Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.05.2000, Az.: 11 M 1263/00
Aufenthaltsbereich; Eheschließung; räumliche Begrenzung; räumlicher Geltungsbereich; zusätzliche Duldung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.05.2000
- Aktenzeichen
- 11 M 1263/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41557
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 3 B 23/00
Rechtsgrundlagen
- § 58 Abs 1 S 1 AsylVfG
- § 56 Abs 3 S 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
In Härtefällen kann Ausländern zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs eine zusätzliche Duldung durch die zuständige Ausländerbehörde des anderen Bundeslandes erteilt werden.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerinnen auf Zulassung der Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss, mit dem ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt worden ist, bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts i. S. d. § 146 Abs. 4 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind der Antragsschrift nicht zu entnehmen.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht sich bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht der Ansicht von Funke-Kaiser (GK-AuslR, Rdnr. 11 zu § 56 AuslG) angeschlossen hat, die Antragstellerinnen, deren Duldung sich nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG auf das Land Niedersachsen beschränkt, seien gehalten, in entsprechender Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gegenüber der Antragsgegnerin - mit Zustimmung des Landeseinwohneramtes Berlin (§ 58 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) - im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen des Geltungsbereichs der Duldung zu erstreiten. Eine derartige Analogie dürfte in der Tat nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn eine Gesetzeslücke bestünde. Das ist jedoch zweifelhaft. Denn es dürfte nichts im Wege stehen, das Rechtsschutzziel durch einen Antrag auf Erteilung einer zusätzlichen Duldung - hier: gegenüber dem Landeseinwohneramt Berlin (mit Zustimmung der Antragsgegnerin) - aus Härtegründen zu verfolgen (so die h. M.: vgl. Hailbronner, AuslR, Rdnr. 8 zu § 56 AuslR; Renner, AuslR, Rdnr. 7 zu § 56 AuslG; VG Berlin, Beschl. v. 4. 8. 1999 - 20 F 87/98 - NVwZ-Beil. I 2000, 11, 12). Welches von beiden Verfahren einzuschlagen ist, ist zwar bisher noch nicht geklärt und ist zudem im vorliegenden vorläufigen Verfahren nicht klärbar (offen gelassen im Beschluss des 3. Senats des OVG v. 25. 2. 2000 - 3 M 11/00 -). Nach Ansicht des Senats sprechen jedoch überwiegende Gründe für den vom Verwaltungsgericht befürworteten Weg, jedenfalls bestehen gegen ihn keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn zum einen ist das Argument von Funke-Kaiser (a. a. O.) zwar richtig, dass das Ausländergesetz die Erteilung mehrerer Duldungen nicht ausdrücklich vorsieht; daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, eine Mehrfacherteilung sei verboten. Zum anderen trifft auch die Argumentation der Antragstellerinnen nicht zu, der Verweis auf die Erteilung einer zusätzlichen Duldung durch die Berliner Behörde stelle sie rechtsschutzlos, weil diese einen entsprechenden Antrag ohne Bearbeitung zurückgereicht habe; dem können sie durch Einleitung gerichtlichen Rechtsschutzes entgegenwirken. Überdies steht das Landeseinwohneramt Berlin - ebenso wie die Antragsgegnerin - einer Wohnsitzverlagerung der Antragstellerinnen nach Berlin keineswegs grundsätzlich ablehnend gegenüber; sie haben sie in der Vergangenheit in der Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung der Antragstellerin zu 1) mit dem in Berlin wohnenden deutschen Staatsangehörigen Dr. Bachmann ermöglicht; dass es nunmehr wegen der aufgetretenen Zweifel an der Identität der Antragstellerin zu 1) im Ehefähigkeitszeugnisverfahren vor dem Kammergericht Berlin nicht von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung ausgeht, ist ohne weiteres nachvollziehbar (vgl. dazu das Schreiben des Landeseinwohneramtes Berlin an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen vom 10. 2. 2000, das einen neuen Antrag auf Wohnsitzverlagerung nach Eheschließung anheim stellt).
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die vorliegende Rechtssache entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen keine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes klärungsfähige besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. d. § 146 Abs. 4 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufwirft.