Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.11.2018, Az.: 9 LC 4/17

Abgabengerechtigkeit; Abwägungsentscheidung; Anfechtungsklage; Auslegung; Bebauungsplan; Beitragsfestsetzung; Bestimmtheit; Bezugspunkt; Buchgrundstück; Differenzierungsgebot; Divisor; erledigt; Ermessen; Erschließungsbeitrag; Erschließungsbeitragssatzung; Feststellungsinteresse; Fortsetzungsfeststellungsklage; Gebäudehöhe; Gleichbehandlungsgrundsatz; Grundflächenmaßstab; Grundsatz der konkreten Vollständigkeit; Grundstücksteil; lichte Höhe; höhengleich; Inzidenterkontrolle; Klageänderung; kombiniert; Leistungsgebot; Mitgliedsgemeinde; Nutzungsfaktor; Planerfordernis; Rechtsschutzbedürfnis; Samtgemeinde; Teileigentumsanteil; Teiler; ergänzendes Verfahren; Verteilungskonstellation; Verteilungsmaßstab; fiktives Vollgeschoss; Vollgeschosse; Vollgeschossmaßstab; Vorausleistung; Vorteilsprinzip

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.11.2018
Aktenzeichen
9 LC 4/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74268
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.11.2016 - AZ: 3 A 16/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Verteilungsregelung in einer Erschließungsbeitragssatzung ist wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit insgesamt unwirksam, wenn sie nicht alle in der betreffenden Kommune in realistischer Weise zu erwartenden Verteilungskonstellationen erfasst.

Hier: Sonderfall, in dem sich bei Anwendung des mit dem Grundflächenmaßstab kombinierten Vollgeschossmaßstabs aus der Verteilungsregelung ergeben muss, welche Zahl an Vollgeschossen gilt, wenn ein Grundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der für eine Teilfläche des Grundstücks eine höchstzulässige Zahl von Vollgeschossen und für eine andere Teilfläche eine maximal zulässige Höhe der baulichen Anlagen festsetzt.

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 3. Kammer – vom 17. November 2016 geändert. Es wird festgestellt, dass die an die Kläger ergangenen Vorausleistungsbescheide der Beklagten vom 30. Januar 2015 rechtswidrig gewesen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der             Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Bescheiden der beklagten Samtgemeinde über ihre Heranziehung zur Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“ im Klosterflecken J., einer Mitgliedsgemeinde der Beklagten.

Sie sind Miteigentümer der Eigentumswohnung Nr. 1A in der H. straße 16 im Klosterflecken J.. Das betreffende Gebäude steht auf dem Flurstück K. der Flur L. in der Gemarkung J.. An das Flurstück grenzt das Flurstück M. derselben Flur. Beide Flurstücke bilden gemeinsam ein Buchgrundstück. Der Teileigentumsanteil der Kläger am Grundstück beträgt 627/10.000.

Das Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans „I. weg“ des Klosterfleckens J. vom 26. Oktober 2010. Das Plangebiet wird im Norden durch die N. straße, im Osten durch den I. weg, im Süden durch die O. -P. -Straße und im Westen durch die H. straße begrenzt. Im Plangebiet wurden in Anlehnung an die vorhandenen Bebauungsstrukturen zwei Allgemeine Wohngebiete (WA und WA*) und zwei Mischgebiete (MI und MI*) festgesetzt. Das Mischgebiet MI erstreckt sich entlang der N. straße und der H. straße. Der Bebauungsplan sieht für dieses Mischgebiet eine Begrenzung der Höhe der baulichen Anlagen auf 12,50 m vor. Für das an das Mischgebiet MI grenzende Mischgebiet MI* im „Blockinnenbereich“ sieht der Bebauungsplan eine Begrenzung auf ein Vollgeschoss vor. Zur Erschließung der Grundstücke im „Blockinnenbereich“ ist die von der H. straße abgehende Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“ vorgesehen.

Das Grundstück H. straße 16 grenzt mit seiner westlichen Seite an die H. straße und mit seiner südlichen Seite an die genannte Stichstraße. Der östliche Grundstücksteil befindet sich in dem festgesetzten Mischgebiet MI* mit der Begrenzung auf ein Vollgeschoss, die westliche Grundstücksteil in dem festgesetzten Mischgebiet MI mit der Begrenzung der Höhe der baulichen Anlagen auf 12,50 m. Zu dieser maximal zulässigen Gebäudehöhe heißt es in § 7 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans:

„Bezugsebene ist die Oberkante des Fahrbahnrandes an der Stelle des arithmetischen Mittelpunktes der Grundstücksbreite der zur Erschließung des Grundstückes notwendigen angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche. Der maßgebliche Bezugspunkt wird durch den höchsten Punkt des Gebäudes (Gebäudehöhe) gebildet.“

Die Beklagte zog die Kläger nach Beginn der Herstellungsarbeiten an der Stichstraße zur Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag heran. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hob mit Urteil vom 28. August 2014 (3 A 233/12) die Heranziehungsbescheide mit der Begründung auf, die zugrundeliegende Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. vom 27. März 2000 sei unwirksam.

Der Rat des Klosterfleckens J. beschloss am 15. Dezember 2014 rückwirkend zum 1. Oktober 2014 eine neue Erschließungsbeitragssatzung.

Die Beklagte zog die Kläger mit zwei Bescheiden vom 30. Januar 2015 erneut jeweils gemeinsam zur Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag heran, und zwar mit dem einen Bescheid für das „Grundstück in J., H. straße 16, Wohnung Nr. 1A, Flurstück K., Flur Q., Gemarkung J.“ in Höhe von 1.445,56 EUR und mit dem zweiten Bescheid für das „Grundstück in J., H. straße 16, Wohnung Nr. 6, Flurstück M., Flur Q., Gemarkung J.“ in Höhe von 275,14 EUR. In beiden Bescheiden wurde jeweils ein Anteil an der beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 706/10.000 genannt. Bei der Berechnung wurde in beiden Bescheiden der tatsächliche Teileigentumsanteil der Kläger von 627/10.000 zugrunde gelegt. Angewendet wurde jeweils – unter Ansetzung von je sechs fiktiven Vollgeschossen – ein Nutzungsfaktor von 2,25. Die Kläger haben die Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag gezahlt.

Sie haben am 26. Februar 2015 gegen beide Bescheide Klage erhoben und die Ansicht vertreten, die neue Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. sei infolge der Unwirksamkeit einzelner Regelungen in § 8 EBS zum Verteilungsmaßstab insgesamt unwirksam. Jedenfalls hätte nicht das gesamte Grundstück H. straße 16 als sechsgeschossig bebaubar behandelt werden dürfen. Denn nach dem Bebauungsplan sei auf mehr als der Hälfte des Grundstücks nur ein Vollgeschoss zulässig. Im Übrigen sei der Bebauungsplan zumindest teilweise unwirksam. Es sei unklar, an welche Straße nach § 7 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen anzuknüpfen sei, wenn ein Grundstück an zwei Straßen grenze.

Die Kläger haben beantragt,

die Bescheide der Beklagten über die Festsetzung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag vom 30. Januar 2015 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sowohl die neue Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. als auch der Bebauungsplan „I. weg“ seien wirksam.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat die Klage mit Urteil vom 17. November 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die angefochtenen Bescheide genügten trotz der unrichtigen Flurbezeichnung (Q. statt L.), der Angabe eines falschen Teileigentumsanteils (ohne dessen „Anwendung“) und der Bezeichnung der weiteren, den Klägern nicht zuzuordnenden Wohnung Nr. 6 den Bestimmtheitsanforderungen. Dass die Beklagte davon ausgegangen sein könnte, es lägen zwei (Buch-) Grundstücke vor und sie deshalb zwei Bescheide erlassen habe, stehe einer Auslegung mit dem Ergebnis, dass das den Flurstücken M. und K. entsprechende Buchgrundstück herangezogen werden solle, nicht entgegen.

Die Einwände der Kläger hinsichtlich der Wirksamkeit der Erschließungsbeitragssatzung griffen aus im Einzelnen erläuterten Gründen nicht durch.

Es unterliege insbesondere keinen Bedenken, dass nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b EBS die Zahl der Vollgeschosse bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan statt der höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt sei, in Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten i. S. d. § 11 Abs. 3 BauNVO die durch 3,5 und in allen anderen Baugebieten die durch 2,2 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe sei und bei Bruchzahlen ab 0,5 auf ganze Zahlen aufgerundet werde. Das Vorteilsprinzip, die Abgabengerechtigkeit, das Differenzierungsgebot nach § 131 Abs. 3 BauGB und der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz stünden dem nicht entgegen, auch wenn § 43 Abs. 1 und 2 NBauO für Aufenthaltsräume eine lichte Höhe von mindestens 2,40 m bzw. 2,20 m vorsähen und § 2 Abs. 7 Satz 1 NBauO für ein Vollgeschoss eine lichte Höhe von 2,20 m voraussetze. Da sich der Divisor von 2,2 an der Höhe eines Vollgeschosses nach § 2 Abs. 7 Satz 1 NBauO orientiere und ihm daher sachliche Erwägungen zugrunde lägen, unterliege er wegen des weiten Ermessens des Ortsgesetzgebers keinen Bedenken.

Die Beklagte habe auch das gesamte Buchgrundstück mit dem Nutzungsfaktor für eine Gebäudehöhe bis 12,50 m heranziehen dürfen, die nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b EBS sechs Vollgeschossen entspreche, obwohl auf etwa der Hälfte des Grundstücks nach dem Bebauungsplan nur ein Vollgeschoss zulässig sei. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS regele für den Fall, dass der Bebauungsplan für ein Buchgrundstück unterschiedliche Festsetzungen bezüglich der zulässigen Vollgeschosse vorsehe, dass als Zahl der Vollgeschosse die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse gelte. Dies sei sachgerecht, weil die jeweils höchstzulässige Vollgeschosszahl Bedeutung für die bauliche Ausnutzbarkeit eines erschlossenen Grundstücks habe, von der das Ausmaß der diesem Grundstück vermittelten Erschließungsvorteile abhänge. Dieselben Erwägungen gälten, wenn der Ortsgesetzgeber hinsichtlich des Nutzungsfaktors auf die bei einem Teilbereich des Grundstücks höchstzulässige Gebäudehöhe abstelle, sowie dann, wenn nach der Satzung die maßgebliche Zahl der Vollgeschosse auf einem Teil des Grundstücks über die im Bebauungsplan festgesetzte Zahl der Vollgeschosse und auf dem anderen Teil über die zulässige Gebäudehöhe ermittelt würden. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EBS werde der maßgebliche Nutzungsfaktor bei berücksichtigungspflichtigen Grundstücken durch die Zahl der Vollgeschosse bestimmt. Bei Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelte gemäß

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstaben a und b EBS als Zahl der Vollgeschosse die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse oder – wenn im Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt sei – die durch 3,5 bzw. 2,2 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstaben a und b EBS dienten jeweils „lediglich“ der Ermittlung der (fiktiven) Zahl der Vollgeschosse eines Grundstücks i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 1 EBS. Dies gelte auch, wenn der Bebauungsplan bei einem Grundstück für einen Teil die höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse und für einen anderen Teil die maximale Gebäudehöhe festsetze. Das Abstellen auf die Gebäudehöhe diene insoweit nur der typisierten Umrechnung auf (fiktive) Vollgeschosse, weil der Bebauungsplan zu der zulässigen Zahl keine (eindeutige) Festlegung enthalte. Beide Regelungen stellten zudem darauf ab, dass bei unterschiedlichen Festsetzungen der Zahl der Vollgeschosse bzw. der Höhe der Gebäude auf einem Grundstück die höchste Zahl bzw. Höhe maßgebend sein solle. Zwar enthalte die Satzung keine ausdrückliche Regelung dahingehend, dass bei Grundstücken, für die der Bebauungsplan für einen Teil eine maximale Zahl von Vollgeschossen und für einen anderen Teil eine höchstzulässige Gebäudehöhe festsetze, die auf dem Grundstück höchstzulässige Zahl der (fiktiven) Vollgeschosse maßgebend sein solle. Dies folge jedoch erkennbar und mit noch hinreichender Bestimmtheit aus den übrigen Regelungen des § 8 EBS und dem Gesamtsystem. Danach werde zum einen der Nutzungsfaktor über die Vollgeschosse bestimmt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EBS). Zum anderen sei hierbei auf die auf einem Grundstück nach dem Bebauungsplan maximal – zumindest auf einem Teil – verwirklichbaren Vollgeschosse abzustellen (§ 8 Abs. 3 EBS). Beim Heranziehen der Gebäudehöhe (statt der Vollgeschosse) handele es sich nur um einen (notwendigen) Umrechnungsfaktor zur Ermittlung der Vollgeschosse, der eine Abweichung vom System des § 8 EBS nicht rechtfertige oder gebiete. Ausschlaggebend sei danach die auf dem Grundstück höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse, unabhängig davon, nach welcher konkreten Regelung bzw. nach welchem konkreten Umrechnungsfaktor des § 8 EBS die Zahl der (fiktiven) Vollgeschosse ermittelt werde. Dies entspreche auch dem Grundsatz, bei Grundstücken in (qualifiziert) beplanten Gebieten die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen zu qualifizieren und dementsprechend im vollen Umfang bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nach einem Maßstab zu berücksichtigen, der auch auf die Größe der erschlossenen Grundstücksfläche abstelle, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulich oder sonst beitragsrechtlich relevanten Nutzung zugeführt werden könne.

