Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.11.2018, Az.: 4 LB 404/17
BAföG-Verwaltungsvorschriften; Leistungsbescheinigung; Prognose; Psychische Erkrankung; Verzögerung; § 48 BAföG-Bescheinigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.11.2018
- Aktenzeichen
- 4 LB 404/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74277
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 30.09.2016 - AZ: 3 A 13544/14
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs 3 BAföG
- § 48 Abs 2 BAföG
- § 48 Abs 1 BAföG
- § 48 Nr 2.1 BAföGVwV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die spätere Vorlage der Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BAföG darf nur zugelassen werden, wenn die Prognose gestellt werden kann, dass es dem Auszubildenden möglich ist, innerhalb des nach § 48 Abs. 2 BAföG angemessenen Zeitraums die nach § 48 Abs. 1 BAföG zum Ende des 4. Fachsemesters erforderlichen Leistungen zu erbringen, bzw. wenn - bei einer Entscheidung nach Ablauf des angemessenen Zeitraums - aufgrund der tatsächlichen Ausbildungsentwicklung die Feststellung getroffen werden kann, dass die erforderlichen Leistungen für den Nachweis nach § 48 Abs. 1 BAföG erbracht worden sind.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 30. September 2016 geändert, soweit der Klage stattgegeben worden ist.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte wendet sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht sie dazu verpflichtet hat, dem Kläger unter Zulassung einer Verschiebung der Vorlage einer Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG um ein Semester für die Zeit von September 2014 bis Februar 2015 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der am 5. Dezember 1985 geborene Kläger nahm zum Wintersemester 2011/12 ein Maschinenbaustudium an der Hochschule C. auf. In seinem ersten Fachsemester erlangte er 14 ECTS-Credits. Im Sommersemester 2012 erlangte er 9 ECTS-Credits, im darauffolgenden Wintersemester 2012/13 dann 8 ECTS-Credits und im Sommersemester 2013 schließlich 7 ECTS-Credits. Für das Wintersemester 2013/14 und das Sommersemester 2014 ließ er sich krankheitsbedingt beurlauben. Im Wintersemester 2014/15 nahm er sein Maschinenbaustudium wieder auf.
Am 29. September 2014 beantragte der Kläger Ausbildungsförderung. Gleichzeitig beantragte er, die Leistungsbescheinigung um zwei Semester verspätet vorlegen zu dürfen, weil er schon im Sommersemester 2013 aus gesundheitlichen Gründen nicht vollständig studierfähig gewesen sei. Diesem Antrag fügte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung, dass er im Sommersemester 2013 nur eingeschränkt studierfähig gewesen sei, sowie eine Bescheinigung der Hochschule C. vom 16. Oktober 2014 bei, dass es ihm durch zeitlich geringen Mehraufwand im Studium möglich sei, die fehlenden Leistungspunkte binnen zwei Semestern nachzuholen.
Mit Bescheid vom 21. November 2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Ausbildungsförderung für den Zeitraum September 2014 bis August 2015 nach vorheriger Anhörung ab. Die Beklagte begründete dies damit, dass vom 5. Fachsemester an Ausbildungsförderung nur bei Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 48 Abs. 1 BAföG geleistet werden können. Einen solchen Nachweis habe der Kläger nicht vorgelegt. Die Voraussetzungen für eine spätere Vorlage lägen nicht vor. Zwar sei der Kläger erkrankt gewesen und habe sich deswegen für zwei Semester beurlauben lassen. Allerdings habe seine Erkrankung bereits vorher seinen Studienfortschritt behindert, so dass ihn die Obliegenheit getroffen habe, sich eher beurlauben zu lassen. Da er dieser Obliegenheit nicht nachgekommen sei, komme eine spätere Vorlage des Nachweises nicht in Betracht.
