Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.08.2020, Az.: 12 KN 18/20

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.08.2020
Aktenzeichen
12 KN 18/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72049
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verurteilen, für sein (des Beklagten) Gebiet einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der zur baldigen Einhaltung der geltenden Immissionswerte für Ammoniak und Feinstäube führe.

Er bewohnt ein im Außenbereich - inmitten intensiv landwirtschaftlich genutzter Flächen - gelegenes Wohnhaus und meint, er sei durch diese landwirtschaftliche Tätigkeit gesundheitlich geschädigt worden.

Er hat sich deshalb seit 1999 u. a. wegen des Baus von verschiedenen Ställen in seiner Nachbarschaft immer wieder an den Beklagten und auch weitere Behörden gewandt. Ein im Jahr 2014 (4 A 10553/14) eingeleitetes gerichtliches Verfahren auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen einen schweinehaltenden Nachbarn hat er 2015 nach einem Zugeständnis (Erhöhung der Schornsteine eines Schweinestalls) für erledigt erklärt. 2017 hat er vor dem Verwaltungsgericht erneut Klage erhoben (4 A 9647/17) und u. a. den Erlass eines Luftreinhalteplans durch den Beklagten beantragt. Das Verwaltungsgericht hat diese Klage im Juli 2018 mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, auch bei einer Leistungsklage müsse der Kläger die begehrte Handlung zuvor erfolglos beim Beklagten beantragt haben. Vorliegend habe der Kläger jedoch erstmals in der mündlichen Verhandlung einen dahingehenden Wunsch geäußert. Den gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 26. November 2018 (- 12 LA 152/18 -) zurückgewiesen.

Der Kläger macht zur Begründung seiner im Jahr 2020 erhobenen Klage geltend, die Bundesrepublik sei nach EU-Recht zur baldigen Einhaltung der Immissionswerte u. a. für Ammoniak und Feinstäube verpflichtet und habe, wenn die Werte überschritten würden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung dieser Luftverunreinigungen festlege. Der Beklagte sei vorliegend verpflichtet, einen solchen Plan für sein (des Beklagten) Gebiet aufzustellen, weil dort die - in einer nach § 48a Abs. 1 BImSchG erlassenen Verordnung - festgelegten Jahresmittelwerte überschritten seien.

Er (der Kläger) lebe im Außenbereich in einem von landwirtschaftlicher Tierhaltung geprägten Bereich. Es handele sich um ein sogenanntes rotes Gebiet, in dem die Gülleausbringung zu einer Nitratverunreinigung des Grundwassers geführt habe. Zugleich sei damit auch eine Luftverunreinigung eingetreten, die dazu führe, dass sowohl die Feinstaubwerte als auch die Ammoniakwerte nicht eingehalten würden. Die Belastung betreffe auch nicht allein eine begrenzte und kleinräumige Situation, sondern wesentliche, durch Intensivtierhaltung geprägte Gebiete im Nordwesten Niedersachsens.

Es sei bekannt, dass die Ammoniak-Belastung in der Luft durch die Gülleausbringung deutlich höher sei als zulässig. Zwar fänden Messungen in seiner (des Klägers) Nachbarschaft nicht statt, aber er hätte seit Jahren einen Anspruch auf die Messungen. Nach der Rechtsprechung sei der Spielraum der Behörden bei der Auswahl der Messstellen nämlich dahin reduziert, dass der Schutzzweck der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG eingehalten werden müsse. Dieser Zweck hätte eine Messung in seinem Umfeld erfordert. Über diesen Anspruch sei trotz wiederholter Beschwerden seit Jahren nicht entschieden worden. Die einzige Messstelle in Süd-Oldenburg liege in Bösel, Steinwitten, und sei, da sie in einem Gewerbegebiet neben einem Wald innerorts liege, nicht aussagekräftig für die Bemessung des Feinstaubes insbesondere durch die Gülleausbringung (in einem ländlichen Gebiet).

