Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.08.2020, Az.: 1 LB 31/19

Abwägung; Abwägung (Eigentum); Baudenkmal; Bauernhof; Beeinträchtigung; Denkmaleigenschaft; Denkmalensemble; Denkmalfähigkeit; Denkmalschutz; Denkmalwürdigkeit; Eigentum; Gruppe baulicher Anlagen; historische Bedeutung; Hoffläche; Hofstelle; städtebauliche Bedeutung; Veränderung; Vormeierhof; Vorschädigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.08.2020
Aktenzeichen
1 LB 31/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71946
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 13.02.2018 - AZ: 4 A 4336/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Baudenkmal verliert seine Denkmalwürdigkeit erst dann, wenn es unrettbar verloren ist. Beeinträchtigungen müssen ein solches Ausmaß erreichen, dass die Aussagekraft des Denkmals und das daraus resultierende öffentliche Interesse an seinem Erhalt auf Dauer entfallen sind.

2. Ob die Veränderung eines Denkmals eine unzulässige Beeinträchtigung im Sinne von § 6 Abs. 2 NDSchG bewirkt, ist aufgrund einer abwägenden Gesamtbetrachtung der Bedeutung des Denkmals, des Gewichts der Beeinträchtigung und der Interessen des Eigentümers zu bestimmen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurt. v. 24.10.2018 - 1 LB 79/17 -, BRS 86 Nr. 149 = juris Rn. 25, 41 ff.).

3. Einen allgemeinen denkmalrechtlichen Grundsatz dergestalt, dass einem vorgeschädigten Baudenkmal ein Mehr an Belastungen zugemutet werden kann als einem intakten Denkmal, gibt es nicht. Im Gegenteil ist gerade bei einem vorgeschädigten Denkmal darauf zu achten, dass keine weiteren Schäden hinzutreten, um den Denkmalwert und damit die Denkmaleigenschaft als solche nicht zu gefährden.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Fremdwerbeanlage im Bereich einer denkmalgeschützten ehemaligen Hofanlage.

Die Klägerin, ein Unternehmen der Außenwerbung, beantragte im September 2014 die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Errichtung einer Werbeanlage des Typs City Star (doppelseitig/statisch) auf einem Monofuß für wechselnden Plakatanschlag“ auf dem im Stadtteil E. der Beklagten an der Straße F. gelegenen Flurstück G. der Flur H., Gemarkung E.. Die 3,76 m breite und 2,79 m hohe Werbeanlage auf einem 2,50 m hohen Monofuß soll im Abstand von 9,5 m zu der auf dem benachbarten Flurstück I. befindlichen Gasdruckregelstation direkt an der straßenseitigen Grundstücksgrenze quer zur Straße F. errichtet werden. Die Anlage soll beidseitig durch eine Leuchtstoffröhre beleuchtet werden.

Das im unbeplanten, von gewerblicher Nutzung und auch von Wohnnutzung geprägten Innenbereich gelegene Vorhabengrundstück ist Teil der Hoffläche des im 19. Jahrhundert errichteten ehemaligen Vollmeierhofes J.. Von dem ursprünglichen Hof sind das Haupthaus (F. K.), ein daran anschließender Querbau (ehemaliges Wirtschaftsgebäude mit Stallungen, F. L.) und das Altenteilerhaus (F. M.) erhalten. Eine westlich an den Querbau angrenzende Scheune wurde im Zuge des Baus der Stadtbahn nach N. Mitte der 90er-Jahre abgerissen. Ohne Genehmigung ebenfalls abgerissen wurde in den letzten Jahren die aus einer Mauer bestehende Einfriedung der Hofanlage, die diese zuvor von der Straße F. abgegrenzt hatte. Die gesamte Hofanlage einschließlich der Hoffläche wurde 1987 vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege unter der Bezeichnung „Gruppe F. O.“ aufgrund ihrer historischen und städtebaulichen Bedeutung in die Liste der Kulturdenkmäler der Beklagten aufgenommen; dabei wurden die einzelnen Gebäude als konstituierende Bestandteile einer Gruppe baulicher Anlagen erfasst.

Das Flurstück G. wird zurzeit als Ausstellungsfläche für einen Gebrauchtwagenhandel genutzt; es ist vollständig von einem Metallgitterzaun umgeben. Im Querbau des ehemaligen Haupthauses befindet sich eine Weinhandlung; das Haupthaus steht in Teilen leer, ein anderer Teil wird zu Wohnzwecken genutzt. In dem kürzlich vollständig renovierten Altenteiler befinden sich eine Autoreparaturwerkstatt sowie Wohnungen. Dem Vorhabengrundstück gegenüber auf der anderen Seite der stark befahrenen Straße F. liegt ein ausgedehntes Industriegebiet.

Den Bauantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2015 unter Verweis auf § 10 NDSchG ab, weil das geplante Vorhaben die ehemalige Hofanlage als Denkmal unzulässig beeinträchtige. Die Werbeanlage greife zwar substanziell nicht in die geschützte Hofanlage ein, würde aber das Erscheinungsbild erheblich überlagern. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2015 als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Klage hat die Klägerin vorgetragen, ihr Vorhaben führe zu keiner Beeinträchtigung des Baudenkmals. Es reiche in Bezug auf den denkmalrechtlichen Umgebungsschutz nicht aus, dass die Werbeanlage in Sichtweite des Denkmals errichtet werden solle, da die Anlage insbesondere in erheblicher Entfernung zu den Gebäuden stehe und diese zudem aus keiner Perspektive auch nur teilweise verdecke.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Juni 2015 in Gestalt des am 30. Juli 2015 zugestellten Widerspruchsbescheids zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Bauerlaubnis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Werbeanlage solle sich in der direkten Sichtachse vom F. auf die denkmalgeschützten Gebäude errichtet werden. Dies schränke die Sichtbarkeit und Erlebbarkeit des Hofensembles gravierend ein. Diese Störwirkung werde durch die Beleuchtung noch verstärkt. Richtig sei zwar, dass das Denkmal, zu dem auch die Hoffläche selbst gehöre, durch den Gebrauchtwagenhandel erheblich vorbelastet sei. Dabei handele es sich jedoch um eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung des Baudenkmals, wohingegen die nunmehr beantragte eigenständige gewerbliche Hauptnutzung keinen Beitrag zur sinnvollen Nutzung leiste. Hinzu komme, dass ein wesentlicher Teil der Vorbelastungen auf ungenehmigten Veränderungen beruhe. Auch deshalb sei es nicht gerechtfertigt, dem Denkmal von vornherein ein niedrigeres Schutzniveau zuzubilligen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit sowie Einholung einer denkmalfachlichen Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege und eines Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 13. Februar 2018 abgewiesen. Die von der Klägerin beantragte Werbeanlage stelle einen unzulässigen Eingriff in ein Kulturdenkmal im Sinne des § 6 Abs. 2 NDSchG dar. Bei der Hoffläche handele es sich um einen Bestandteil einer Gruppe baulicher Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 NDSchG. Die Gruppe F. sei trotz der in der Vergangenheit bereits vorgenommenen Veränderungen und der derzeitigen gewerblichen Nutzungen weiterhin sowohl denkmalfähig als auch denkmalwürdig. Für den sachverständigen Betrachter bleibe trotz der Umnutzung die landwirtschaftliche Historie der Gebäude erkennbar. Damit könne nicht angenommen werden, die beleuchtete Werbeanlage, die weder mit dem Denkmal noch der derzeitigen Nutzung in einem Zusammenhang stehe, könne den Denkmalwert der Hofanlage nicht beeinträchtigen. Vielmehr stelle die geplante Werbeanlage eine weitere unzulässige Beeinträchtigung dar, welche - wenn sie zugelassen würde - die Aussicht auf die Besserung des Zustandes vermindere.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Die geplante Werbeanlage bewirke keine weitere erhebliche Beeinträchtigung des bereits erheblich beeinträchtigten Denkmalwerts der Hofanlage. Denkmalfähigkeit und Denkmalwürdigkeit der Hofanlage seien durch Abbruch, Umgestaltung und denkmalfremde Nutzung massiv gestört; ihre Aussagekraft sei nicht mehr ohne weiteres erkennbar. Demgegenüber halte die Werbeanlage einen Abstand von 50 bis 60 Metern zu den Gebäuden; die Sichtbeziehungen von der Straße seien auch aufgrund der Höhe der Anlage kaum beeinträchtigt. Die gleichzeitige Wahrnehmbarkeit der Werbeanlage und des Denkmals sei kurzfristig und daher allenfalls unwesentlich.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13. Februar 2018 sowie Aufhebung der Bescheide vom 15. Juni 2015 und 24. Juli 2015 die Beklagte die verpflichten, der Klägerin die begehrte Baugenehmigung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt ergänzend aus, dass das Baudenkmal zwar vorbelastet sei. Das betreffe indes nicht den städtebaulichen Rahmen im Bereich einer gewerblich-industriellen Bebauung, die als gegeben hinzunehmen sei. Dieser Rahmen schränke allerdings die denkmalverträglichen Nutzungsmöglichkeiten der Hofanlage stark ein; aus diesem Grund seien die bestehenden Nutzungen genehmigt worden, damit diese zum Erhalt des Denkmals beitrügen. Das gelte auch für die „denkmalferne Renovierung“ des Altenteilers, der indes immer noch Zeugnis seiner Geschichte abzulegen vermöge. Entscheidend sei aber, dass wesentliche denkmalwidrige Veränderungen ungenehmigt seien. Das betreffe insbesondere die Aufstellung der Fahrzeuge auf dem Hof, die anders und insbesondere mit geringerer Stellplatzzahl gestattet worden sei. Sie, die Beklagte, wirke darauf hin, dass der genehmigte Rahmen eingehalten und ungenehmigte Veränderungen rückgängig gemacht würden. Das betreffe die Entfernung von ungenehmigt aufgestellten Containern, die zwischenzeitlich erfolgt sei, die - ebenfalls bereits erfolgte - Entfernung von ungenehmigten Werbeanlagen, den Rückbau des Metallgitterzauns und dessen Ersatz durch eine denkmalverträgliche Einfriedung sowie die Aufstellung der Fahrzeuge. Die geplante Werbeanlage würde hingegen zu einer gravierenden neuen Dimension der Beeinträchtigung führen.