Der Kläger bat daraufhin um Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 21. November 2014 und legte einen ausführlichen Bericht einer neurologischen Klinik über seine stationäre Behandlung dort vom 10. bis 15. August 2013 sowie ein fachärztliches Attest vom 8. Dezember 2014 vor, das ihm eine psychische Erkrankung bestätigte, die sich seit dem Wintersemester 2012/13 langsam schleichend, jedoch zunehmend verschlechternd auf seinen Gesundheitszustand ausgewirkt habe, wobei er nicht in der Lage gewesen sei, seinen Erkrankungszustand zweifelsfrei einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die begehrte Rücknahme ihres Bescheides vom 21. November 2014 ab. Die Erkrankung des Klägers rechtfertige allenfalls eine Verschiebung des Leistungsnachweises um ein Semester. In einem Semester könne er aber nicht die entsprechenden ECTS-Credits nachholen, so dass eine Verschiebung auch unter Berücksichtigung der Tz. 48.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BAföG nicht entsprochen werden könne.
Am 16. Dezember 2014 hatte der Kläger bereits Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben mit dem Ziel, Ausbildungsförderung für die Zeit von September 2014 bis August 2015 zu erhalten. Zur Begründung hat er angeführt, dass er im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013 eingeschränkt studierfähig gewesen sei, dies aber aufgrund des Wesens seiner Erkrankung nicht habe erkennen können. Trotz allem habe er noch an wenigen Klausuren teilgenommen und diese teilweise auch sehr gut bestanden. Als sein Gesundheitszustand sich verschlechtert habe und er tatsächlich studierunfähig geworden sei, habe er sich umgehend beurlauben lassen. Es liege damit ein schwerwiegender Grund vor, der die Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertige.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit sie auf die Verschiebung des Vorlagezeitpunktes des Leistungsnachweises um mehr als ein Semester nach hinten und Leistungsbewilligung für die Zeit von März bis August 2015 gerichtet war, und beantragt,
die Beklagte unter Zulassung einer Verschiebung der Vorlage einer Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG um ein Semester und Aufhebung des Bescheides vom 21. November 2014 sowie des Überprüfungsbescheides vom 18. Dezember 2014 zu verpflichten, ihm Ausbildungsförderung für den Zeitraum von September 2014 bis Februar 2015 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Bescheide verteidigt und darüber hinaus darauf hingewiesen, dass, sollte der Kläger auch im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013 aufgrund seiner Erkrankung eine Studierfähigkeit von unter 50% aufgewiesen haben, die ihm gewährte Ausbildungsförderung zurückgefordert werden müsse. Da der Kläger aber in den genannten Semestern am Studienbetrieb teilgenommen und Prüfungsleistungen erbracht habe, sei davon auszugehen, dass er ausreichend studierfähig gewesen sei. Allerdings könne angesichts der vom Kläger erbrachten Leistungen während seines gesamten Studiums nicht davon ausgegangen werden, dass seine krankheitsbedingt eingeschränkte Studierfähigkeit im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013 ursächlich dafür gewesen sei, dass er den erforderlichen Leistungsnachweis nicht bis zum Ende des 4. Fachsemesters habe erbringen können. Denn auch im Wintersemester 2011/12 und im Sommersemester 2012 habe er den überwiegenden Teil der für diese Semester vorgesehenen Leistungen nicht erbracht.
Mit Urteil vom 30. September 2016 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hatte, den Bescheid der Beklagten vom 21. November 2014 aufgehoben, soweit er noch streitgegenständlich war, und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Zulassung einer Verschiebung der Vorlage einer Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG um ein Semester für die Zeit von September 2014 bis Februar 2015 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Sein Urteil hat das Verwaltungsgericht damit begründet, dass im Fall des Klägers Tatsachen vorgelegen hätten, die im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer um ein Semester rechtfertigen würden. Denn er habe unter einer psychischen Erkrankung gelitten, die es ihm unmöglich oder unzumutbar gemacht habe, seinen Krankheitszustand bereits im Wintersemester 2012/13 oder im Sommersemester 2013 zu erkennen und sich beurlauben zu lassen. Die Auskünfte des behandelnden Facharztes des Klägers stützten diese Annahme. Sachgerecht sei es, dem Kläger ein weiteres Semester für die Erbringung des Leistungsnachweises zuzubilligen, weil er im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013 nicht studierunfähig, sondern nur eingeschränkt studierfähig gewesen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt, die der Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils mit Beschluss vom 18. Dezember 2017 zugelassen hat.