Zwar habe er grundsätzlich nur dann einen Anspruch gemäß § 47 Abs. 1 BImSchG, wenn die festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten seien. Dieser Anspruch müsse aber auch bestehen, wenn sich die Überschreitung dem Beklagten anhand weiterer Erkenntnisse aufdränge. Denn der Individualrechtsschutz ergebe sich aus der Richtlinie 2008/50/EG und könne nicht dadurch entfallen, dass sich der Beklagte weigere, Messungen durchzuführen, und dadurch die Feststellung vereitele, dass am konkreten Standort die Grenzwerte überschritten seien. Es sei zu berücksichtigen, dass die Verunreinigung der Luft durch Ammoniak seit 2005 kontinuierlich gestiegen sei.

Zwar seien Grenzwerte für Ammoniak nicht festgelegt; durch die Ammoniakemissionen werde jedoch der Wert für Feinstaub überschritten. Denn Ammoniak trage wesentlich zur Entstehung von Feinstaub bei und sei relevant für die Erzeugung von sog. Sekundärstäuben. Es gebe unstreitig einen chemisch-technischen Zusammenhang zwischen der Verunreinigung der Luft durch Ammoniak und Geruchsstoffen und NOx und Feinstaub.

Ferner habe das Land Niedersachsen bestätigt, dass nahezu alle Grundwassermessstellen in seinem (des Klägers) Bereich Überschreitungen der Grenzwerte der Wasserrahmenrichtlinie aufwiesen. Dass die Verschmutzung des oberflächennahen Wassers und des Grundwassers nachweislich auch über die Luft erfolge, die das Ammoniak, die Geruchsstoffe und Stäube aus den Ställen und dem Auftragen der Gülle auf den Boden aufnehme, spreche zusätzlich dafür, dass die relevanten Werte in der Luft überschritten seien.

Bei ordnungsgemäßer Messung würde sich eine Überschreitung des Messwertes für Feinstaub und damit ein Anspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans ergeben.

Mit seinem letzten Schriftsatz und in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger weiter ausgeführt, aus dem europäischen Recht ergebe sich, dass ein Anspruch auf einen Luftreinhalteplan nicht erst beim Überschreiten der Immissionsgrenzwerte bestehe, sondern bereits dann, wenn die Gefahr einer Überschreitung bestehe. Dass eine solche gegeben sei, folge daraus, dass vorliegend die Grenzwerte für verschiedene (andere) Stoffe überschritten seien.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, für sein, des Beklagten, Gebiet einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der Maßnahmen vorsieht, die zur baldigen Einhaltung der geltenden Immissionswerte für Ammoniak und Feinstäube führen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die Klage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe mit Schreiben vom 8. August 2018 einen Antrag auf Erstellung eines Luftreinhalteplans gestellt. Dieser sei mit Schreiben vom 6. März 2019 abgelehnt worden. Er (der Kläger) habe geltend gemacht, am 21. August 2019 erneut den nun streitgegenständlichen, identischen Antrag gestellt zu haben. Eine veränderte Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 BImSchG sei jedoch nicht ersichtlich. Es fehle daher am Rechtsschutzbedürfnis.

Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für die Aufstellung eines Luftreinhalteplans lägen nicht vor. Es fehle an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die in der - von § 47 Abs. 1 BImSchG in Bezug genommenen - 39. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwerte für Feinstaub an dem Wohnort des Klägers überschritten seien. Er wohne weder in einem Ballungsgebiet noch in einem durch „Rechtsverordnung“ ausgewiesenen Untersuchungsgebiet, in dem mit einer erheblichen Feinstaubbelastung zu rechnen sei. Der Kläger mache auch keine konkreten Angaben, inwiefern die Grenzwerte überschritten sein sollten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 7 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a), Satz 2 UmwRG und § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG, Nr. 2.2 der Anlage 5 und Nr. 7 der Anlage 1 UVPG (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.2020 - 7 C 3/19 -, juris, Rn. 22) zutreffend beim Oberverwaltungsgericht erhobene (Leistungs-)Klage auf Erlass eines Luftreinhalteplans hat keinen Erfolg.

Soweit der Beklagte geltend macht, es fehle bereits am Rechtsschutzbedürfnis, überzeugt dies nicht. Denn weder bezeichnet der Beklagte eine anerkannte Fallgruppe, in der diese ungeschriebene Voraussetzung ausnahmsweise, etwa wegen Nutzlosig-
oder Rechtsmissbräuchlichkeit des Rechtsschutzes, nicht gegeben ist, noch ist eine solche für den Senat ersichtlich.

Die hier vorliegende allgemeine Leistungsklage ist im Übrigen auch nicht fristgebunden (vgl. nur Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, 5. Aufl., § 42 Rn. 64, m. w. N.).

Wegen des vom Beklagten geltend gemachten, aus seiner Sicht „zu großen“ Abstandes zwischen der Ablehnung des ersten Antrages im März 2019, mit dem die zuvor fehlende Klagevoraussetzung (erstmals) erfüllt worden ist, und der vorliegenden Klageerhebung im Januar 2020 kommt daher allenfalls eine Verwirkung des Klagerechts in Betracht; sie setzt aber neben dem Verstreichen einer längeren Zeit besondere, eine Vertrauensgrundlage des „Verpflichteten“ schaffende Umstände voraus (vgl. Sodan, a. a. O., m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwischen der Ablehnung des ersten an den Beklagten gerichteten Antrags auf Erlass eines Luftreinhalteplans (März 2019) und der erneuten Antragstellung (August 2019) lag weniger als ein halbes Jahr, und auch die Klageerhebung erfolgte dann zeitnah (Januar 2020). Allein der Umstand, dass der Kläger die Ablehnung seines (ersten) Antrags durch den Beklagten zunächst „hingenommen“ bzw. diesbezüglich nicht sofort Klage erhoben hat, schaffte gerade vor dem Hintergrund seiner o. a. langjährigen Bemühungen auch keinen Vertrauenstatbestand für den Beklagten.

Anders als der Beklagte offenbar meint, steht schließlich auch die wiederholte Antragstellung für sich genommen nicht der Zulässigkeit der Klage entgegen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass des von ihm begehrten Luftreinhalteplans.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG hat die zuständige Behörde - hier der Beklagte, da nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung von der geltend gemachten Grenzwertüberschreitung der Bereich mindestens mehrerer Gemeinden im Gebiet des Beklagten, wenn nicht sogar sein gesamtes Gebiet betroffen sei (vgl. Nr. 8.1.1.8 der Anlage 1 zu § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Sprengstoff-, Gentechnik- und Strahlenschutzrechts sowie in anderen Rechtsgebieten [ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz]) - einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen einer Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG entsprechen muss, wenn die durch diese Rechtsverordnung festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden. Nach Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG, dessen Umsetzung die Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG dient, sind entsprechende Luftqualitätspläne zu erstellen, wenn die Schadstoffwerte in der Luft in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer dafür jeweils geltenden Toleranzmarge überschreiten. Wie sich aus der Richtlinie selbst ergibt, reicht - anders als der Kläger geltend macht - die Gefahr einer Überschreitung insoweit gerade nicht aus. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der o. a. geltenden europäischen Regelung und ihrer Systematik sieht der Senat auch keinen Anlass, die Frage, ob für den Anspruch auf Erlass eines solchen Luftreinhalteplans eine „Gefahr“ ausreiche, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen - wie vom Kläger gewünscht. Aus der (älteren) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 25.7.2008 - C-237/07 -, juris), wonach natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der für Schadstoffwerte festgelegten Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind, bei den zuständigen Behörden erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird, ergibt sich keine andere Bewertung. Diese Rechtsprechung erging noch zu Art. 7 Abs. 3 der „alten“ Richtlinie 96/62/EG vom 27. September 1996, nach dem eine „Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und/oder der Alarmschwellen“ insoweit ausreichte, und betraf die Aufstellung eines Aktionsplans.

Auf Grundlage des § 48a BImSchG wurde die Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV - erlassen.

Werden die in dieser 39. BImSchV enthaltenen, aus der - an die Stelle der o. a. alten Richtlinie 96/62/EG getretenen - Richtlinie 2008/50/EG übernommenen Immissionsgrenzwerte in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum nicht überschritten (vgl. § 27 Abs. 1 der 39. BImSchV, Art. 23 Abs. 1 der „neuen“ Richtlinie 2008/50/EG vom 21.5.2018), fehlt es an einer Rechtspflicht der zuständigen Behörde, für diesen Bereich einen Luftreinhalteplan aufzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 26.5.2004 - 9 A 6/03 -, juris, Rn. 23 - noch zur 22. BImSchV - und zuletzt v. 10.4.2019 - 9 A 22/18 -, juris, Rn. 28, m. w. N.) kommt es angesichts der Schutzrichtung der 39. BImSchV und der mit ihr umgesetzten Luftqualitätsrichtlinie für die Einhaltung der Grenzwerte nur auf solche Grundstücke an, auf denen Menschen über einen längeren Zeitraum (Luft-)Schadstoffen ausgesetzt sind. Darüber hinaus müssen bei der Ermittlung von Grenzwertüberschreitungen die für die Probenamestellen bestehenden Vorgaben eingehalten werden, wodurch aussagefähige und repräsentative Ergebnisse erreicht werden. So sind etwa begrenzte und kleinräumige Umweltsituationen ohne Bedeutung (vgl. Nr. B. und C. der Anlage 3 der 39. BImSchV).

Im vorliegenden Fall ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Überschreitung eines Grenzwerts im Sinne der 39. BImSchV für das Gebiet des Beklagten nicht festzustellen.

Ein solcher Grenzwert ist für Ammoniak - worauf der Kläger bereits durch Verfügung des Vorsitzenden vom 30. Januar 2020 hingewiesen worden ist - nicht gegeben und kann daher auch nicht überschritten worden sein (vgl. schon Beschl. d. Sen. v. 26.11.2018 - 12 LA 152/18 - n. v.). Die insoweit in § 33 Abs. 1 Nr. 4 der 39. BImSchV - in Umsetzung der (inzwischen ihrerseits durch die Richtlinie (EU) 2016/2284 abgelösten) sog. NEC-Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, nicht aber in Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie - festgesetzte (bundesweite) Emissionshöchstmenge für Ammoniak stellt keinen „Grenzwert“ in dem relevanten Sinne dar und ist daher hier unerheblich (vgl. nur Jarass, BImSchG, 12. Aufl., § 47, Rn. 8, unter Verweis auf: EuGH, C-165/09, Slg. 2011, I-4599 Rn. 76). Ein solcher Grenzwert i. S. d. § 47 Abs. 1 BImSchG ergibt sich auch nicht aus der TA Luft oder den Regelungen zu critical loads. Der Kläger räumt selbst ein, dass die diesbezüglichen Werte nicht dem Schutz der Gesundheit, sondern des Waldes als Ökosystem dienen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. Urt. v. 19.11.2014 - C-404/13 -, Rn. 55, hier zit. nach juris) wurzelt der Anspruch des Einzelnen (auf Erlass eines Luftreinhalteplans) aber in seinem Recht auf Schutz der Gesundheit. Ferner handelt es sich bei der TA Luft um eine nicht auf europäischen Vorgaben beruhende nationale Regelung. Seine These, das Fehlen eines solchen Grenzwertes für Ammoniak in den nationalen Regelungen verstoße gegen europäisches Recht, hat der Kläger nicht näher begründet, insbesondere nicht verdeutlicht, welche europäische Norm insoweit auch nur verletzt sein könnte. Ein solcher Verstoß gegen EU-Recht ist auch für den Senat nicht ersichtlich.

Hinsichtlich „Feinstaub“ (konkret: PM 10 sowie PM 2,5) sind in §§ 4 und 5 der 39. BImSchV zwar Immissionsgrenzwerte festgesetzt, und zwar wie folgt:

für PM 10 ein über den Tag gemittelter Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, der 35 Mal pro Jahr überschritten werden darf (§ 4 Abs. 1 der 39. BImSchV), sowie ein über ein Kalenderjahr gemittelter Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (§ 4 Abs. 2 der 39. BImSchV)

und für PM 2,5 ein über ein Kalenderjahr gemittelter Wert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter (§ 5 Abs. 2 der 39. BImSchV).

Es ist aber - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht ersichtlich, dass insoweit im Gebiet des Beklagten Grenzwertüberschreitungen i. S. d. §§ 4 und 5 der 39. BImSchV vorliegen.

