Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.11.2018, Az.: 13 LB 160/17

Ausweisung; Ausweisungsinteresse; Berufung; Bleibeinteresse; familiäre Lebensgemeinschaft mit minderjährigem Kind; geringfügig; vereinzelt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.11.2018
Aktenzeichen
13 LB 160/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74265
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 08.12.2016 - AZ: 2 A 104/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Anforderungen an das tatbestandliche Vorliegen eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ("nicht nur vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften") entsprechen den in der Rechtsprechung zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelten Anforderungen.

2. Einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG das den Umständen des Einzelfalles angemessene Gewicht zu verleihen.

3. Dem Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG kommt keine eigenständige Bedeutung für die Beurteilung des Vorliegens eines schwerwiegenden Bleibeinteresses (mehr) zu, wenn bereits nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG ein schwerwiegendes Bleibeinteresse wegen nach Art. 6 GG schutzwürdiger Beziehungen zu im Bundesgebiet lebenden Kindern gegeben ist.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 8. Dezember 2016 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2014 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der 1981 in Belgrad geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Er ist Vater von vier Kindern, dem 1999 geborenen F., der 2003 geborenen G., der 2005 geborenen H. und dem 2006 geborenen I.. Mutter der Kinder ist Frau J. B.. Mutter und Kinder sind auch serbische Staatsangehörige. Durch Urteil des Amtsgerichts Belgrad vom 13. September 2010 wurde die Ehe der Kindeseltern geschieden und das alleinige Sorgerecht für die Kinder der Kindesmutter übertragen.

Der Kläger, seine frühere Ehefrau und die gemeinsamen Kinder reisten 2011 in das Bundesgebiet ein und stellten am 17. Mai 2011 Asylanträge. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 1. Juni 2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen und drohte die Abschiebung nach Serbien an. Eine für den 22. November 2011 geplante Abschiebung konnte wegen eines unbekannten Aufenthaltsortes des Klägers, seiner früheren Ehefrau und der gemeinsamen Kinder nicht vollzogen werden. Seitdem wird der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet geduldet.

Die Kindesmutter, Frau J. B., gebar am … 2012 ein weiteres Kind, K.. Die Vaterschaft für dieses Kind erkannte Herr L. an. Das Kind ist deutsche Staatsangehörige. Die Kindermutter erhielt am 4. März 2014 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes. Hiervon abgeleitet erhielten die Kinder F., G., H. und I. am 21. März 2014 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes, die in der Folge verlängert worden sind.

In einem vom Kläger im Januar 2014 eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Otterndorf - 7 F 32/14 SO - vereinbarten der Kläger und seine frühere Ehefrau am 25. März 2014, dass in Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts Belgrad vom 13. September 2010 ein gemeinsames Sorgerecht für die vier Kinder begründet werden soll. Das Amtsgericht Otterndorf genehmigte diese Vereinbarung mit Beschluss vom 25. März 2014 und führte zur Begründung aus, dass ein inniges Vater-Kind-Verhältnis bestehe, dass die Verantwortung von den Eltern tatsächlich bereits gemeinsam getragen werde, dass die Kindesmutter mit der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts ganz ausdrücklich einverstanden sei und ein gemeinsames Sorgerecht dem Wohl der Kinder nachhaltig dienlich sei.

Mit Schreiben vom 28. April 2014 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes zum Zusammenleben mit seinen Kindern im Bundesgebiet. Nach Anhörung lehnte der Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 ab. Eine hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Stade mit Urteil vom 8. Dezember 2016 - 2 A 90/15 - ab. Einen vom Kläger gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss vom 21. August 2017 - 13 LA 135/17 - ab.

