Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.11.2018, Az.: 10 LA 27/17
Zugehörigkeit einer Mietausfallentschädigung zu den Kosten einer baulichen Maßnahme zur Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung im Sinne des § 148 Abs. 1 S 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BauGB
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.11.2018
- Aktenzeichen
- 10 LA 27/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 63667
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2018:1119.10LA27.17.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 05.12.2016 - AZ: 1 A 232/13
Rechtsgrundlagen
- § 146 Abs. 3 S. 1 BauGB
- § 148 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB
- § 148 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BauGB
Fundstellen
- BauR 2019, 233-234
- DÖV 2019, 201
- NdsVBl 2019, 5
- NordÖR 2019, 52
Amtlicher Leitsatz
Eine Mietausfallentschädigung gehört nicht zu den Kosten einer baulichen Maßnahme zur Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung im Sinne des § 148 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BauGB sowie der Städtebauförderungsrichtlinien.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 5. Dezember 2016 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 10.760,64 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht ihre Klage gegen den (u. a.) auf § 1 NVwVfG i.V.m. § 49a Abs. 4 VwVfG gestützten und mit der nicht bestimmungsgemäßen Verwendung der im Rahmen der Städtebauförderung ausgezahlten Fördergelder begründeten Zinsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2013 in der Fassung vom 25. August 2016 abgewiesen hat, soweit das Verfahren nicht eingestellt worden ist, hat keinen Erfolg. Denn die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen auch nicht vor.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Soweit sie vorträgt, dass es sich bei der von ihr in beiden "Eigentümer-Sanierungsverträgen gemäß § 146 Abs. 3 Baugesetzbuch über die Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung" mit den Eigentümern jeweils geschlossenen Vereinbarung, wonach sie an diese als Entschädigung für nicht erzielbare Mieteinnahmen jeweils eine bestimmte Summe zahlt, nicht um einen Mietvertrag handele und ihr auch keine andere Möglichkeit zur Verfügung gestanden habe, die Ziele ihres Städtebauförderungsprogramms durchzusetzen, hat sie die das Urteil insoweit tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei diesen Beträgen nicht um Kosten einer Baumaßnahme zur Errichtung der betreffenden Gemeinbedarfseinrichtung im Sinne des § 146 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 148 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BauGB und der entsprechenden Bestimmungen in der Städtebauförderungsrichtlinie handele und sie deshalb nach den Städtebauförderungsrichtlinien nicht förderungsfähig seien, nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen begründet, warum es sich bei einer derartigen Mietausfallentschädigung jedenfalls nicht um die Kosten einer baulichen Maßnahme zur Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung (hier Einrichtung einer Sozialstation) im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien handelt: Nach §§ 148 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 146 Abs. 3 Satz 1 BauGB i.V.m. Nr. 5.3.3 Abs. 2 b) R-StBauF (in der ab dem 1. Januar 2008 gültigen Fassung) könnten insoweit nur bauliche Maßnahmen zur Errichtung einer Gemeinbedarfsanlage berücksichtigt werden. Dementsprechend sei der Betrag für den Mietausfall für den Zeitraum von 20 bzw. 18 Jahren zusätzlich zu den Modernisierungskosten gezahlt worden. Damit hat die Klägerin sich nicht auseinandergesetzt. Sie hat nicht dargelegt, aus welchen konkreten Gründen die von ihr gezahlte Mietausfallentschädigung trotz des Wortlauts der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften und der Städtebauförderungsrichtlinie entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zu den Kosten der Errichtung der Gemeinbedarfsanlage gehört. Ihr Einwand, dass es sich bei den betreffenden Vertragsvereinbarungen nicht um Mietverträge handele und sie keine andere Möglichkeit zur Durchsetzung der Ziele ihres Städtebauförderungsprogramms gehabt habe, ist ausgehend von diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Denn auch wenn die genannten vertraglichen Vereinbarungen nicht als mietvertragliche Vereinbarungen angesehen werden können und sie der Klägerin geholfen haben, ihr Sanierungsprogramm umzusetzen, ändert dies nichts daran, dass es sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei den gezahlten Mietausfallentschädigungen jedenfalls nicht um förderungsfähige Kosten der Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung handelt.
Unabhängig von der fehlenden Darlegung hat der Senat insoweit aber auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Denn abgesehen davon, dass § 148 BauGB mit "Baumaßnahmen" betitelt ist, ergibt sich aus dem in § 148 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 148 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BauGB und (u. a.) in Nr. 5.3.3 Abs. 2 b) R-StBauF (in der ab dem 1. Januar 2008 gültigen Fassung) verwendeten Begriff "Errichtung", dass es sich jedenfalls in dem durch diese Richtlinien und Bestimmungen geregelten Fall der Errichtung von Gemeinbedarfseinrichtungen (vgl. zu dem möglicherweise anders gelagerten Fall der Verlagerung oder Änderung von Betrieben, § 148 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauGB, Krautzberger in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: Mai 2018, § 148 Rn. 17) um eine bauliche Maßnahme handeln muss. Denn der (u. a.) auch in § 29 Abs. 1 BauGB verwendete Begriff Errichtung meint die Herstellung (das Schaffen) baulicher Anlagen (vgl. Krautzberger in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, a.a.O., § 29 Rn. 43). Eine Mietausfallentschädigung kann darunter nicht gefasst werden.