Der Kläger selbst macht nicht geltend, es sei in dem betroffenen Bereich eine Überschreitung der zulässigen „Feinstaub“-Werte gemessen worden. Er behauptet vielmehr, die Ammoniak-Belastung liege bei „in etwa dem Doppelten von dem, was zulässig“ sei und dies führe auch zu einer Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaub, ohne dabei zwischen PM 10 und PM 2,5 zu differenzieren. Der Beklagte habe zu Unrecht weder Berechnungen erstellen lassen noch Messungen vorgenommen. Ein Anspruch auf einen Luftreinhalteplan müsse sich in solchen Fällen auch ergeben, wenn zwar nicht gemessen worden sei bzw. werde, aber sich der zuständigen Behörde, hier dem Beklagten, aus weiteren Erkenntnissen aufdränge, dass eine Überschreitung der Grenzwerte vorliege.

Es kann vorliegend offenbleiben, ob ein Anspruch auf Aufstellung eines Luftreinhalteplans ausnahmsweise auch dann bestehen kann, wenn eine Grenzwertüberschreitung - wie hier - nicht durch eine den Anforderungen der 39. BImSchV entsprechende (behördliche) Messung festgestellt worden ist, was zweifelhaft erscheint (vgl. schon zu Zweifeln, ob fehlende behördliche Messungen inzident durch gerichtlich veranlasste ersetzt werden können: OVG Schlesw.-Holst., Urt. v. 24.6.2020 - 5 KN 1/19 -, juris, Rn. 78). Die Behauptung des Klägers, diese Frage sei bereits von zwei Gerichten anderer EU-Länder dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt worden, ließ sich - auch weil er die vermeintlichen Vorlageersuchen weder in Kopie vorgelegt noch konkrete Angaben zu ihrem jeweiligen Erlassdatum oder der Fundstelle gemacht hat – nicht überprüfen.

Selbst wenn man jedoch einen solchen Ausnahmefall der Grenzwertüberschreitung ohne Messung anerkennt, so muss dafür jedenfalls eine räumlich bestimmbare Überschreitung der Grenzwerte nach den vorliegenden Umständen evident sein. Andernfalls würden nämlich die sehr differenzierten Regelungen sowohl im o. a. nationalen wie europäischen Recht zu den Standorten der Messstation sowie der Art und Weise der Messung leerlaufen.

Eine solche evidente Überschreitung der Grenzwerte liegt hier ersichtlich nicht vor. Insoweit greift der Senat auf vorliegende Messergebnisse zurück. Die Ergebnisse der erfolgten Messungen sind gemäß § 46a BImSchG, § 30 der 39. BImSchV zu veröffentlichen. Diese Daten sind für Niedersachsen (u. a.) der Homepage des Niedersächsischen Umweltministeriums zum sog. LÜN (= Lufthygienisches Überwachungssystem Niedersachsen) zu entnehmen. Die bundesweiten Daten finden sich auf der Homepage des Umweltbundesamtes (https://www.umweltbundesamt.de/daten/luft/luftdaten).

Da das Jahr 2020 wegen der Covid20-Pandemie von Besonderheiten geprägt und im Übrigen noch nicht beendet ist, insoweit also die maßgeblichen Jahreswerte nicht feststehen, und Gründe für eine wesentliche Verschlechterung der Werte im laufenden Jahr nicht ersichtlich sind, wird auf die Daten des Jahres 2019 zurückgegriffen.

Danach wurde bundesweit an keiner der über 350 Messstationen der über ein Kalenderjahr gemittelte Grenzwert für PM 10 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (vgl. § 4 Abs. 2 der 39. BImSchV) überschritten; der maximale Jahresmittelwert betrug vielmehr „nur“ 28 Mikrogramm pro Kubikmeter. Damit setzte sich die positive Entwicklung der Vorjahre fort.