Strafrechtliche Verfehlungen des Klägers während seines Aufenthalts im Bundesgebiet sind wie folgt geahndet worden:

1. AG Hof, Strafbefehl vom … 2011 - -: Verhängung einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes)

2. AG Otterndorf, Strafbefehl vom … 2014 - -: Verhängung einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 69a des Strafgesetzbuchs; §§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes)

3. AG Otterndorf, Strafbefehl vom … 2014 - -: Verhängung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 69a des Strafgesetzbuchs; §§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes)

4. AG Otterndorf, Strafbefehl vom … 2015 - -: Verhängung einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes)

Nach Anhörung wies der Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2014, der früheren Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 18. Dezember 2014, den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Dauer der Ausweisung auf drei Jahre beginnend mit der Ausreise. Zur Begründung machte der Beklagte geltend, der Kläger habe durch die wiederholte strafgerichtliche Ahndung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen und könne daher aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden. Die Ausweisung sei erforderlich. Der Kläger habe unbeeindruckt von den verhängten Strafen sein Verhalten fortgesetzt, so dass auch mit weiteren Rechtsverstößen gerechnet werden müsse. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 6 des Grundgesetzes ergebenden Schutzwirkungen angemessen. Denn der Kläger lebe mit seinen vier Kindern nicht in einer familiären Gemeinschaft. Er nehme nicht am Leben seiner Kinder teil. Die von ihm geltend gemachte Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Besuche sage nichts über die tatsächliche Verbundenheit und darüber aus, ob der Aufenthalt zum Zwecke des Kindeswohls erforderlich sei. Aufgrund der zeitlichen Abläufe des Bemühens um ein gemeinsames Sorgerecht erst nach Erlangen eines Aufenthaltsrechts durch seine Kinder bestehe vielmehr der Verdacht, dass die Beziehung zu den Kindern allein aufenthaltsrechtlich motiviert sei. Auch der Schutz des Privatlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention hindere eine Ausweisung nicht.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 19. Januar 2015 bei dem Verwaltungsgericht Stade Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, ein öffentliches Ausweisungsinteresse werde von seinem privaten Bleibeinteresse überwogen. Das Ausweisungsinteresse sei als eher gering zu gewichten. Er habe in Serbien eine Fahrerlaubnis besessen und durch die Fahrten ohne die erforderliche deutsche Fahrerlaubnis keine Menschen gefährdet. Sein Bleibeinteresse wiege hingegen schwer und sei durch Art. 6 des Grundgesetzes geschützt. Im Bundesgebiet lebten rechtmäßig seine vier minderjährigen Kinder. Für diese übe er gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau das Sorgerecht aus und pflege einen regelmäßigen Umgang. Die Kinder seien zu ihrem Wohl auf seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet angewiesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2014 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seinen Bescheid verteidigt. Es bestehe die Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen des Klägers. Dieser habe sich durch mehrere strafgerichtliche Verurteilungen mit stetiger Erhöhung des Strafmaßes nicht von einem Fahren ohne Fahrerlaubnis abhalten lassen. Die getroffene Ermessensentscheidung berücksichtige auch die familiären Bindungen des Klägers an das Bundesgebiet hinreichend. Er habe das Sorgerecht für seine im Bundesgebiet lebenden Kinder erst angestrebt, nachdem diese ein Aufenthaltsrecht erlangt hätten. Sein bloßer Kontakt zu diesen sei keine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft. Im behördlichen Kontakt bezeichne er seine frühere Ehefrau nur als "Schlampe". Bei gemeinsamen Mahlzeiten mit seinen Kindern dürfe seine frühere Ehefrau nicht anwesend sein.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass aus den bisherigen strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers auf eine hinreichende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 des Aufenthaltsgesetzes geschlossen werden könne. Die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 des Aufenthaltsgesetzes vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Beide Interessen wögen nach den gesetzlichen Vorgaben schwer, das öffentliche Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 des Aufenthaltsgesetzes und das private Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes. Das private Bleibeinteresse sei gleichwohl geringer zu gewichten. Es könne nicht festgestellt werden, dass zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen im Bundesgebiet lebenden Kindern eine tatsächliche Verbundenheit bestehe, auf deren Aufrechterhaltung die Kinder zu ihrem Wohl angewiesen seien. Der Kläger selbst habe der Ausübung des Sorgerechts nur geringe Bedeutung zugemessen. Bei der Scheidung von der Kindesmutter im Jahr 2010 habe er ein Sorgerecht nicht erlangen wollen. Er habe sich um dieses erst im Jahre 2014 bemüht, nachdem die Kinder ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet erlangt hätten.

