000,-- DM festgesetzt worden ist.

2

Der Zulassungsantrag der Antragsteller hat keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang Fragen von grundsätzlicher Bedeutung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes klärungsfähig sind (vgl. Bader, VwGO, 1999, § 146 Rdn. 20 m.w.N.). In der Rechtsprechung des Senates ist geklärt, dass die als "Modell Niedersachsen" bekannt gewordene in mehreren Bundesländern verwendete Berechnungsmethode, die als additive Methode der Bodenwerterhöhung in einem sogenannten Komponentenverfahren charakterisiert werden kann, anerkannt ist (Urt. v. 24.1.1992 - 1 L 46/90 -; Urt. v. 17.1.1997 - 1 L 1218/95 -, BRS 59 Nr. 250; Beschl. v. 13.3.1997 - 1 M 4892/96 -, BRS 59 Nr. 249; Urt. v. 17.4.1997 - 1 L 6618/95 -). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt der Zulassungsantrag keine Argumente auf, die die Anwendung des Modells Niedersachsen grundsätzlich in Frage stellen. Der Einwand der Antragsteller, das Modell Niedersachsen zähle zu den Methoden, die nicht auf ortsspezifischen Untersuchungen beruhen, greift nicht, weil die Einordnung der städtebaulichen Missstände und der städtebaulichen Maßnahmen in die vorgegebenen Klassifikationsrahmen nur aufgrund örtlicher Untersuchungen möglich ist. Soweit die Antragsteller eine konkrete Berechnungsmethode vermissen, übersehen sie, dass das Modell auf einer statistischen Abhängigkeit der prozentualen Bodenwerterhöhung vom Anfangswertniveau und den Klassifikationsparametern beruht, die nach einer hohen Zahl von Daten empirisch ermittelt worden ist (vgl. Kannengießer/Bodenstein, ZfV 1989, 529). Auch der Hinweis, dass der Klassifikationsrahmen als unterste Stufe der städtebaulichen Maßnahmen beim Komplex Bebauung in Klasse 1 nur die Durchführung "einzelner Maßnahmen" vorsehe und damit den Fall nicht erfasse, dass keinerlei städtebauliche Maßnahme durchgeführt worden ist, gibt keinen Anlass das Verfahren grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Abgesehen davon, dass sich die Klassifikationsparameter nicht auf das einzelne Grundstück beziehen, sondern auf die nähere Umgebung (vgl. Kannengießer/Bodenstein, a.a.O., S. 530), wirkt sich die Bewertung mit einen Punkt mehr oder weniger bei insgesamt vier Komplexen mit je zehn Klassen nur marginal aus. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen - unabhängig von der Frage der Systemgerechtigkeit - den Bedenken der Antragsteller mit dem Ansatz von null Punkten Rechnung getragen.

3

Die "verhältnismäßig schlichte Erfassung einzelner Kriterien" gibt keinen Anlass zu Zweifeln an der Methode der Bewertung der Wertveränderung, sondern erleichtert nach der langjährigen Erfahrung des Senates die Handhabung. Inwiefern das Berechnungsmodell der Bewertung sanierungsbedingter Bodenwerterhöhungen gewerblich genutzter Grundstücke nicht gerecht wird, legt der Zulassungsantrag nicht hinreichend dar. Entsprechendes gilt für die Berücksichtigung von Alternativmodellen zur Wertermittlung. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Gutachterausschuss unter Nr. 3.3.2 seines Gutachtens dargelegt hat, das Kaufpreise von Vergleichsgrundstücken nicht zur Verfügung standen. Dass die in der WertV vorgesehenen Methoden nicht abschließend sind, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden (BVerwG, Beschl. v. 16.1.1996 - 4 B 69.95 -, BRS 58 Nr. 243).

4

Der Zulassungsantrag legt auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (dazu Beschluss des Senats vom 31.7.1998 - 1 L 2698/98 -, NVwZ 1999, 431). Es trifft zwar zu, dass das Verwaltungsgericht den "Abschlag von 1 %" wegen des noch nicht vollständigen Abschlusses der Sanierungsmaßnahmen nicht näher begründet hat. Das ist aber unschädlich, weil sich das Verwaltungsgericht insoweit auf das Gutachten des Gutachterausschusses stützen konnte, das "wegen der Wartezeit bis zum Abschluss aller vorgesehenen Maßnahmen" die Bodenwerterhöhung bezogen auf den Anfangswert von 16 % auf 15 % und damit die Bodenwertsteigerung von 139,-- DM/m² auf 130,-- DM/m² reduziert hat. Dieser auf § 27 Abs. 2 WertV gestützten Beurteilung haben die Antragsteller substantiell nichts entgegengesetzt, zumal die Sanierung nach dem Vortrag  der Antragsgegnerin weitgehend abgeschlossen ist. Auch die gegen das Modell Niedersachsen gerichteten Einwände greifen nicht durch. Bereits der Gutachterausschuss hat dargelegt, dass Kaufpreise für Vergleichsgrundstücke nicht vorliegen und er daher das Modell Niedersachsen zur Bewertung herangezogen habe. Zum Kriterium "Umfeld" legt der Zulassungsantrag nicht dar, aus welchen Gründen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts  Bedenken unterliegen sollte.  Auch die Aussetzung der sofortigen Vollziehung  des Ausgleichsbetrages in Höhe von  20 % des Gesamtbetrages begegnet keinen ernstlichen Zweifeln.  Da der Verkehrswert kein mit mathematischer  Genauigkeit zu berechnender Wert ist, kann auch die Bodenwerterhöhung nur mit einer gewissen Streubreite ermittelt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.1.1998 - 4 B 221.97 -, NVwZ 1998, 954), so dass die Schätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden ist, zumal die Antragsteller keine Gesichtspunkte aufzeigen, die das Verwaltungsgericht übersehen hat.

5

Schließlich ist die Beschwerde auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Es trifft zwar zu, dass das Verwaltungsgericht bei der Aussetzung der Vollziehung eine vom Verkehrswertgutachten abweichende eigene Bewertung vorgenommen hat. Dies ist jedoch bei einer Aussetzungsentscheidung nach § 80 VwGO nicht zu beanstanden, bei der ein "gemischt materiell-akzessorisch/interessenbewertender Maßstab" zugrunde zu legen ist (Bader, a.a.O., § 80 VwGO Rdn. 78 f.; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 10. Aufl. 1998, § 80 Rdn. 280). Das Verwaltungsgericht hat die voraussichtlichen Erfolgsaussichten gewichtet und dementsprechend die sofortige Vollziehung des Ausgleichsbetrages in Höhe von 20 % des Gesamtbetrages ausgesetzt. Eine Beweiserhebung ist im Aussetzungsverfahren zwar nicht ausgeschlossen (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: März 1999, § 80 Rdn. 280), nach den Erfahrungen des Senates scheidet jedoch die Einholung eines Gutachtens zur Bodenwerterhöhung wegen der erforderlichen Zeitdauer im Aussetzungsverfahren aus. Im Hinblick auf die Interessenbewertung, die § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugrunde liegt, verbietet es sich jedoch, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragsteller in voller Höhe des Ausgleichsbetrages anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel nur hinsichtlich eines Teiles bestehen.