Der über den Tag gemittelte Immissionsgrenzwert für PM 10 von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter bei an 35 Tagen zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr (vgl. § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV) wurde ebenfalls an keiner Messstation überschritten. Bundesweit ist es - an zwei in Baden-Württemberg gelegenen Stationen – vielmehr höchstens zu zugelassenen Überschreitungen an 31 bzw. 27, also an weniger als 35 Tagen gekommen. In Niedersachsen waren maximal an sechs Tagen zugelassene Überschreitungen zu verzeichnen.

Der über ein Kalenderjahr gemittelte Grenzwert für PM 2,5 von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter ist 2019 schließlich ebenfalls bundesweit an keiner Station erreicht worden. Der höchste gemessene Wert liegt deutlich darunter, nämlich bei 16 Mikrogramm pro Kubikmeter, und wurde in Berlin an der Frankfurter Allee, mithin ebenfalls an einer verkehrsreichen Straße, erreicht. In Niedersachsen liegen die - den Bereich des „Verkehrs“ abbildende - Station „Oldenburg Heiligengeistwall“ sowie die Industriestation im vorstädtischen Gebiet Südoldenburg mit 12 Mikrogramm pro Kubikmeter „vorn“. Der Kläger weist insoweit zwar zutreffend darauf hin, dass das Umfeld insbesondere der Station in Südoldenburg „Bösel“ mit der bei ihm vorherrschenden Situation nicht vergleichbar ist. Sie soll nämlich - wie der Name belegt - die Situation für den Bereich „Industrie“ abbilden. Entgegen seiner Annahme spricht jedoch ungeachtet seiner nachfolgend im Einzelnen erörterten Argumente nichts für seine These, die Belastung sei bei „ihm“ infolge der Intensivtierhaltung ganz erheblich höher. Alle Messergebnisse niedersächsischer Stationen, die den durchschnittlichen ländlichen Hintergrund abbilden sollen, liegen für PM 2,5 sogar unter dem Wert von 12 Mikrogramm pro Kubikmeter und erreichen mithin nicht mal die Hälfte des o. a. Grenzwertes.

Angesichts dessen erscheint eine Überschreitung der Grenzwerte für PM 10 oder für PM 2,5 im Gebiet des Beklagten keineswegs „evident“, sondern vielmehr sehr fernliegend bzw. gar ausgeschlossen.

Die Behauptung des Klägers, keine der Messstationen befände sich in einem mit seiner Situation vergleichbaren Bereich, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Es fehlt nämlich an jeglichen Anhaltspunkten, dass alle bundesweit für die Auswahl und Aufstellung der Messstationen zuständigen Landesbehörden die rechtlichen Vorgaben ignorieren, dort zu messen, wo in einem nach den europäischen und nationalen Vorgaben in den Blick zu nehmenden Gebiet eine Überschreitung des Grenzwertes am ehesten zu erwarten ist. Die aus der Landwirtschaft stammenden Feinstaubbelastungen sind dabei bekannt, beruhen nach den Angaben des Umweltbundesamtes überwiegend auf der - nicht konzentriert im Nordwesten Niedersachsens erfolgenden - Bearbeitung landwirtschaftlicher Böden und werden zudem von der Feinstaubbelastung aus „Industrieprozessen“ um ein Vielfaches übertroffen. Zur Klarstellung weist der Senat nochmals darauf hin, dass dabei ohnehin nicht jedwedes Gebiet relevant ist. Denkbare Standorte solcher Messstationen sind vielmehr nur Orte, an denen die Bevölkerung der Belastung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt ist, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum signifikant ist (vgl. Anlage 3 zur 39. BImSchV, Anlage III zur 2008/50/EG).

Auch der Hinweis des Klägers auf eine erhöhte Belastung etwa durch das Ausbringen von Gülle und die im Grundwasser festgestellten erhöhten Nitrat-/Nitrit-Werte jeweils in seinem örtlichen Umfeld führt nicht weiter. Da es sich bei Nitrat um das Salz der Salpetersäure und damit einen festen, in Wasser löslichen Stoff handelt, lässt eine diesbezüglich erhöhte Belastung des Bodens bzw. das Wassers einen Rückschluss auf Schadstoffwerte in der Luft erkennbar nicht zu. Zudem weist der Senat darauf hin, dass eine erhöhte Feinstaubbelastung durch das Ausbringen der Gülle sowohl zeitlich als auch räumlich punktuell erfolgen dürfte. Kleinräumige Situationen sind jedoch, wie ebenfalls bereits ausgeführt, nicht relevant; eine Überschreitung der Jahreswerte für PM 2,5 bzw. PM 10 oder eine mehr als 35-malige Überschreitung des Tageswertes für PM 10 ist unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls nicht anzunehmen.