Gegen dies Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 20. Juni 2017
- 13 LA 134/17 - zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung macht er geltend, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend eine Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen angenommen. Aus den gegen ihn verhängten Strafen allein könne nicht auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden. Er sei seit 2015 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er habe auch zuvor eine bis 2013 gültige serbische Fahrerlaubnis besessen und bemühe sich, diese in eine deutsche Fahrerlaubnis umzuschreiben oder eine solche zu erwerben. Mit Blick auf die von den Straftaten betroffenen und durch § 21 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes geschützten Rechtsgüter gelte auch kein abgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab; dieser komme vor allem bei Gewalttaten und Sexualdelikten gegenüber Kindern zur Anwendung. Das Verwaltungsgericht habe auch das öffentliche Ausweisungsinteresse zu Unrecht höher bewertet als sein privates Bleibeinteresse. Seine strafrechtliche Delinquenz begründe kein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Demgegenüber sei sein privates Bleibeinteresse von hohem Gewicht. Er sei sorgeberechtigter Vater von rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Kindern. Er lebe mit der Kindesmutter und den gemeinsamen vier Kindern zwar nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt, habe aber eine persönliche Beziehung zu diesen und pflege einen regelmäßigen Umgang. Er verbringe nahezu jeden Tag Zeit mit seinen Kindern, esse gemeinsam mit ihnen und kümmere sich in vielfältiger Weise um deren Belange. Dies gelte ganz besonders für seine Tochter G.. Diese leide am Turner-Syndrom (Monosomie X), ihre Gesundheit sei dauerhaft schwer beeinträchtigt und sie bedürfe einer dauerhaften Betreuung durch beide Elternteile. Nach den Bekundungen der Kindesmutter, der gemeinsamen Kinder und auch des Jugendamts des Beklagten bestehe eine tatsächlich gelebte Eltern-Kind-Beziehung; die von ihm erbrachten Erziehungsbeiträge könnten auch nicht durch solche der Kindesmutter ersetzt werden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, er habe das Sorgerecht nur zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts erwirkt und übe dieses auch nur deshalb tatsächlich aus, sei durch nichts belegt. Diese Annahme gehe auch an den im familiengerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen und an den dort eingeholten Stellungnahmen der Kindesmutter und der Jugendhilfestation vorbei. Es sei zudem nicht nachzuvollziehen, dass das Verwaltungsgericht die Stellungnahme der Kindesmutter als von seinem früheren Prozessbevollmächtigten vorformuliert und allein deshalb als nicht aussagekräftig angesehen habe. Der Vermerk einer Mitarbeiterin der Ausländerbehörde zu den Aussagen der Kindesmutter und seiner Kinder anlässlich einer am 21. Juni 2017 versuchten Abschiebung sei inhaltlich falsch. Abgesehen davon, dass anlässlich der versuchten Abschiebung deren Wohnung zur Nachtzeit unrechtmäßig durchsucht worden sei, hätten weder die Kindesmutter noch seine Kinder angegeben, keinen Kontakt mehr mit ihm zu halten oder haben zu wollen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 8. Dezember 2016 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seinem Bescheid fest und verteidigt die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung. Zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen Kindern werde eine schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nicht gelebt. Anlässlich eines Abschiebungsversuchs am 21. Juni 2017 hätten die Kindesmutter und der Sohn F. gegenüber einer Mitarbeiterin ihrer Ausländerbehörde erklärt, sie hätten keinerlei Kontakt zum Kläger.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 14. November 2018 die frühere Ehefrau des Klägers, Frau J. B., und den Sohn, Herrn F., als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2014 über die Ausweisung des Klägers und die Befristung der Wirkungen dieser Ausweisung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

A. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und der Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.7.2017 - BVerwG 1 C 28.16 -, juris Rn. 16; Urt. v. 10.7.2012 - BVerwG 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, 281; Senatsurt. v. 11.7.2018 - 13 LB 44/17 -, Umdruck S. 13 jeweils m.w.N.). Die Rechtslage ist mithin anhand des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) in der zuletzt durch das Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Familiennachzugsneuregelungsgesetz) vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1147) geänderten Fassung zu beurteilen.

B. Die Ausweisung ist rechtswidrig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der einzig in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 1 und 2, 54 Abs. 2 Nr. 9 und 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG sind nicht erfüllt.

Nach dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird allein infolge der Neuregelung des Ausweisungsrechts durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung mit Wirkung vom 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. Senatsurt. v. 11.7.2018, a.a.O., S. 13; OVG Saarland, Beschl. v. 14.2.2018 - 2 A 810/17 -, juris Rn. 10).

Die im Bescheid vom 10. Dezember 2014 verfügte Ausweisung genügt den derzeit geltenden gesetzlichen Anforderungen aber nicht. Zwar kann die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG erforderliche Feststellung getroffen werden, dass der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (I.). Es besteht auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG (II.). Diesem steht aber ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG gegenüber (III.), und die Abwägung dieser Interessen ergibt nicht, wie von § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG gefordert, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt (IV.).

I. Die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG erforderliche Feststellung, dass der Aufenthalt eines Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, bedarf einer Prognose zur Wiederholungsgefahr. Die Prognose ist von den Ausländerbehörden und den Verwaltungsgerichten eigenständig zu treffen, ohne dass diese an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind. Bei der Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe einer verhängten Strafe, die Schwere einer konkret begangenen Straftat und die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. zu Vorstehendem: BVerwG, Urt. v. 15.1.2013 - BVerwG 1 C 10.12 -, NVwZ-RR 2013, 435, 436 f.; Urt. v. 4.10.2012
- BVerwG 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230, 237; Urt. v. 10.7.2012, a.a.O., S. 282 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.4.2016 - 11 S 393/16 -, juris Rn. 28; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 10.3.2011 - 8 LB 153/09 -, juris Rn. 55 ff. jeweils m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch weitere strafrechtliche Verfehlungen des Klägers im Bundesgebiet durchaus noch zu prognostizieren.

Gegen den Kläger sind seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im Mai 2011 bereits vier Strafen verhängt worden, wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 StVG in einem Fall und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG in drei weiteren Fällen. Die zugrundeliegenden Taten hat der Kläger am … 2011, am … 2013, am … 2014 und am … 2015 begangen. Selbst die wiederholte strafgerichtliche Ahndung und die zunehmende Höhe der verhängten Strafen hielten den Kläger von der Begehung weiterer gleicher Straftaten nicht ab. Die zuletzt geahndete Tat beging der Kläger nach Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung vom 10. Dezember 2014 und während des noch laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Dem Kläger fehlte insoweit die Einsicht in das verwirklichte Unrecht.

Durchgreifende Anhaltspunkte für eine zukünftige Verhaltensänderung fehlen. Der Kläger hat zwar ein Schreiben der Fahrschule Jens Lührs aus Otterndorf vom 15. August 2017 vorgelegt, wonach er "beabsichtigt, den Führerschein zu erwerben". Es ist bisher aber nicht ersichtlich, dass diese Absicht vom Kläger ins Werk gesetzt worden ist oder gar zum Erfolg geführt hat.

