Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.02.2016, Az.: 1 LA 170/15

Fristbeginn mit der Eröffnung/Bekanntgabe der Entscheidung bei Beschlüssen ohne förmliche Zustellung; Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.02.2016
Aktenzeichen
1 LA 170/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 17446
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2016:0202.1LA170.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 28.09.2015

Fundstellen

  • JurBüro 2016, 484-485
  • NVwZ-RR 2016, 6
  • NVwZ-RR 2016, 685-686
  • NdsVBl 2016, 6

Amtlicher Leitsatz

Bei Beschlüssen, die nicht förmlich zugestellt werden müssen und auch nicht worden sind, beginnt die Frist des § 120 Abs. 2 VwGO mit der Eröffnung/Bekanntgabe der Entscheidung zu laufen (gegen Nds. OVG, B. v. 15.4.2008 4 OB 102/08 , NordÖR 2008, 389 = NdsRpfl 2008, 378).

Tenor:

Der Antrag der Beigeladenen auf Ergänzung des Beschlusses vom 1. Dezember 2015 um die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO wird abgelehnt.

Gründe

Mit dem Beschluss vom 1. Dezember 2015 ist das Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 28. September 2015 eingestellt und über die Kosten des Verfahrens entschieden worden, nachdem die Kläger ihren Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgenommen hatten. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen enthält der Beschluss nicht. Der nicht förmlich zugestellte, am 7. Dezember 2015 abgesandte Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen nach eigenen Angaben am 10. Dezember 2015 zugegangen. Mit einem am 6. Januar 2016 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen die Ergänzung des Beschlusses um die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Antrag kann keinen Erfolg haben, denn er ist nicht innerhalb der Frist des § 120 Abs. 2 VwGO gestellt worden. Die Entscheidung gemäß § 162 Abs. 3 VwGO über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gehört zu der Kostenentscheidung. Eine insoweit unvollständige Kostenentscheidung kann nach § 120 VwGO nur auf Antrag ergänzt werden. Eine Entscheidung von Amts wegen ist ausgeschlossen (BVerwG, Beschl. v. 28.6.1993 - 7 B 143.92 -, NVwZ-RR 1994, 236; Beschl. v. 2.6.1999 - 4 B 30.99 -, NVwZ-RR 1999, 694; Beschl. d. Sen. v. 28.8.2001 - 1 OB 2381/01 -, NVwZ-RR 2002, 897).

§ 120 VwGO ist gemäß § 122 Abs. 1 VwGO auch auf Beschlüsse anzuwenden. Mithin ist auch die in § 120 Abs. 2 VwGO gesetzte Frist von zwei Wochen einzuhalten. § 120 Abs. 2 VwGO knüpft den Beginn der Frist an die Zustellung des Urteils an. Soweit Beschlüsse keine Rechtsmittelfrist in Gang setzen, müssen sie nicht zugestellt werden (§ 56 VwGO). Die Bekanntgabe kann in den Fällen, in denen eine Zustellung von Beschlüssen nicht erforderlich ist, formlos geschehen (§ 173 VwGO i.V.m. § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Wenn eine Zustellung nicht vorgeschrieben ist, beginnen Fristen mit der Eröffnung beziehungsweise Verkündung der Entscheidung zu laufen (§ 57 VwGO). Da § 122 VwGO keine spezielle Regelung gegenüber § 120 Abs. 2 VwGO enthält, beginnt der Lauf der Frist mangels Zustellung des Beschlusses mit dessen nachgewiesenem Zugang (BVerwG, Beschl. v. 28.6.1993, a.a.O.; Bay. VGH, Beschl. v. 11.4.2005 - 9 B 04.521 -, [...]; OVG Münster, Beschl. v. 10.4.2008 - 13 A 2932/07 -, ; Klausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 2015, § 120 Rdn. 10; andere Ansicht: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 120 Rdn. 5; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.4.2008 - 4 OB 102/08 -, NdsRpfl. 2008, 378; OVG Münster, Beschl. v. 11.8.1972 - III B 291/71 -, zitiert nach ; Beschl. v. 17.9.2014 - 7 E 564/14 -, ; Bay. VGH, Beschl. v. 7.4.1998 - 6 C 97.1811 -, [...]).

Allein die Möglichkeit auch unanfechtbare Beschlüsse zustellen zu können bedeutet nicht, dass dann, wenn diese Form der Zustellung nicht gewählt ist, die - in § 57 VwGO vorgesehene - Möglichkeit des Fristbeginns nach Zugang/Kenntnisnahme für Beschlüsse, für die der formlose Zugang ausreicht, ausgeschlossen ist. Der in § 120 Abs. 2 VwGO an die Zustellung angeknüpfte Fristbeginn bezieht sich auf Urteile, deren Ergänzung § 120 VwGO zum Inhalt hat. Urteile sind zuzustellen, § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Das schließt die entsprechende Anwendung auf Entscheidungen, die nicht zugestellt werden, nicht aus, wie die Bezugnahme in § 122 VwGO zeigt. Wenn das System der VwGO die formlose Übermittlung von Entscheidungen vorsieht und sich in § 122 VwGO keine spezielle Regelung findet, ist davon auszugehen, dass entsprechend den allgemeinen Regeln in §§ 56 und 57 VwGO beziehungsweise § 173 VwGO i.V.m. § 329 ZPO für den Fristbeginn nach § 120 Abs. 2 VwGO auf den formlosen Zugang der Entscheidung abzustellen ist.

Da die Frist damit mit Zugang des Beschlusses am 10. Dezember 2015 begann, war der am 6. Januar 2016 eingegangene Antrag verspätet. Da eine Änderung von Amts wegen ausgeschlossen ist, kann die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nachträglich nicht mehr getroffen werden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.