Die weitere Behauptung des Klägers, eine Überschreitung der Werte der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) würde zwingend bedeuten, dass die Feinstaubwerte überschritten seien, trifft ersichtlich nicht zu. Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass die Ermittlung der Geruchsbelastung nach der GIRL im (hier relevanten) Außenbereich nur für einzelne Wohnhäuser und damit punktuell erfolgt. Darüber hinaus können die Immissionswerte der GIRL einerseits und der §§ 4 und 5 der 39. BImSchV andererseits schon deshalb nicht korrespondieren, weil die GIRL hinsichtlich des jeweils „zulässigen“ Wertes zwischen verschiedenen Gebietskategorien differenziert, während die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung (an den Beurteilungspunkten) einheitlich sind. Abschließend weist der Senat nur noch darauf hin, dass selbst das Überschreiten des Grenzwertes für einen Luftschadstoff keineswegs zwingend bedeutet, dass auch gerade die Werte für Feinstaub (PM 10 bzw. 2,5) überschritten sind. Dies wird schon dadurch deutlich, dass etwa auch an den Orten im Bundesgebiet, an denen in der Vergangenheit z. T. deutliche Überschreitungen der NO² oder NOx-Werte festgestellt worden waren und noch fortdauern, die Grenzwerte für Feinstaub (PM 10 und PM 2,5) nicht (mehr) überschritten sind.

Der Kläger kann daher mit seinem Einwand, es sei nur zu Unrecht in dem für ihn relevanten Gebiet nicht gemessen worden, das dürfe ihm nicht entgegengehalten werden, keinen Erfolg haben.

Er ist dadurch - anders als er geltend macht - nicht rechtsschutzlos. Wie sich aus dem von ihm selbst zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Juni 2019
(- C-723/17 -, juris) ergibt, steht ihm unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Standortes von Messstationen und damit ggf. auch ein solcher auf Einrichtung neuer Stationen zu. Einen solchen Anspruch hat er vorliegend jedoch nicht geltend gemacht, so dass auch nicht zu prüfen war, ob die Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind. Darüber hinaus wäre ein solcher Anspruch auch nicht gegen den Beklagten zu richten. Sowohl die Auswahl des jeweiligen (repräsentativen) Gebiets (§ 1 Nr. 9 der 39. BImSchV) als auch die daran anknüpfende Bestimmung der genauen Messstandorte für die dortige Feinstaubbelastung (Anlage 3 zur 39. BImSchV, Anlage III zur 2008/50/EG) ist nach den Nrn. 8.1.18.1 - 6 Zust-VO-Umwelt-Arbeitsschutz (zur 39. BImSchV) nämlich Aufgabe des Landes (Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim bzw. Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz) und nicht etwa der Landkreise einschließlich des Beklagten. Außerdem enthalten die §§ 11 ff. der 39. BImSchV umfangreiche Vorgaben dazu, wie und in welchem Umfang behördliche Ermittlungen zur Auswahl der Messstationen notwendig sind. Das Umweltbundesamt führt dazu aus: “Nach den europäischen Vorgaben ist das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates in Ballungsgebiete - das sind Städte mit mehr als 250.000 Einwohnern - und sonstige Beurteilungsgebiete einzuteilen und zu beurteilen. Eine flächendeckende Abdeckung kann mit Messungen nicht gewährleistet werden und ist auch nicht in der Richtlinie vorgesehen. Auch eine auf Städte und Gemeinden herunter gebrochene Messverpflichtung ist gesetzlich nicht vorgegeben.“ Der Senat weist nur vorsorglich darauf hin, dass gemessen an diesen Vorgaben nach den vorliegenden Erkenntnissen - anders als der Kläger annimmt - eine Messung „in seinem Umfeld“ nicht geboten erscheint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.