Ihre Berufung begründet die Beklagte damit, dass das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen habe, ob der Kläger den Leistungsnachweis überhaupt innerhalb des verlängerten Förderzeitraumes erbringen könne. Dieser Aspekt hätte aber zwingend berücksichtigt werden müssen, da Ausbildungsförderung auch bei Vorliegen von Tatsachen im Sinne des § 48 Abs. 2 BAföG gemäß Tz. 48.2.1. der BAföGVwV nicht geleistet werden dürfe, wenn nach Aktenlage feststehe, dass die auszubildende Person den Leistungsnachweis nicht innerhalb der verlängerten Förderungszeit erbringen könne. Dies sei hier der Fall, weil aus der Prognoseentscheidung der Hochschule C. vom 16. Oktober 2014 hervorgehe, dass der Kläger die fehlenden Leistungspunkte in zwei Semestern nachholen könne. Im Umkehrschluss folge daraus, dass eine Nachholung binnen eines Semesters nicht möglich sei. Diese Einschätzung werde auch durch die Bescheinigung der Hochschule C. vom 8. November 2016 über den Leistungsstand des Klägers im fraglichen Zeitraum gestützt.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 30. September 2016 zu ändern, soweit es nicht die Verfahrenseinstellung infolge der teilweisen Klagerücknahme betrifft, und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er begründet dies damit, dass er die noch benötigten 60 Credits auch in einem Semester nachholen könne. Er sei ein vorbildlicher Student und habe in den Semestern vor seinen Urlaubssemestern bewiesen, dass er schneller und effektiver als andere Leistungen erbringen könne. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sei der Richter sehr wohl davon ausgegangen, dass die benötigten Credits auch in einem Semester zu erreichen seien. Ursprünglich habe er auch nur eine Verlängerung um ein Semester beantragt, dann jedoch auf Anraten des zuständigen Sachbearbeiters eine Verlängerung um zwei Semester begehrt. Die Beklagte treffe ein Mitverschulden an der Verzögerung seines Studiums, da er lange auf die Bewilligungsbescheide habe warten und daher zur Deckung seiner Fixkosten erwerbstätig habe sein müssen. Durch das Klageverfahren sei es zu einer weiteren Verzögerung gekommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130 a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen der Ausbildungsförderung für die Zeit von September 2014 bis Februar 2015, weil er eine um ein Semester nach hinten verschobene Vorlage des Leistungsnachweises im Sinne von § 48 Abs. 1 BAföG nicht verlangen kann. Die Bescheide der Beklagten vom 21. November 2014 und vom 18. Dezember 2014 sind, soweit der Kläger sie mit seiner Klage angegriffen hat, rechtmäßig und verletzten ihn nicht in seinen Rechten.
§ 48 Abs. 1 Satz 1 BAföG bestimmt, dass vom fünften Fachsemester an Ausbildungsförderung für den Besuch einer Höheren Fachschule, Akademie oder einer Hochschule nur von dem Zeitpunkt an geleistet wird, in dem der Auszubildende vorgelegt hat 1. ein Zeugnis über eine bestandene Zwischenprüfung, die nach den Ausbildungsbestimmungen erst vom Ende des dritten Fachsemesters an abgeschlossen werden kann und vor dem Ende des vierten Fachsemesters abgeschlossen worden ist, 2. eine nach Beginn des vierten Fachsemesters ausgestellte Bescheinigung der Ausbildungsstätte darüber, dass er die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen erbracht hat, oder 3. einen nach Beginn des vierten Fachsemesters ausgestellten Nachweis über die bis dahin erworbene Anzahl von Leistungspunkten nach dem Europäischen System zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS), wenn die bei geordnetem Verlauf der Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters übliche Zahl an ECTS-Leistungspunkten nicht unterschritten wird. Nach § 48 Abs. 2 BAföG kann das Amt für Ausbildungsförderung die Vorlage der Bescheinigung zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt zulassen, wenn Tatsachen vorliegen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Absatz 3 BAföG oder eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15a Absatz 3 BAföG rechtfertigen. Der hier allein in Betracht kommende § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG bestimmt, dass über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet wird, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden ist. Der vom Auszubildenden geltend gemachte Verzögerungsgrund muss allerdings für den Ausbildungsrückstand auch ursächlich sein; dafür trägt der Auszubildende die Beweislast, so dass sich Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Feststellung der Ursächlichkeit zum Nachteil des Auszubildenden auswirken, wenn sie in seine Verantwortungs- und Verfügungssphäre fallen (BVerwG, Urt. v. 13.10.1988 - 5 C 35.85 -, BVerwGE 80, 290, 297; Beschl. v. 29.1.2014 - 5 B 1.13 -, juris).