Der Senat hat die mündliche Verhandlung vor Ort durchgeführt und das Baugrundstück und seine nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der von der Beklagten abgegebenen Erklärungen zur geplanten Verbesserung des Denkmals wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung, weil ihr Bauvorhaben gegen § 6 Abs. 2 NDSchG verstoßen würde (§ 10 Abs. 4 und 3 Satz 1 NDSchG, § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO).

Gemäß § 6 Abs. 2 NDSchG dürfen Kulturdenkmale nicht zerstört, gefährdet oder so verändert oder von ihrem Platz entfernt werden, dass ihr Denkmalwert beeinträchtigt wird. Dies wäre bei Errichtung der geplanten Werbeanlage der Fall.

Bei der Hofanlage, bestehend aus Haupthaus, Querbau und Altenteiler sowie den davor und dahinter liegenden Hof- und Gartenflächen handelt es sich um ein Kulturdenkmal in Gestalt eines Baudenkmals. Baudenkmale sind gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG unter anderem bauliche Anlagen, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht. Baudenkmal in diesem Sinne ist auch eine Gruppe baulicher Anlagen, die aus den in § 3 Abs. 2 NDSchG genannten Gründen erhaltenswert ist, unabhängig davon, ob die einzelnen baulichen Anlagen für sich Baudenkmale sind. Pflanzen, Frei- und Wasserflächen in der Umgebung eines Baudenkmals und Zubehör eines Baudenkmals gelten als Teile des Baudenkmals, wenn sie mit diesem eine Einheit bilden, die aus den in § 3 Abs. 2 NDSchG genannten Gründen erhaltenswert ist (§ 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 NDSchG). Diese Voraussetzungen lagen und liegen trotz der in den Akten dokumentierten und vom Senat vor Ort in Augenschein genommenen Beeinträchtigungen des Denkmalwertes der Hofanlage vor.

Die Hofanlage ist weiterhin sowohl denkmalfähig als auch denkmalwürdig. Sowohl ihre orts- und regionalgeschichtliche als auch ihre städtebauliche Bedeutung begründen die Denkmalfähigkeit. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, das nach ständiger Senatsrechtsprechung in erster Linie berufen ist, den mit der Anwendung denkmalschutzrechtlicher Bestimmungen befassten Behörden und Gerichten den erforderlichen Sachverstand zu vermitteln (vgl. Senatsurt. v. 15.7.2014 - 1 LB 133/13 -, BRS 82 Nr. 211 = juris Rn. 36; Senatsbeschl. v. 6.4.2020 - 1 LA 114/18 -, BauR 2020, 1163 = juris Rn. 11). Auch ihre Denkmalwürdigkeit hat die Hofanlage einschließlich der Hoffläche zur Überzeugung des Senats trotz ihrer (erheblichen) Veränderung nicht eingebüßt; es besteht weiterhin ein öffentliches Interesse an ihrem Erhalt (vgl. zum Maßstab Senatsurt. v. 15.7.2014 - 1 LB 133/13 -, BRS 82 Nr. 211 = juris Rn. 42).

