Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.11.2018, Az.: 2 LC 1768/17

Aufwendungsersatz für die Schülerbeförderung zu einer Förderschule; Beachtlichkeit des Wahlrechts der Eltern im Schülerbeförderungsrecht; Wahl der Schule mit passendem Förderschwerpunkt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.11.2018
Aktenzeichen
2 LC 1768/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 63666
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:1120.2LC1768.17.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 15.11.2017 - AZ: 1 A 247/16

Fundstellen

  • DVBl 2019, 194-196
  • DÖV 2019, 160
  • NdsVBl 2019, 5
  • NdsVBl 2019, 191-193
  • NordÖR 2019, 52
  • SchuR 2020, 60

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Begriff der Schulform in § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG entspricht demjenigen in § 4 Abs. 1 Satz 2 und § 5 Abs. 2 und § 59 Abs. 1 NSchG.

  2. 2.

    Wählen Eltern für den Schulbesuch ihres Kindes die nächstgelegene Förderschule mit passendem Förderschwerpunkt (vgl. § 114 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 NSchG), können sie schülerbeförderungsrechtlich nicht darauf verwiesen werden, dass die nächstgelegene geeignete Schule eine Grundschule mit angegliederter Lerngruppe und entsprechendem Förderschwerpunkt gemäß § 14 Abs. 6 NSchG darstellt. Das gilt unabhängig davon, ob der Förderbedarf des Kindes auch an der Grundschule gedeckt werden kann. Das Wahlrecht der Eltern ist auch im Schülerbeförderungsrecht zu beachten.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer (Einzelrichter) - vom 15. November 2017 geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Juli 2016 verpflichtet, den Kläger von seinem Wohnort zur ...schule, ..., A-Stadt zu befördern und ihm für die Vergangenheit mit Wirkung ab dem 1. August 2016 die ihm entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Schülerbeförderung zu einer Förderschule.

2

Der am ... 2009 geborene Kläger lebt bei einer Pflegefamilie in ... (Landkreis ...). Aufgrund eines Fördergutachtens wurde bei ihm mit Bescheid vom 11. Mai 2016 ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in den Förderschwerpunkten Sprache, körperliche und motorische Entwicklung sowie emotionale und soziale Entwicklung festgestellt.

3

Seit dem Schuljahr 2016/2017 besucht der Kläger die erste Klasse der ...schule in der Stadt A-Stadt. Bei dieser Schule handelt es sich um die nächstgelegene Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sprache. Die Schule liegt bei Nutzung der schnellsten Straßenverbindung knapp 30 km vom Wohnort des Klägers entfernt am östlichen Stadtrand von A-Stadt. Der Landkreis Osnabrück hält selbst keine Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache vor. Die Sorgeberechtigten können dort zwischen einer inklusiven Beschulung und einer Beschulung in einer an einer Grundschule gebildeten Sprachheilklasse wählen. Die nächstgelegene Schule mit einer Sprachheilklasse ist die Grundschule ...; diese liegt rund 12 km vom Wohnort des Klägers entfernt.

4

Unter dem 20. Mai 2016 beantragten die Pflegeeltern des Klägers für diesen die Schülerbeförderung im freigestellten Schülerverkehr (Taxi) zur ...schule. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2016 gegenüber dem Amtsvormund des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus, der Anspruch auf Schülerbeförderung bestehe nur für den Weg zur nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform. Dies sei die Grundschule .... Dabei handele es sich zwar nicht um eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sprache. Ihr Angebot einer Sprachheilklasse sei aber ein gleichwertiges Parallelangebot.

5

Der Kläger hat am 10. August 2016 Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Januar 2017 abgelehnt hat. Er ist der Auffassung, dass er gemäß § 114 Abs. 3 NSchG einen Anspruch darauf habe, zur nächstgelegenen Förderschule mit dem gewählten Förderschwerpunkt Sprache befördert zu werden. Das sei die ...schule, die der Schulform nach eine Förderschule sei. Bei der Grundschule ... handele es sich dagegen der Schulform nach um eine Grundschule. Die Sprachheilklasse dort sei eine Lerngruppe gemäß § 14 Abs. 6 NSchG, die nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut an einer Schule einer anderen Schulform als einer Förderschule eingerichtet sei. Eine Gleichstellung dieser Lerngruppe mit einer Förderschule nehme das Schulgesetz nicht vor. Selbst wenn man auch die Sprachheilklasse an der Grundschule ... als Förderschule ansehen wollte, sei zu beachten, dass diese Schule seinen mehrfachen sonderpädagogischen Förderbedarf nicht abdecken könne.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 19. Juli 2016 die Kosten der Schülerbeförderung zur ...schule in A-Stadt ab dem 1. August 2016 zu tragen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, dass die Grundschule ... nicht als reine Regelschule, sondern bezüglich der dort geführten Sprachheilklasse auch als Förderschule anzusehen sei. Sprachheilklassen seien im niedersächsischen Schulrecht nicht gesondert geregelt. Angesichts der dort angebotenen Förderschwerpunkte und der sonderpädagogischen Unterstützung seien sie aber als Förderschulen zu betrachten. Daher stelle die Grundschule ... die nächstgelegene Schule der gewählten Schulform dar. Soweit der Kläger vortrage, sein über den Bereich Sprache hinausgehender Förderbedarf könne an der Grundschule ... nicht gedeckt werden, sei die Situation in der ...schule nicht anders. Auch diese Schule decke grundsätzlich allein den sprachlichen Bereich ab. Weitergehendem Förderbedarf werde an beiden Schulen über die Zuweisung zusätzlicher Ressourcen Rechnung getragen.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 15. November 2017, zugestellt am 16. November 2017, abgewiesen. Der Anspruch auf Schülerbeförderung beziehe sich nur auf die nächstgelegene Schule der gewählten Schulform mit dem entsprechenden Förderschwerpunkt. Das sei diejenige Schule, die den bestehenden sonderpädagogischen Förderbedarf voraussichtlich decken könne. § 114 Abs. 3 Nr. 5 NSchG gehe insofern nicht von dem § 5 Abs. 2 Nr. 1 NSchG zugrundeliegenden formellen, also organisationsrechtlichen Förderschulbegriff aus. Das Schülerbeförderungsrecht stelle vielmehr maßgeblich auf den Begriff des Bildungsgangs ab und lege daher ein materielles Verständnis zugrunde. Davon ausgehend könne der Förderbedarf des Klägers an der Grundschule ... gedeckt werden.

12

Gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger zunächst entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung gewandt. Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats und Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat er am 18. Mai 2018 die bereits vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Das Verwaltungsgericht irre, wenn es den Begriff der Schulform in § 114 Abs. 3 NSchG abweichend von § 5 Abs. 2 NSchG auslege.

13

Der Kläger beantragt,

14

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 15. November 2017 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 19. Juli 2016 die Kosten der Schülerbeförderung zur ...schule in A-Stadt ab dem 1. August 2016 zu tragen.

15

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

17

Er tritt den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einem materiell-rechtlichen Schulformbegriff bei und sieht sich ergänzend durch § 183c Abs. 5 und 6 NSchG in der Fassung vom 28. Februar 2018 bestätigt. Auch diesen Vorschriften sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Förderschulen und entsprechende Lerngruppen an anderen Schulen als gleichwertig ansehe.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schülerbeförderung zur ...schule. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher zu ändern und der Beklagte zur Schülerbeförderung bzw. zum Ersatz der dem Kläger bereits entstandenen notwendigen Aufwendungen zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

20

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG. Nach dieser Vorschrift haben (unter anderem) die Landkreise die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Die Beförderungs- oder Erstattungspflicht besteht gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG grundsätzlich nur für den Weg zur nächsten Schule der von der Schülerin oder dem Schüler gewählten Schulform. Abweichend davon bestimmt § 114 Abs. 3 Satz 2 NSchG, dass im Fall des Besuchs einer Förderschule diejenige Förderschule als nächste Schule gilt, deren Förderschwerpunkt dem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung entspricht. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen eines Beförderungs- und Erstattungsanspruchs.

21

Der Kläger besucht mit der in der Stadt A-Stadt gelegenen ...schule eine allgemein bildende Schule in der Schulform einer Förderschule gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 i) NSchG. Bei dieser Schule handelt es sich zugleich um die dem Wohnort des Klägers nächstgelegene Förderschule mit dem benötigten Förderschwerpunkt Sprache. Der weitere Unterstützungsbedarf des Klägers kann dort - wenn auch nur mittels zusätzlich zugewiesener Ressourcen - abgedeckt werden. Damit sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

22

Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts ist der Beförderungs- und Erstattungsanspruch des Klägers nicht gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 und 2 NSchG auf den Weg von seinem Wohnort zur Grundschule ... beschränkt. Dabei lässt der Senat offen, ob der sonderpädagogische Förderbedarf auch in der an der Grundschule eingerichteten Sprachheilklasse gedeckt wäre. Auch in diesem Fall handelte es sich bei der ...schule um die nächste Schule der gewählten Schulform i.S. von § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG. Was unter dem Begriff der Schulform zu verstehen ist, regelt die abschließende Aufzählung des § 5 Abs. 2 NSchG (Senatsurt. v. 8.1.2014 - 2 LB 364/12 -, NdsVBl. 2014, 196, juris Rn. 43). Die Vorschrift differenziert zwischen einer Grundschule einerseits und einer Förderschule andererseits. In beiden Fällen handelt es sich um selbstständige Schulformen. § 114 Abs. 3 NSchG korrespondiert insofern mit dem schulformbezogenen Wahlrecht der Eltern aus § 4 Abs. 1 Satz 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG (vgl. Senatsurt. v. 6.5.2013 - 2 LB 151/12 -, NdsVBl. 2013, 340, NordÖR 2014, 239 [OVG Niedersachsen 14.05.2013 - 2 LB 151/12], juris Rn. 45). Aus fahrtkostenrechtlichen Gründen soll sich kein Schüler gehindert sehen, eine Schule der Schulform seiner Wahl zu besuchen.

23

Der Auffassung des Beklagten, bei der an der Grundschule ... - der Schulform nach eine Grundschule gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) NSchG - gebildeten Sprachheilklasse handele es sich (auch) um eine Förderschule, folgt der Senat nicht. Sie ist - worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat - mit Wortlaut und Systematik der Vorschriften unvereinbar. § 14 NSchG trifft ausführliche Regelungen dazu, was eine Förderschule i.S. von § 5 Abs. 2 Nr. 1 i) NSchG ausmacht. Es handelt sich danach um eine eigenständige, grundsätzlich nach Förderschwerpunkten differenzierte Schule, die zugleich ein Sonderpädagogisches Förderzentrum darstellt. Sie deckt den Primarbereich und Sekundarbereich I ab. Das alles unterscheidet sie nach der Konzeption des Gesetzgebers von einer Grundschule (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 a) i.V. mit § 6 NSchG). Zwar können an Grundschulen gemäß § 14 Abs. 6 NSchG besondere Lerngruppen - darunter fallen die Sprachheilklassen - eingerichtet werden, die ebenso wie die Inklusive Schule gemäß § 4 NSchG eine Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ermöglichen. § 14 Abs. 6 NSchG bestimmt jedoch ausdrücklich, dass derartige Lernbereiche "an Schulen anderer Schulformen" eingerichtet werden können. Das schließt es ebenso wie die inhaltlichen Unterschiede zwischen Förder- und Grundschulen aus, derartige Lerngruppen zugleich als Förderschulen, also eine andere Schulform innerhalb der Schulform Grundschule zu betrachten.

24

Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, § 114 Abs. 3 NSchG gehe nicht von dem formellen, § 5 Abs. 2 NSchG zugrundeliegenden, sondern abweichend davon von einem "materiellen", an die Erfüllung des sonderpädagogischen Förderbedarfs anknüpfenden Schulformbegriff aus, teilt der Senat nicht. Abgesehen davon, dass diese Auslegung bei anderen Schulformen als der Förderschule schwerlich zu praktikablen Ergebnissen führen und es konsequenterweise auch erlauben würde, die Schülerbeförderung zu einem weiter entfernten Gymnasium zugunsten einer näher gelegenen Gesamtschule abzulehnen, weil beide Schulen zum Abitur führen, ist die Annahme eines abweichenden Schulformbegriffs mit allgemeinen Auslegungsgrundsätzen unvereinbar. Bei der Auslegung von Rechtsbegriffen besteht die Vermutung eines planvollen Handelns des Gesetzgebers, welches die Annahme rechtfertigt, dass dasselbe Wort in verschiedenen Vorschriften eines Gesetzes dieselbe Bedeutung hat (vgl. nur Bleckmann, JuS 2002, 942 [944] m.w.N.). So liegt der Fall vor. § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG nimmt - wie schon der bereits erläuterte Zusammenhang mit dem Schulformwahlrecht der Eltern aus § 4 Abs. 1 Satz 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG zeigt - auf den Begriff der Schulform, wie er in § 5 Abs. 2 NSchG definiert ist, Bezug (zutreffend Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, § 114 Anm. 4.1.5 [Stand der Bearbeitung: 4/2018]). Anhaltspunkte für ein entgegenstehendes Begriffsverständnis sieht der Senat nicht. Ein solcher Anhaltspunkt ist insbesondere nicht § 114 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 und 5 NSchG zu entnehmen. Die Vorschrift erweitert den Anspruch auf Beförderung, indem sie eine bestimmte tatsächlich weiter entfernt liegende Schule mit einem besonderen Angebot zur nächsten Schule erklärt. Das gibt beispielsweise für Ganztags- bzw. Halbtagsschulen bzw. für diejenige Förderschule, deren Förderschwerpunkt dem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung entspricht. Diese Erweiterungen des Schülerbeförderungsanspruchs bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Schulformbegriff selbst im Gegensatz dazu einschränkend zu verstehen sein könnte.

