Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.08.2020, Az.: 11 LC 251/19

praktische Konkordanz; private Straße; Straßenraum; Versammlungsfreiheit; versammlungsrechtliche Beschränkung; öffentlicher Verkehr

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.08.2020
Aktenzeichen
11 LC 251/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.05.2019 - AZ: 5 A 312/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit können auch im Privateigentum stehende Straßen und Wege umfasst sein, auf denen - vergleichbar mit öffentlichem Straßenraum - ein allgemeiner öffentlicher Verkehr stattfindet.
2. Bei der im Wege der praktischen Konkordanz vorzunehmenden Abwägung ist darauf abzustellen, welche Beeinträchtigungen der Grundrechte aus Art. 8 GG und Art. 14 GG konkret zu erwarten sind, wenn die Versammlung auf den privaten Flächen zugelassen oder verweigert wird.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 22. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer versammlungsrechtlichen Beschränkung.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich u.a. gegen Rüstungsexporte engagiert. Er zeigte am 8. Mai 2017 bei dem Beklagten in Kooperation mit der Hamburger Initiative gegen Rüstungsexporte eine Versammlung durch C-Stadt für Sonntag, den 14. Mai 2017, in der Zeit von 14.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr mit dem Motto „Von Deutschland geht Krieg aus! Stoppt den Waffenhandel!“ an. Der Demonstrationszug sollte am E. starten und folgenden Verlauf nehmen: F. Straße, G., an dessen Ende geradeaus weiter zwischen Kleingärten und Wald bis zum Parkplatz, H. Straße, Zwischenkundgebung am Haupttor, H. Straße, I., J. -Straße, K. Straße, Zwischenkundgebung (auf dem Parkplatz?), K. Straße, F. Straße, E..

Die angezeigte Route verläuft auch über private Straßen und Plätze, deren Eigentümerin die Firma L. ist. Die Firma L. ist alleinige Gesellschafterin der Beigeladenen. Diese wiederum ist Pächterin des Werksgeländes, zu dem die privaten Straßen und Plätze gehören, über die der Demonstrationszug verlaufen soll.

Nach Durchführung eines Kooperationsgesprächs bestätigte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2017 die von dem Kläger angezeigte Versammlung und erteilte unter Ziffer 4 die folgende Beschränkung:

„Die Aufzugsroute wird wie folgt verlegt: Vom E. auf die Straße Am E., links Richtung M. Straße, M. Straße, links in den G., rechts in den N., H. Straße Richtung Osten bis kurz vor die Werkbahn der Firma L.. Dort auf dem breiten Grünstreifen an der Nordseite der H. Straße Zwischenkundgebung 1. Anschließend zurück auf der H. Straße bis zur Einmündung der O., rechts in die O. bis zur K. Straße, links in die K. Straße bis zur Einmündung des P.. Nach rechts abbiegen in den P. und dem Verlauf des P. folgen bis 20 m vor das Werkbahntor. Das Südtor liegt in Sichtweite etwa 35 m entfernt. Hier auf dem P. Zwischenkundgebung 2. Anschließend zurück über Q. und P. bis zur K. Straße. Nach rechts abbiegen in die K. Straße Richtung F. Straße. Nach links abbiegen in die F. Straße Richtung E.. Ankunft auf dem E. bis spätestens 17.00 Uhr. Dort Auflösung des Aufzuges. Siehe Anlage Routenplan.“

Zur Begründung der Routenverlegung gab der Beklagte an, dass die von dem Kläger angezeigte Aufzugsroute insbesondere östlich und nordöstlich der Werkbahn größtenteils über private Straßen und Plätze der Firma L. führe. Die Beigeladene habe die Nutzung der Wege, Straßen und Plätze für die von dem Kläger angezeigte Versammlung auf Anfrage untersagt. Ohne die Zustimmung der Beigeladenen dürfe der Aufzug nicht über deren Liegenschaften geführt werden.

Der Demonstrationszug fand am 14. Mai 2017 wie angezeigt und unter Beachtung der von dem Beklagten verfügten Beschränkungen statt. In Abweichung von der in Ziffer 4 des Bescheides ausgesprochenen Beschränkung bewegte sich der Demonstrationszug mit - nach Rücksprache mit der Beigeladenen - erteilter Zustimmung der vor Ort eingesetzten Polizei anstatt zum Südtor am P. bis an das Haupttor des Werkes in der K. Straße, wo eine Kundgebung stattfand.

Am 6. Juni 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, auch in den kommenden Jahren die Geschäftspolitik und die Rüstungsexporte der Firma L. vor Ort mit Protestveranstaltungen begleiten und dabei Aufzüge und Kundgebungen möglichst nah am Gelände durchführen zu wollen. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Das Verbot der angemeldeten Demonstrationsroute sei rechtswidrig. Er sei dadurch als Anmelder und Mitveranstalter in seinen Grundrechten aus Art. 8 GG verletzt. Bei den im Streit stehenden Straßen auf der Demonstrationsroute handele es sich um solche, die ohne Kennzeichnung als Privatstraßen dem öffentlichen Verkehr zugänglich und als Verkehrswege gewidmet seien. Es gebe keinerlei Hinweis auf angebliches Privatgelände und keine Umfriedung. Damit seien sie nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie jeder öffentliche Weg unabhängig vom Grundeigentum geeignete Versammlungsorte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts komme es auf die Eigentumsverhältnisse an einer öffentlichen Fläche nicht an, wenn diese als Straßen- und Verkehrsfläche und/oder für das Verweilen und Flanieren geöffnet und der Öffentlichkeit ungehindert zugänglich sei. Sobald ein öffentlicher Verkehr stattfinde, handele es sich um Flächen, die dem Gemeingebrauch offen stünden, mithin um geeignete Versammlungsorte. Das Bundesverfassungsgericht knüpfe an die Eröffnung eines öffentlichen Verkehrs und nicht nur an die Drittwirkung der Grundrechte an. Ein Demonstrationszug sei auch kein Ereignis, das in irgendeiner Weise die Störfallgefahr betreffe oder erhöhe. Das Freihalten von Rettungsgassen und das Verhalten bei einem Unfall könne im Übrigen durch Auflagen geregelt werden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2019 haben der Kläger und der Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt, soweit die mit der Klage begehrte Feststellung sich auf versammlungsrechtliche Beschränkungen im Hinblick auf das im Nordwesten gelegene Haupttor in der K. Straße bezogen hat.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der „Beschränkungsbescheid“ des Beklagten vom 11. Mai 2017, soweit er noch Gegenstand der Klage ist, rechtswidrig war, soweit die ursprünglich vorgesehene Route für den Demonstrationszug „Von Deutschland geht Krieg aus! Stoppt den Waffenhandel!“ am 14. Mai 2017 modifiziert wurde,

hilfsweise,

außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte geltend gemacht, dass die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht einschlägig sei. Im dortigen Fall habe die Aktienmehrheit der R. AG in öffentlicher Hand gelegen, woraus sich eine unmittelbare Grundrechtsbindung abgeleitet habe. Dieses sei im Falle der L. weder behauptet noch belegt worden. Die Beigeladene habe der Nutzung aller privaten Straßen für den Demonstrationsaufzug auf telefonische Anfrage widersprochen. Hierzu sei sie berechtigt gewesen, weil von einer unmittelbaren Grundrechtsbindung nicht habe ausgegangen werden können. Die Straßen der Firma L. seien als Privatstraßen dieser Firma nicht kenntlich gemacht. Die Beigeladene dulde neben dem Zu- und Abgangsverkehr zum Betriebsgelände die sehr geringe Nutzung der Straßen zum Beispiel durch Jogger, Personen, die ihre Hunde ausführten, oder Pächter von Kleingärten. Hieraus könne nicht geschlossen werden, dass damit ebenfalls die Nutzung durch erklärte Gegner der Firma geduldet werden solle. Dem privaten Eigentümer bleibe es zivilrechtlich unbenommen, das ursprünglich jedermann eingeräumte Betretungsrecht gegenüber Demonstranten zurückzunehmen. Er sei bei der Verlegung der Aufzugsroute an die Weigerung der Beigeladenen zur Freigabe der Straßen für den Aufzug gebunden gewesen. Zwar hätten Veranstalter von Versammlungen im Grundsatz eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des Ortes von Versammlungen, dieser Anspruch richte sich jedoch nur gegen den Staat als Hoheitsträger und nicht gegen Privateigentümer.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Sie hat vorgetragen, dass sie auf den von ihr gepachteten Straßen keinen öffentlichen Verkehr dulde. Daran ändere sich auch nichts, wenn sie neben dem eigenen Werksverkehr den Pächtern der Kleingartenanlage und darüber hinaus Joggern und Personen, die ihre Hunde ausführten, die Nutzung der Straßen gestatte. Eine Pflicht, die von ihr genutzte, mehrere 100 km lange Grundstücksgrenze zu umfrieden, oder aber flächendeckend Hinweisschilder anzubringen, bestehe nicht. Hiermit könne jedoch keine Einschränkung der eigenen Rechte verbunden sein. Sie müsse nicht hinnehmen, dass auf ihrem eigenen Gelände gegen ihren Betrieb demonstriert werde. Der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Beklagten sei nicht rechtswidrig. In keiner Weise sei ein öffentlicher Kommunikationsraum entstanden. Ein kommunikativer Verkehr sei von ihr ausdrücklich weder beabsichtigt noch gewünscht, jedenfalls in keiner Weise eröffnet. Davon zeuge sehr deutlich schon die bauliche Gestaltung der Straßen. Die streitbefangenen Straßen besäßen nicht einmal einen Fußgängerweg. Gegen eine Genehmigung eines Demonstrationszuges auf den streitbefangenen Straßen sprächen auch die damit verbundenen Gefahren ihres Betriebes. Bei Störfällen bestehe eine immanente Gefährdung durch Brand im Laborierwerk und den Lagern im Werk S., welches den Einsatz der Werkfeuerwehr unabdingbar mache. Diese befinde sich im Werk T.. Die kürzeste Verbindung zwischen den Werken erfolge über die I. und die Verlängerung der H. Straße.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger und der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der „Beschränkungsbescheid“ des Beklagten vom 11. Mai 2017 im streitgegenständlichen Umfang rechtswidrig gewesen ist, soweit damit die angezeigte Route für den Demonstrationszug am 14. Mai 2017 modifiziert worden ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig und begründet sei. Die örtliche Beschränkung der angezeigten Versammlung durch den Beklagten stelle eine rechtswidrige Beschränkung der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit des Klägers dar. Auf den streitgegenständlichen, im Privateigentum der L. stehenden und von der Beigeladenen gepachteten Straßen sei ein Ort des kommunikativen Verkehrs im Sinne eines „öffentlichen Forums“ anzunehmen. Die fraglichen Straßen und Wege der L. inklusive des Parkplatzes Ecke Verlängerung G. /H. Straße seien zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der versammlungsrechtlichen Beschränkung weder mit Schranken, Absperrungen oder ähnlichen Zugangshindernissen ausgestattet gewesen, noch sei etwa durch Beschilderung erkennbar gewesen, dass es sich um Privatstraßen handele und öffentlicher Verkehr untersagt sei. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass die L. bzw. die Beigeladene öffentlichen Verkehr etwa von Joggern, Spaziergängern und Fußgängern, die ihre Hunde ausführten oder ihre Kleingärten aufsuchten, dulde bzw. zum maßgeblichen Zeitpunkt geduldet habe. Die im Sinne der praktischen Konkordanz vorzunehmende wechselseitige Zuordnung der betroffenen Grundrechte hätte es geboten, die von dem Kläger angezeigte Versammlung auf den im Privateigentum der L. stehenden Straßen durchführen zu lassen. Der von dem Kläger angezeigte Streckenverlauf habe, soweit er über die streitgegenständlichen Flächen verlaufen sollte und dort auch eine Kundgebung vorgesehen gewesen sei, einen unmittelbaren thematischen Bezug zu dem Demonstrationsanliegen.

Gegen das ihm am 27. Juni 2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. Juli 2019 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung eingelegt.

Der Beklagte trägt zur Begründung vor, dass die von der Beschränkung betroffenen Flächen keine Orte des kommunikativen Verkehrs im Sinne eines öffentlichen Forums darstellten. Bei dem Straßenabschnitt der H. Straße handele es sich um einen Zubringer zum Werksgelände der Beigeladenen bzw. zu zwei firmeneigenen Parkplätzen. Dieser eröffne im vorderen Teil außerdem die Zufahrt zu der Straße „U.“ mit der daran angrenzenden Kleingartenkolonie. Dieser Teil der H. Straße bestehe lediglich aus einer Fahrbahn ohne Rad- oder Fußwege. Inzwischen werde durch entsprechende von der Beigeladenen aufgestellte Schilder auf den privaten Charakter des Straßenabschnitts hingewiesen. Die lediglich aus Fahrbahn bestehende Fläche biete schon ihrem äußeren Anschein nach keinen Ort des Verweilens oder der Begegnung. Der Zubringer zum Betriebsgelände der Beigeladenen schaffe keine Verbindung von Ladengeschäften, Dienstleistungsanbietern, Restaurantbetrieben und Erholungsflächen. In der Vergangenheit dort gelegentlich joggende oder ihren Hund ausführende Personen seien von der Beigeladenen lediglich geduldet worden. Entsprechendes gelte für die I., die der Verbindung zwischen den beiden Werken diene. Bei der Verlängerung des G. es handele es sich um einen unbefestigten Waldweg, der größtenteils durch Wald führe und ebenfalls kein öffentliches Forum darstelle. Zudem seien durch die Verlegung der Aufzugsroute keine schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Versammlungsfreiheit entstanden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 22. Mai 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und erwidert, dass der Beklagte allein mit dem Eigentumsschutz der Firma L. argumentiere, ohne auf konkrete Gefahren abzustellen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie weist darauf hin, dass es bei einer Versammlung am 7. September 2019 zu schweren Verunreinigungen und Beschädigungen an der Straße und dem Eigentum der L. vor dem Werk T. gekommen sei, da Versammlungsteilnehmer den Straßenkörper, Gehwege, Straßenschilder sowie Werksflächen mit roter, nicht löslicher Farbe verschmutzt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130 a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der von dem Kläger erhobenen Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts ist vorliegend unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Der Kläger beabsichtigt, auch künftig vergleichbare Versammlungen durchzuführen, die über im Privateigentum der L. stehende Straßen und Wege führen. Der Beklagte wird voraussichtlich an seiner Rechtsauffassung festhalten, dass ohne Zustimmung der L. bzw. der Beigeladenen diese Straßen nicht für eine Versammlung genutzt werden dürfen.

II. Die Klage ist auch begründet. Die versammlungsrechtliche Beschränkung in Ziffer 4 des Bescheides des Beklagten vom 11. Mai 2017, mit der die angezeigte Route für den Demonstrationszug am 14. Mai 2017 verlegt worden ist, ist in dem streitgegenständlichen Umfang rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Nach § 8 Abs. 1 NVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist.

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit in § 8 Abs. 1 NVersG umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, DVBl. 1985, 1006, juris, Rn. 77). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, juris, Rn. 20; dasselbe, Beschl. v. 21.4.1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, 834, juris, Rn. 27; Senatsurt. vom 29.5.2008 - 11 LC 138/06 -, juris, Rn. 44). Hier waren durch die von dem Kläger angezeigte Versammlung solche Rechtsgüter betroffen. Die streitgegenständlichen Straßen und Wege, über die die Aufzugsstrecke führen sollte, stehen im Eigentum der L. und sind von der Beigeladenen im Rahmen ihres Gewerbebetriebs gepachtet worden, so dass deren Grundrechte auf Schutz des Eigentums bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Teil der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG betroffen waren. Die Beigeladene als Pächterin dieser Flächen hat einer Nutzung der Flächen für die Versammlung nicht zugestimmt. Das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG ist als Teil des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit von der Versammlungsbehörde zu berücksichtigen.

Der Kläger kann sich hinsichtlich der angefochtenen Verlegung der Aufzugsstrecke auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stützen (1.). Die kollidierenden Grundrechte der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG und des Eigentumsschutzes aus Art. 14 GG sind im Wege der praktischen Konkordanz in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Nach der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Abwägung hat das Eigentumsrecht hinter dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit zurückzutreten (2.).

1. Der Kläger kann sich auch, soweit die von ihm angezeigte Versammlung über die im Privateigentum der L. stehenden und von der Beigeladenen gepachteten streitgegenständlichen Straßen und Wege führen sollte, auf die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG berufen.

a. Die L. und die Beigeladene sind als private Grundstückseigentümer und private Gewerbetreibende - anders als staatlich kontrollierte Unternehmen - nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Dennoch entfalten die Grundrechte als objektive Prinzipien Wirkung, so dass die Versammlungsfreiheit im Wege der mittelbaren Drittwirkung, welche dem Ausgleich bürgerlicher Freiheiten untereinander dient, bei der erforderlichen Abwägung zu beachten ist. Die kollidierenden Grundrechte der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG und der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG sind - wie nachstehend unter 2. ausgeführt wird - nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in einen gerechten Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris, Rn. 6).

b. Der sachlich-räumliche Schutzbereich der Versammlungsfreiheit erstreckt sich auf die streitgegenständlichen Flächen.

aa. Art. 8 Abs. 1 GG schützt nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern gewährleistet den Grundrechtsträgern zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung. Die Bürger sollen damit selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen - gegebenenfalls auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen - am Wirksamsten zur Geltung bringen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris, Rn. 9, dasselbe, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 63 f., dasselbe, Beschl. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, juris, Rn. 61).

Allerdings verschafft die Versammlungsfreiheit kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt sie dem Bürger keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. Die Durchführung von Versammlungen etwa in Verwaltungsgebäuden oder in eingefriedeten, der Allgemeinheit nicht geöffneten Anlagen ist von Art. 8 Abs. 1 GG ebenso wenig geschützt wie etwa in einem öffentlichen Schwimmbad oder Krankenhaus (BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 65).

Demgegenüber verbürgt die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Dies betrifft - unabhängig von einfachrechtlichen Bestimmungen des Straßenrechts - zunächst den öffentlichen Straßenraum. Dieser ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können. Vor allem innerörtliche Straßen werden heute als Stätten des Informations- und Meinungsaustausches sowie der Pflege menschlicher Kontakte angesehen. Versammlungen finden hier die Bedingungen, um Forderungen einem allgemeinen Publikum zu Gehör zu bringen und Protest oder Unmut sinnbildlich „auf die Straße zu tragen“. Entsprechendes gilt für Stätten außerhalb des öffentlichen Straßenraums, an denen in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder durch private Investoren geschaffene und betriebene Plätze als Orte des Verweilens, der Begegnung, des Flanierens, des Konsums und der Freizeitgestaltung ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können. Orte allgemeinen kommunikativen Verkehrs, die neben dem öffentlichen Straßenraum für die Durchführung von Veranstaltungen in Anspruch genommen werden können, sind nur solche, die der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sind. Ausgeschlossen sind demgegenüber Orte, zu denen der Zugang individuell kontrolliert und nur für einzelne begrenzte Zwecke gestattet wird (zum Vorstehenden: BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris, Rn. 5; dasselbe, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 66 ff.).

bb. Das Verwaltungsgericht hat unter Anwendung der vorstehenden Maßstäbe zu Recht angenommen, dass die streitgegenständlichen, im Privateigentum der L. stehenden und von der Beigeladenen gepachteten Straßen und Flächen (Weg in Verlängerung des G., Parkplatz, H. Straße bis zur Einmündung der I., I.) im dargelegten Sinne Orte darstellen, an denen - vergleichbar mit öffentlichem Straßenraum - ein allgemeiner öffentlicher Verkehr stattfindet.

(1) Bei den streitgegenständlichen Straßen und Wegen handelt es sich nicht um Flächen, die für die Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich gewesen sind. Nach den - von den Beteiligten nicht bestrittenen - Feststellungen des Verwaltungsgerichts waren die genannten Straßen und Wege einschließlich des an der Ecke der Verlängerung des G. und der H. Straße gelegenen Parkplatzes zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der versammlungsrechtlichen Beschränkung weder mit Schranken, Absperrungen oder ähnlichen Zugangshindernissen versehen, noch war überhaupt - etwa durch entsprechende Beschilderung - kenntlich gemacht, dass es sich um Privatstraßen handelt und öffentlicher Verkehr untersagt ist. Danach ist davon auszugehen, dass die streitigen Verkehrsflächen grundsätzlich von jedermann ungehindert genutzt werden konnten.

Die betreffenden Straßen und Wege sind auch nicht als Orte anzusehen, zu denen der Allgemeinheit - wie etwa in einem Verwaltungsgebäude, einem öffentlichen Schwimmbad oder in einem Krankenhaus - schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. Dass der streitgegenständliche Straßenabschnitt der H. Straße als Zubringer zum Werksgelände und zu firmeneigenen Parkplätzen der Beigeladenen und die I. als Verbindung zwischen den beiden Werken dient, rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Entscheidend ist, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt keinerlei Maßnahmen getroffen waren, um die Straßen bzw. Straßenabschnitte als Privatstraßen zu kennzeichnen, öffentlichen Verkehr zu untersagen und den Zugang auf Betriebsangehörige und Werksverkehr zu beschränken. Tatsächlich wurden die streitgegenständlichen Straßen und Wege nicht nur von Fahrzeugen des Werksverkehrs und Betriebsangehörigen, sondern auch von Joggern, Spaziergängern, Fußgängern, die ihre Hunde ausführen, und Personen, die die Kleingärten aufsuchen, und damit zu unterschiedlichsten Zwecken genutzt.

(2) Die streitgegenständlichen Flächen stellen auch Orte dar, an denen ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist.

Zwar sind die betreffenden Straßen und Wege nicht Teil des kraft öffentlichen Rechts dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßenraums. Es handelt sich aber um Flächen, an denen in ähnlicher Weise wie bei öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte allgemeiner Kommunikation entstehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es insofern nicht darauf an, dass die streitgegenständlichen Straßen und Wege nicht - wie etwa bei der Einrichtung von großen Einkaufszentren oder bei der Schaffung entsprechender Zonen in Flughäfen - der Verbindung von Ladengeschäften, Dienstleistungsanbietern, Restaurantbetrieben und Erholungsflächen dienen und auch nicht wie Einkaufsstraßen oder Fußgängerzonen zum Flanieren und Verweilen einladen. Dass an den Straßen keine Gehwege vorhanden sind und die Verlängerung des G. nicht befestigt ist und durch Wald führt, ist ebenfalls nicht maßgebend. Die Versammlungsfreiheit verbürgt die Durchführung von Versammlungen auf innerörtlichen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, ohne danach zu differenzieren, ob es sich um eine Einkaufsstraße oder um eine Straße in einem Gewerbegebiet handelt oder ob diese über einen Fußweg verfügt. Bei innerörtlichen Straßen schließt die Widmung die Nutzung zur Kommunikation und Informationsverbreitung ein. Insofern haben auf allgemein zugänglichen öffentlichen Straßen und Plätzen Demonstrationen ihren natürlichen Platz (vgl. Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 18. Aufl. 2019, Teil I, Rn. 143). Dementsprechend kommt es für die Beurteilung, ob die hier streitgegenständlichen Verkehrsflächen als öffentlicher Kommunikationsraum anzusehen sind, auch nicht darauf an, ob diese als reine Wegeflächen oder auch, wie in Einkaufsstraßen oder Fußgängerzonen, zum Flanieren und Verweilen genutzt werden. Allein entscheidend ist, dass die hier in Rede stehenden Straßen und Wege wie öffentliche Straßen für die Öffentlichkeit allgemein und ohne Beschränkung zugänglich gewesen sind und dadurch die Bedingungen geboten haben, um einem allgemeinen Publikum ein Anliegen zu Gehör zu bringen und Protest oder Unmut „auf die Straße zu tragen“ (vgl. BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 67).

2. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher nicht entschieden, nach welchen konkreten Grundsätzen die Grundrechtskollisionen von Privaten in Bezug auf das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zu Grundrechten privater Unternehmen, die einen öffentlichen Verkehr eröffnen und damit Orte der allgemeinen Kommunikation schaffen, aufzulösen sind (BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris, Rn. 7; dasselbe, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 59). Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann auch nicht entnommen werden, dass einem der Grundrechte ein höheres Gewicht zukommt.

Bei der im Wege der praktischen Konkordanz vorzunehmenden Abwägung ist daher darauf abzustellen, welche Beeinträchtigungen der Grundrechte aus Art. 8 GG und Art. 14 GG konkret zu erwarten sind, wenn die Versammlung auf den im Privateigentum stehenden Flächen zugelassen oder verweigert wird. Im vorliegenden Fall führt diese Abwägung aus den nachstehenden Erwägungen zu dem Ergebnis, dass das Eigentumsrecht hinter dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit zurückzutreten hat.

Wie von dem Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt worden ist, hatte der von dem Kläger für die angezeigte Versammlung vorgesehene Streckenverlauf, soweit er über die streitgegenständlichen Flächen führen sollte und an der H. Straße vor der Hauptzufahrt zum dortigen Werk der Beigeladenen eine Kundgebung vorgesehen war, einen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zu dem Versammlungsanliegen. Die angezeigte Versammlung mit dem Motto „Von Deutschland geht Krieg aus! Stoppt den Waffenhandel!“ richtete sich gegen die Waffenproduktion und den Waffenexport der L. und damit gegen den von der Beigeladenen in C-Stadt ausgeübten Gewerbebetrieb. Das Versammlungsanliegen beinhaltete eine Streckenführung zu der Hauptzufahrt des Werkes der Beigeladenen in der H. Straße und von dort entlang der die beiden Werke verbindenden Werkbahn über die I. zum Haupttor des Werkes in der K. Straße. Durch die angefochtene Verlegung der Aufzugsstrecke führte die Route nicht zu den beiden Haupttoren und nur in einem anderen erheblich kürzeren Abschnitt an der Werkbahn entlang. Die Beschränkung hat sich daher nicht unerheblich auf das Anliegen der Veranstalter ausgewirkt, in unmittelbarer Nähe zu den Hauptzufahrten beider Werke und entlang der Werkbahn ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Dem Vorbringen des Beklagten, die Versammlungsfreiheit sei durch die Verlegung der Aufzugsroute nicht schwerwiegend beeinträchtigt worden, weil die Route bestmöglich am Werksgelände der Beigeladenen entlang geführt worden sei und im Ergebnis der Protest an den Standorten in der K.-Straße und dem daran angrenzenden Standort in der J.-Straße ermöglicht worden sei, so dass dem Anliegen, den Protest direkt zur Beigeladenen zu tragen, nachgekommen worden sei, kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass die Polizei am Versammlungstag abweichend von der genehmigten Route einen Aufzug mit Zwischenkundgebung am Haupttor des Werkes in der K. Straße zugelassen hat. Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt hat, nicht die Absicht zu haben, künftig in Bezug auf das Haupttor des Werkes in der K. Straße versammlungsrechtliche Beschränkungen zu erlassen, ist der Rechtsstreit insofern von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden. Dies ändert aber nichts an der Erheblichkeit des Eingriffs in die Versammlungsfreiheit. Denn durch die Streckenverlegung führte die Versammlung nicht mehr zum Werk an der H. Straße, und an der dortigen Hauptzufahrt konnte auch keine Kundgebung abgehalten werden. Zudem konnte sich der Versammlungszug auch nicht von dort entlang der Werkbahn über die I. zum weiteren Kundgebungsort am Haupttor in der K. Straße bewegen.