Soweit die Kläger eine (teilweise) Unwirksamkeit des Bebauungsplans (mit der vermeintlichen Folge, dass für ihr Grundstück weder die Zahl der Vollgeschosse noch die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt wäre) daraus herleiten wollten, dass der Bebauungsplan für die Berechnung der Gebäudehöhe zwar auf den Bezugspunkt Fahrbahn abstelle, jedoch unklar bleibe, an welche Straße anzuknüpfen sei, wenn das Grundstück an zwei Straßen grenze, spiele diese Erwägung hier keine Rolle, weil es für die Bemessung des Beitrags nicht auf die tatsächliche, sondern auf die zulässige Gebäudehöhe von 12,50 m ankomme.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) im Hinblick auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Umrechnung der Gebäudehöhe in Vollgeschosse mittels eines Divisors von 2,2 im Rahmen des Verteilungsmaßstabs zugelassen.

Die Kläger haben gegen das ihnen am 16. Dezember 2016 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts am 13. Januar 2017 Berufung eingelegt.

Mit zwei Bescheiden vom 10. Oktober 2017 hat die Beklagte die Kläger jeweils gemeinsam zum (endgültigen) Erschließungsbeitrag herangezogen, und zwar für das „Grundstück in J., Flurstücke K., Flur L., Gemarkung J., H. straße 16 Wohnungsteileigentum Wohnung Nr. 1A“ in Höhe von 3.538,12 EUR, abzüglich der Vorausleistung noch 2.092,56 EUR, und für das „Grundstück in J., Flurstücke M., Flur L., Gemarkung J., H. straße 16 Wohnungsteileigentum Wohnung Nr. 1 A“ in Höhe von 673,21 EUR, abzüglich der Vorausleistung noch 398,07 EUR. Die Kläger haben gegen die Bescheide beim Verwaltungsgericht Lüneburg Klage erhoben (3 A 596/17).

Die Kläger haben daraufhin im vorliegenden Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 ihre Anfechtungsklage gegen die Vorausleistungsbescheide auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Sie machen geltend, sie hätten ein Interesse an der Feststellung, dass die Vorausleistungsbescheide, die sich durch die Erschließungsbeitragsbescheide erledigt hätten, rechtswidrig gewesen seien. Denn ihre diesbezüglichen Einwände hätten auch eine Rechtswidrigkeit der Erschließungsbeitragsbescheide zur Folge. Die Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. sei unwirksam. Sie verstoße gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit. Sie enthalte keine Regelung für den Fall, dass ein Bebauungsplan bei einem Grundstück – wie beim Grundstück H. straße 16 – für einen Teil eine höchstzulässige Zahl an Vollgeschossen und für den anderen Teil eine maximale Höhe der baulichen Anlagen festsetze. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstaben a und b EBS beträfen nicht kombinierbare Einzelfälle. Zudem führe der in § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b EBS vorgesehene Divisor von 2,2 zu einer fiktiven Zahl von Vollgeschossen, die bauordnungsrechtlich nicht verwirklicht werden könne. Er erfasse daher den Regelfall nicht realitätsgerecht. Des Weiteren sei es willkürlich, dass nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstaben a und b EBS für Gebäude gleicher Höhe unterschiedliche „Vollgeschosszahlen“ gälten. Jedenfalls verstoße es gegen § 131 Abs. 3 BauGB und gegen das Vorteilsprinzip, dass die Beklagte für das gesamte Grundstück H. straße 16 sechs fiktive Vollgeschosse zugrunde lege, obwohl etwa die Hälfte des Grundstücks nur eingeschossig bebaubar sei. Der Bebauungsplan „I. weg“ sei unwirksam, weil § 7 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen zu unbestimmt sei. Die Grundstücke H. straße 12, 16, 18 und 20 sowie N. straße 1 und 9 – für welche die im Bebauungsplan festgesetzte maximal zulässige Gebäudehöhe gelte – würden durch mehrere, nicht höhengleiche Straßen erschlossen. Aus § 7 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen ergebe sich nicht, auf welche Straße in diesen Fällen abzustellen sei.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg zu ändern und festzustellen, dass die an sie ergangenen Vorausleistungsbescheide der Beklagten vom 30. Januar 2015 rechtswidrig gewesen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. sei wirksam. Das Abstellen auf die höchstzulässige Zahl der auf dem Grundstück realisierbaren Vollgeschosse in § 8 Abs. 3 EBS sei zulässig. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b EBS sei vom weiten Ermessen des Satzungsgebers gedeckt. Im Klosterflecken J. gebe es viele alte Häuser, in denen die lichte Höhe im jeweiligen Geschoss nicht die in § 2 Abs. 7 Satz 1 NBauO festgelegte Höhe von 2,20 m erreiche. Der Bebauungsplan „I. weg“ sei ebenfalls wirksam. § 7 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen sei hinreichend bestimmt. Sollte der Bebauungsplan unwirksam sein, sei das Grundstück H. straße 16 nach den Regelungen in der Erschließungsbeitragssatzung für im unbeplanten Innenbereich liegende Grundstücke zu veranlagen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Die beiden Bescheide der Beklagten vom 30. Januar 2015 über die Heranziehung der Kläger zur Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“, die sich durch die beiden während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide der Beklagten vom 10. Oktober 2017 über die Heranziehung der Kläger zum Erschließungsbeitrag für die genannte Stichstraße erledigt haben, sind rechtswidrig gewesen.

Die Kläger haben ihre gegen die Vorausleistungsbescheide erhobene Anfechtungsklage im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt; diese Klageänderung ist sachdienlich (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).

Das Rechtsschutzbedürfnis für die zunächst gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Anfechtungsklage gegen die beiden Vorausleistungsbescheide vom 30. Januar 2015 ist entfallen. Denn die Vorausleistungsbescheide haben sich durch die beiden Erschließungsbeitragsbescheide vom 10. Oktober 2017, in denen jeweils die gezahlte Vorausleistung mit dem höheren Erschließungsbeitrag verrechnet wurde, „auf andere Weise“ i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b NKAG i. V. m. § 124 Abs. 2 AO erledigt.

Gegenstand der beiden Vorausleistungsbescheide einerseits und der beiden Erschließungsbeitragsbescheide andererseits ist bei einer jeweiligen Gesamtschau beider Bescheide jeweils hinreichend bestimmbar die Heranziehung der Kläger (zur Vorausleistung einerseits und zum Erschließungsbeitrag andererseits) für die (beabsichtigte bzw. endgültige) Herstellung der Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“ wegen ihres Teileigentumsanteils von 627/10.000 an dem an die Stichstraße grenzenden Grundstück H. straße 16, das aus den Flurstücken K. und M. der Flur L. in der Gemarkung J. besteht und auf dem sich die im Miteigentum der Kläger stehende Eigentumswohnung Nr. 1A befindet. Für die Erschließungsbeitragsbescheide ergibt sich dies aus den darin verwendeten Formulierungen „Als Eigentümer bzw. Erbbauberechtigter werden Sie hiermit zur Zahlung des Erschließungsbeitrags für das Grundstück in J., Flurstücke K., Flur L., Gemarkung J., H. straße 16 Wohnungsteileigentum Wohnung Nr. 1A … herangezogen“ bzw.  „Als Eigentümer bzw. Erbbauberechtigter werden Sie hiermit zur Zahlung des Erschließungsbeitrags für das Grundstück in J., Flurstücke M., Flur L., Gemarkung J., H. straße 16 Wohnungsteileigentum Wohnung Nr. 1A … herangezogen“, verbunden mit dem in der Berechnung angeführten Teileigentumsanteil der Kläger von 627/10.000. Zwar werden in unzutreffender Weise die Flurstücke jeweils als „Grundstück“ bezeichnet, obwohl sie nicht jeweils für sich genommen, sondern gemeinsam ein Buchgrundstück bilden. Dies steht aber einer Auslegung, dass die Kläger wegen ihres Teileigentumsanteils von 627/10.000 an dem aus beiden Flurstücken bestehenden Buchgrundstück herangezogen wurden, nicht entgegen. Entsprechendes gilt für die an die Kläger ergangenen Vorausleistungsbescheide. Zwar ist darin die Rede von einem „Grundstück in J., H. straße 16, Wohnung Nr. 1A, Flurstück K., Flur Q., Gemarkung J.“ und von einem „Grundstück in J., H. straße 16, Wohnung Nr. 6, Flurstück M., Flur Q., Gemarkung J.“, obwohl die Flurstücke in der Flur L. liegen und den Klägern (nur) die Eigentumswohnung Nr. 1A gehört. Auch wird in beiden Vorausleistungsbescheiden ein unzutreffender Anteil der Kläger an der beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 706/10.000 genannt, wobei den Berechnungen jeweils der zutreffende Teileigentumsanteil der Kläger von 627/10.000 zugrunde gelegt wurde. Die unrichtige Bezeichnung der Flur, die unzutreffende Bezeichnung der Wohnung der Kläger in einem der Vorausleistungsbescheide und die Nennung des falschen Teileigentumsanteils, wobei den Berechnungen jeweils der zutreffende Teileigentumsanteil der Kläger von 627/10.000 zugrunde gelegt wurde, sind aber offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass der angefochtenen Bescheide i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b NKAG i. V. m. § 129 AO, die jederzeit berichtigt werden können. Bei objektiver Auslegung ist – wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – noch hinreichend deutlich erkennbar, dass die Kläger mit den Vorausleistungsbescheiden für die beabsichtigte Herstellung der genannten Stichstraße wegen ihres Teileigentumsanteils von 627/10.000 am Buchgrundstück H. straße 16 herangezogen wurden.

Die Erschließungsbeitragsbescheide haben – wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – die Vorausleistungsbescheide in jeder Hinsicht gegenstandslos gemacht. Hinsichtlich der Beitragsfestsetzung haben sie die Vorauszahlungsbescheide abgelöst, weil jetzt allein die Erschließungsbeitragsbescheide den Rechtsgrund für das (endgültige) Behaltendürfen der von den Klägern zunächst vorläufig erbrachten Beiträge darstellen. Das Leistungsgebot der Vorausleistungsbescheide ist infolge der Zahlung der Vorausleistungsbeträge seitens der Kläger durch Erfüllung erloschen und hat deshalb ebenfalls keine sie belastende Rechtswirkung mehr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.1997 – 8 B 244.97 – KStZ 1999, 51 = juris Rn. 9; Senatsbeschluss vom 23.5.2000 – 9 L 3832/99 – NVwZ 2001, 589 = juris Rn. 4 f.; OVG RP, Urteil vom 17.4.2018 – 6 A 11905/17 – KStZ 2018, 154 = juris Rn. 18 f. m. w. N.; BayVGH, Urteil vom 10.8.2000 – 6 B 96.2367 – juris Rn. 18; vom 3.2.2000 – 6 B 95.2367 – juris Rn. 30 ff.; OVG NRW, Urteil vom 16.3.1977 – II A 588/74 – OVGE MüLü 32, 257; Driehaus, in: BerlKom BauGB, 3. Aufl., Stand: Aug. 2018, § 133 Rn. 62).

Die nunmehr auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorausleistungsbescheide gerichtete Klage ist zulässig. Hat sich ein Verwaltungsakt erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches berechtigtes Feststellungsinteresse ist im Fall der Erledigung eines Vorausleistungsbescheids durch einen endgültigen Beitragsbescheid jedenfalls dann anzunehmen, wenn die geltend gemachten Gründe für die Rechtswidrigkeit des Vorausleistungsbescheids auch die Rechtswidrigkeit des endgültigen Beitragsbescheids zur Folge hätten (vgl. BayVGH, Urteil vom 11.12.2009 – 6 B 08.682 – juris Rn. 21; OVG NRW, Urteil vom 23.11.2001 – 3 A 1725/00 – KStZ 2003, 53 = juris Rn. 12 f.; HessVGH, Urteil vom 7.12.1978 – V OE 95/77 – HessVGRspr 1979, 33; Driehaus, in: BerlKom BauGB, a. a. O., § 133 Rn. 62; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 3.7.1978 – 7 B 118-124/78 u. a. – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 = juris Rn. 7). So liegt der Fall hier. Denn die Kläger berufen sich auf eine Unwirksamkeit der Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J., die sowohl den Vorausleistungs- als auch den Erschließungsbeitragsbescheiden zugrunde liegt.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 30. Januar 2015 über die Heranziehung der Kläger zur Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die beabsichtigte Herstellung der Stichstraße „Baugebiet H. straße. /I. weg“ sind rechtswidrig gewesen.

Sie haben nicht auf einer wirksamen Verteilungsregelung beruht. Die in §§ 7 und 8 der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen im Klosterflecken J. vom 15. Dezember 2014 (EBS) enthaltene Verteilungsregelung ist wegen eines Verstoßes gegen den sog. Grundsatz der konkreten Vollständigkeit insgesamt unwirksam.

Nach dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit muss eine Verteilungsregelung in einer Erschließungsbeitragssatzung derart vollständig sein, dass sie eine annähernd vorteilsgerechte Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands für alle Verteilungskonstellationen ermöglicht, die in der betreffenden Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung vorhanden sind oder deren Entstehen aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten ist. Für diese Konstellationen muss die Gemeinde in ihrer Satzung (Verteilungs-) Vorsorge treffen. Andernfalls ist die Verteilungsregelung insgesamt unwirksam (vgl. BVerwG, Urteile vom 9.12.1994 – 8 C 6.93BVerwGE 97, 195 = juris Rn. 17; vom 19.8.1994 – 8 C 23.92Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 94 = juris Rn. 14 m. w. N.; vom 16.9.1977 – IV C 5.75 – Buchholz 406.11 § 133 BBauG N. 62 = juris Rn. 28). Der Grundsatz der konkreten Vollständigkeit verlangt nicht, dass für alle „irgendwie denkbaren“ Fälle eine Maßstabsregelung vorhanden sein muss, wohl aber für die realistischer Weise zu erwartenden Fälle (vgl. OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 14.1.2015 – 9 S 44.14 – juris Rn. 5; Driehaus, in: BerlKom BauGB, a. a. O., § 131 Rn. 68).

Diesen Anforderungen genügt die in den §§ 7 und 8 der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen im Klosterflecken J. vom 15. Dezember 2014 enthaltene Verteilungsregelung nicht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 EBS erfolgt die Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands auf die berücksichtigungspflichtigen Grundstücke im Verhältnis der Nutzflächen, die sich für diese Grundstücke aus der Vervielfachung der maßgeblichen Grundstücksfläche mit den nach § 8 maßgeblichen Nutzungsfaktoren ergeben. § 7 Abs. 2 EBS enthält Bestimmungen über die maßgebliche Grundstücksfläche. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EBS wird der Nutzungsfaktor bei berücksichtigungspflichtigen Grundstücken, die baulich oder gewerblich nutzbar sind, durch die Zahl der Vollgeschosse bestimmt. Der Nutzungsfaktor beträgt bei einem Vollgeschoss 1,0 und erhöht sich je weiteres Vollgeschoss um 0,25 (§ 8 Abs. 2 EBS). § 8 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 und Abs. 3 EBS enthalten Regelungen dazu, was als Vollgeschoss gilt bzw. als Vollgeschoss gerechnet wird. Der sich aus § 8 Abs. 2 und 3 EBS ergebende Nutzungsfaktor wird gemäß § 8 Abs. 4 EBS je nach Art des Gebiets, in dem sich das Grundstück befindet, mit unterschiedlichen Faktoren vervielfacht.

Ein solcher mit dem Grundflächenmaßstab kombinierter Vollgeschossmaßstab ist zwar dem Grunde nach zulässig. Denn nach § 131 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind Verteilungsmaßstäbe 1. die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung, 2. die Grundstücksflächen und 3. die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage. Diese Verteilungsmaßstäbe können gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 BauGB miteinander verbunden werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt ein mit dem Grundflächenmaßstab kombinierter Vollgeschossmaßstab – der das Maß der baulichen Nutzung zwar weniger genau erfasst als der sog. Geschossflächenzahlmaßstab, aber vor allem bei der Abrechnung von Anlagen, die auch unbeplante Gebiete erschließen, praktikabler ist – im Ansatzpunkt bundesrechtlich keinen Bedenken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2008 – 9 B 4.08 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 55 = juris Rn. 4 m. w. N.). Die weitere Ausgestaltung des Verteilungsmaßstabs in § 8 EBS erfasst aber nicht alle im Klosterflecken J. realistischer Weise zu erwartenden Verteilungskonstellationen. § 8 EBS lautet:

§ 8 Nutzungsfaktoren

(1) Der maßgebliche Nutzungsfaktor bei berücksichtigungspflichtigen Grundstücken, die baulich oder gewerblich nutzbar sind, wird durch die Zahl der Vollgeschosse bestimmt. Dabei gelten als Vollgeschoss alle Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind. Sakralbauten werden stets als eingeschossige Gebäude behandelt. Besteht im Einzelfall wegen der Besonderheiten des Bauwerks in ihm kein Vollgeschoss i. S. der Landesbauordnung, so werden bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken je vollendete 3,50 m und bei allen in anderer Weise baulich genutzten Grundstücken je vollendete 2,20 m Höhe des Bauwerks (Traufhöhe) als ein Vollgeschoss gerechnet.

(2) Der Nutzungsfaktor beträgt bei einem Vollgeschoss 1,0 und erhöht sich je weiteres Vollgeschoss um 0,25.

(3) Als Zahl der Vollgeschosse gilt – jeweils bezogen auf die in § 7 Abs. 2 bestimmten Flächen – bei Grundstücken,

1. die ganz oder teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2),

a) die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

b) für die im Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist, in Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten i. S. von § 11 Abs. 3 BauNVO die durch 3,5 und in allen anderen Baugebieten die durch 2,2 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei die Bruchzahlen bis 0,49 abgerundet und bei Bruchzahlen ab 0,5 auf ganze Zahlen aufgerundet wird;

c) für die im Bebauungsplan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die Höhe der baulichen Anlagen, sondern nur eine Baumassenzahl festgesetzt ist, die durch 3,5 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei bei einer Bruchzahl bis 0,49 abgerundet und bei einer Bruchzahl ab 0,5 auf ganze Zahlen aufgerundet wird;

d) auf denen nur Garagen, Stellplätze oder eine Tiefgaragenanlage errichtet werden dürfen, die Zahl von einem Vollgeschoss je Nutzungsebene;

e) für die im Bebauungsplan gewerbliche Nutzung ohne Bebauung festgesetzt ist, die Zahl von einem Vollgeschoss;

f) für die im Bebauungsplan industrielle Nutzung ohne Bebauung festgesetzt ist, die Zahl von zwei Vollgeschossen;

g) für die im Bebauungsplan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die Höhe der baulichen Anlagen bzw. die Baumassenzahl bestimmt ist, der in der näheren Umgebung überwiegend festgesetzte und/oder tatsächlich vorhandene (§ 34 BauGB) Berechnungswert nach lit. a – c);

2. auf denen die Zahl der Vollgeschosse nach Nr. 1 lit. a) bzw. lit. d) – g) oder die Höhe der baulichen Anlagen bzw. die Baumassenzahl nach Nr. 1 lit. b) bzw. lit. c) überschritten wird, die tatsächlich vorhandene Zahl der Vollgeschosse bzw. die sich nach der tatsächlich vorhandenen Bebauung ergebenden Berechnungswerte nach Nr. 1 lit. b) bzw. lit. c);

3. für die kein Bebauungsplan besteht, die aber ganz oder teilweise innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 bis Nr. 5), wenn sie

a) bebaut sind, die höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

b) unbebaut sind, die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegende vorhandenen Vollgeschosse.

(4) Das sich aus Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 ergebende Nutzungsfaktor wird vervielfacht mit

1. 1,5, wenn das Grundstück innerhalb eines tatsächlich bestehenden (§ 34 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen Wohngebietes (§ 3, § 4 und § 4a BauNVO), Dorfgebietes (§ 5 BauNVO), Mischgebietes (§ 6 BauNVO) oder Sondergebietes i. S. von § 10 BauNVO oder ohne ausdrückliche Gebietsfestsetzung innerhalb eines Bebauungsplangebietes überwiegend gewerblich oder überwiegend in einer der gewerblichen Nutzung ähnlichen Weise (z. B. Verwaltungs-, Schul-, Post- und Bahnhofsgebäude, Praxen für freie Berufe) genutzt wird;

2. 2,0, wenn das Grundstück innerhalb eines tatsächlich bestehenden (§ 34 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen Kerngebietes (§ 7 BauNVO), Gewerbegebietes (§ 8 BauNVO), Industriegebietes (§ 9 BauNVO) oder Sondergebietes i. S. von § 11 BauNVO liegt.

3. Die vorstehenden Regelungen zu Nr. 1 und Nr. 2 gelten nicht für die Abrechnung von selbständigen Grünanlagen.

(5) Der maßgebliche Nutzungsfaktor bei berücksichtigungspflichtigen Grundstücken, die nicht baulich oder gewerblich, sondern nur in vergleichbarer Weise (§ 7 Abs. 2 Nr. 6) nutzbar sind oder innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils so genutzt werden, beträgt 0,5.

Aus diesen Satzungsregelungen ergibt sich nicht, welche Zahl an Vollgeschossen gilt, wenn ein Grundstück ganz oder teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der für einen Teil des Grundstücks eine höchstzulässige Zahl von Vollgeschossen und für den anderen Teil eine maximal zulässige Höhe der baulichen Anlagen festsetzt. Fälle dieser Art werden insbesondere weder von § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b EBS noch von § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS erfasst:

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b EBS betrifft den Fall, dass für ein ganz oder teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegendes Grundstück der Bebauungsplan hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ausschließlich Festsetzungen zur zulässigen Höhe der baulichen Anlagen enthält. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut „bei Grundstücken, die ganz oder teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen …, für die im Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist“. Die Formulierung „statt“ ist dem allgemeinen Begriffsverständnis nach in einem vollständig ersetzenden Sinne zu verstehen. Dementsprechend bezieht sich die Vorschrift nur auf solche Grundstücke, für die ein Bebauungsplan keinerlei Festsetzung zur zulässigen Zahl der Vollgeschosse enthält, sondern nur eine Festsetzung zur zulässigen Gebäudehöhe.

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS regelt umgekehrt allein den Fall, dass der Bebauungsplan für Grundstücke, die ganz oder teilweise in seinem Geltungsbereich liegen, hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ausschließlich Festsetzungen der höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse enthält. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut „bei Grundstücken, die ganz oder teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen …, die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse“. Die Regelung erwähnt hinsichtlich des durch den Bebauungsplan festgesetzten Maßes der baulichen Nutzung nur die festgesetzte Zahl der Vollgeschosse. Nicht hingegen ist sie dahingehend formuliert, dass auch bei teilweiser Festsetzung einer höchstzulässigen Zahl von Vollgeschossen und teilweiser Festsetzung einer maximal zulässigen Gebäudehöhe für ein Grundstück stets die (nur für den einen Grundstücksteil) festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse maßgebend sein soll. Hätte dieser Fall erfasst werden sollen, hätte es nahegelegen, dass der Satzungsgeber – wie in anderen Regelungen in der Erschließungsbeitragssatzung – eine Begrifflichkeit wie „ganz oder teilweise“ (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 EBS; § 8 Abs. 3 Nr. 3 EBS) oder „insgesamt oder teilweise“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 EBS) oder „mit der Restfläche“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 EBS) oder „wenn sie mit ihrer Fläche teilweise im … und teilweise im … liegen“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe b EBS) verwendet. Es ist auch kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, weshalb die genannte Konstellation nach dem Willen des Satzungsgebers von § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS erfasst sein sollte. Vielmehr könnte dies im Einzelfall zu nicht vorteilsgerechten Ergebnissen führen. Wäre etwa in einem Bebauungsplan für einen kleinen Teil eines Grundstücks eine höchstzulässige Zahl von einem Vollgeschoss und für den weit überwiegenden anderen Grundstücksteil eine maximal zulässige Gebäudehöhe festgesetzt, die eine Errichtung von weit mehr als einem Vollgeschoss zuließe, so wäre – wenn dieser Fall § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS unterfiele – die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl von einem Vollgeschoss zugrunde zu legen, obwohl auf dem weit überwiegenden Teil des Grundstücks viel mehr Vollgeschosse errichtet werden dürfen.

Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts anzuschließen, dass sich aus § 8 EBS und dem „Gesamtsystem“ ergibt, dass nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS in Fällen, in denen der Bebauungsplan für ein Grundstück hinsichtlich des einen Teils eine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse und hinsichtlich des anderen Teils eine maximal zulässige Höhe der baulichen Anlagen festsetzt, auf diejenige Festsetzung abzustellen ist, nach der sich eine höhere Vollgeschosszahl ergibt. Denn dies ist in § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS so nicht geregelt. Auch die übrigen Regelungen des § 8 EBS lassen nicht auf einen entsprechenden Regelungsinhalt des § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a EBS schließen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage, wie ein kombinierter Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab anzuwenden ist, wenn ein Bebauungsplan für eine Teilfläche eines (Buch-) Grundstücks eine andere Geschosszahl als für eine andere Teilfläche desselben Grundstücks ausweist und der Ortsgesetzgeber für eine solche Konstellation bestimmt, dass die jeweils höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse maßgebend für die Ermittlung des Nutzungsfaktors sei, mit der die gesamte erschlossene Fläche eines Grundstücks zur Errechnung des auf dieses entfallenden „Verteilungswerts“ zu multiplizieren sei, dahingehend beantwortet, dass dies sachgerecht sei und keinen (bundesrechtlichen) Bedenken begegne (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1986 – 8 C 9.86Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 69 = juris Rn. 37; vgl. auch Senatsbeschluss vom 8.4.2011 – 9 LA 10/13 –). Denn die jeweils höchstzulässige Geschosszahl hat vom Ansatz her einen besonderen Aussagewert für die bauliche Ausnutzbarkeit eines erschlossenen Grundstücks, von der ihrerseits das Ausmaß der diesem Grundstück vermittelten Erschließungsvorteile abhängt. Nur weil eine entsprechende Regelung für die hier in Rede stehende Verteilungskonstellation sachgerecht wäre, darf sie aber nicht in eine Erschließungsbeitragssatzung, die für eine solche Konstellation keine dahingehende Bestimmung enthält, „hineingelesen“ werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Rat des Klosterfleckens J. die – eher seltene – Konstellation, dass ein Bebauungsplan bei Grundstücken für einen Teil eine höchstzulässige Gebäudehöhe und für den anderen Teil eine maximal zulässige Zahl an Vollgeschossen festsetzt, zunächst bei der Beschlussfassung über die ursprüngliche Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. vom 27. März 2000 schlicht nicht bedacht hat. Die Beklagte hat nämlich mit Schriftsatz vom 7. August 2017 mitgeteilt, dass im Gebiet des Klosterfleckens J. die „Festsetzungen der maximalen Gebäudehöhe für Grundstücksteile und zugleich die Festsetzung von zulässigen Vollgeschossen für die restlichen Grundstücksteile eines Grundstückes … nur in dem der Beitragserhebung zugrundeliegenden Bebauungsplangebiet“ existiert. Der diesbezügliche Bebauungsplan „I. weg“ datiert aber erst vom 26. Oktober 2010. Nachdem dieser Bebauungsplan aufgestellt worden war, wurden in der neuen Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. vom 15. Dezember 2014 die bisherigen Verteilungsregelungen nicht an diese – dann bekannte – besondere Situation angepasst.

Da der Bebauungsplan „I. weg“ des Klosterfleckens J. vom 26. Oktober 2010 Festsetzungen der genannten Art für das hier in Rede stehende Verteilungsgebiet vorsieht, bestehen auch seit dem rückwirkenden Inkrafttreten der Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. vom 15. Dezember 2014 zum 1. Oktober 2014 konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im Geltungsbereich dieser Erschließungsbeitragssatzung Verteilungskonstellationen auftreten können, bei denen ein Bebauungsplan für ein Grundstück hinsichtlich des einen Teils eine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse und hinsichtlich des anderen Teils eine maximal zulässige Höhe der baulichen Anlagen festsetzt.

Zwar gehen die Kläger möglicherweise Recht in der Annahme, dass der Bebauungsplan „I. weg“ unwirksam ist, weil § 7 Abs. 2 seiner textlichen Festsetzungen zu unbestimmt ist. Diese Festsetzung bezieht sich auf die für das Mischgebiet entlang der N. straße und der H. straße vorgesehene maximale Höhe der baulichen Anlagen von 12,50 m. Sie lautet:

„Bezugsebene ist die Oberkante des Fahrbahnrandes an der Stelle des arithmetischen Mittelpunktes der Grundstücksbreite der zur Erschließung des Grundstückes notwendigen angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche. Der maßgebliche Bezugspunkt wird durch den höchsten Punkt des Gebäudes (Gebäudehöhe) gebildet.“

Von den durch diese Festsetzung betroffenen Grundstücken grenzen die Grundstücke H. straße 12, 16, 18 und 20 sowie N. straße 1 und 9 jeweils an zwei Erschließungsanlagen (H. straße 12: H. straße und N. straße; H. straße 16 und 18: H. straße und Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“; H. straße 20: H. straße und O. -P. -Straße; N. straße 1: H. straße und N. straße; N. straße 9: N. straße und I. weg).

Soweit Grundstücke an mehr als eine Straße grenzen, muss der Plangeber, der auf die Höhe erschließender öffentlicher Verkehrsflächen als unteren Bezugspunkt verweist, klarstellen, welche Straße maßgeblich ist; dies ist nur dann entbehrlich, wenn alle in Betracht kommenden Verkehrsflächen höhengleich sind (OVG NRW, Urteil vom 28.8.2014 – 7 D 8/13.NEBauR 2015, 941 = juris, Leitsatz).