Aus den Umständen des konkreten Einzelfalls kann danach, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob mit Blick auf die gefährdeten Rechtsgüter und das Ausmaß eines möglichen Schadens auch ein abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. hierzu im Einzelnen: BVerwG, Urt. v. 4.10.2012, a.a.O., S. 237), auf eine für die Feststellung einer Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG hinreichende Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass der Kläger erneut ein nach § 21 Abs. 1 StVG sanktioniertes Fehlverhalten begehen wird.

II. Es besteht auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG.

Das Ausweisungsinteresse wiegt nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, er hingegen immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1996 - BVerwG 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63, 66 f.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 19.9.2017 - 10 C 17.1434 -, juris Rn. 6; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.4.2010 - 8 PA 27/10 -, juris Rn. 7 (jeweils zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.)). Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich kein geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1996, a.a.O., S. 66 f. (zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.)). Nach diesen Maßgaben wiegen die wiederholten, vom Kläger in drei Fällen vorsätzlich begangenen Straftaten schwer im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG.

Für den Senat besteht auch keine Veranlassung, den so - in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. - bestimmten Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG mit Blick auf etwaige Wertungswidersprüche zu den insbesondere in § 54 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 AufenthG benannten Ausweisungsinteressen teleologisch zu reduzieren (vgl. hierzu Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BR-Drs. 642/14 (B), S. 25 f.; Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/4199, S. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.10.2016
- 2 O 26/16 -, juris Rn. 9 ff.; VG Göttingen, Urt. v. 28.6.2017 - 1 A 241/16 -, juris Rn. 45; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 Rn. 76). Die in den Katalogen der Absätze 1 und 2 des § 54 AufenthG konkretisierten Ausweisungsinteressen sind vom Bundesgesetzgeber alle als schwerwiegend bewertet worden. Die zugrundeliegenden Handlungen sind aber ersichtlich nicht gleicher Art und auch nicht in gleicher Weise sanktioniert oder pönalisiert. Angesichts der teilweise erheblichen Unterschiede erscheint es kaum möglich, bereits bei der Bestimmung des tatbestandlichen Anwendungsbereiches der in den Katalogen der Absätze 1 und 2 des § 54 AufenthG konkretisierten Ausweisungsinteressen ein Gleichgewicht herzustellen (vgl. zu dieser Forderung: Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/4199, S. 6). Der Senat sieht hierfür auch keine Notwendigkeit. Das Anliegen, in § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG die Wörter "einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen" zu streichen, fand im Gesetzgebungsverfahren keine Mehrheit (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 18/5420, S. 13 und 15). § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist vielmehr ausdrücklich eine Auffangfunktion zur Begründung eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses zugedacht worden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 52). Zudem ergibt erst die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob das Interesse an der Ausreise letztendlich überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG das den Umständen des Einzelfalles angemessene Gewicht zu verleihen (so auch Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, AufenthG, § 54 Rn. 111 (Stand: Mai 2018)).

III. Dem Ausweisungsinteresse steht ein schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Das Interesse des Klägers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet wiegt im Sinne der Nr. 3 des § 55 Abs. 2 AufenthG schwer.

1. Nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG wiegt das Bleibeinteresse schwer, wenn der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Aufgrund der im familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Otterndorf
- 7 F 32/14 SO - getroffenen und durch gerichtlichen Beschluss vom 25. März 2014 bestätigten Vereinbarung steht dem Kläger - gemeinsam mit der Kindesmutter - das Personensorgerecht für seine (im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch) minderjährigen Kinder, die 2003 geborene G., die 2005 geborene H. und den 2006 geborenen I., zu.

Die minderjährigen Kinder verfügen über ein von der Kindesmutter abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG; sie halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger sein Personensorgerecht auch tatsächlich ausübt. Zwischen ihm und seinen minderjährigen Kindern besteht eine tatsächliche Verbundenheit, auf deren Aufrechterhaltung die Kinder zu ihrem Wohl angewiesen sind (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Beschl. v. 9.1.2009
- 2 BvR 1064/08 -, NVwZ 2009, 387 f. [BVerfG 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08] mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) und die als nach Art. 6 GG schutzwürdige familiäre Gemeinschaft anzuerkennen ist.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach der Trennung von seiner Ehefrau auch mit seinen minderjährigen Kindern nicht mehr in einem Haushalt lebt und es in der Vergangenheit auch Zeiträume gegeben hat, in denen allenfalls sporadische Kontakte zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen Kindern zu verzeichnen gewesen sind (vgl. die Angaben des Klägers gegenüber der Ausländerbehörde Berlin v. 23.1.2012, Blatt 139 der Beiakte 1/2). Jedenfalls seit Mitte 2013 nimmt er aber (wieder) am Leben und Aufwachsen seiner Kinder tatsächlich teil, besteht ein regelmäßiger Umgang mit seinen Kindern und nimmt auch er für diese seine Elternverantwortung in einer Weise wahr, die dem auch sonst Üblichen bei getrenntlebenden Kindeseltern entspricht.

So hat der Kläger gegenüber der Ausländerbehörde des Beklagten bereits am 25. Juli 2013 (Blatt 183 der Beiakte 1/2) - und damit noch deutlich vor (Wieder-)Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts - das Zusammenleben mit seinen Kindern dahin beschrieben, dass er mit diesen fast jeden Tag Mahlzeiten einnehme, regelmäßigen Kontakt mit ihnen halte, etwa Baden oder Angeln gehe, und sich auch um schulische Angelegenheiten kümmere.

Diese Angaben sind im nachfolgenden familiengerichtlichen Verfahren bestätigt worden. Der Kläger und seine frühere Ehefrau gaben in der Anhörung vor dem Amtsgericht Otterndorf am 25. März 2014 (Blatt 216 der Beiakte 1/2) übereinstimmend an, dass der Kläger ein "enges Verhältnis zu seinen Kindern habe" und "die Kinder quasi täglich" sehe. Das Amtsgericht Otterndorf stellte hierauf in seinem Beschluss vom 25. März 2014 - 7 F 32/14 SO - (Blatt 26 ff. der Beiakte 4) ausdrücklich fest, dass zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen Kindern "ein inniges Vater-Kind-Verhältnis" besteht, dass die Verantwortung für die Kinder von beiden Elternteilen tatsächlich bereits gemeinsam getragen wird und dass "es dem Wohl der Kinder nachhaltig dienlich (ist), ihren Vater auch als Sorgeberechtigten zu erleben".

Auch das Jugendamt des Beklagten erkannte eine tatsächliche Verbundenheit des Klägers mit seinen minderjährigen Kindern. In einer Mitteilung an die Ausländerbehörde des Beklagten vom 23. Januar 2015 (Blatt 291 der Beiakte 1/3) heißt es: "Wahrhaftig muss ich sagen, dass Herr B. sich beteiligt. Er war auch hier schon zu Gesprächen wegen den Kindern gemeinsam mit Frau B. auch bei den Hausbesuchen war er anwesend. Ich weiß auch, dass er mit den Kindern schon Arzttermine wahrgenommen hat und zur Ausübung auch die Hälfte der elterlichen Sorge bekommen hat, damit er sich beteiligen kann und Entscheidungen und Unterschriften mit tätigen kann."

Die Kindesmutter wiederholte ihre Angaben zur tatsächlich gelebten Vater-Kind-Beziehung im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in einer schriftlichen Erklärung vom 12. Mai 2015 (Blatt 31 der Gerichtsakte). Danach nimmt der Kläger seine Vaterrolle intensiv wahr. Es besteht ein regelmäßiger Kontakt zu seinen Kindern. Er kümmert sich auch um schulische Angelegenheiten. Er begleitet seine erkrankte Tochter G. während und nach deren Krankenhausaufenthalts. Nach der Darstellung der Kindesmutter wäre ihr eine Alleinerziehung ohne die Hilfe und Unterstützung des Klägers nicht möglich.

Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bescheinigung des Klinikums Bremen-Nord vom 31. Juli 2018 bestätigt, dass er seine Tochter G. „bei fast jeder ambulanten oder tagesklinischen Vorstellung“ begleitet hat.

Diese konsistenten, in einem Zeitraum von mehreren Jahren erfolgten Angaben bestätigten sowohl die frühere Ehefrau des Klägers, Frau J. B., als auch der Sohn, Herr F., in der durch den Senat in der mündlichen Verhandlung am 14. November 2018 durchgeführten Zeugenvernehmung. Beide Zeugen haben glaubhaft geschildert, dass der Kläger trotz der Scheidung von seiner früheren Ehefrau ein gutes Verhältnis zu seinen Kindern pflegt, sich regelmäßig, nahezu täglich mit ihnen trifft, mit ihnen etwas unternimmt und sie in ihrer Entwicklung unterstützt, mithin an ihrem Leben und Aufwachsen teilhat und seine Elternverantwortung wahrnimmt.

Die auf dieser Grundlage gewonnene Überzeugung des Senats, dass der Kläger sein Personensorgerecht tatsächlich ausübt, wird auch durch die Ereignisse anlässlich einer versuchten Abschiebung des Klägers im Juni 2017 vernünftigen Zweifeln nicht ausgesetzt. Nach der Darstellung der Mitarbeiterin der Ausländerbehörde des Beklagten, Frau M., haben die Kindesmutter und F. anlässlich der versuchten Abschiebung des Klägers im Juni 2017 angegeben, "keinerlei Kontakt zu Herrn B. (zu) haben, nicht (zu) wissen wo er sich aufhält und auch keinen Kontakt (zu) wollen" (Blatt 390 und 422 der Beiakte 1/3). Ob diese - von der Kindesmutter (Blatt 412 f. der Beiakte 1/3) und von F. (Blatt 415 f. der Beiakte 1/3 = Blatt 139 GA) energisch bestrittene - Darstellung zutrifft, kann der Senat hier dahinstehen lassen. Denn selbst wenn die Kindesmutter und die Kinder sich dahingehend geäußert haben sollten, wäre dies nach dem Dafürhalten des Senats maßgeblich auf die belastende Situation des nächtlichen Abschiebeversuchs zurückzuführen und könnte die Überzeugungskraft der übrigen zahlreichen und konsistenten Angaben zur tatsächlichen Verbundenheit nicht wirklich mindern.

2. Nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG wiegt das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG auch schwer, wenn die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist.

Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen höherrangigen Rechts an Ausweisungsentscheidungen nachvollziehen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 53). Dies betrifft auch die aus den Schutzwirkungen des Art. 6 GG abgeleitete Verpflichtung der Ausländerbehörden und Gerichte, bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des betroffenen Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß zu berücksichtigen (vgl. die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusammenfassend: BVerfG, Beschl. v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12).

Dies zugrunde gelegt sind hier, wie zu III.1. ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Dem Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG kommt aber keine eigenständige Bedeutung für die Beurteilung des Vorliegens eines schwerwiegenden Bleibeinteresses (mehr) zu, wenn, wie hier, bereits nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG ein schwerwiegendes Bleibeinteresse wegen nach Art. 6 GG schutzwürdiger Beziehungen zu im Bundesgebiet lebenden Kindern gegeben ist. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG stellt vielmehr einen bloßen Auffangtatbestand für Sachverhalte dar, die von den übrigen und auch nicht abschließend formulierten Tatbeständen des § 55 Abs. 2 AufenthG nicht erfasst werden.

IV. Die gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt nicht, wie von § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG gefordert, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt.