Demgegenüber war durch die Versammlung ein erheblicher Eingriff in das Eigentumsrecht der L. bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb der Beigeladenen nicht zu erwarten. Zwar wird das Grundrecht auf Eigentum auch dann betroffen, wenn auf einer im Privateigentum stehenden Straße eine Versammlung stattfindet. Die freie Gestaltung der Eigentumsnutzung wird von Art. 14 GG geschützt. Zu berücksichtigen ist aber, dass, wie bereits dargestellt worden ist, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts innerörtliche Straßen, Wege und Plätze den klassischen Raum allgemeiner Kommunikation darstellen, dem eine besondere Rolle für die Versammlungsfreiheit zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 - 1 BvQ 25/15 -, juris, Rn. 5; dasselbe, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 66 ff.). Werden - wie hier - im Privateigentum stehende Verkehrsflächen allgemein für den öffentlichen Verkehr freigegeben, entsprechen diese vom Typus dem öffentlichen Straßenraum, in dem Versammlungen klassischerweise stattfinden. Ein rein privater Nutzungszweck wie bei einem im Privateigentum stehenden Wohngrundstück, der durch die Versammlung beeinträchtigt werden könnte, ist daher bei den in Rede stehenden Flächen nicht gegeben. Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die etwa bei Versammlungen vor privaten Anwesen eintreten kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.9.1987 - 1 BvR 1112/89 -, juris, Rn. 6 ff.), liegt hier ebenfalls nicht vor.

Die Versammlung war zudem insgesamt zeitlich auf drei Stunden begrenzt und sollte an einem Sonntag stattfinden, an dem ein deutlich geringerer Zu- und Abgangsverkehr zu dem Werk der Beigeladenen zu erwarten war als an Werktagen. Dass durch einen Aufzug über die streitgegenständlichen Verkehrsflächen und die Kundgebung vor dem Haupttor in der H. Straße der Gewerbetrieb der Beigeladenen unzumutbar beeinträchtigt worden wäre, ist daher nicht anzunehmen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist auch nicht ersichtlich, dass aufgrund der angezeigten Streckenführung eine - nicht durch entsprechende Beschränkungen zu begegnenden - Gefahr wegen einer erschwerten Erreichbarkeit des Werkes in der H. Straße für die (Werks-)Feuerwehr bestanden hätte. Das Freihalten von Rettungsgassen hätte durch entsprechende Beschränkungen als milderes Mittel sichergestellt werden können. Zum damaligen entscheidungserheblichen Zeitpunkt lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es im Rahmen der angezeigten Versammlung aufgrund von Ausschreitungen oder Blockadeaktionen zu Sachbeschädigungen oder sonstigen schwerwiegenden Eingriffen in das Eigentumsrecht hätte kommen können. Diese Prognose hat sich durch die friedlich und ohne Störungen verlaufende Versammlung nachträglich bestätigt. Soweit die Beigeladene geltend macht, dass es bei einer Versammlung am 7. September 2019 zu schweren Verunreinigungen und Beschädigungen an der Straße und am Eigentum der Firma L. vor dem Werk T. gekommen sei, da Versammlungsteilnehmer den Straßenkörper, Gehwege, Straßenschilder und Flächen mit roter, nicht löslicher Farbe verschmutzt hätten, kann dies wegen des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts für die hier zu treffende Abwägung keine Rolle spielen.

Allein der Umstand, dass sich die Versammlung auf dem Privateigentum der L. bzw. auf der Pachtfläche der Beigeladenen gegen die L. und die Beigeladene gerichtet hat, führt nicht dazu, dass dem Eigentumsrecht ein gegenüber der Versammlungsfreiheit stärkeres Gewicht beizumessen ist. Maßgeblich ist die Beeinträchtigung der jeweiligen Grundrechte. Da nach den vorstehenden Ausführungen Schäden an im Privateigentum stehenden Sachen oder an bei der Beigeladenen beschäftigten Personen oder ins Gewicht fallende Einschränkungen bei dem Werksbetrieb nicht zu befürchten waren, hatte die L. als Eigentümerin und die Beigeladene als Pächterin der Flächen die Versammlung und die damit zusammenhängenden vorübergehenden Beeinträchtigungen des Zu- und Abgangsverkehrs hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.