Hier hat der Plangeber, der in § 7 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans auf die Höhe erschließender öffentlicher Verkehrsflächen als untere Bezugsebene verweist, nicht klargestellt, auf welche Straße bei Grundstücken abzustellen ist, die an mehrere Erschließungsanlagen grenzen. Die genannten Straßen sind entlang der genannten Grundstücken auch nicht alle höhengleich. Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Lageplan. Danach liegt z. B. beim Grundstück H. straße 16 der arithmetische Mittelpunkt der Grundstücksbreite an der H. straße bei ca. 69,5 m, während er an der Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“ zwischen 68,5 und 69 m liegt. Beim Grundstück H. straße 18 liegt er an der H. straße bei ca. 70 m, während er an der Stichstraße „Baugebiet H. straße/I. weg“ zwischen 68,5 m und 69 m liegt. Beim Grundstück H. straße 20 liegt er an der H. straße bei ca. 71 m, während er an der O. -P. -Straße zwischen 70,5 m und 71 m liegt.

Mängel, die – wie hier – einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen nur dann nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (OVG NRW, Urteil vom 28.8.2014, a. a. O., Rn. 55 f. m. w. N.).

Es kann indes offenbleiben, ob der Bebauungsplan „I. weg“ wirksam ist. Denn selbst wenn er bei der hier vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit erschließungsbeitragsrechtlicher Vorausleistungsbescheide einer Inzidenterkontrolle zu unterziehen wäre und der Senat feststellen würde, dass er unwirksam wäre, erscheint es konkret möglich, dass der Klosterflecken J. den im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB erlassenen Bebauungsplan „I. weg“ gemäß § 214 Abs. 4 BauGB durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung des Fehlers rückwirkend in Kraft setzen würde, so dass die genannte Verteilungskonstellation im Geltungsbereich der Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. weiterhin vorläge. Zwar läge das Gebiet ohne Geltung des Bebauungsplans im unbeplanten Innenbereich, wo auch ohne Bebauungsplan gemäß den Vorgaben des § 34 BauGB gebaut werden dürfte. Aus der Begründung des Bebauungsplans „I. weg“ ergibt sich aber, dass mit den Festsetzungen im Bebauungsplan im Plangebiet eine bauliche Entwicklung gemäß § 34 BauGB vermieden werden sollte. Dies gilt gerade auch bezogen auf die Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung. Dazu heißt es auf Seite 13 der Begründung des Bebauungsplans:

„Auf die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse wird im MI-Bestand zu Gunsten einer Begrenzung der Gebäudehöhe auf max. 12,50 m verzichtet. Durch den Verzicht auf die Festsetzung der Anzahl der Vollgeschosse kann die bereits im MI-Gebiet bestehende Bebauung entsprechend ihrer derzeitigen Höhenentwicklung angemessener berücksichtigt werden. Die Hauptgebäude lassen aufgrund ihrer Anordnung und Gebäudestruktur nicht regelmäßig auf die realisierte Geschossigkeit schließen, so dass in diesem Fall zu Gunsten der individuellen baulichen Ausnutzung der Grundstücksflächen und zur Vermeidung von nachträglichen Eingriffen in die gem. § 34 BauGB ohne Bebauungsplan mögliche Grundstücksausnutzung auf die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse verzichtet wird …

Für das MI*-Gebiet wird unter Berücksichtigung einer sich in diese Umgebung einfügenden und unterordnenden baulichen Entwicklung im Blockinnenbereich die Zahl der Vollgeschosse auf 1 begrenzt. Die Begrenzung der Anzahl der Vollgeschosse lässt eine individuelle und den heutigen Bedürfnissen entsprechende kosten-, flächen- und energiesparende Bebauung zu. Ferner ist davon auszugehen, dass bei Berücksichtigung der gemäß NBauO einzuhaltenden Abstände zu Grundstücksgrenzen und baulichen Anlagen insbesondere bei einer eingeschossigen Bauweise nicht von einer Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung benachbarter Wohngrundstücke ausgegangen werden kann.“

Vor diesem Hintergrund erscheint es sogar naheliegend, dass der Klosterflecken J. im Fall einer Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans ein ergänzendes Verfahren zur Behebung des Fehlers nach § 214 Abs. 4 BauGB durchführen würde, um sicherzustellen, dass sich die tatsächliche bauliche Entwicklung im Plangebiet im Rahmen der dort gewünschten baulichen Entwicklung hält. Ein solches Verfahren wäre mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand verbunden. Insbesondere kann bei Auslegung des Änderungsentwurfs nach § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB bestimmt werden, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten bzw. ergänzten Teilen abgegeben werden können. Zugleich würde der Klosterflecken J. durch ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB von der Notwendigkeit entbunden, mit Blick auf die von der Beklagten bereits erlassenen endgültigen Erschließungsbeitragsbescheide einen Ratsbeschluss nach § 125 Abs. 2 BauGB herbeizuführen. Denn die Erhebung von Erschließungsbeiträgen setzt (anders als die Erhebung von Vorausleistungen) eine nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßige Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.10.1994 – 8 C 2.93BVerwGE 97, 62 = juris, Leitsätze 1 und 2). Nach § 125 Abs. 1 BauGB erfordert dies bei Erschließungsanlagen i. S. d. § 127 Abs. 2 BauGB grundsätzlich einen Bebauungsplan. Fehlt ein solcher, muss die Herstellung der Erschließungsanlage gemäß § 125 Abs. 2 BauGB den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen, was eine entsprechende Abwägungsentscheidung in Form eines Ratsbeschlusses voraussetzt (vgl. Driehaus, in: BerlKom BauGB, a. a. O., § 125 Rn. 16).

Damit bestehen unabhängig von einer Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Bebauungsplans „I. weg“ hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im Geltungsbereich der Erschließungsbeitragssatzung Verteilungskonstellationen auftreten können, bei denen ein Bebauungsplan für ein Grundstück hinsichtlich des einen Teils eine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse und hinsichtlich des anderen Teils die maximal zulässige Höhe der baulichen Anlagen festsetzt.

Da der Verstoß der Erschließungsbeitragssatzung des Klosterfleckens J. gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit bereits zur Unwirksamkeit der gesamten Verteilungsregelung in der Erschließungsbeitragssatzung und damit zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Vorausleistungsbescheide führt, kann dahinstehen, ob die Erschließungsbeitragssatzung – wie die Kläger meinen – an weiteren Mängeln leidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.