Bei der - nicht auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen und damit gerichtlich voll überprüfbaren Ausweisungsentscheidung (vgl. im Einzelnen zur Struktur des Ausweisungsrechts in der durch Art. 1 und 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung v. 27.7.2015, BGBl. I S. 1386, geänderten Fassung: BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - BVerwG 1 C 3.16 -, BVerwGE 157, 325, 329 f.) vorzunehmenden - Abwägung sind gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall ist zunächst das Gewicht des öffentlichen Ausweisungsinteresses mit Blick auf die bisherigen strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers deutlich zu relativieren. Fraglos hat der Kläger mit dem wiederholten Fahren ohne die erforderliche Fahrerlaubnis strafwürdiges Unrecht verwirklicht; auf erneute Rechtsverstöße ist mit den Mitteln des Strafrechts zu reagieren. Die für das bisherige Fehlverhalten konkret verhängten Geldstrafen in Höhe von 15 bis 90 Tagessätzen bewegen sich aber im untersten Bereich des in § 21 StVG, § 40 Abs. 1 StGB vorgesehenen Strafrahmens und deuten auf eine eher geringe Schwere des verwirklichten Unrechts hin. Hinzu kommt der Charakter des § 21 StVG als abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1990 - VI ZR 65/90 -, NJW 1991, 418, 419), das maßgeblich die Erwartung aller Verkehrsteilnehmer schützt, im motorisierten Straßenverkehr nur auf solche teilnehmenden Fahrzeugführer zu treffen, die in einem dafür vorgesehenen, auf die Bedürfnisse der Verkehrssicherheit ausgerichteten Verfahren nachgewiesen haben, über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges zu verfügen. Allein aus der Verwirklichung des Tatbestands des § 21 StVG kann mithin auf eine konkrete Gefährdung der Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer, die das Gewicht des öffentlichen Ausweisungsinteresses deutlich erhöhen könnte, nicht geschlossen werden. Zudem liegen die Taten nun mehr als drei Jahre zurück, ohne dass der Kläger erneute Verfehlungen gezeigt hätte.

Demgegenüber wiegt das widerstreitende private Bleibeinteresse des Klägers deutlich schwerer. Der Kläger übt das Personensorgerecht für seine im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen minderjährigen Kinder tatsächlich aus. Dass dieses Bleibeinteresse als eher gering zu gewichten ist, weil der Kläger die Beziehung zu seinen minderjährigen Kindern maßgeblich mit Blick auf seine eigene aufenthaltsrechtliche Situation pflegt, vermag der Senat nicht festzustellen. Allein die zeitliche Kongruenz des Erlangens von Aufenthaltsrechten der minderjährigen Kinder und des Betreibens eines Sorgerechtsverfahrens ist hierfür angesichts der dargestellten sonstigen tatsächlichen Umstände nicht ausreichend. So ist dem Kläger bereits im Rahmen der Scheidung im Jahre 2010, bei der das Sorgerecht für die minderjährigen Kinder durch die Entscheidung des Amtsgerichts Belgrad vom 13. September 2010 (Blatt 145 ff. der Beiakte 1/2) vollständig der Kindesmutter übertragen worden war, ein umfassendes Umgangsrecht mit den Kindern eingeräumt worden, und zwar täglich von 17 bis 19 Uhr, an jedem Wochenende und während der Sommerferien für 15 Tage. Dieses Umgangsrecht hat der Kläger zur Überzeugung des Senats seitdem durchaus regelmäßig ausgeübt (siehe im Einzelnen oben III.1.). Zwischen ihm und seinen minderjährigen Kindern besteht tatsächlich eine schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft. Der Kläger nimmt seine Elternverantwortung wahr. Die minderjährigen Kinder sind zu ihrem Wohl auf die Aufrechterhaltung dieser Beziehung angewiesen.

Das so gewichtete private Bleibeinteresse überwiegt das öffentliche Ausweisungsinteresse. Die bisherige strafrechtliche Delinquenz des Klägers und die daran anknüpfende Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen rechtfertigen eine Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen minderjährigen Kindern nicht.

C. Ist danach die Ausweisung rechtswidrig und aufzuheben, entfallen zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG. Auch diese ist daher rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und unterliegt der Aufhebung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.