Bei der Hofanlage handelt es sich um einen in heute großstädtischer Lage besonders seltenen Typ eines Vollmeierhofes innerhalb eines ehemaligen Dorfes. Die Größe der Anlage ist aufgrund der erhaltenen großzügig dimensionierten Gebäude und nicht zuletzt aufgrund der Ausdehnung der davorliegenden Hoffläche weiterhin gut erkennbar; die Anlage vermittelt trotz aller Störungen noch heute einen lebendigen Eindruck der baulichen Struktur und Nutzung einer derartigen Hofstelle. Dabei ist die Hoffläche ein wichtiger Bestandteil der Hofanlage insgesamt. Insbesondere wird durch sie die Größe der Hofanlage deutlich, welche die historische Bedeutung des Vollmeierhofs J. aufzeigt. Zudem verbindet sie die einzelnen Bestandteile des Hofes - Hauptgebäude, Querbau und Altenteiler - zu einer Einheit. Die Hoffläche steigert mithin die Aussagekraft der Hofanlage und trägt zur historischen Bedeutung dieser wesentlich bei. Nach wie vor gegeben ist auch eine erhebliche städtebauliche Bedeutung der Anlage, die im Zusammenhang mit einer weiteren angrenzenden Hofanlage das ehemalige Dorf E. erkennen lässt; diese städtebauliche Bedeutung ergibt sich heute gerade aus dem scharfen Kontrast zu den nördlich angrenzenden großflächigen Industrieanlagen.

Zutreffend ist allerdings, dass die Hofanlage erheblich beeinträchtigt ist. Dazu tragen der genehmigte Abriss der ehemaligen Durchfahrtscheune im Westen im Zuge des Stadtbahnbaus ebenso bei wie die mit nicht denkmalgerechten Materialien in außergewöhnlich unsensibler Weise ausgeführte Sanierung des Altenteilers, die diesem in weiten Teilen den Anschein eines Neubaus verleiht, und die Nutzung der Hoffläche als Abstellplatz für Gebrauchtwagen. Weitere Beeinträchtigungen ergeben sich aus dem entgegen der Genehmigung erfolgenden unstrukturierten Abstellen von wesentlich mehr als den genehmigten Fahrzeugen sowie - dies wiegt besonders schwer - aus der ungenehmigten Entfernung der straßenseitigen Einfriedung und deren Ersatz durch einen den gesamten Abstellplatz, und zwar auch gegenüber den Hofgebäuden, abgrenzenden Metallgitterzaun. Gerade letzteres führt dazu, dass ein nicht sachkundiger Betrachter - dieser ist denkmalrechtlich allerdings nicht maßgeblich (vgl. Senatsurt. v. 15.7.2014 - 1 LB 133/13 -, BRS 82 Nr. 211 = juris Rn. 36; Senatsbeschl. v. 6.4.2020 - 1 LA 114/18 -, BauR 2020, 1163 = juris Rn. 11) - den Zusammenhang zwischen Hoffläche und Gebäudebestand nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck des Senats nur noch mit einigen Anstrengungen wahrzunehmen vermag.

