Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.08.2020, Az.: 4 LA 163/19

Befreiiung von der Rundfunkbeitragspflicht; Gewissensentscheidung; Rundfunkbeitrag; Rundfunkbeitragsbefreiung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.08.2020
Aktenzeichen
4 LA 163/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72061
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 08.07.2019 - AZ: 6 A 53/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die allgemeine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags berührt nicht den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichterin der 6. Kammer - vom 8. Juli 2019 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Denn die von ihm geltend gemachten Berufungszulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht gegeben.

Der Kläger hat den Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO damit begründet, dass die der Rundfunkbeitragserhebung zugrunde liegenden Vorschriften verfassungswidrig seien. Zumindest jedoch stehe es mit Verfassungsrecht nicht in Einklang, dass das Verwaltungsgericht seinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gewissensgründen auf der Grundlage der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV verneint habe.

Dieser Vortrag begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht. Die Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich ist – wie das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2018 (- 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 -, BVerfGE 149, 222) entschieden hat – mit Ausnahme des hier nicht vorliegenden Falls der Erhebung von Rundfunkbeiträgen für eine Zweitwohnung verfassungsgemäß. Überdies steht sie mit Unionsrecht im Einklang (EuGH, Urt. v. 13.12.2018 - C-492/17 -; vgl. BVerwG, Urt. v. 18.3.2016 - 6 C 6.15 -, BVerwGE 154, 275; Urt. v. 25.1.2017 - 6 C 15.16 - u. Beschl. v. 25.1.2018 - 6 B 38.18 -; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 -). Dem Einwand des Klägers, die Erhebung von Rundfunkbeiträgen sei insgesamt verfassungswidrig, braucht der Senat daher nicht im Einzelnen nachzugehen. Darauf hingewiesen sei nur, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu entschieden, dass die Erhebung eines Beitrags unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts und dem tatsächlichen Nutzungswillen des Empfängers erfolgen darf (BVerfG, Urt. v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. -, a.a.O., Rn. 89 ff.). Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV ist in diesem Zusammenhang nur dann anzunehmen, wenn es einem Beitragsschuldner objektiv unmöglich ist, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen (BVerfG, Urt. v. 18.7.2018, (- 1 BvR 1675/16 u.a. -, a.a.O., Rn. 90 a.E.). Ein derartiger Fall ist beim Kläger ersichtlich nicht gegeben.

Der weitere Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV nicht verfassungskonform ausgelegt, begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung.

Es liegt auf der Hand, dass weder Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG die vom Kläger befürwortete Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV begründen können. Die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebende Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gebietet, dass die Programmgestaltung Sache des Rundfunks bleibt und sich an publizistischen Kriterien ausrichten kann. Rundfunkprogramme sollen frei von staatlicher Lenkung, aber ebenso von privater Indienstnahme veranstaltet werden (BVerfG, Beschl. v. 26.2.1997 - 1 BvR 2172/96 -, BVerfGE 95, 220). Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist indessen nichts in Bezug auf die Befreiung von Rundfunkabgaben zu entnehmen. Das Grundrecht der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Recht wird – weder in seiner positiven noch in seiner negativen Ausprägung – durch die Erhebung von Rundfunkbeiträgen berührt, so dass aus diesem Grundrecht ebenfalls nichts für eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV folgen kann.

Auch Art. 4 Abs. 1 GG, auf den der Kläger sich beruft, gebietet keine weitergehende Auslegung der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV. Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf verschiedene obergerichtliche Entscheidungen (OVG NRW, Urt. v. 21.9.2018 - 2 A 1821/15 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.11.2015 - 7 A 10455/15 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2019 - OVG 11 N 88.15 -, juris) deutlich gemacht hat, verletzt die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit. Denn die Glaubensfreiheit wird durch die Zahlung einer Abgabe nur berührt, soweit diese gerade die Finanzierung einer Glaubensgemeinschaft oder eines religiösen oder areligiösen Bekenntnisses bezweckt. Die allgemeine Pflicht zur Zahlung einer Abgabe ohne eine solche Zweckbindung berührt regelmäßig – so auch im Fall des Rundfunkbeitrags – nicht den Schutzbereich der Glaubensfreiheit des Abgabenschuldners. Aus diesem Grund kommt auch ein Befreiungsanspruch unter diesem Gesichtspunkt von vornherein nicht in Betracht (OVG NRW, Urt. v. 21.9.2018 - 2 A 1821/15 -; vgl. auch Sächs. OVG, Beschl. v. 30.6.2017 - 5 A 133/16 -). Selbst wenn man dies anders sehen wollte (offengelassen von BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 12.12.2012 - 1 BvR 2550/12 -), würde eine Härtefallbefreiung aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen einen atypischen Ausnahmefall voraussetzen, der überdies substantiiert dargelegt werden müsste. Indessen fehlen Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiger atypischer Ausnahmefall, der über eine persönliche Ablehnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinausgehen müsste, beim Kläger gegeben sein könnte.

Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in Betracht. Denn die vom Kläger der Sache nach aufgeworfenen Fragen, ob die Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich verfassungsmäßig sei und ob Gewissensgründe zu einer Härtefallbefreiung von der Beitragspflicht führen müssten, sind anhand der o.a. verfassungs- und obergerichtlichen Rechtsprechung ohne Weiteres zu verneinen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).