Gemessen daran hat der Senat bereits erhebliche Zweifel daran, ob der vom Kläger geltend gemachte Verzögerungsgrund der eingeschränkten Studierfähigkeit aufgrund einer schleichenden psychischen Erkrankung im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013, der grundsätzlich geeignet ist, einen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG darzustellen, für die Verzögerung seines Studiums überhaupt ursächlich gewesen ist. Denn auch in den ersten beiden Semestern seines Studiums, für die ein im Sinne von § 15 Abs. 3 BAföG oder § 15 a Abs. 3 BAföG beachtlicher Verzögerungsgrund weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich ist, hat der Kläger nicht einmal die Hälfte der nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Credits erreicht. Diese sah in der Fassung ab WS 2010/11 für das erste Semester 30 Credits und für das zweite Semester 28 Credits, also zusammen 58 Credits, vor. Der Kläger hat indessen im Wintersemester 2011/12 nur 14 Credits und im Sommersemester 2012 nur 9 Credits, zusammen 23 Credits, erreicht. Damit war der Grundstein für die sich in den folgenden beiden Fachsemestern vertiefende Studienverzögerung bereits in den ersten beiden Fachsemestern gelegt worden, so dass zumindest nicht von einer ausschließlichen Kausalität seiner Erkrankung für die Verzögerung ausgegangen werden kann. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erkrankung des Klägers im 3. und 4. Fachsemester sein Studium um lediglich ein Semester verzögert hat, weil eine Verzögerung um mindestens ein Semester schon aufgrund des Studienverlaufs im 1. und 2. Fachsemester eingetreten war.
Doch selbst wenn man – wie es das Verwaltungsgericht getan hat – in der bereits im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013 bestehenden Erkrankung des Klägers die alleinige Ursache für die eingetretene Studienverzögerung erkennt, kommen die vom Kläger begehrte Verschiebung des Zeitpunktes für die Vorlage des Leistungsnachweises um ein Semester und die damit einhergehende Verlängerung der Förderungshöchstdauer um diesen Zeitraum nicht in Betracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nur gerechtfertigt, wenn entweder die Prognose gestellt werden kann, dass der Auszubildende die Ausbildung in der verlängerten Förderungsdauer berufsqualifizierend abschließen kann, oder – bei Förderungsanträgen, über die erst nach Ablauf des beantragten Verlängerungszeitraums entschieden wird – wenn die tatsächliche Ausbildungsentwicklung eine entsprechende Feststellung zulässt (BVerwG, Urt. v. 25.1.1995 - 11 C 9.94 -, FamRZ 1995, 767 unter Verweis auf Urt. v. 16.11.1978 - V C 38.77 -, BVerwGE 57, 79, v. 7.2.1980 - 5 C 38.78 -, FamRZ 1980, 730, v. 22.10.1981 – 5 C 111.79 -, FamRZ 1982, 544, v. 8.9.1983 - 5 C 26.81 -, BVerwGE 68, 20 u. v. 13.10.1988 - 5 C 35.85 -, BVerwGE 80, 290). Dementsprechend setzt eine Verschiebung des Zeitpunktes für die Vorlage der Leistungsbescheinigung voraus, dass die Prognose gestellt werden kann, dass es dem Auszubildenden möglich ist, innerhalb des nach § 48 Abs. 2 BAföG angemessenen Zeitraums die nach § 48 Abs. 1 BAföG zum Ende des 4. Fachsemesters erforderlichen Leistungen zu erbringen (vgl. Bay.VGH, Beschl. v. 26.6.2006 - 12 C 06.51 -, juris; VG München, Urt. v. 8.12.2016 - M 15 K 15.5789 -, juris; Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 48 Rn. 34), oder dass - bei einer Entscheidung nach dem Ablauf des angemessenen Zeitraums - aufgrund der tatsächlichen Ausbildungsentwicklung die Feststellung getroffen werden kann, dass die erforderlichen Leistungen für den Nachweis nach § 48 Abs. 1 BAföG erbracht worden sind. Daran fehlt es hier.
Wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 18. Dezember 2014 unter Hinwies auf Tz. 48.2.1. BAföG-VwV, wonach Ausbildungsförderung auch bei Vorliegen von Tatsachen im Sinne des § 48 Abs. 2 BAföG nicht geleistet wird, wenn nach Aktenlage feststeht, dass die auszubildende Person den Leistungsnachweis nicht innerhalb der verlängerten Förderungszeit erbringen kann, zu Recht ausgeführt hat, kam eine Verschiebung des Zeitpunktes für die Vorlage des Leistungsnachweises bereits deshalb nicht in Betracht, weil es dem Kläger innerhalb eines Semesters nicht möglich gewesen ist, seinen Rückstand aufzuholen. Der Kläger hatte in seinen ersten vier Fachsemestern im Studiengang Maschinenbau lediglich insgesamt 38 Credits erreichen können. Zum Zeitpunkt der Stellung seines Antrags auf Ausbildungsförderungsleistung für das Wintersemester 2014/15 waren für den Leistungsnachweis nach § 48 Abs. 1 BAföG aber mindestens 110 Credits nach vier Fachsemestern vorzuweisen. Der Kläger hätte also weitere 72 Credits in dem Verlängerungssemester erreichen müssen, also mehr als das Doppelte von dem, was bei einem mustergültigen, an der Studienordnung orientierten Ausbildungsverlauf binnen eines Semesters zu leisten gewesen wäre. Dass eine solche Studienleistung dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, liegt auf der Hand. Dagegen spricht bereits die vom Kläger selbst im Verwaltungsverfahren vorgelegte Bescheinigung der Hochschule C. vom 16. Oktober 2014, nach der es durch zeitlichen Mehraufwand möglich gewesen wäre, die fehlenden Leistungspunkte in zwei Semestern nachzuholen. Da diese Prognose bereits einen zeitlichen Mehraufwand berücksichtigt hat, folgt daraus ohne Weiteres, dass eine Nachholung innerhalb der Hälfte der dort angegebenen Zeit nicht möglich gewesen wäre. Der Hinweis des Klägers darauf, dass ab dem 29. Februar 2016 die für die Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG erforderliche Punktzahl auf 100 Credits nach dem 4. Fachsemester herabgesetzt worden sei, führt bereits deshalb zu keiner anderen Betrachtungsweise, weil die Herabsetzung sich auf einen Zeitpunkt bezieht, der für den streitgegenständlichen Förderungszeitraum keine Rolle spielt. Im Übrigen wäre es dem Kläger auch nicht möglich gewesen, 62 Credits innerhalb eines Semesters zu leisten. Der tatsächliche Ausbildungsverlauf im Wintersemester 2014/15 erlaubt keine andere Feststellung. Denn es ist dem Kläger nicht gelungen, innerhalb eines Semesters die benötigten Credits zu erreichen. Dies geht aus der von der Beklagten vorgelegten Bescheinigung der Hochschule C. vom 8. November 2016 eindeutig hervor. Danach hatte der Kläger im sechsten Fachsemester nach seinem Wechsel zum Fach Verfahrens-, Energie- und Umwelttechnik zum Wintersemester 2015/16, wobei ihm die im Maschinenbaustudium erbrachten Leistungen im Wesentlichen anerkannt worden waren, lediglich 70 Credits erreicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.