Zum Entfallen der Denkmalwürdigkeit der Hoffläche oder gar der Hofanlage insgesamt führen diese Beeinträchtigungen allerdings nicht. Die Anforderungen liegen nach ständiger Senatsrechtsprechung insofern sehr hoch (vgl. Senatsurt. v. 21.8.1998 - 1 L 5891/96 -, juris Rn. 25); die Beeinträchtigungen müssen ein solches Ausmaß erreichen, dass die Aussagekraft des Denkmals und das daraus resultierende öffentliche Interesse an seinem Erhalt auf Dauer entfallen sind. Dass die Denkmalbehörde nicht zuletzt im Interesse der dauerhaften Erhaltung des Denkmals - wozu sie berechtigt ist und im Einzelfall auch verpflichtet sein kann - Kompromisse eingegangen ist, um eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung zu ermöglichen, richtet sich nicht gegen das Denkmal selbst. Erst wenn Eingriffe in die Substanz so erheblich sind, dass der Kernbestand des Denkmals angegriffen ist, entfällt das an seiner Erhaltung bestehende öffentliche Interesse und damit seine Denkmalwürdigkeit (vgl. Senatsurt. v. 14.9.1994 - 1 L 5631/92 -, BRS 56 Nr. 221 = juris Rn. 25; v. 3.5.2006 - 1 LB 16/05 -, BRS 70 Nr. 201 = juris Rn. 32). Dabei stellt sich die Frage des vollkommenen Verlustes der Schutzwürdigkeit eines Denkmals erst dann, wenn keine Aussicht mehr besteht, dass gravierende Beeinträchtigungen eines Baudenkmals wieder rückgängig gemacht werden können (vgl. Senatsurt. v. 14.9.1994 - 1 L 5631/92 -, BRS 56 Nr. 221 = juris Rn. 25). Auch ein schlecht erhaltenes oder anderweitig beeinträchtigtes Denkmal ist schützenswert, solange es nicht unrettbar verloren ist (vgl. anschaulich OVG Saarl., Urt. v. 20.11.2008 - 2 A 269/08 -, BRS 73 Nr. 206 = juris Rn. 33). Ein solcher Zustand liegt hier auch bezüglich der Hoffläche nach dem vor Ort und aufgrund fachkundiger Unterstützung durch das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege gewonnenen Eindruck des Senats nicht vor.

Für den von Rechts wegen maßgeblichen sachkundigen Betrachter ist die Hofanlage als solche weiterhin klar zu erkennen; ihre städtebauliche und geschichtliche Bedeutung gilt fort. Von Bedeutung ist dabei, dass auf der Hoffläche - dies hat die Beklagte zu Recht verhindert - keine Hochbauten errichtet worden sind, sondern sie ihren Charakter als Freifläche behalten hat. Hinzu kommt, dass die besonders schwerwiegenden Beeinträchtigungen durch das ungeordnete Abstellen der Gebrauchtwagen und den Metallgitterzaun ungenehmigt sind und ohne Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden können, ihre Existenz mithin nicht auf Dauer angelegt ist. Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor Ort überzeugend dargelegt, dass sie sich zu diesem Zweck in Gesprächen mit den Eigentümern der Hofanlage befindet und bezüglich der Einfriedung bereits eine genehmigte Planung für einen denkmalverträglichen neuen Zaun vorliegt. Allein dessen Realisierung würde zu einer erheblichen Verbesserung des Erscheinungsbildes und damit der Erkennbarkeit des Baudenkmals führen. Nimmt man hinzu, dass auch bezüglich der Nutzung der Gesamtanlage Gespräche stattfinden und die genehmigte Nutzung der Hoffläche zum Abstellen einer relativ geringen Anzahl von Fahrzeugen durchaus noch denkmalverträglich erscheint, sind die auf Dauer hinzunehmenden Beeinträchtigungen durch Abbrüche und Umbauten in der Gesamtschau nicht von einem Gewicht, das die Denkmalwürdigkeit der Hofanlage im Ganzen ernstlich in Frage zu stellen vermag.

Wie bereits die Vorinstanz folgt daher auch der Senat dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. P. vom Q. Oktober 2017 nicht, soweit diesem - die Schlussfolgerungen des Gutachtens sind insofern undeutlich - zu entnehmen sein sollte, dass die Hoffläche ihre Denkmaleigenschaft verloren hat. Die Schlussfolgerung des Gutachters (S. 13-14), die Hofanlage sei als solche kaum noch zu erkennen, ist bei Anlegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs, nämlich aus Sicht eines sachkundigen Betrachters, falsch. Zugleich versäumt es der Gutachter, sich mit der Genehmigungslage und der Möglichkeit einer Rückgängigmachung der Beeinträchtigungen in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen.

Handelt es sich daher bei der Hofanlage einschließlich der Hoffläche, an deren nordöstlichem Rand die Werbeanlage errichtet werden soll, weiterhin um ein Baudenkmal, ist die Errichtung der Werbeanlage an § 6 Abs. 2 NDSchG und nicht an § 8 NDSchG zu messen. § 6 NDSchG betrifft Veränderungen des Denkmals selbst, während § 8 NDSchG auf Anlagen in der Umgebung eines Denkmals Anwendung findet und den so genannten Umgebungsschutz regelt (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 6.4.2020 - 1 LA 114/18 -, BauR 2020, 1163 = juris Rn. 10 m.w.N.). Mit der Errichtung der Werbeanlage wäre eine gemäß § 6 Abs. 2 NDSchG unzulässige, weil den Denkmalwert der Hofanlage (weiter) beeinträchtigende Veränderung verbunden. Eine solche liegt vor, wenn die geschichtliche, künstlerische, wissenschaftliche oder städtebauliche Bedeutung, auf die sich jeweils ihre Denkmaleigenschaft gründet, geschmälert wird und deshalb das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung dem Eingriff entgegensteht (Wiechert, in: Schmalz/Wiechert, NDSchG, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 12). In diesem Zusammenhang ist nicht bloß das Erhaltungsinteresse, sondern zugleich das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Denkmaleigentümers abwägend in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. Senatsurt. v. 24.10.2018 - 1 LB 79/17 -, BRS 86 Nr. 149 = juris Rn. 25, 41 ff. m.w.N.). Auch eine solche Abwägung führt indes zu keiner der Klägerin günstigen Betrachtung.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor Ort steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Errichtung der Werbeanlage mit einer erheblichen Beeinträchtigung des Baudenkmals verbunden wäre. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Werbeanlage die Sichtbeziehung von der Straße auf die Hofanlage nur punktuell unterbricht und diese Unterbrechung - die Klägerin hat das in der mündlichen Verhandlung zutreffend hervorgehoben - von eher geringem Gewicht ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Werbeanlage aufgrund der mit dieser notwendig verbundenen Absicht, die Blicke auf sich zu ziehen und insofern ihre Umgebung optisch zu dominieren (vgl. Senatsbeschl. v. 6.4.2020 - 1 LA 114/18 -, BauR 2020, 1163 = juris Rn. 12), die Wahrnehmbarkeit des Baudenkmals beeinträchtigt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht diese Wirkung mit den Worten umschrieben, die Werbeanlage trete gegenüber der Hofanlage „schrill in den Vordergrund“; dies gilt insbesondere mit Blick auf die Höhe, die erhebliche Größe und die Beleuchtung der Anlage. Der städtebauliche Wert, nämlich die Erkennbarkeit des alten Dorfkerns, wird so empfindlich geschmälert. Hinzu tritt, dass die Werbeanlage als bauliche Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung die Hoffläche weiter verstellt und somit die unter historischen Aspekten gewünschte Sichtbarkeit der Größe des Hofes stört. Dem stehen schutzwürdige Interessen des Denkmaleigentümers nur in geringem Umfang gegenüber. Für die Hoffläche ist eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung genehmigt; diese stellt bereits ein erhebliches Entgegenkommen gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers dar. Auch das Querhaus, der Altenteiler und der Wohnzwecken dienende Teil des Haupthauses werden genutzt. Zum Denkmalerhalt trägt die Werbeanlage demzufolge nicht nennenswert bei.

Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das Baudenkmal erheblich vorgeschädigt ist. Einen allgemeinen denkmalrechtlichen Grundsatz dergestalt, dass einem vorgeschädigten Baudenkmal ein Mehr an Belastungen zugemutet werden kann als einem intakten Denkmal, gibt es nicht (vgl. bereits Senatsurt. v. 24.10.2018 - 1 LB 79/17 -, BRS 86 Nr. 149 = juris Rn. 40). Im Einzelfall mag es zwar zutreffen, dass aufgrund von Vorschädigungen weitere Veränderungen zu keiner Beeinträchtigung führen. In Frage kommt das dann, wenn Vorschädigungen einen bestimmten Aussagegehalt eines Denkmals bzw. eines Teils eines solchen bereits vollständig aufgehoben haben, ohne dass indes die Denkmaleigenschaft als solche entfallen ist. Ein solcher Fall liegt hier nach den oben Gesagten aber nicht vor. Deshalb ist wie auch sonst gerade bei einem vorgeschädigten Denkmal darauf zu achten, dass keine weiteren Schäden hinzutreten, um den Denkmalwert und damit die Denkmaleigenschaft als solche nicht zu gefährden. Die gegenteilige Argumentation des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen, die der Senat in seinem Zulassungsbeschluss mit den Worten, das Hinzutreten des streitigen Vorhabens mache nunmehr „den Kohl auch nicht mehr fett“, umschrieben hat, ist in dieser Allgemeinheit mit dem niedersächsischen Denkmalschutzrecht unvereinbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.