25

Zu Unrecht beruft sich das Verwaltungsgericht auf die (frühere) Rechtsprechung des Senats zum Anspruch auf Schülerbeförderung bei besonderen Bildungsgängen (vgl. nur Senatsurt. v. 25.3.2014 - 2 LB 147/12 -, juris Rn. 40 ff. m.w.N.). Diese Rechtsprechung bezog sich auf die bis zum 31. Juli 2015 geltende Fassung des § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG, wonach die Beförderungs- oder Erstattungspflicht ergänzend zu der heutigen Regelung auch innerhalb der gewählten Schulform zur nächsten Schule, die den von der Schülerin oder dem Schüler verfolgten Bildungsgang anbot, bestand. Schülerbeförderungsrecht und Elternwahlrecht (§ 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG) wiesen demzufolge damals ein höheres Maß an Übereinstimmung auf, als das heute noch der Fall ist (zur gesetzgeberischen Motivation vgl. LT-Drs. 17/2882, S. 37 f.). Für die Auslegung des heutigen § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG ist die Rechtsprechung zum Begriff des Bildungsgangs nicht mehr von Bedeutung. Erst recht kann dieser Rechtsprechung zur Schülerbeförderung bei besonderen Bildungsgängen keine Einschränkung oder gar ein materielles Verständnis des Begriffs der Schulform entnommen werden; der Sache handelte es sich damals vielmehr um eine Erweiterung des Anspruchs auf Schülerbeförderung.

26

Auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf § 59 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 1 NSchG überzeugt nicht. Die Vorschrift schränkt die Möglichkeit einer zwangsweisen Überweisung an eine Förderschule ein und knüpft insofern ausdrücklich an einen formellen Schulformbegriff an. Für ein "materielles" Schulformverständnis gibt die Vorschrift nichts her.

27

Der Senat kann auch der mit dem Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes vom 28. Februar 2018 (Nds. GVBl. S. 16) erfolgten Neufassung des § 183c Abs. 6 NSchG kein Indiz dahingehend entnehmen, dass der Gesetzgeber Förderschulen und Lerngruppen an anderen Schulen als gleichwertig ansieht mit der Folge, dass diese Gleichwertigkeit einen Beförderungsanspruch an die weiter entfernte Schule ungeachtet der Schulform ausschließen könnte. Im Gegenteil erweitert § 183c Abs. 6 NSchG den Anspruch auf Schülerbeförderung dahingehend, dass für Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung auch die inklusiv betriebene Schule bzw. auch eine für den Förderschwerpunkt Lernen eingerichtete Lerngruppe neben der tatsächlich nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform als nächste Schule im Sinne des § 114 Abs. 3 Satz 2 NSchG gilt. Diese Erweiterung des Beförderungsanspruchs bedeutet aber - wie der Gesetzgeber mit der Verwendung des Wortes "auch" klar zu erkennen gibt - nicht, dass ein Schüler schülerbeförderungsrechtlich auf die genannten Schulen verwiesen werden kann.

28

Besteht damit der Beförderungs- und Erstattungsanspruch für den Schulweg zur ...schule als der nächsten Förderschule, deren Förderschwerpunkt dem Bedarf des Klägers an sonderpädagogischer Unterstützung entspricht, ist der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten. Für die Zukunft muss der Beklagte die Schülerbeförderung sicherstellen oder nach Maßgabe seiner Satzung über die Schülerbeförderung vom 12. März 2018 (ABl. Nr. 8, S. 96) die anfallenden notwendigen Aufwendungen erstatten. Für die Vergangenheit besteht ein Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen notwendigen Aufwendungen (vgl. Senatsbeschl. v. 30.6.2015 - 2 LA 452/14 -, NdsVBl. 2015, 314, juris Rn. 7). § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis Osnabrück vom 29. September 2008 (ABl. S. 207 ff.) bzw. vom 12. März 2018 stehen einem Kostenerstattungsanspruch für Zeiträume in der Vergangenheit nicht entgegen. Angesichts der dem Grunde nach ablehnenden Entscheidung des Beklagten wäre eine Antragstellung während des laufenden Gerichtsverfahrens eine bloße Förmelei gewesen, die nicht zu erwarten war.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.