Die Klägerin hat auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargelegt, soweit sie sich gegen dessen Annahme wendet, dass die denkmalgerechte Erneuerung der Fenster einer Schule im Sanierungsgebiet nicht förderungsfähig sei.
Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich festgestellt (Seiten 9 bis 11 des Urteilsabdrucks), dass nach den Städtebauförderungsrichtlinien die von der Gemeinde zu tragenden Ausgaben, soweit sie außerhalb der Städtebauförderung Gegenstand besonderer Förderprogramme des Bundes oder des Landes seien, nicht zu den förderungsfähigen Kosten der Gesamtmaßnahme zählen würden. Nr. 102.3.5 R-StBauF (in der bis Ende 2007 geltenden Fassung) habe insofern als Beispiel für nicht der Gesamtmaßnahme zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich Schulbauten genannt. Bei Verwaltungsvorschriften komme es jedoch letztlich darauf an, ob und wie diese in der Praxis angewandt würden. Hier habe die Beklagte in jahrzehntelanger Verwaltungspraxis und in Übereinstimmung mit den Städtebauförderungsrichtlinien Schulbauten nicht im Rahmen der Städtebauförderung berücksichtigt.
Dagegen hat die Klägerin eingewandt, heute finde kein vorheriges Kostenanerkennungsverfahren mehr statt. Es ergehe ein Zuwendungsbescheid, welcher die Bestimmung enthalte, dass die entsprechenden Richtlinien und Verwaltungsvorschriften Inhalt des Bewilligungsbescheides seien. Erst im Nachhinein finde eine Prüfung der Verwendungsnachweise dahingehend statt, ob die Mittel zweckentsprechend verwendet worden seien. Für eine Berücksichtigung einer anders gestalteten Verwaltungspraxis sei kein Raum mehr.
Dieser Einwand begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, da er an der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts vorbeigeht. Denn das Verwaltungsgericht hat gerade nicht auf eine von den Städtebauförderungsrichtlinien abweichende Verwaltungspraxis abgestellt, sondern vielmehr festgestellt, dass die Beklagte Schulbauten nach ihrer jahrzehntelangen Verwaltungspraxis in Übereinstimmung mit diesen Richtlinien nicht fördere.
Aus diesem Grund vermag auch die von der Klägerin zur Begründung des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeworfene Frage, "inwieweit eine ständige Verwaltungspraxis bei der Zweckbestimmung einer Förderung Berücksichtigung finden" könne, von vornherein keine besonderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zu begründen.
Die Beantwortung der weiteren, von der Klägerin zur Begründung dieses Zulassungsgrunds angeführten Frage, "ob und wenn ja, in welchem Umfang eine Nutzungsentschädigung für die Bereitstellung einer Gemeinbedarfseinrichtung förderungsfähig ist", weist ebenfalls weder tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeiten auf, da sie, soweit sie im vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist, ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens bereits im Zulassungsverfahren aufgrund des klaren Wortlauts des § 148 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 148 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BauGB und der ferner zu berücksichtigenden Städtebauförderungsrichtlinien - wie oben ausgeführt - ohne weiteres dahingehend beantwortet werden kann, dass eine Mietausfallentschädigung nicht zu den Kosten einer baulichen Maßnahme zur Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung gehört und daher insoweit nicht förderungsfähig ist.
Deshalb vermag die Frage, "ob eine Nutzungsentschädigung, die für die Bereitstellung einer Gemeinbedarfseinrichtung für den Zeitraum von 20 Jahren gezahlt wird, förderfähig ist", entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu begründen.
Dies gilt auch für die weiteren Fragen, "ob sich der Förderungszweck, der der Prüfung der zweckentsprechenden Mittelverwendung zugrunde zu legen ist, auch ergibt unter Berücksichtigung einer ständigen Verwaltungspraxis", und "ob der Zuwendungszweck allein anhand der Richtlinien oder aber auch unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis zu ermitteln ist", da diese Fragen nicht entscheidungserheblich sind, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Verwaltungspraxis der Beklagten sich nicht von den Städtebauförderungsrichtlinien unterscheidet.
Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
Die Klägerin rügt insofern, dass das Verwaltungsgericht ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe, weil es ihre Ausführungen, dass die ständige Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Verwaltungspraxis bei der Auslegung von Richtlinien und Verwaltungsvorschriften vorliegend deshalb keine Geltung beanspruchen könne, weil es hier um die Auslegung von Verwaltungsvorschriften und Richtlinien gehe, die zum Bestandteil des Förderungsbescheides gemacht worden seien, nicht gewürdigt habe. Dieses Vorbringen begründet schon deshalb keinen Gehörsverstoß, weil nur die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens einen Gehörsverstoß begründen kann, hier aber die genannte Rechtsansicht der Klägerin nicht entscheidungserheblich ist. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts besteht im vorliegenden Fall gerade keine von den Städtebauförderungsrichtlinien abweichende Verwaltungspraxis der Beklagten. Es kommt deshalb nicht auf die Frage an, ob in dem Falle des Abweichens der Verwaltungspraxis von den Richtlinien letztere allein maßgeblich sind, wenn sie zum Inhalt des Förderungsbescheides gemacht worden sind.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).